Der Wind pfeift um die Ohren, die Stadt zieht vorbei, und man gleitet fast lautlos durch die Straßen. E-Scooter haben sich in Windeseile zu einem festen Bestandteil unseres urbanen Lebens entwickelt. Sie versprechen Freiheit, Flexibilität und eine Portion Spaß im oft grauen Verkehrsalltag. Doch wie bei jeder Form der Mobilität gibt es auch hier Regeln – und deren Einhaltung ist entscheidend. Eine der wichtigsten Vorgaben in Deutschland ist die maximale Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h. Aber mal ehrlich: Was passiert wirklich, wenn man nur ein kleines bisschen zu schnell ist? Wenn der Tacho 22 statt der erlaubten 20 km/h anzeigt? Ist das nur eine Lappalie oder drohen ernsthafte Konsequenzen? Wir tauchen tief in dieses Thema ein und beleuchten die potenziellen Risiken, Strafen und rechtlichen Fallstricke.
Die rechtliche Grundlage: 20 km/h sind nicht verhandelbar
Bevor wir uns den 22 km/h widmen, ist es wichtig, die gesetzliche Ausgangslage zu verstehen. E-Scooter fallen in Deutschland unter die sogenannte Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV). Diese Verordnung wurde 2019 eingeführt, um den Umgang mit diesen neuen Fahrzeugen rechtlich zu regeln. Eines der Kernmerkmale, das einen E-Scooter als Elektrokleinstfahrzeug definiert, ist seine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit. Diese darf 20 km/h nicht überschreiten. Diese Grenze ist keine willkürliche Zahl, sondern dient der Verkehrssicherheit. Sie soll sicherstellen, dass E-Scooter im urbanen Raum gut mit anderen Verkehrsteilnehmern – Fußgängern, Radfahrern, Autofahrern – koexistieren können, ohne ein erhöhtes Risiko darzustellen.
Ein E-Scooter, der die 20 km/h Grenze überschreitet, verliert unter bestimmten Umständen seinen Status als Elektrokleinstfahrzeug und damit seine Zulassung für den öffentlichen Straßenverkehr. Und genau hier beginnt das Problem bei nur „einem kleinen bisschen zu schnell”.
22 km/h: Ein „kleines bisschen” oder ein „großes Problem”?
Die intuitive Reaktion vieler mag sein: „Zwei Kilometer pro Stunde mehr? Das ist doch kaum spürbar und macht keinen Unterschied!” Dieser Gedanke ist jedoch trügerisch und kann zu schwerwiegenden Missverständnissen führen. Die entscheidende Frage, die über die Konsequenzen bestimmt, lautet: Überschreitet der E-Scooter die 20 km/h bauartbedingt (d.h. er ist von seiner Konstruktion her schneller) oder fährt er nur momentan kurzzeitig schneller (z.B. bergab mit Schwung, ohne dass das Gerät manipuliert wurde)? Die Unterscheidung ist fundamental.
Szenario 1: Der E-Scooter ist bauartbedingt schneller als 20 km/h
Dies ist der kritischere Fall. Wenn Ihr E-Scooter aufgrund von Tuning, einer Manipulation der Elektronik oder einer sonstigen baulichen Veränderung eine Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h erreichen kann und diese auch tut, dann handelt es sich nicht mehr um ein zulassungsfähiges Elektrokleinstfahrzeug. Schon bei geringen Überschreitungen von nur 2 km/h kann dies als „Tuning” oder „Leistungssteigerung” interpretiert werden. Die Folgen sind hier drastisch:
- Erlöschen der Betriebserlaubnis: Dies ist der erste und wichtigste Punkt. Der E-Scooter verliert seine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) oder Einzelzulassung. Das bedeutet, er darf nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr gefahren werden.
- Kein Versicherungsschutz: Hand in Hand mit dem Erlöschen der Betriebserlaubnis geht der Verlust des Versicherungsschutzes. Ihre Haftpflichtversicherung (die für E-Scooter Pflicht ist) greift nicht mehr, wenn das Fahrzeug manipuliert wurde oder nicht der Zulassung entspricht. Dies ist eine der größten Gefahren, denn im Falle eines Unfalls bleiben Sie auf allen Kosten sitzen.
- Strafrechtliche Konsequenzen: Hier wird es ernst.
- Fahren ohne Pflichtversicherung (§ 6 Pflichtversicherungsgesetz): Da der Versicherungsschutz erlischt, fahren Sie faktisch ohne Versicherung. Dies ist eine Straftat, die mit einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden kann.
- Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Straßenverkehrsgesetz): Wenn der E-Scooter durch die Manipulation so schnell wird, dass er als Mofa oder sogar Kleinkraftrad eingestuft würde (was schon bei ca. 25-30 km/h der Fall sein kann, je nach genauerer Einschätzung), dann bräuchten Sie dafür eine entsprechende Fahrerlaubnis (z.B. Klasse AM für Mofa). Besitzen Sie diese nicht, begehen Sie auch hier eine Straftat, die ebenfalls mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet wird. Selbst wenn der E-Scooter nicht direkt in eine andere Fahrzeugklasse fällt, kann die Überschreitung der bauartbedingten Geschwindigkeit zu dieser Einstufung führen.
- Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB): In extremen Fällen, insbesondere bei grob verkehrswidrigem und rücksichtslosem Fahren, kann sogar dieser Straftatbestand erfüllt sein.
- Bußgelder und Punkte: Zusätzlich zu den strafrechtlichen Folgen drohen Bußgelder für das Fahren ohne Betriebserlaubnis und eventuell Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg.
Stellen Sie sich vor: Sie verursachen mit Ihrem getunten E-Scooter einen Unfall, bei dem ein Fußgänger schwer verletzt wird. Ohne Versicherungsschutz müssten Sie die gesamten Kosten für Heilbehandlung, Schmerzensgeld, Verdienstausfall und mögliche lebenslange Rentenzahlungen aus eigener Tasche zahlen. Das kann in die Millionen gehen und Sie ein Leben lang finanziell ruinieren.
Szenario 2: Der E-Scooter ist für 20 km/h zugelassen, fährt aber momentan schneller
Dieses Szenario ist weniger gravierend, aber ebenfalls nicht folgenlos. Wenn Ihr E-Scooter von der Bauart her korrekt für 20 km/h zugelassen ist, Sie aber beispielsweise bergab oder durch kurzfristiges Überziehen des Gashebels auf 22 km/h beschleunigen, handelt es sich um eine Geschwindigkeitsüberschreitung im klassischen Sinne. Hierbei gelten die Regeln des Bußgeldkatalogs:
- Bußgeld: Eine Überschreitung der Geschwindigkeit um 2 km/h ist zwar gering, kann aber dennoch geahndet werden. Innerorts droht ab 1 km/h Überschreitung ein Verwarnungsgeld. Ab 10 km/h Überschreitung können es schon 30 Euro oder mehr sein. Die Toleranzabzüge (meist 3 km/h bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h) müssen natürlich berücksichtigt werden. Nach Abzug der Toleranz ist es unwahrscheinlich, dass bei 22 km/h noch eine Strafe droht. Wenn die Messung aber 25 km/h ergibt und dann 3 km/h Toleranz abgezogen werden, bleiben 22 km/h als Überschreitung.
- Keine direkten Probleme mit Betriebserlaubnis/Versicherungsschutz: In diesem Fall bleiben die Betriebserlaubnis und der Versicherungsschutz intakt, da das Fahrzeug nicht manipuliert wurde. Es handelt sich „nur” um ein Fehlverhalten im Straßenverkehr.
Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Die Polizei kann eine Geschwindigkeitsüberschreitung auch als Indiz für ein mögliches Tuning werten und den E-Scooter genauer überprüfen lassen, beispielsweise auf einem mobilen Prüfstand. Ergibt die Prüfung dann, dass der E-Scooter bauartbedingt schneller als 20 km/h ist, fallen Sie sofort in Szenario 1 zurück.
Wie wird das festgestellt? Die Rolle der Polizei
Manch einer mag denken: „Wer soll das denn überprüfen? Die paar km/h mehr?” Doch die Polizei ist gut ausgerüstet und geschult. Kontrollen von E-Scootern werden immer häufiger. Beamte können:
- Geschwindigkeitsmessungen durchführen: Mit Laserpistolen oder anderen Messgeräten kann die aktuelle Geschwindigkeit präzise erfasst werden.
- Verdacht auf Tuning: Auffälliges Fahrverhalten, besonders hohe Geschwindigkeiten oder auch die bloße Vermutung können dazu führen, dass der E-Scooter genauer unter die Lupe genommen wird.
- Prüfstandkontrollen: Immer öfter kommen mobile Prüfstände zum Einsatz. Dort kann innerhalb weniger Minuten die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit eines E-Scooters ermittelt werden. Zeigt dieser Prüfstand mehr als 20 km/h (plus eine geringe Messtoleranz) an, ist die Sache klar: Der Scooter ist getunt und die oben genannten schwerwiegenden Konsequenzen treten ein.
Die Ausrede „Das sind nur Messungenauigkeiten” zieht hier nicht. Die Messgeräte der Polizei sind kalibriert, und es werden stets Messtoleranzen abgezogen, um eine möglichst hohe Genauigkeit und Gerechtigkeit zu gewährleisten. Was übrig bleibt, ist die tatsächlich relevante Überschreitung.
Die psychologische und soziale Dimension
Abgesehen von den rein rechtlichen und finanziellen Konsequenzen gibt es auch eine psychologische und soziale Dimension. Wer bewusst zu schnell fährt, setzt sich und andere einem erhöhten Risiko aus. Ein E-Scooter ist im Vergleich zu einem Fahrrad oder Motorroller weniger stabil und bietet kaum Schutz bei einem Sturz. Jede zusätzliche Geschwindigkeit verlängert den Bremsweg und reduziert die Reaktionszeit.
Ein Unfall kann nicht nur körperliche Verletzungen mit sich bringen, sondern auch psychische Traumata. Die Konfrontation mit der eigenen Verantwortung bei einem selbstverursachten Unfall, bei dem andere zu Schaden gekommen sind, ist eine enorme Belastung. Das Gefühl, ein Leben lang für die Folgen aufkommen zu müssen, ist immens.
Zudem trägt ein rücksichtsloses Fahrverhalten zur negativen Wahrnehmung von E-Scooter-Fahrern in der Öffentlichkeit bei. Das schadet dem Ruf aller E-Scooter-Nutzer und kann langfristig zu strengeren Regeln oder einer eingeschränkten Akzeptanz führen.
Prävention und Verantwortung: So bleiben Sie sicher und legal unterwegs
Die gute Nachricht ist: Alle diese Risiken lassen sich leicht vermeiden. Es erfordert lediglich ein bewusstes und verantwortungsvolles Verhalten:
- Kein Tuning: Lassen Sie die Finger von jeglichen Manipulationen, die die Leistung oder Geschwindigkeit Ihres E-Scooters erhöhen könnten. Kaufen Sie Geräte nur von seriösen Händlern, die eine gültige ABE oder Einzelzulassung garantieren.
- Geschwindigkeit beachten: Fahren Sie nicht schneller als erlaubt. Achten Sie auf Ihren Tacho. Besonders bergab können E-Scooter schneller werden, als Ihnen lieb ist. Nehmen Sie in solchen Situationen frühzeitig den „Gashebel“ zurück oder bremsen Sie sanft.
- Regelmäßige Kontrolle: Überprüfen Sie regelmäßig den Zustand Ihres E-Scooters, insbesondere Bremsen und Reifen.
- Rücksichtnahme: Fahren Sie vorausschauend, halten Sie Abstand und nehmen Sie Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere auf Fußgänger.
- Helm tragen: Obwohl nicht gesetzlich vorgeschrieben, schützt ein Helm bei einem Sturz vor Kopfverletzungen. Eine Investition, die sich lohnt.
Fazit: Die scheinbar kleine Abweichung mit großen Schattenseiten
Die Vorstellung, dass „nur ein kleines bisschen zu schnell” keine große Sache ist, kann sich als fataler Irrtum erweisen. Wenn Ihr E-Scooter aufgrund einer Manipulation 22 statt 20 km/h fahren kann, drohen nicht nur empfindliche Bußgelder und Punkte, sondern im schlimmsten Fall strafrechtliche Konsequenzen wegen Fahrens ohne Betriebserlaubnis, Fahrens ohne Pflichtversicherung und möglicherweise sogar Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Der Verlust des Versicherungsschutzes ist dabei das größte Damoklesschwert, das über Ihnen schwebt und Sie im Falle eines Unfalls finanziell ruinieren kann.
Die 20 km/h-Grenze ist nicht nur eine bürokratische Vorschrift, sondern eine grundlegende Säule der Verkehrssicherheit. Wer diese bewusst oder unbewusst missachtet, spielt mit Feuer. Der Spaß und die Bequemlichkeit, die ein E-Scooter bietet, sollten niemals auf Kosten der eigenen Sicherheit, der Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer und der Legalität gehen. Seien Sie verantwortungsbewusst, fahren Sie regelkonform und genießen Sie die Fahrt, ohne dabei unnötige Risiken einzugehen.