Es ist ein Schreckmoment, der vielen Fahranfängern den kalten Schweiß auf die Stirn treibt: Das plötzliche Aufleuchten des Blitzes im Rückspiegel oder von vorn, gefolgt von der bitteren Erkenntnis – ich wurde geblitzt. Dieser Moment ist für jeden Autofahrer unangenehm, aber in der Probezeit schlägt er besonders schwer auf den Magen. Denn für Führerscheinneulinge gelten verschärfte Regeln und die Konsequenzen eines Verkehrsverstoßes können weitreichender sein als für erfahrene Fahrer. Was genau passiert, wenn Sie in der Probezeit geblitzt werden, und welche Schritte Sie jetzt unternehmen sollten, erfahren Sie in diesem umfassenden Leitfaden.
Die Probezeit: Besondere Regeln für Fahranfänger
Die Probezeit ist eine zweijährige Bewährungsfrist, die direkt mit dem Erwerb des Führerscheins beginnt (mit Ausnahme von bestimmten Begleitetes Fahren ab 17 Jahren, bei denen sie erst mit dem Erwerb der vollständigen Fahrerlaubnis beginnt). Ihr Hauptziel ist es, Führerscheinneulinge zu einem besonders verantwortungsbewussten Fahrverhalten zu erziehen. Statistiken zeigen, dass Fahranfänger aufgrund mangelnder Erfahrung und erhöhter Risikobereitschaft überproportional oft in Unfälle verwickelt sind. Die Probezeit soll dem entgegenwirken, indem sie bei Verkehrsverstößen zusätzliche Maßnahmen vorsieht, die über die üblichen Bußgelder und Punkte hinausgehen.
In dieser Zeit werden Sie vom Gesetzgeber genauer beobachtet. Jeder Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung kann nicht nur zu den regulären Strafen führen, sondern auch spezielle Probezeitmaßnahmen nach sich ziehen. Es ist daher von größter Wichtigkeit, sich der verschärften Bedingungen bewusst zu sein und besonders vorausschauend und regelkonform zu fahren.
Geblitzt in der Probezeit: Welche Verstöße zählen wie?
Nicht jeder Verstoß hat die gleichen Auswirkungen auf Ihre Probezeit. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen sogenannten A-Verstößen und B-Verstößen. Diese Klassifizierung ist entscheidend für die Art und Schwere der Konsequenzen.
A-Verstöße: Der Ernstfall
A-Verstöße sind schwerwiegende Verkehrsverstöße, die als besonders gefährlich eingestuft werden. Ein einziger A-Verstoß in der Probezeit zieht direkt empfindliche Maßnahmen nach sich. Typische A-Verstöße sind beispielsweise:
- Deutliche Geschwindigkeitsüberschreitungen (in der Regel 21 km/h oder mehr innerorts/außerorts).
- Fahren unter Einfluss von Alkohol oder Drogen.
- Missachtung einer roten Ampel.
- Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (Fahrerflucht).
- Gefährdung des Straßenverkehrs.
Wird ein Fahranfänger eines A-Verstoßes überführt, sind die Konsequenzen klar definiert und treten sofort in Kraft.
B-Verstöße: Die „leichteren” Sünden (aber nicht harmlos!)
B-Verstöße sind weniger schwerwiegend als A-Verstöße, werden aber in der Probezeit dennoch ernst genommen. Ein einzelner B-Verstoß führt in der Regel noch nicht zu direkten Probezeitmaßnahmen, dient aber als „Warnschuss”. Erst die Summe zweier B-Verstöße wird wie ein A-Verstoß behandelt und zieht die entsprechenden Konsequenzen nach sich. Beispiele für B-Verstöße sind:
- Geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen (weniger als 21 km/h über der zulässigen Geschwindigkeit).
- Telefonieren am Steuer ohne Freisprecheinrichtung.
- Verstöße gegen die Vorschriften zur Ladungssicherung.
- Mangelnde Absicherung eines liegengebliebenen Fahrzeugs.
- Fahren mit abgefahrenen Reifen.
Es ist wichtig zu verstehen: Auch wenn ein einzelner B-Verstoß keine unmittelbare Verlängerung der Probezeit oder ein Aufbauseminar zur Folge hat, wird er registriert. Der zweite B-Verstoß innerhalb der Probezeit katapultiert Sie in die nächste Stufe der Maßnahmen.
Was bedeutet eine geringe Geschwindigkeitsüberschreitung (<21 km/h)?
Wenn Sie in der Probezeit mit weniger als 21 km/h zu schnell geblitzt wurden, handelt es sich um einen B-Verstoß. Bis zur Punktereform 2014 hätte dies ab einer gewissen Schwelle Punkte und damit Probezeitmaßnahmen nach sich ziehen können. Seit der Reform 2021 werden Punkte im Fahreignungsregister (FAER) in Flensburg jedoch erst ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h oder mehr vergeben. Das bedeutet:
- Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von unter 21 km/h (z.B. 15 km/h zu schnell) zieht in der Regel „nur” ein Bußgeld nach sich, aber keine Punkte.
- Da keine Punkte vergeben werden, hat ein solcher erster Verstoß in der Regel auch keine direkten Auswirkungen auf Ihre Probezeit im Sinne einer Verlängerung oder eines Aufbauseminars.
ABER: Es bleibt ein B-Verstoß. Sollten Sie innerhalb der Probezeit einen *zweiten* B-Verstoß begehen, der wiederum keine Punkte nach sich zieht, führt die Summe dieser beiden B-Verstöße dann doch zu den gleichen Maßnahmen wie ein A-Verstoß (Verlängerung der Probezeit und Aufbauseminar). Es ist also keineswegs harmlos, auch kleine Geschwindigkeitsüberschreitungen zu vermeiden!
Der Ablauf nach dem Blitzer: Vom Foto zum Bescheid
Die Zeit nach dem Blitzer kann verwirrend sein. Hier erfahren Sie, was Sie erwarten können und welche Schritte üblicherweise folgen:
Der Anhörungsbogen: Erste Schritte nach dem Blitzer
Einige Tage bis Wochen nach dem Vorfall erhalten Sie in der Regel einen Anhörungsbogen per Post. Dieses Schreiben informiert Sie über den begangenen Verstoß und gibt Ihnen die Möglichkeit, sich zum Sachverhalt zu äußern. Es ist wichtig zu wissen:
- Pflicht zur Angabe der Personalien: Sie sind verpflichtet, Ihre Personalien (Name, Adresse) zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
- Keine Pflicht zur Aussage zur Sache: Sie müssen sich nicht zur Tat äußern und können von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Eine Aussage könnte Sie im schlimmsten Fall belasten.
- Fahrereigenschaft: Wenn Sie nicht der Fahrer waren, sind Sie verpflichtet, Angaben zur Person des Fahrers zu machen, damit der Verstoß zugeordnet werden kann.
Es ist ratsam, den Anhörungsbogen genau zu prüfen und bei Unklarheiten oder Zweifeln über die Richtigkeit des Vorwurfs zunächst keinen Angaben zur Sache zu machen und eventuell juristischen Rat einzuholen.
Der Bußgeldbescheid: Die offizielle Mitteilung
Wenn der Verstoß zweifelsfrei Ihnen zugeordnet werden konnte, erhalten Sie nach dem Anhörungsbogen den Bußgeldbescheid. Dies ist die offizielle Aufforderung zur Zahlung des Bußgeldes und enthält detaillierte Informationen über:
- Die Höhe des Bußgeldes.
- Eventuell verhängte Punkte in Flensburg.
- Ein mögliches Fahrverbot.
- Informationen zu den Probezeitmaßnahmen (Verlängerung, Aufbauseminar), sofern relevant.
- Die Frist zur Zahlung des Bußgeldes (in der Regel 2 Wochen).
- Die Frist für einen möglichen Einspruch (ebenfalls 2 Wochen ab Zustellung des Bescheids).
Mit der Zustellung des Bußgeldbescheids ist das Verfahren offiziell eröffnet. Jetzt müssen Sie eine Entscheidung treffen: Akzeptieren Sie die Strafe oder legen Sie Einspruch ein?
Konsequenzen im Detail: Das erwartet Sie
Die spezifischen Probezeitmaßnahmen hängen davon ab, ob Sie einen A-Verstoß oder zwei B-Verstöße begangen haben. Diese Maßnahmen sind gestaffelt:
1. Stufe: Verlängerung der Probezeit und Aufbauseminar
Dies ist die häufigste und erste Konsequenz bei einem A-Verstoß oder nach dem zweiten B-Verstoß:
- Verlängerung der Probezeit: Ihre Probezeit wird einmalig um zwei weitere Jahre verlängert. Sie haben dann also insgesamt vier Jahre Probezeit.
- Anordnung eines Aufbauseminars (ASF): Sie werden von der Fahrerlaubnisbehörde dazu verpflichtet, an einem sogenannten Aufbauseminar für Fahranfänger (ASF) teilzunehmen.
Das ASF ist kein Wunschkonzert: Wenn Sie der Anordnung zum Aufbauseminar nicht nachkommen, kann Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen werden. Das Seminar muss innerhalb einer bestimmten Frist absolviert werden. Die Kosten für ein solches Seminar, die Sie selbst tragen müssen, liegen in der Regel zwischen 250 und 500 Euro.
2. Stufe: Schriftliche Verwarnung und Empfehlung zur verkehrspsychologischen Beratung
Wenn Sie nach der Verlängerung der Probezeit und der Teilnahme am Aufbauseminar einen weiteren schwerwiegenden Verstoß (also einen A-Verstoß oder zwei weitere B-Verstöße) begehen, folgt die zweite Stufe der Maßnahmen:
- Sie erhalten eine schriftliche Verwarnung.
- Ihnen wird nahegelegt, innerhalb einer bestimmten Frist an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Diese ist im Gegensatz zum ASF freiwillig, wird aber dringend empfohlen.
3. Stufe: Entzug der Fahrerlaubnis
Die schlimmste Konsequenz tritt ein, wenn Sie nach der Verwarnung und der empfohlenen verkehrspsychologischen Beratung erneut einen schwerwiegenden Verstoß (einen A-Verstoß oder zwei weitere B-Verstöße) begehen. In diesem Fall wird Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen. Das bedeutet:
- Sie dürfen kein Kraftfahrzeug mehr führen.
- Eine neue Fahrerlaubnis kann frühestens nach einer Sperrfrist von mindestens sechs Monaten beantragt werden.
- In vielen Fällen wird dann eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), der sogenannte „Idiotentest”, zur Auflage für die Neuerteilung des Führerscheins gemacht.
Es ist daher von größter Bedeutung, bereits nach dem ersten Verstoß ernsthaft über Ihr Fahrverhalten nachzudenken und dieses anzupassen, um die Eskalation der Maßnahmen zu vermeiden.
Ihre Optionen: Einspruch, Rechtsbeistand und Lernkurve
Nach Erhalt des Bußgeldbescheids haben Sie verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren.
Akzeptieren und Bezahlen: Wann es sinnvoll ist
Wenn der Vorwurf korrekt ist, die Beweislage eindeutig ist und die Konsequenzen überschaubar sind, ist es oft am einfachsten und kostengünstigsten, das Bußgeld fristgerecht zu bezahlen. Damit akzeptieren Sie den Bescheid, und das Verfahren ist für Sie beendet (abgesehen von den Probezeitmaßnahmen, die dann automatisch greifen). Ein Rechtsstreit kann teuer und nervenaufreibend sein, besonders wenn die Erfolgsaussichten gering sind.
Einspruch einlegen: Wann es sich lohnt
Sie haben das Recht, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids Einspruch einzulegen. Dies kann sinnvoll sein, wenn Sie:
- Zweifel an der Richtigkeit der Messung haben (z.B. technischer Defekt des Blitzers, falsche Eichung, schlechte Sichtverhältnisse).
- Sicher sind, dass Sie nicht der Fahrer waren.
- Fehler im Bescheid entdecken (z.B. falsche Angaben zur Person, falsches Kennzeichen).
- Die Beschilderung der Geschwindigkeitsbegrenzung nicht eindeutig war.
Der Einspruch muss schriftlich erfolgen und ist an die im Bescheid genannte Behörde zu richten. Nach dem Einspruch prüft die Behörde den Sachverhalt erneut. Wenn sie den Einspruch nicht zurückweist, leitet sie die Akte an das Amtsgericht weiter, wo es zu einer Verhandlung kommen kann.
Die Rolle eines Anwalts
Gerade in der Probezeit, wo die Konsequenzen so weitreichend sein können, ist es oft ratsam, einen erfahrenen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu konsultieren, bevor Sie handeln. Ein Anwalt kann:
- Den Bußgeldbescheid und die Messdaten prüfen.
- Mögliche Fehlerquellen in der Beweisführung aufdecken.
- Sie umfassend über Ihre Rechte und Pflichten aufklären.
- Die Erfolgsaussichten eines Einspruchs realistisch einschätzen.
- Sie im Falle eines Gerichtsverfahrens vertreten.
Die Kosten für einen Anwalt werden oft von einer Verkehrsrechtsschutzversicherung übernommen. Ohne diese kann es teuer werden, aber die Investition kann sich lohnen, um schlimmere Folgen wie ein Fahrverbot oder den Entzug der Fahrerlaubnis zu verhindern.
Prävention und Perspektive: Lernen aus Fehlern
Ein Blitzerfoto in der Probezeit ist zwar ärgerlich und beängstigend, sollte aber vor allem als Weckruf verstanden werden. Nutzen Sie diese Erfahrung als Lernchance:
- Geschwindigkeitsbegrenzungen ernst nehmen: Halten Sie sich strikt an die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten. Ein paar km/h mehr sind das Risiko nicht wert.
- Vorausschauend fahren: Achten Sie auf Verkehrszeichen, die Straßenverhältnisse und andere Verkehrsteilnehmer. Planen Sie ausreichend Zeit für Ihre Fahrten ein, um Hektik zu vermeiden.
- Ablenkungen vermeiden: Smartphone, laute Musik oder angeregte Gespräche lenken ab und erhöhen das Unfallrisiko sowie die Wahrscheinlichkeit, einen Verstoß zu begehen.
- Verantwortung bewusst machen: Als Autofahrer tragen Sie eine große Verantwortung für sich und andere.
- Regelmäßiges Auffrischen: Die Verkehrsregeln ändern sich hin und wieder. Eine regelmäßige Auffrischung der Kenntnisse schadet nie.
Fazit: Aus dem Albtraum lernen
In der Probezeit geblitzt zu werden, ist zweifellos ein Albtraum. Doch es ist wichtig, nicht in Panik zu verfallen, sondern besonnen und informiert zu handeln. Verstehen Sie die spezifischen Regeln und Konsequenzen, die für Fahranfänger gelten, und wägen Sie Ihre Optionen sorgfältig ab. Ob Sie das Bußgeld akzeptieren oder Einspruch einlegen, ob Sie einen Rechtsanwalt konsultieren – treffen Sie eine wohlüberlegte Entscheidung.
Betrachten Sie diesen Vorfall als eine teure, aber wertvolle Lektion. Er soll Sie daran erinnern, wie wichtig verantwortungsvolles Fahren ist. Nehmen Sie die Anordnung zu einem Aufbauseminar als Chance wahr, Ihr Fahrverhalten zu reflektieren und sicherer im Straßenverkehr unterwegs zu sein. Ihr Führerschein ist ein Privileg, und die Probezeit ist dazu da, Sie zu einem verantwortungsbewussten und sicheren Verkehrsteilnehmer zu machen.