Fitness-Daten für Radler: Welches Pedelec-System neben Bosch wertet ebenfalls Watt und Kalorien aus?

Die Welt der Pedelecs hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Was einst als reine Unterstützung für bequemes Vorankommen galt, ist heute für viele ein vollwertiges Trainingsgerät. Ambitionierte Radfahrer möchten ihre Leistung nicht nur auf dem Bio-Bike, sondern auch auf dem E-Bike messen. Hier kommen Fitness-Daten ins Spiel: Wattmessung und Kalorienverbrauch sind die Königsdisziplinen, um das Training zu steuern und Fortschritte sichtbar zu machen.

Bosch hat sich in diesem Bereich einen Namen gemacht, insbesondere mit Systemen wie dem Performance Line CX und der Integration in Displays wie Kiox oder Nyon sowie der eBike Flow App. Doch die E-Bike-Landschaft ist vielfältig, und immer mehr Hersteller bieten ausgeklügelte Lösungen an. Die Frage ist: Welche Pedelec-Systeme abseits von Bosch können ebenfalls überzeugende Fitness-Daten liefern und unterstützen damit das Training und die Leistungsanalyse von Radfahrern? Dieser Artikel taucht tief in die Materie ein und beleuchtet die spannendsten Alternativen.

### Warum Fitness-Daten auf dem Pedelec immer wichtiger werden

Für viele ist das E-Bike eine Ergänzung zum normalen Fahrrad, für andere ist es das primäre Trainingsgerät. Ob man nun Hügel mit weniger Anstrengung bewältigen oder die Reichweite seiner Touren erweitern möchte – die Möglichkeit, die eigene Leistung zu überwachen, bringt zahlreiche Vorteile mit sich:
* Effektives Training: Wattwerte sind der objektivste Indikator für die erbrachte Leistung und ermöglichen ein strukturiertes Training nach Zonen.
* Leistungsanalyse: Vergleiche über Zeiträume hinweg zeigen, ob man stärker wird oder ob Anpassungen im Training notwendig sind.
* Kalorienkontrolle: Die Anzeige des Kalorienverbrauchs hilft, den Energiehaushalt im Auge zu behalten, sei es für Gewichtsmanagement oder zur optimalen Nährstoffzufuhr.
* Motivation: Sichtbare Fortschritte und erreichte Ziele steigern die Motivation und den Spaß am Fahren.
* Gesundheitsüberwachung: Daten können auch Aufschluss über Belastungsgrenzen und Regenerationsbedarf geben.

Gerade auf einem Pedelec, wo die Motorunterstützung eine Rolle spielt, ist es entscheidend, ob die Systeme die *eigene* Tretleistung, die *Motorleistung* oder die *Systemgesamtleistung* anzeigen können. Für Fitnesszwecke ist primär die *eigene* Leistung relevant. Die meisten modernen Systeme sind jedoch so ausgelegt, dass sie die vom Fahrer erbrachte Leistung genau erfassen.

### Wie Pedelec-Systeme Watt und Kalorien erfassen

Bevor wir uns den einzelnen Systemen widmen, ist es wichtig zu verstehen, wie diese Daten überhaupt generiert werden. Die Grundlage bilden verschiedene Sensoren im E-Bike-System:
* Drehmomentsensor: Misst, wie stark der Fahrer in die Pedale tritt. Dies ist der wichtigste Sensor für eine präzise Wattmessung.
* Trittfrequenzsensor: Erfasst, wie schnell sich die Pedale drehen.
* Geschwindigkeitssensor: Misst die Geschwindigkeit des Rades.

Aus diesen drei Grundgrößen (Drehmoment, Trittfrequenz, Geschwindigkeit) kann die vom Fahrer in das System eingebrachte Leistung (in Watt) berechnet werden. Der Kalorienverbrauch wird dann in der Regel aus dem Wattwert, der Fahrtdauer und gegebenenfalls hinterlegten persönlichen Daten des Fahrers (Gewicht, Alter, Geschlecht) über spezielle Algorithmen geschätzt. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Kalorienwerte Schätzungen sind und von der Genauigkeit eines dedizierten medizinischen Geräts abweichen können, aber für Trainingszwecke in der Regel ausreichend sind.

### Bosch als Referenz: Was macht es so gut?

Das Bosch Smart System (z.B. mit Performance Line CX Gen4 Motor) bietet eine hervorragende Integration von Fitness-Daten. Über Displays wie Kiox 300/500 oder Nyon lassen sich Wattwerte (sowohl die eigene als auch die Gesamtleistung), die Trittfrequenz und der Kalorienverbrauch direkt ablesen. Die eBike Flow App erweitert diese Funktionalität um detaillierte Analysen, die Möglichkeit, Fahrten zu synchronisieren (z.B. mit Strava) und personalisierte Einstellungen vorzunehmen. Die Daten sind intuitiv aufbereitet und für viele Nutzer ein Standard, an dem sich andere Systeme messen lassen müssen.

Doch es gibt Alternativen, die in puncto Datenvielfalt und -genauigkeit keineswegs zurückstehen und oft eigene Stärken haben.

### Die Alternativen: Pedelec-Systeme mit Watt- und Kalorienmessung

Im Folgenden stellen wir verschiedene Systeme vor, die es Radfahrern ermöglichen, ihre Leistung zu überwachen:

#### 1. Shimano STEPS (z.B. EP801, EP600)
Shimano ist ein Gigant in der Fahrradbranche und bietet mit seinen Shimano STEPS Systemen (EP8, EP801, EP600) leistungsstarke und zuverlässige E-Bike-Antriebe. Shimano-Systeme erfassen standardmäßig Drehmoment, Trittfrequenz und Geschwindigkeit.
* Datenverfügbarkeit: Die Shimano-Motoren liefern die Rohdaten für die Berechnung der Leistung. Die Anzeige dieser Daten hängt oft vom verwendeten Display und der App ab.
* Displays: Hochwertige Displays wie das SC-EM800 oder die neuen SC-EN600/SC-EN800 können grundlegende Fahrdaten anzeigen. Die direkte Anzeige von *reinen* Wattwerten des Fahrers oder des Kalorienverbrauchs war historisch nicht immer prominent auf den Shimano-eigenen Displays, aber die zugrunde liegenden Daten sind verfügbar.
* E-TUBE Project App: Über die E-TUBE Project App von Shimano können Fahrprofile angepasst und oft auch detaillierte Fahrdaten eingesehen werden. Neuere Versionen der App und die Integration mit dem E-TUBE Cycle Computer bieten erweiterte Möglichkeiten zur Anzeige und Analyse von Leistungswerten.
* Drittanbieter-Integration: Hier spielt Shimano seine Stärke aus. Viele Fahrradhersteller, die Shimano-Motoren verbauen, integrieren eigene Displays oder ermöglichen eine hervorragende Anbindung an Drittanbieter-Geräte wie Garmin Edge oder Wahoo Elemnt. Diese Geräte können die ANT+ LEV oder Bluetooth LEV Daten des Shimano-Systems empfangen und dort Wattwerte (des Fahrers und/oder des Motors) sowie den Kalorienverbrauch anzeigen. Somit liefert das Shimano-System die Daten, die von externen Geräten visualisiert und analysiert werden können.
* Vorteil: Weite Verbreitung, hohe Zuverlässigkeit, gute Integration in Gesamtsysteme vieler Fahrradhersteller.

#### 2. Specialized SL (Turbo Levo SL, Kenevo SL, Vado SL, Creo SL)
Specialized hat mit seinen SL-Systemen (SL 1.1 und SL 1.2 Motoren) eine eigene Liga geschaffen, die auf Leichtigkeit und natürliches Fahrgefühl setzt. Diese Systeme sind bekannt für ihre tiefgehende Integration von Fitness-Daten.
* Motor & Display: Die SL-Systeme verwenden proprietäre Motoren und Displays wie die MasterMind TCU (Turbo Connect Unit), die fest im Oberrohr integriert sind. Diese Displays sind extrem informativ.
* Direkte Watt-Anzeige: Die MasterMind TCU kann nicht nur die Unterstützungsstufe und den Batteriestatus anzeigen, sondern auch direkt die Fahrer-Watt, die Motorleistung, die Gesamtleistung und den Kalorienverbrauch. Die Anzeige ist konfigurierbar und bietet vielfältige Metriken.
* Mission Control App: Die dazugehörige Mission Control App ist ein Meisterwerk der Datenerfassung und -analyse. Hier können Fahrer ihre Fahrten detailliert auswerten, Unterstützungsmodi anpassen und sogar Smart Control nutzen, um die Motorleistung automatisch an die verbleibende Strecke oder Zeit anzupassen. Die App bietet umfassende Statistiken zu Leistung, Trittfrequenz, Geschwindigkeit und Kalorien.
* Vorteil: Extrem präzise und umfassende Datenanalyse direkt im System, intuitive Bedienung und tiefe Integration. Ideal für anspruchsvolle Sportler.

#### 3. Fazua (Ride 50 Street/Trail & Ride 60)
Fazua hat sich auf leichte und integrierte Antriebssysteme spezialisiert, die ein sehr natürliches Fahrgefühl bieten. Die Ride 50 und insbesondere das neuere Ride 60 System sind bei sportlichen E-Bikes sehr beliebt.
* Leichtbau & Integration: Fazua-Systeme sind dafür bekannt, kaum als E-Bike-Antrieb erkennbar zu sein. Displays wie der Ring Control oder das integrierte Fazua LED Hub sind minimalistisch.
* FAZUA Ride 60 App: Die mobile App ist der Schlüssel zur Datenanalyse. Sie zeigt detailliert die Fahrer-Watt, die Motorleistung und die Gesamtleistung an. Auch der Kalorienverbrauch wird in der App berechnet und angezeigt.
* Präzision: Dank hochwertiger Sensoren im Motor sind die Wattwerte sehr genau und ermöglichen eine gute Leistungsüberwachung.
* Vorteil: Natürliches Fahrgefühl kombiniert mit detaillierter Leistungsanalyse über die App.

#### 4. TQ (HPR50)
Der deutsche Hersteller TQ hat mit seinem HPR50 Motor ein ebenfalls sehr leichtes und kompaktes System entwickelt, das in High-End-E-Mountainbikes und Gravel-E-Bikes zum Einsatz kommt (z.B. Trek Fuel EXe, Scott Lumen eRide).
* Minimalistisches Design: TQ setzt auf eine extrem schlanke Integration. Das minimalistische Display ist oft im Oberrohr integriert und zeigt nur die nötigsten Infos (Batterie, Unterstützungsstufe).
* Offenes System für Daten: Die Stärke des TQ-Systems liegt in seiner Offenheit für Drittanbieter-Geräte. Über ANT+ LEV können Fahrradcomputer wie Garmin Edge oder Wahoo Elemnt mit dem TQ-System verbunden werden.
* Datenübertragung: Das TQ-System überträgt über ANT+ LEV eine Fülle von Daten, darunter die Fahrer-Watt, die Motorleistung, die Trittfrequenz und die Geschwindigkeit. Externe Geräte können diese Daten empfangen und den Kalorienverbrauch basierend auf der erbrachten Leistung berechnen und anzeigen.
* Vorteil: Ideal für Fahrer, die ein minimalistisches E-Bike bevorzugen, aber ihre Trainingsdaten über ihren gewohnten Fahrradcomputer tracken möchten.

#### 5. Giant (SyncDrive – basierend auf Yamaha)
Giant entwickelt seine SyncDrive Motoren in Zusammenarbeit mit Yamaha. Diese Systeme sind in einer Vielzahl von Giant-E-Bikes zu finden und bieten ebenfalls gute Möglichkeiten zur Datenanalyse.
* Motor & Display: Giant verwendet verschiedene Motoren (SyncDrive Pro, Sport, Life) und eigene Displays (RideControl Dash, RideControl Ergo).
* RideControl App: Die Giant RideControl App ist das Herzstück der Datenauswertung. Sie ermöglicht die Anpassung der Unterstützungsmodi und bietet umfassende Fahrdaten.
* Leistungsdaten: Die App kann die Fahrer-Watt, die Motorleistung, die Trittfrequenz und den Kalorienverbrauch anzeigen. Die Genauigkeit der Wattmessung ist hoch, da die Yamaha-Basismotoren präzise Drehmomentsensoren verwenden.
* Vorteil: Gute Integration der Daten in die eigene App, oft sehr leistungsstarke Motoren.

#### 6. Brose (individuelle Integration)
Brose ist ein wichtiger Lieferant von Motoren (Drive S Mag, Drive C), die von vielen Fahrradherstellern (z.B. Rotwild, Specialized, Bulls) verwendet werden. Die Datenintegration hängt hier stark vom jeweiligen Fahrradhersteller ab.
* Motor als Basis: Brose-Motoren liefern die notwendigen Sensordaten. Ob diese dann als Wattwerte oder Kalorien angezeigt werden, hängt vom vom Fahrradhersteller gewählten Display und der zugehörigen App ab.
* Beispiel Specialized: Wie oben erwähnt, nutzt Specialized in einigen seiner E-Bikes Brose-Motoren und integriert sie so tief in sein eigenes System (MasterMind TCU, Mission Control App), dass eine hervorragende Leistungsanalyse möglich ist.
* Andere Hersteller: Viele andere Marken mit Brose-Motoren bieten ebenfalls eigene Apps oder Displays an, die zumindest grundlegende Leistungsdaten und manchmal auch den Kalorienverbrauch anzeigen können. Hier lohnt es sich, die Spezifikationen des jeweiligen Bike-Herstellers genau zu prüfen.
* Vorteil: Sehr leise und kraftvolle Motoren; die Datenfunktionen sind oft überdurchschnittlich, wenn der Fahrradhersteller entsprechende Software- und Display-Lösungen implementiert.

### Genauigkeit und Limitationen der Datenmessung

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Wattmessung an einem Pedelec-System, obwohl oft sehr präzise, in der Regel nicht die gleiche Kalibrierung und Genauigkeit wie ein dedizierter Kurbel- oder Pedal-Leistungsmesser (Powermeter) für Bio-Bikes aufweist. Für die meisten Hobby- und ambitionierten Radfahrer sind die integrierten Messungen jedoch absolut ausreichend, um Fortschritte zu verfolgen und das Training zu steuern.

Der Kalorienverbrauch ist immer eine Schätzung. Faktoren wie das Körpergewicht, Alter und Geschlecht des Fahrers, die in den Apps hinterlegt werden können, beeinflussen die Genauigkeit. Auch hier gilt: Für Trainingszwecke sind die Werte nützlich, aber sie sollten nicht als medizinisch exakte Angaben verstanden werden.

### Integration mit Fitness-Plattformen: Strava, Komoot & Co.

Für viele datenaffine Radfahrer ist die nahtlose Integration in ihre bevorzugten Fitness-Plattformen entscheidend. Die meisten modernen E-Bike-Systeme bieten heute Schnittstellen zu populären Apps wie Strava, Komoot, TrainingPeaks oder Apple Health.
* Direkter Upload: Viele E-Bike-Apps (z.B. Bosch eBike Flow, Specialized Mission Control, Giant RideControl) ermöglichen einen direkten Export oder automatischen Upload der Fahrtaten inklusive Watt, Trittfrequenz und Kalorien.
* GPX-Export: Alternativ können Fahrdaten oft als GPX-Datei exportiert und manuell in andere Plattformen importiert werden.
* Drittanbieter-Geräte: Wenn ein Garmin- oder Wahoo-Computer die Daten vom E-Bike-System empfängt, synchronisiert dieser die Daten direkt mit den gekoppelten Plattformen, was oft der einfachste Weg ist.

Diese Integration ist ein entscheidender Faktor, um die E-Bike-Fahrten in das Gesamtbild des Trainings einzubinden und Fortschritte auf einer zentralen Plattform zu verfolgen.

### Fazit und Ausblick

Die Zeiten, in denen E-Bikes reine Freizeitgeräte waren, sind lange vorbei. Immer mehr Radfahrer nutzen Pedelecs als ernstzunehmendes Trainingsgerät und verlangen nach präzisen Fitness-Daten. Während Bosch hier seit Langem eine Vorreiterrolle einnimmt, gibt es mittlerweile zahlreiche andere Pedelec-Systeme, die in puncto Wattmessung und Kalorienverbrauch ebenfalls überzeugen können.

Systeme wie Specialized SL und Fazua bieten eine tiefe Systemintegration und intuitive Apps für detaillierte Analysen. Shimano STEPS und TQ HPR50 punkten mit ihrer Kompatibilität zu externen Fahrradcomputern, was besonders für Fahrer attraktiv ist, die bereits ein etabliertes Ökosystem für ihr Training nutzen. Auch Giant SyncDrive und intelligent integrierte Brose-Motoren liefern wertvolle Fitness-Metriken.

Die Wahl des richtigen Systems hängt letztlich von den individuellen Präferenzen ab: Bevorzugt man eine All-in-One-Lösung vom E-Bike-Hersteller oder die Flexibilität eines offenen Systems, das mit dem eigenen Fahrradcomputer harmoniert? Eines ist sicher: Die Zukunft der E-Mobilität auf zwei Rädern wird immer smarter und datenreicher, was ambitionierten Radfahrern völlig neue Möglichkeiten für ihr Training und ihre Leistungsüberwachung eröffnet. Die Entwicklung hin zu noch präziseren Sensoren und intelligenteren Algorithmen wird weiter voranschreiten, um das E-Bike noch besser als Werkzeug für Fitness und Gesundheit zu etablieren.