Die Freude ist riesig: Ein neuer Gebrauchtwagen steht vor der Tür! Die Probefahrt war ein Traum, der Preis passte, und nun sind Sie stolzer Besitzer eines „neuen“ Gefährts. Doch bevor Sie sich ins Abenteuer stürzen und die ersten Kilometer zurücklegen, gibt es eine grundlegende, aber oft unterschätzte Hürde: das richtige Tanken. Insbesondere bei einem Gebrauchtwagen kann die Unsicherheit, welche Kraftstoffart nun wirklich die richtige ist, zu Kopfzerbrechen führen – oder schlimmstenfalls zu einem teuren Motorschaden. Lassen Sie uns gemeinsam diesen wichtigen Aspekt beleuchten, damit Ihr Start mit dem neuen Gebrauchten reibungslos verläuft und Sie an der Zapfsäule garantiert keinen Fehler machen.
Ein falscher Griff zur Zapfpistole kann weitreichende Konsequenzen haben, die von einer liegengebliebenen Karre bis hin zu massiven Reparaturkosten reichen. Gerade bei älteren oder importierten Fahrzeugen sind die Informationen manchmal nicht so offensichtlich, wie man es sich wünschen würde. Doch keine Sorge, mit ein paar einfachen Schritten und dem richtigen Wissen können Sie diese Falle elegant umgehen.
Der erste Blick: Wo finde ich die richtige Kraftstoffart?
Bevor Sie überhaupt eine Tankstelle ansteuern, sollten Sie sich vergewissern, welchen Kraftstoff Ihr Gebrauchtwagen benötigt. Hier sind die verlässlichsten Quellen:
- Der Tankdeckel / Die Tankklappe: Dies ist die offensichtlichste und schnellste Informationsquelle. In den meisten modernen Fahrzeugen findet sich auf der Innenseite der Tankklappe oder direkt am Tankdeckel ein Aufkleber, der eindeutig Auskunft über die benötigte Kraftstoffart gibt. Achten Sie auf Begriffe wie „Super E5“, „Super E10“, „Diesel“ oder entsprechende Oktanzahlen (z.B. „ROZ 95“, „ROZ 98“).
- Die Betriebsanleitung: Das Handbuch Ihres Fahrzeugs ist eine Goldgrube an Informationen. Unter dem Abschnitt „Tanken“ oder „Technische Daten“ finden Sie detaillierte Angaben zum empfohlenen Kraftstoff. Gerade bei einem Gebrauchtwagen, dessen Historie vielleicht nicht lückenlos bekannt ist, ist die Betriebsanleitung unverzichtbar. Falls keine physische Anleitung vorhanden ist, versuchen Sie, diese online beim Hersteller zu finden – oft reicht die Eingabe von Marke, Modell und Baujahr.
- Die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein): Auch wenn es nicht immer explizit die Kraftstoffart nennt, gibt die Zulassungsbescheinigung Aufschluss über den Motortyp und die Abgasnormen, die indirekt auf den Kraftstoff hindeuten können. Dies ist jedoch eher eine sekundäre Quelle und sollte nicht Ihre primäre Wahl sein.
- Der Vorbesitzer oder Händler: Zögern Sie nicht, den Vorbesitzer oder den Gebrauchtwagenhändler direkt zu fragen. Diese Personen sollten die benötigte Kraftstoffart genau kennen. Notieren Sie sich die Antwort am besten sofort, um sie nicht zu vergessen.
- Online-Ressourcen: Viele Hersteller bieten auf ihren Websites Kompatibilitätslisten an, insbesondere für E10. Auch spezielle „E10-Checker“ können hilfreich sein, wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Fahrzeug den Kraftstoff mit höherem Ethanolanteil verträgt.
Die verschiedenen Kraftstoffarten in Deutschland (und was sie bedeuten)
Um an der Zapfsäule nicht in Panik zu geraten, ist es wichtig, die gängigen Bezeichnungen zu verstehen:
Benzin (für Benziner-Motoren)
Benzin ist nicht gleich Benzin. Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale sind die Oktanzahl (ROZ – Research-Oktanzahl) und der Ethanolanteil.
- Super E5 (ROZ 95): Dies ist der Standard-Benzinkraftstoff. Das „E5“ bedeutet, dass er bis zu 5% Bioethanol enthalten darf. Fast alle Benziner, die nach 1990 gebaut wurden, vertragen E5 problemlos. Es ist in der Regel mit „Super Bleifrei 95“ oder „Super 95“ gekennzeichnet.
- Super E10 (ROZ 95): Der Kraftstoff ist seit 2011 an deutschen Tankstellen erhältlich und enthält bis zu 10% Bioethanol. Der höhere Ethanolanteil soll zur Reduzierung von CO2-Emissionen beitragen. Das Problem: Nicht alle Fahrzeuge vertragen E10. Es ist entscheidend, die E10-Verträglichkeit Ihres Gebrauchtwagens zu prüfen. Moderne Fahrzeuge ab ca. Baujahr 2000 sind in der Regel E10-tauglich, aber es gibt Ausnahmen. Bei Nicht-Verträglichkeit können Dichtungen angegriffen oder Korrosion in der Kraftstoffanlage verursacht werden. Im Zweifel gilt: Tanken Sie lieber E5!
- Super Plus (ROZ 98): Dieser Kraftstoff hat eine höhere Oktanzahl (mindestens 98 ROZ) und enthält ebenfalls bis zu 5% Ethanol. Er ist teurer als E5 und E10. Einige Sportwagen oder Motoren mit hoher Verdichtung benötigen Super Plus, um ihre volle Leistung zu entfalten und Motorschäden durch „Klingeln“ (unkontrollierte Selbstentzündung) zu vermeiden. Die meisten Fahrzeuge, die Super E5 benötigen, können auch Super Plus tanken – ein Schaden entsteht dadurch nicht, höchstens eine unnötige Ausgabe, da der Motor die höhere Oktanzahl nicht zwingend in mehr Leistung umsetzt.
- Premium-Kraftstoffe (z.B. Aral Ultimate 102, Shell V-Power Racing 100): Diese Kraftstoffe bieten eine noch höhere Oktanzahl (100 oder 102 ROZ) und spezielle Additive. Sie sind die teuersten Optionen und werden in der Regel für Hochleistungsfahrzeuge empfohlen oder wenn der Hersteller explizit eine solche Oktanzahl vorschreibt. Für den normalen Gebrauchtwagen sind sie meistens unnötig und bieten keinen spürbaren Vorteil.
Diesel (für Diesel-Motoren)
Diesel-Kraftstoff ist in der Regel einfacher zu handhaben, da die Vielfalt geringer ist. Die gängige Bezeichnung ist „Diesel B7“.
- Diesel B7: Der Standard-Dieselkraftstoff, der an deutschen Tankstellen angeboten wird. Das „B7“ steht dafür, dass er bis zu 7% Biodiesel enthalten darf. Fast alle Dieselmotoren sind für B7 ausgelegt.
- Premium-Diesel (z.B. Aral Ultimate Diesel, Shell V-Power Diesel): Ähnlich wie bei Benzin gibt es auch Premium-Diesel-Varianten. Diese enthalten oft spezielle Additive, die die Motorsauberkeit verbessern, den Verbrauch leicht senken oder eine bessere Kaltstartfähigkeit versprechen. Manche Premium-Diesel enthalten auch weniger oder gar keinen Biodieselanteil, was für ältere Motoren vorteilhaft sein kann. Für die meisten Gebrauchtwagen ist der Standard-Diesel B7 jedoch vollkommen ausreichend.
Wichtiger Hinweis zu Gas und Elektro:
Es gibt natürlich auch Fahrzeuge, die mit Autogas (LPG), Erdgas (CNG) oder Strom betrieben werden. Diese sind in der Regel eindeutig gekennzeichnet (z.B. mit einem „LPG“- oder „CNG“-Aufkleber) und haben spezielle Tank- bzw. Ladevorrichtungen. Bei diesen Fahrzeugen stellt sich die Frage nach Benzin oder Diesel nicht, es sei denn, es handelt sich um ein bivalentes Fahrzeug (z.B. CNG mit Benzin als Notkraftstoff).
Der Gau: Falsch getankt – Was nun?
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann es im Eifer des Gefechts passieren: Sie haben versehentlich den falschen Kraftstoff getankt. Das ist ein Schockmoment, aber bewahren Sie Ruhe! Das Wichtigste ist, die richtigen Schritte einzuleiten, um größere Schäden zu vermeiden.
1. Benzin in einen Dieselmotor getankt (Der häufigste Fehler!)
Dies ist der kritischste Fall. Die Benzindüse passt problemlos in den Dieseltankstutzen, und viele Menschen bemerken ihren Fehler erst, wenn es zu spät ist.
- Warum ist es so gefährlich? Dieselmotoren sind auf die Schmierfähigkeit des Dieselkraftstoffs angewiesen. Benzin wirkt wie ein Lösungsmittel, das den Schmierfilm zerstört. Dies kann zu schweren Schäden an der Hochdruckpumpe, den Einspritzdüsen und dem gesamten Einspritzsystem führen.
- Was tun?
- Auf keinen Fall den Motor starten! Nicht einmal die Zündung einschalten. Schon das bloße Einschalten der Zündung kann die Kraftstoffpumpe aktivieren und den falschen Kraftstoff in das System pumpen.
- Melden Sie Ihren Fehler sofort dem Tankstellenpersonal.
- Schieben Sie das Fahrzeug von der Zapfsäule weg, falls möglich.
- Rufen Sie den Pannendienst (ADAC, Schutzbrief Ihres Versicherers oder eine Fachwerkstatt). Das Fahrzeug muss abgeschleppt und der Tank samt Kraftstoffsystem professionell entleert und gereinigt werden.
2. Diesel in einen Benzinmotor getankt
Dieser Fall ist seltener, da die Dieselzapfpistolen in der Regel einen größeren Durchmesser haben und nicht in den Tankstutzen von Benzinern passen. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel, insbesondere bei älteren Fahrzeugen oder speziellen Modellen.
- Warum ist es gefährlich? Diesel ist ein Schweröl und brennt anders als Benzin. Im Benziner führt Diesel zu einer schlechten Verbrennung, Rußbildung und kann den Katalysator beschädigen.
- Was tun?
- Auch hier gilt: Den Motor starten Sie auf keinen Fall!
- Rufen Sie den Pannendienst. Der Tank muss ebenfalls entleert und das System gereinigt werden.
3. E10 in einen nicht-E10-tauglichen Benziner getankt
Dieser Fehler ist weniger dramatisch als die Verwechslung von Benzin und Diesel, sollte aber dennoch ernst genommen werden.
- Was tun?
- Wenn Sie nur eine geringe Menge E10 getankt haben und der Tank noch weitgehend leer war, können Sie den Tank sofort mit Super E5 oder Super Plus auffüllen, um den Ethanolanteil zu verdünnen.
- Haben Sie den Tank komplett mit E10 gefüllt und Ihr Fahrzeug ist definitiv nicht E10-tauglich, sollten Sie ebenfalls den Pannendienst rufen und den Tank entleeren lassen. Langfristig können Dichtungen und Leitungen beschädigt werden.
Prävention ist alles: So vermeiden Sie Fehler an der Zapfsäule
Ein kleiner Check kann viel Ärger ersparen. Machen Sie es sich zur Gewohnheit:
- Immer doppelt prüfen: Bevor Sie die Zapfpistole aus der Halterung nehmen, werfen Sie einen Blick auf den Aufkleber am Tankdeckel und auf die Zapfpistole selbst. Stimmen die Bezeichnungen überein?
- Keine Ablenkung: Das Tanken sollte eine bewusste Handlung sein. Vermeiden Sie Telefonate, SMS oder Gespräche, die Sie ablenken könnten.
- Farben merken (aber nicht blind vertrauen): In Deutschland sind Diesel-Zapfpistolen oft schwarz und Benzin-Zapfpistolen grün. Doch dies ist keine festgeschriebene Norm und kann international oder an einzelnen Tankstellen variieren. Verlassen Sie sich IMMER auf die Beschriftung.
- Aufkleber anbringen: Wenn Sie oder andere Familienmitglieder den Wagen nutzen, kann ein deutlicher Aufkleber im Sichtfeld des Fahrers (z.B. am Armaturenbrett oder am Schlüsselbund) mit der Aufschrift „NUR DIESEL“ oder „NUR SUPER E5“ eine nützliche Gedächtnisstütze sein.
- Gebrauchtwagen-Spezifika: Bei einem gebrauchten Importfahrzeug kann die Beschriftung am Tankdeckel anders sein. Informieren Sie sich im Zweifelsfall genau über die äquivalenten Kraftstoffarten in Deutschland.
Mythen und Missverständnisse rund ums Tanken
Es kursieren viele Gerüchte und Halbwahrheiten zum Thema Kraftstoff. Hier ein kurzer Realitätscheck:
- „Ein bisschen vom falschen Kraftstoff schadet nicht.“ – Falsch, insbesondere bei der Mischung von Benzin und Diesel. Schon geringe Mengen können zu ernsthaften Schäden führen.
- „Höheroktaniges Benzin macht mein Auto schneller.“ – Nicht unbedingt. Wenn Ihr Motor für ROZ 95 ausgelegt ist, kann er die höhere Oktanzahl von ROZ 98 oder 102 in der Regel nicht in mehr Leistung umsetzen. Sie verbrennen unnötig Geld. Nur Motoren, die speziell dafür konzipiert sind, profitieren.
- „Premium-Diesel reinigt den Motor.“ – Die speziellen Additive in Premium-Dieselsorten können tatsächlich Ablagerungen reduzieren und das Kraftstoffsystem sauberer halten. Ein „reinwaschen“ eines bereits stark verschmutzten Motors ist aber unwahrscheinlich. Eine regelmäßige Wartung ist hier entscheidender.
- „E10 schadet auch E10-tauglichen Autos.“ – Ein hartnäckiges Gerücht. Für Fahrzeuge, die vom Hersteller explizit als E10-tauglich eingestuft wurden, ist der Kraftstoff unbedenklich. Langzeitstudien haben keine negativen Auswirkungen gezeigt.
Fazit: Mit Bedacht zur ersten Füllung
Der Kauf eines Gebrauchtwagens ist aufregend und verspricht neue Mobilität. Lassen Sie sich diese Freude nicht durch einen unbedachten Griff an der Zapfsäule trüben. Nehmen Sie sich die Zeit, die erforderliche Kraftstoffart genau zu identifizieren und machen Sie sich diese Information zu eigen. Ein kurzer Blick auf den Tankdeckel, ein beherzter Check in der Betriebsanleitung oder eine schnelle Anfrage beim Verkäufer können Ihnen viel Ärger, Zeit und Geld ersparen.
Seien Sie achtsam, besonders in der Anfangsphase mit Ihrem neuen Gebrauchten. Dann steht einem unbeschwerten Fahrvergnügen nichts im Wege, und Sie können sich ganz auf das Wesentliche konzentrieren: die neuen Freiheiten, die Ihr Fahrzeug Ihnen bietet. Tanken Sie richtig, fahren Sie sicher, und genießen Sie die Fahrt!