Die Entscheidung, einen gebrauchten Premium-Wagen wie einen BMW 420d xDrive Gran Coupé zu kaufen, ist oft eine Herzensangelegenheit, aber auch eine rationale Abwägung. Insbesondere wenn das Fahrzeug aus dem Jahr 2015 stammt und bereits 161.000 Kilometer auf dem Tacho hat, für einen Preis von 21.000 Euro, stellt sich die Frage: Ist das ein cleverer Schachzug oder ein potenzieller Fehlkauf, der sich schnell als Kostenfalle entpuppen könnte?
In diesem umfassenden Artikel beleuchten wir alle Facetten dieser Kaufentscheidung. Wir werfen einen genauen Blick auf die Vorzüge des 4er Gran Coupé, analysieren den Preis im Kontext der Laufleistung und decken die potenziellen Risiken und versteckten Kosten auf. Unser Ziel ist es, Ihnen eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu liefern, damit Sie am Ende wissen, ob dieser BMW die richtige Wahl für Sie ist.
Die Faszination des 4er Gran Coupé: Design, Dynamik, Dschungel
Das BMW 4er Gran Coupé (F36), eingeführt im Jahr 2014, ist eine Meisterleistung der bayerischen Ingenieurskunst und des Designs. Es vereint die elegante Linienführung eines Coupés mit der praktischen Alltagstauglichkeit einer viertürigen Limousine und der Sportlichkeit eines BMW. Für viele ist es der perfekte Kompromiss zwischen Stil und Funktion. Die rahmenlosen Türen, die fließende Dachlinie und das charakteristische Heck machen es zu einem echten Hingucker. Der xDrive Allradantrieb verspricht zudem souveräne Traktion und Fahrsicherheit, auch bei widrigen Wetterbedingungen.
Der 420d Motor war und ist für viele die goldene Mitte: ausreichend Leistung (meist 184 PS oder 190 PS, je nach Motorbaureihe N47 oder B47) gepaart mit einem beeindruckend niedrigen Verbrauch. Gerade für Langstreckenfahrer ist der Diesel oft die wirtschaftlichere Wahl. Die luxuriöse Ausstattung, die BMW-Fahrer erwarten dürfen, wie das iDrive-System, hochwertige Materialien und oft auch zusätzliche Pakete (Sport Line, Luxury Line, M Sportpaket), tragen zusätzlich zur Attraktivität bei.
Preis und Laufleistung im Kontext: Eine erste Einschätzung
21.000 Euro für einen acht Jahre alten BMW mit 161.000 Kilometern – das klingt auf den ersten Blick nach einem attraktiven Angebot, wenn man bedenkt, dass Neupreise weit über 50.000 Euro lagen. Doch der Preis allein sagt wenig über den tatsächlichen Wert und Zustand des Fahrzeugs aus. Die Laufleistung von 161.000 km ist für einen Diesel grundsätzlich kein K.O.-Kriterium, im Gegenteil: Dieselmotoren sind für hohe Laufleistungen ausgelegt, vorausgesetzt, sie wurden ordnungsgemäß gewartet und hauptsächlich auf Langstrecken bewegt.
Ein kurzer Blick auf den Gebrauchtwagenmarkt zeigt, dass dieser Preis im Mittelfeld für ähnliche Modelle liegt. Die Spanne ist groß und hängt stark von der Ausstattung, dem Wartungszustand, der Historie und der Region ab. Ein Fahrzeug, das nur 100.000 km gelaufen ist, würde schnell 3.000 bis 5.000 Euro mehr kosten. Die Frage ist also nicht nur, ob der Preis fair ist, sondern ob das Auto das Risiko wert ist, das eine solche Laufleistung mit sich bringt.
Pro-Argumente: Warum es ein guter Deal sein KÖNNTE
- Der größte Wertverlust ist passé: Ein signifikanter Teil des Wertverlusts ist bereits geschehen. Sie kaufen das Fahrzeug zu einem Preis, der einen Großteil der Abschreibung bereits berücksichtigt. Das bedeutet, dass der weitere Wertverlust pro Jahr geringer ausfallen wird als bei einem jüngeren Modell.
- Robuste BMW-Qualität: BMWs sind grundsätzlich für ihre Langlebigkeit bekannt. Karosserie und Innenraum sind oft auch nach vielen Jahren noch in gutem Zustand, wenn sie gepflegt wurden. Der ZF 8-Gang-Automatikgetriebe, das in diesem Modell verbaut ist, gilt als eines der besten und zuverlässigsten seiner Art, sofern die Ölwechsel intervalle eingehalten wurden.
- Effizienter Diesel für Vielfahrer: Der 420d ist ein sparsamer und durchzugsstarker Motor. Für Pendler oder Vielfahrer, die viele Kilometer zurücklegen, ist der Dieselverbrauch nach wie vor unschlagbar. Der Dieselpartikelfilter (DPF) sollte bei überwiegendem Langstreckenbetrieb in der Regel weniger Probleme bereiten.
- Allradantrieb xDrive: Das xDrive-System bietet nicht nur im Winter oder bei schlechten Straßenverhältnissen Vorteile durch erhöhte Traktion und Fahrsicherheit, sondern vermittelt auch ein souveränes Fahrgefühl unter allen Bedingungen.
- Umfangreiche Ausstattung: Premium-Fahrzeuge sind oft sehr gut ausgestattet. Features wie Navigation, Ledersitze, Sitzheizung, Klimaautomatik und fortschrittliche Assistenzsysteme, die beim Neukauf teuer waren, sind im Gebrauchtwagenpreis inkludiert und steigern den Komfort und den Fahrspaß.
Contra-Argumente: Die potenziellen Fallstricke und Kosten
Hier liegt der Knackpunkt. Bei 161.000 km kommen bestimmte Verschleißteile an ihre Grenzen oder sind bereits jenseits ihrer üblichen Lebensdauer. Die potenziellen Kosten dürfen nicht unterschätzt werden.
- Verschleißteile:
- Fahrwerk: Stoßdämpfer, Federbeine, Querlenker, Spurstangenköpfe und Lagerbuchsen können ausgeschlagen sein und müssen eventuell bald ersetzt werden. Das führt zu einer schwammigen Lenkung und schlechterem Fahrkomfort.
- Bremsen: Bremsbeläge und -scheiben sind Standard-Verschleißteile. Bei dieser Laufleistung können sie bereits mehrfach erneuert worden sein oder stehen erneut an.
- Reifen: Der Zustand der Reifen, insbesondere bei einem xDrive-Modell, ist wichtig, da unterschiedliche Profiltiefen zu Problemen im Verteilergetriebe führen können.
- Der Motor: N47 oder B47?
- Für einen 2015er 420d ist es entscheidend zu wissen, welcher Motor verbaut ist. Die N47-Motorenreihe (bis Mitte 2015) ist bekannt für potenzielle Probleme mit der Steuerkette, die bei Nichtbeachtung zu einem Motorschaden führen kann. Auch wenn spätere N47-Revisionen verbessert wurden, bleibt ein Restrisiko. Eine Reparatur ist extrem aufwendig und teuer (3.000-5.000 Euro).
- Ist es bereits der Nachfolger, der B47-Motor (ab Mitte 2015/Modelljahr 2016)? Dieser gilt als deutlich robuster und unauffälliger, auch wenn auch er nicht völlig frei von Schwachstellen ist (z.B. AGR-Kühler).
- Unabhängig vom Motortyp: Bei 161.000 km können Injektoren, die Hochdruckpumpe oder der Turbolader erste Verschleißerscheinungen zeigen. Auch der Dieselpartikelfilter (DPF) könnte am Ende seiner Lebensdauer sein. Ein Austausch kostet schnell über 1.000 Euro.
- xDrive-Komponenten: Das Allradsystem bringt zusätzliche Komponenten mit sich, die gewartet werden müssen und verschleißen können:
- Verteilergetriebe: Kann bei unregelmäßigen Ölwechseln oder unterschiedlichen Reifendurchmessern Schäden nehmen. Reparaturen sind sehr teuer.
- Differenziale und Gelenkwellen: Auch hier sind Ölwechsel und der Zustand der Gelenke relevant.
- Getriebe: Obwohl das ZF 8HP Getriebe sehr robust ist, sollte das Getriebeöl bei dieser Laufleistung mindestens einmal gewechselt worden sein (Hersteller schreibt „Lifetime” vor, aber Experten empfehlen einen Wechsel alle 80.000-120.000 km). Wenn dies versäumt wurde, kann dies die Lebensdauer beeinträchtigen.
- Elektronik: Moderne BMWs sind vollgepackt mit Elektronik. Sensoren, Steuergeräte oder Kabelbäume können mit der Zeit Probleme verursachen, deren Diagnose und Reparatur aufwendig ist.
- Wartungsstau: Das größte Risiko ist ein Fahrzeug, an dem gespart wurde. Fehlende Ölwechsel, überzogene Intervalle oder Reparaturen in unseriösen Werkstätten können gravierende Folgen haben.
- Versteckte Kosten: Über den Kaufpreis hinaus fallen weitere Kosten an:
- Versicherung und Steuer: BMWs sind oft nicht die günstigsten in der Unterhaltung.
- Wartung und Service: Die regelmäßigen Inspektionen sind teurer als bei einem Kleinwagen.
- Kraftstoffkosten: Trotz Effizienz ist Diesel teurer als Benzin.
- Unvorhergesehene Reparaturen: Dies ist der größte Posten, den Sie einkalkulieren müssen. Eine Rücklage von 2.000 bis 4.000 Euro für eventuelle Reparaturen im ersten Jahr ist ratsam.
Was UNBEDINGT zu prüfen ist: Die Checkliste für den Käufer
Bevor Sie auch nur über einen Kauf nachdenken, ist eine extrem gründliche Prüfung unerlässlich. Lassen Sie sich nicht vom schönen Design blenden.
- Lückenloses Scheckheft: Fordern Sie das Wartungshandbuch ein. Jede Inspektion sollte dokumentiert sein, idealerweise bei BMW-Vertragswerkstätten oder spezialisierten freien Werkstätten. Achten Sie auf Kilometerstand-Plausibilität.
- Vorbesitzer: Wie viele Halter hatte das Fahrzeug? Weniger ist hier mehr.
- Zustand der Karosserie und des Innenraums: Achten Sie auf Rost (selten bei BMW F-Modellen, aber an schwer zugänglichen Stellen möglich), Dellen, Kratzer, Lackunterschiede (Hinweise auf Unfallschäden) und Spaltmaße. Im Innenraum auf Abnutzung von Lenkrad, Sitzen und Bedienelementen achten.
- Probefahrt:
- Fahren Sie das Fahrzeug kalt an. Achten Sie auf ungewöhnliche Geräusche im Motorraum.
- Testen Sie die Lenkung (Spiel, Geräusche).
- Schalten Sie die Automatik in allen Gängen durch (weich, ruckfrei?).
- Testen Sie die Bremsen (rubbeln, ziehen?).
- Achten Sie auf Vibrationen bei höheren Geschwindigkeiten oder in Kurven (Reifen, Fahrwerk, Kardanwelle).
- Funktionieren alle elektronischen Helfer und Ausstattungsmerkmale (Navigation, Klima, Fensterheber etc.)?
- Motorprüfung:
- Im Stand und während der Fahrt auf ungewöhnliche Geräusche (Rasseln, Klappern – besonders beim N47 ein Indiz für die Steuerkette).
- Keine blauen oder schwarzen Rauchwolken aus dem Auspuff.
- Kontrollieren Sie den Ölstand und dessen Farbe.
- Versuchen Sie, den Motortyp zu identifizieren (N47 oder B47). Dies kann über die Fahrgestellnummer oder den Motorcode auf dem Fahrzeugschein erfolgen.
- xDrive-Check: Bei der Probefahrt auf „Verspannungen” im Antriebsstrang achten, z.B. bei engen Kurvenfahrten oder Rangieren.
- Unterbodeninspektion: Heben Sie das Fahrzeug auf eine Hebebühne. Achten Sie auf Undichtigkeiten (Motor, Getriebe, Differenziale), Rost an Fahrwerksteilen, Beschädigungen an der Auspuffanlage oder am Unterfahrschutz.
- Fehlerspeicher auslesen lassen: Absolut unerlässlich! Auch wenn keine Warnleuchten brennen, können dort Hinweise auf beginnende Probleme oder sporadische Fehler hinterlegt sein.
- TÜV-Bericht: Der letzte TÜV-Bericht gibt Aufschluss über behobene Mängel oder „geringe Mängel”, die eventuell noch bestehen.
- Ankaufstest/Gebrauchtwagen-Check: Investieren Sie die 100-200 Euro und lassen Sie das Fahrzeug bei einer unabhängigen Prüfstelle (ADAC, DEKRA, GTÜ) durchchecken. Diese Experten finden oft Dinge, die Laien übersehen.
Fazit: Gutes Geschäft oder teurer Fehler? Eine Frage der Sorgfalt
Ein BMW 420d xDrive Gran Coupé (2015) mit 161.000 km für 21.000 Euro ist kein eindeutiges „Ja” oder „Nein”. Es ist eine Wette, bei der die Gewinnchancen stark von Ihrer Vorbereitung und Sorgfalt abhängen.
Für wen könnte es ein gutes Geschäft sein?
Wenn Sie einen detailliert dokumentierten Wartungsverlauf vorweisen können, bei dem alle empfohlenen Serviceintervalle (inkl. Getriebe- und Verteilergetriebeölwechsel) eingehalten wurden, und das Fahrzeug eine gründliche Prüfung (am besten durch einen unabhängigen Sachverständigen) ohne gravierende Mängel bestanden hat. Zudem sollten Sie bereit sein, eine finanzielle Rücklage für unerwartete Reparaturen zu bilden.
Für wen könnte es ein teurer Fehler werden?
Wenn die Fahrzeughistorie lückenhaft ist, Sie Abstriche bei der Prüfung machen oder Sie nicht bereit sind, für potenziell anstehende Reparaturen tief in die Tasche zu greifen. Ohne eine lückenlose Historie und einen einwandfreien Check ist das Risiko eines teuren Fehlers sehr hoch.
Unsere Empfehlung: Der Kaufpreis ist verlockend, aber die Laufleistung und das Alter machen eine extrem sorgfältige Prüfung zur Pflicht. Betrachten Sie die 21.000 Euro als den Einstiegspreis und planen Sie realistisch ein Budget von 2.000 bis 4.000 Euro für mögliche Reparaturen und Instandhaltung im ersten Jahr ein. Wenn der Verkäufer keine lückenlose Historie vorweisen kann oder Sie bei der Probefahrt oder dem Gutachten auf Ungereimtheiten stoßen, lassen Sie lieber die Finger davon. Es gibt genügend andere Gran Coupés auf dem Markt.
Ein gut gepflegter 420d kann auch mit 161.000 km noch viele Jahre treue Dienste leisten und viel Fahrfreude bereiten. Aber nur, wenn Sie sicherstellen, dass er nicht zu den Exemplaren gehört, bei denen der Vorbesitzer an der Wartung gespart hat.