Die Simson – mehr als nur ein Zweirad. Für viele ist sie ein Stück Ostalgie, ein treuer Begleiter oder ein Hobby, das Generationen verbindet. Ob Schwalbe, S51, Star oder Sperber, diese Mopeds sind bekannt für ihre Robustheit und Zuverlässigkeit. Doch selbst die robusteste Technik braucht Pflege und gelegentlich eine fachgerechte Einstellung, damit sie „wieder rund läuft”. Ein zentrales Element, das maßgeblich über die Performance, den Verbrauch und die Lebensdauer Ihrer Simson entscheidet, ist der Vergaser.
Ein falsch eingestellter Vergaser kann zu zahlreichen Problemen führen: von schlechter Gasannahme und Leistungsverlust über übermäßigen Kraftstoffverbrauch bis hin zu Motorschäden durch Überhitzung. Aber keine Sorge! Mit der richtigen Anleitung und ein wenig Geduld können Sie das Vergaser einstellen an Ihrer Simson selbst meistern. Dieser umfassende Artikel führt Sie Schritt für Schritt durch den Prozess und gibt Ihnen alle notwendigen Informationen an die Hand, damit Ihre Simson wieder schnurrt wie ein Kätzchen – oder brummt wie ein echter Kultflitzer!
Warum die korrekte Vergasereinstellung so entscheidend ist
Der Vergaser ist das Herzstück der Gemischaufbereitung. Er mischt Luft und Kraftstoff im richtigen Verhältnis, bevor dieses Gemisch dem Motor zugeführt wird und dort verbrennt. Ist dieses Verhältnis nicht optimal, kommt es zu Problemen:
- Zu mageres Gemisch (zu viel Luft, zu wenig Kraftstoff): Der Motor überhitzt, da der Kraftstoff nicht nur zur Verbrennung dient, sondern auch zur Kühlung. Dies kann zu Kolbenfressern oder anderen schwerwiegenden Motorschäden führen. Zudem ist die Leistung oft geringer und die Gasannahme ruckeliger.
- Zu fettes Gemisch (zu wenig Luft, zu viel Kraftstoff): Der Motor läuft „rußig”, qualmt stark und hat einen hohen Kraftstoffverbrauch. Die Zündkerze verrust schnell, und die Leistung lässt zu wünschen übrig. Auch hier kann es zu Problemen kommen, da unverbrannter Kraftstoff den Ölfilm an den Zylinderwänden abwaschen kann.
Ziel ist es, das sogenannte „rehbraune” Kerzenbild zu erreichen – ein Zeichen für eine ideale Verbrennung und ein perfekt eingestelltes Gemisch.
Die Anatomie des Simson-Vergasers: Die wichtigsten Einstellschrauben
Die meisten Simson-Modelle sind mit einem BVF-Vergaser (oft 16N1 oder 16N3) ausgestattet. Unabhängig vom genauen Typ gibt es zwei Hauptschrauben, die für die Einstellung des Leerlaufs und des Leerlaufgemisches relevant sind:
- Leerlaufanschlagschraube (Drehzahlschraube): Diese Schraube beeinflusst die Position des Gasschiebers im Leerlauf und somit die Menge der zugeführten Luft. Sie regelt primär die Leerlaufdrehzahl. Bei den BVF-Vergasern ist sie oft die schräg nach oben zeigende Schraube.
- Leerlaufgemischschraube (Luftschraube/Gemischschraube): Diese Schraube reguliert die Menge des Luft-Kraftstoff-Gemisches im Leerlauf. Sie sitzt meist seitlich oder leicht schräg am Vergasergehäuse. Mit ihr stellen Sie ein, ob das Gemisch im Leerlauf fetter (mehr Kraftstoff) oder magerer (mehr Luft) ist.
Neben diesen beiden Schrauben gibt es weitere Komponenten, die das Gemisch in anderen Lastbereichen beeinflussen, wie die Teillastnadel (für den mittleren Drehzahlbereich), die Hauptdüse (für Vollgas) und der Schwimmer (regelt den Kraftstoffstand in der Schwimmerkammer). Die Einstellung der Nadelposition ist oft erst nach der Grundjustierung von Leerlauf und Gemisch relevant.
Vorbereitung ist alles: Was Sie brauchen und beachten sollten
Bevor Sie mit der Einstellung beginnen, ist eine gute Vorbereitung unerlässlich. Das spart Zeit und Nerven:
- Werkzeug: Sie benötigen in der Regel einen passenden Schraubendreher (Schlitz), eventuell einen kleinen Maulschlüssel für die Kontermutter der Leerlaufschraube und gegebenenfalls eine Zündkerzenschlüssel, um das Kerzenbild zu prüfen.
- Sauberkeit: Stellen Sie sicher, dass der Vergaser sauber ist. Verschmutzungen in Düsen oder Kanälen können jede Einstellung zunichtemachen. Eine Vergaserreinigung vorab ist immer empfehlenswert.
- Motor auf Betriebstemperatur: Eine korrekte Vergasereinstellung kann nur bei warmem Motor erfolgen. Fahren Sie die Simson daher etwa 5-10 Minuten, bis der Motor seine normale Betriebstemperatur erreicht hat.
- Luftfilter: Stellen Sie sicher, dass der Luftfilter sauber und korrekt montiert ist. Ein verschmutzter Filter verfälscht die Gemischzusammensetzung erheblich.
- Falschluft ausschließen: Prüfen Sie alle Dichtungen rund um den Vergaser, den Ansaugstutzen und die Kurbelwellensimmerringe auf Undichtigkeiten. Falschluft zieht die Gemischeinstellung ins Leere.
- Sicherheit: Arbeiten Sie in einem gut belüfteten Bereich, vermeiden Sie offenes Feuer und halten Sie einen Feuerlöscher bereit. Kraftstoff ist leicht entzündlich!
Schritt für Schritt zur optimalen Einstellung
Schritt 1: Grundeinstellung vornehmen
Beginnen Sie immer mit einer bekannten Grundeinstellung. Dies schafft einen festen Ausgangspunkt und erleichtert die Feineinstellung.
- Drehen Sie die Leerlaufanschlagschraube (Drehzahlschraube) ganz hinein und dann ca. 1,5 bis 2 Umdrehungen wieder heraus.
- Drehen Sie die Leerlaufgemischschraube (Luftschraube) ebenfalls ganz hinein (nicht zu fest, um die Spitze nicht zu beschädigen!). Dann drehen Sie sie wie folgt wieder heraus:
- BVF 16N1-Vergaser: ca. 1,5 bis 2 Umdrehungen heraus.
- BVF 16N3-Vergaser: ca. 2 bis 3 Umdrehungen heraus.
(Beachten Sie die genauen Werte für Ihren spezifischen Vergasertyp im Handbuch oder in speziellen Simson-Foren.)
Diese Werte dienen als erster Anhaltspunkt. Starten Sie den Motor erst, wenn Sie diese Grundeinstellung vorgenommen haben.
Schritt 2: Leerlaufdrehzahl grob einstellen
Der Motor sollte warm sein, wie oben beschrieben.
- Starten Sie den Motor. Er sollte jetzt laufen, eventuell etwas unruhig oder mit einer zu hohen/niedrigen Drehzahl.
- Drehen Sie die Leerlaufanschlagschraube langsam im Uhrzeigersinn hinein, bis die Drehzahl leicht ansteigt und der Motor stabil läuft, aber noch nicht „rast”. Das Ziel ist ein etwas erhöhter, aber stabiler Leerlauf, der nicht sofort ausgeht.
Dies ist noch keine endgültige Einstellung, sondern dient nur dazu, den Motor am Laufen zu halten, um das Gemisch optimieren zu können.
Schritt 3: Leerlaufgemisch optimieren (Der wichtigste Schritt!)
Dieser Schritt erfordert Feingefühl und Geduld. Er ist entscheidend für das Verhalten Ihrer Simson im Standgas und beim Gaswegnehmen.
- Der Motor sollte weiterhin laufen. Drehen Sie die Leerlaufgemischschraube (Luftschraube) langsam (Viertel- oder Achtel-Umdrehungen) heraus (gegen den Uhrzeigersinn).
- Beobachten Sie die Drehzahl: Sie sollte zunächst ansteigen und dann wieder fallen.
- Merken Sie sich den Punkt, an dem die Drehzahl am höchsten war.
- Drehen Sie die Leerlaufgemischschraube nun langsam hinein (im Uhrzeigersinn), ausgehend von der Grundeinstellung.
- Auch hier sollte die Drehzahl zunächst ansteigen und dann wieder fallen.
- Der Punkt mit der höchsten Drehzahl zwischen dem Heraus- und Hineindrehen ist Ihr Ziel.
- Finden Sie den exakten Punkt, an dem die Drehzahl am höchsten ist. Dies ist der theoretisch optimale Punkt für das Leerlaufgemisch.
- Von diesem Punkt der höchsten Drehzahl drehen Sie die Leerlaufgemischschraube nun vorsichtig ca. 1/4 bis 1/2 Umdrehung heraus (gegen den Uhrzeigersinn).
- Warum? Durch das Herausdrehen wird das Gemisch minimal fetter. Dies verhindert, dass der Motor im Standgas zu heiß läuft (ein mageres Gemisch kühlt schlechter) und sorgt für eine stabilere Leerlaufphase, insbesondere bei warmem Wetter oder langen Standzeiten an der Ampel. Es ist eine Sicherheitsmaßnahme für die Motorgesundheit.
Schritt 4: Leerlaufdrehzahl nachjustieren
Nachdem Sie das Leerlaufgemisch eingestellt haben, wird die Drehzahl wahrscheinlich immer noch zu hoch sein. Jetzt ist es an der Zeit, die finale Leerlaufdrehzahl einzustellen.
- Drehen Sie die Leerlaufanschlagschraube (Drehzahlschraube) langsam heraus (gegen den Uhrzeigersinn), bis die Simson eine angenehme und stabile Leerlaufdrehzahl hat. Dies liegt meist im Bereich von 1500 U/min.
- Der Motor sollte dabei sauber laufen und nicht ausgehen. Geben Sie zwischendurch ein paarmal Gas und lassen Sie es wieder los, um zu prüfen, ob der Motor schnell und stabil in den Leerlauf zurückfindet.
Schritt 5: Kontrolle des Teillastbereichs (Nadelposition)
Der Teillastbereich wird hauptsächlich durch die Vergasernadel und deren Position im Gasschieber beeinflusst. Bei den BVF-Vergasern gibt es üblicherweise 5 Kerben, in die die Nadel gehängt werden kann. Die Standardeinstellung ist oft die 3. Kerbe von oben (gezählt vom oberen Ende der Nadel). Eine zu hohe Nadelposition (Nadel weiter unten, mehr Kraftstoff) führt zu einem fetteren Gemisch, eine tiefere Position (Nadel weiter oben, weniger Kraftstoff) zu einem magereren Gemisch im Teillastbereich.
- Symptome für falsche Nadelposition:
- Motor ruckelt oder verschluckt sich im mittleren Drehzahlbereich: Oft ein Zeichen für zu mageres Gemisch. Versuchen Sie, die Nadel eine Kerbe tiefer zu hängen (fetteres Gemisch).
- Motor qualmt stark oder nimmt Gas schlecht an im mittleren Bereich: Könnte ein zu fettes Gemisch sein. Versuchen Sie, die Nadel eine Kerbe höher zu hängen (magereres Gemisch).
Ändern Sie die Nadelposition nur, wenn Sie nach der perfekten Leerlaufeinstellung immer noch Probleme im Teillastbereich haben. Dokumentieren Sie jede Änderung, um bei Bedarf zum Ursprung zurückkehren zu können.
Schritt 6: Probefahrt und Feinabstimmung (Kerzenbild prüfen!)
Nachdem Sie die Grundeinstellungen vorgenommen haben, ist eine ausgiebige Probefahrt unerlässlich, um das Fahrverhalten unter realen Bedingungen zu testen.
- Fahren Sie die Simson: Achten Sie auf Gasannahme, Beschleunigung, Endgeschwindigkeit und das allgemeine Fahrgefühl.
- Zündkerzenbild prüfen: Nach der Probefahrt (mindestens 10-15 km, auch mal Vollgas) schrauben Sie die Zündkerze heraus und betrachten das Kerzenbild.
- Rehbraun: Perfekt! Das Gemisch ist ideal.
- Weiß/Hellgrau: Das Gemisch ist zu mager. Dringende Korrektur erforderlich, da dies zu Motorschäden führen kann. Ursachen können sein: Gemischschraube zu weit rein, Falschluft, zu kleine Hauptdüse, Schwimmerstand zu niedrig.
- Schwarz/Verrußt: Das Gemisch ist zu fett. Dies führt zu schlechter Leistung und hohem Verbrauch. Ursachen: Gemischschraube zu weit raus, zu große Hauptdüse, Schwimmerstand zu hoch, verschmutzter Luftfilter.
- Feinabstimmung: Basierend auf dem Kerzenbild und dem Fahrverhalten können Sie nun kleine Korrekturen vornehmen (z.B. weitere 1/8 Umdrehung an der Gemischschraube, Anpassung der Nadelposition, ggf. Tausch der Hauptdüse bei Problemen im Vollgasbereich). Gehen Sie immer in kleinen Schritten vor und überprüfen Sie das Kerzenbild nach jeder Änderung erneut.
Häufige Probleme trotz Einstellung und ihre Ursachen
Manchmal läuft die Simson trotz sorgfältiger Vergasereinstellung nicht rund. Dann können andere Ursachen vorliegen:
- Motor geht im Standgas aus oder stirbt ab beim Gaswegnehmen: Oft zu mageres Leerlaufgemisch, zu niedrige Leerlaufdrehzahl, Falschluft, verstopfte Leerlaufdüse.
- Motor dreht hoch und lässt sich schwer regulieren: Meist Falschluft (Simmerringe, Dichtungen), klemmender Gaszug, Vergaser undicht.
- Schlechte Gasannahme oder Ruckeln beim Beschleunigen: Falsches Gemisch (zu fett/mager), falsche Nadelposition, verschmutzte Düsen, verstopfter Luftfilter.
- Übermäßiges Qualmen: Zu fettes Gemisch, zu viel Öl im Benzin (Mischungsverhältnis prüfen!), undichte Kurbelwellensimmerringe (Getriebeöl wird mit verbrannt).
- Motor wird heiß: Sehr oft ein Zeichen für ein zu mageres Gemisch oder eine Blockade in der Kühlung.
Wann ist der Vergaser nicht das Problem?
Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht jedes Motorproblem am Vergaser liegt. Prüfen Sie auch folgende Bereiche:
- Zündanlage: Eine defekte Zündkerze, ein defektes Zündkabel, eine schwache Zündspule oder eine falsch eingestellte Zündung können zu ähnlichen Symptomen führen.
- Falschluft: Undichte Simmerringe an der Kurbelwelle oder eine undichte Dichtung am Ansaugflansch sind häufige Übeltäter.
- Kraftstoffzufuhr: Verstopfter Benzinhahn, defekter Benzinflilter, Rost im Tank, zu niedriger Schwimmerstand im Vergaser.
- Kompression: Verschleiß an Kolben oder Zylinder kann die Kompression mindern und die Leistung beeinträchtigen.
Wartungstipps für einen langen Vergaser-Leben
- Regelmäßige Reinigung: Besonders die Düsen und Kanäle können sich zusetzen. Ein Ultraschallbad ist hier oft Wunder wirkend.
- Dichtungen prüfen: Poröse Dichtungen am Vergaser oder Ansaugstutzen führen zu Falschluft. Regelmäßiger Austausch ist ratsam.
- Schwimmerstand kontrollieren: Ein falsch eingestellter Schwimmer führt zu einem falschen Kraftstoffniveau und damit zu einem falschen Gemisch.
- Sauberer Kraftstoff: Verwenden Sie immer einen Benzinflilter und achten Sie auf einen rostfreien Tank.
Fazit: Eine runde Sache!
Das Simson Vergaser einstellen mag auf den ersten Blick komplex erscheinen, aber mit dieser detaillierten Anleitung und ein wenig Übung ist es eine Aufgabe, die jeder Simson-Besitzer meistern kann. Denken Sie daran: Geduld ist der Schlüssel. Gehen Sie methodisch vor, machen Sie kleine Schritte und überprüfen Sie die Ergebnisse. Das Erfolgserlebnis, wenn Ihre Simson wieder sauber läuft, spontan Gas annimmt und ihre volle Leistung entfaltet, ist jede Mühe wert. Eine korrekt eingestellte Simson ist nicht nur sparsamer und zuverlässiger, sondern macht auch einfach mehr Freude am Fahren. Also, ran an den Vergaser und lassen Sie Ihre Simson wieder rund laufen!