Wer kennt es nicht? Man bestellt voller Vorfreude online ein langersehntes Paket und dann die Ernüchterung: Die Sendung steckt fest, der Status aktualisiert sich tagelang nicht, oder schlimmer noch, sie verschwindet spurlos. Oftmals ist in solchen Fällen ein Name eng mit dieser Frustration verbunden: Hermes. Der Paketdienstleister, der sich einst als zuverlässige Alternative zu anderen Größen etablieren wollte, kämpft seit Jahren mit massiven Problemen in der Paketzustellung. Doch was steckt hinter dem gefühlten Dauerkrise bei Hermes? Ist es nur Pech, schlechte Organisation oder systemisches Versagen? Wir tauchen tief in die Materie ein, um die wahren Ursachen des „Hermes-Chaos” zu beleuchten.
Hermes: Ein Riese im Wandel – und die Tücken des Wachstums
Hermes gehört zu den größten Paket- und Logistikdienstleistern in Deutschland und Europa. Mit einem dichten Netz von PaketShops und einer enormen Menge an zugestellten Sendungen spielt das Unternehmen eine zentrale Rolle im florierenden Online-Handel. Doch genau dieses rasante Wachstum und die enorme Nachfrage, insbesondere in Zeiten von Corona-Pandemie und Black Friday, scheinen Hermes an seine Grenzen zu bringen. Während andere Dienstleister ebenfalls mit dem erhöhten Paketaufkommen kämpfen, scheint es bei Hermes strukturelle Schwächen zu geben, die sich bei Belastung besonders deutlich zeigen.
Die Logistik im 21. Jahrhundert ist ein komplexes Gebilde aus Sortierzentren, Routenplanung, Fahrzeugflotten und Tausenden von Mitarbeitern. Jedes Glied in dieser Kette muss reibungslos funktionieren, damit das Paket vom Absender pünktlich und unbeschädigt beim Empfänger ankommt. Bei Hermes scheint es an mehreren dieser Glieder zu haken, was zu einer Kaskade von Problemen führt, die letztlich den Kunden am eigenen Leib erfahren lässt.
Das Kernproblem: Das Subunternehmer-System unter der Lupe
Einer der meistdiskutierten und wohl gravierendsten Punkte, der für das Chaos bei Hermes verantwortlich gemacht wird, ist das weit verbreitete System der Subunternehmer. Im Gegensatz zu manchen Wettbewerbern setzt Hermes stark auf externe Firmen, die die eigentliche Zustellung übernehmen. Dies mag auf den ersten Blick effizient erscheinen, birgt jedoch erhebliche Nachteile:
- Mangelnde Kontrolle und Qualitätsstandards: Hermes hat weniger direkte Kontrolle über die Arbeitsbedingungen, die Schulung der Mitarbeiter und die Einhaltung von Qualitätsstandards bei den Subunternehmern. Dies kann zu einer inkonsistenten Servicequalität führen.
- Druck auf die Fahrer: Die Subunternehmer selbst stehen oft unter immensem finanziellen Druck. Dieser Druck wird an die Zusteller weitergegeben, die unter Zeitdruck stehen und oft unrealistische Paketmengen bewältigen müssen. Das Ergebnis sind Hektik, Übermüdung und eine erhöhte Fehlerquote.
- Schlechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung: Viele Zusteller bei Subunternehmen berichten von schlechter Bezahlung, fehlenden Sozialleistungen und langen Arbeitszeiten. Dies führt zu hoher Fluktuation, einem Mangel an erfahrenem Personal und einer geringen Motivation, was sich direkt auf die Sorgfalt bei der Zustellung auswirkt.
- Sprachbarrieren und mangelnde Ortskenntnis: Häufig werden Fahrer eingesetzt, die nur unzureichende Deutschkenntnisse oder mangelnde Ortskenntnisse besitzen. Dies erschwert die Kommunikation mit Kunden und führt zu Fehlzustellungen.
- Fahrzeugflotte und Ausstattung: Die Fahrzeuge der Subunternehmer sind nicht immer im besten Zustand oder optimal für die Paketmengen ausgestattet, was zu Beschädigungen oder logistischen Engpässen führen kann.
Dieses System schafft eine Distanz zwischen Hermes als Marke und dem eigentlichen Zusteller, der das Gesicht des Unternehmens beim Kunden ist. Die Verantwortung ist fragmentiert, und eine ganzheitliche Qualitätskontrolle wird zur Herkulesaufgabe.
Überlastete Depots und veraltete Infrastruktur
Neben dem Subunternehmer-System kämpft Hermes auch mit Problemen in der eigenen Infrastruktur. Viele Depots und Sortierzentren sind offenbar chronisch überlastet, insbesondere in Spitzenzeiten. Dies führt zu:
- Verzögerungen bei der Paketbearbeitung: Pakete bleiben länger liegen, bevor sie sortiert und auf die Zustelltour geschickt werden können.
- Fehlleitungen und verlorene Pakete: In chaotischen Depots können Pakete leichter fehlgeleitet oder sogar ganz Pakete verloren gehen.
- Beschädigungen: Ein hastiger und unsorgfältiger Umgang mit den Sendungen, bedingt durch den Zeitdruck, erhöht das Risiko von Beschädigungen.
Zwar hat Hermes in den letzten Jahren in neue Logistikzentren investiert, doch scheint der Ausbau dem rasanten Wachstum des E-Commerce nicht schnell genug folgen zu können. Eine ineffiziente oder veraltete IT-Infrastruktur kann zudem die Sendungsverfolgung erschweren und zu ungenauen Statusmeldungen führen, die wiederum für Verwirrung und Unmut beim Kunden sorgen.
Der leidende Kundenservice: Eine Geduldsprobe für Kunden
Wenn das Paket nicht ankommt, beschädigt ist oder fehlgeleitet wurde, ist der erste Reflex des Kunden, den Kundenservice zu kontaktieren. Doch auch hier stößt man bei Hermes oft an Grenzen. Lange Wartezeiten, schwer erreichbare Ansprechpartner und oft unzureichende oder standardisierte Antworten prägen das Bild. Dies liegt vermutlich an:
- Überlastung: Die Häufung der Zustellprobleme führt zu einem immensen Anruf- und E-Mail-Aufkommen, das der Service nicht bewältigen kann.
- Mangel an Kompetenzen und Befugnissen: Die Mitarbeiter des Kundenservice haben oft nur begrenzte Möglichkeiten, echte Lösungen anzubieten, da sie selbst von den komplexen Abläufen der Subunternehmer abhängig sind.
- Kommunikationslücken: Informationen zwischen Zustellern, Depots und dem Kundenservice fließen oft nur schleppend oder unvollständig, was die Problembehebung erschwert.
Für den Kunden bedeutet dies: Man wird mit seinem Problem oft alleingelassen oder in einer Endlosschleife zwischen Sender, Empfänger und Hermes-Hotline gefangen.
Die frustrierende Realität für Kunden: Von Verzögerungen bis Verlorene Pakete
Die Summe dieser systemischen Probleme manifestiert sich für den Endkunden in einer Reihe von ärgerlichen Erfahrungen:
- Endlose Wartezeiten: Pakete verharren tagelang im Status „Die Sendung wurde im Hermes Logistikzentrum sortiert” oder „Die Sendung befindet sich in der Zustellung”, ohne dass sich etwas tut.
- „Zustellung nicht möglich”: Kunden erhalten Benachrichtigungen, dass die Zustellung nicht möglich war, obwohl sie zu Hause waren und kein Zustellversuch unternommen wurde. Oft wird auch keine Benachrichtigungskarte hinterlassen.
- Abstellgenehmigungen missachtet oder missbraucht: Pakete werden trotz Abstellgenehmigung nicht abgestellt oder aber an ungesicherten Orten hinterlegt, wo sie leichter entwendet werden können.
- Falsch zugestellte Pakete: Sendungen landen beim Nachbarn, der nicht der angegebene Nachbar ist, oder an einer völlig falschen Adresse.
- Beschädigte Ware: Das Paket kommt an, aber der Inhalt ist zerbrochen, verbeult oder nass.
- Der Paketbote war nicht da – aber der Zettel schon: Ein bekanntes Phänomen ist der Benachrichtigungsschein im Briefkasten, ohne dass ein Zusteller geklingelt oder es überhaupt versucht hätte.
- Probleme bei der Retoure: Auch das Zurücksenden von Waren kann sich als schwierig erweisen, wenn Retouren im System verloren gehen oder die Abholung nicht funktioniert.
Diese Erfahrungen untergraben das Vertrauen in den Dienstleister massiv und führen dazu, dass viele Verbraucher Händler meiden, die ausschließlich mit Hermes versenden.
Was tut Hermes, um die Probleme in den Griff zu bekommen?
Hermes ist sich der Kritik bewusst und hat in der Vergangenheit Maßnahmen angekündigt und teilweise umgesetzt, um die Lieferprobleme zu mindern. Dazu gehören:
- Investitionen in die Infrastruktur: Der Bau und die Modernisierung von Logistikzentren sollen die Kapazitäten erhöhen.
- Digitalisierung: Verbesserungen bei der Sendungsverfolgung und der Kommunikation mit dem Kunden.
- Arbeitsbedingungen bei Subunternehmern: Hermes hat Richtlinien für Subunternehmer eingeführt und will Kontrollen verstärken, um faire Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung sicherzustellen. Ein Ende des Subunternehmersystems ist jedoch nicht in Sicht.
- Direkte Anstellung von Fahrern: In einigen Regionen stellt Hermes selbst Zusteller ein, um die Qualität zu verbessern und die Kontrolle zu erhöhen. Dies ist jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der Größe des Netzes.
Diese Schritte sind ein Anfang, aber die Größe und Komplexität der Probleme erfordern tiefgreifendere und schnellere Veränderungen, um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen.
Was können Kunden tun?
Auch wenn die Verantwortung primär beim Dienstleister liegt, gibt es einige Schritte, die Sie unternehmen können, um im Falle von Hermes-Problemen handlungsfähig zu bleiben:
- Dokumentieren Sie alles: Machen Sie Fotos von Beschädigungen, notieren Sie Uhrzeiten bei fehlgeschlagenen Zustellversuchen und bewahren Sie alle Kommunikationen auf.
- Kontaktieren Sie den Absender: Bei Problemen ist der Absender (der Online-Shop) Ihr Vertragspartner. Er ist dafür verantwortlich, dass die Ware bei Ihnen ankommt und muss sich um die Klärung mit Hermes kümmern.
- Nutzen Sie die Sendungsverfolgung: Auch wenn sie oft ungenau ist, kann sie erste Anhaltspunkte liefern.
- Prüfen Sie Alternativen: Wenn möglich, wählen Sie Versandoptionen mit anderen Paketdiensten.
Fazit: Ein Teufelskreis, der durchbrochen werden muss
Das „Chaos bei der Zustellung” bei Hermes ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer komplexen Gemengelage aus überlasteter Infrastruktur, einem fragwürdigen Subunternehmer-Modell und den daraus resultierenden Auswirkungen auf Personal und Servicequalität. Die immense Nachfrage im Online-Handel deckt diese Schwächen gnadenlos auf und führt zu einer dauerhaften Frustration bei Millionen von Kunden.
Hermes steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Um langfristig wieder Vertrauen aufzubauen, sind grundlegende Reformen notwendig. Dies bedeutet nicht nur mehr Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung, sondern vor allem auch eine kritische Überprüfung des Subunternehmer-Modells, um faire Arbeitsbedingungen und eine höhere Qualität der Zustellung zu gewährleisten. Nur wenn Hermes es schafft, seine Servicequalität nachhaltig zu verbessern und die Ursachen der Probleme an der Wurzel zu packen, kann das Unternehmen seinen Ruf als zuverlässiger Paketdienst wiederherstellen und im harten Wettbewerb bestehen. Bis dahin bleibt der Ärger über die Paketzustellung bei Hermes für viele leider bittere Realität.