Die Frage nach der tatsächlichen Verfügbarkeit und Anzahl von Großgerät in der Bundeswehr beschäftigt die Öffentlichkeit immer wieder. Besonders im Fokus steht dabei der Airbus A400M, das moderne militärische Transportflugzeug der Luftwaffe. Seit seiner Einführung war der A400M Gegenstand intensiver Debatten – von anfänglichen Lieferverzögerungen über technische Schwierigkeiten bis hin zur Frage, wie viele dieser Maschinen denn nun tatsächlich der Bundeswehr zur Verfügung stehen. Eine „Inventur” ist hier angebracht, um Licht ins Dunkel zu bringen und die komplexen Facetten dieser Thematik zu beleuchten.
Ein strategischer Pfeiler: Die Rolle des A400M für die Bundeswehr
Der Airbus A400M, intern auch „Atlas“ genannt, ist weit mehr als nur ein Flugzeug. Er ist ein strategisches Rückgrat für die logistischen und operativen Fähigkeiten der Bundeswehr. Entworfen, um schwere Lasten über weite Strecken zu transportieren, Personal und Material in Krisengebiete zu bringen oder taktische Luftlandeoperationen zu unterstützen, ersetzt er in Deutschland die in die Jahre gekommenen C-160 Transall. Seine Fähigkeiten sind vielfältig: Er kann nicht nur bis zu 37 Tonnen Fracht laden, sondern auch als fliegende Tankstelle andere Flugzeuge in der Luft betanken und in Zukunft sogar für Spezialoperationen angepasst werden. Angesichts globaler Herausforderungen und der Verpflichtung Deutschlands im Rahmen von NATO und EU ist eine leistungsfähige Lufttransportkapazität unerlässlich. Der A400M soll diese gewährleisten und die Bundeswehr in die Lage versetzen, flexibel und schnell auf neue Situationen zu reagieren.
Die Bestellung: Von der ursprünglichen Vision zur realisierten Zahl
Die Geschichte des A400M-Programms ist eine europäische Erfolgsgeschichte mit den typischen Schattenseiten großer Rüstungsprojekte. Ursprünglich im Jahr 2003 von Deutschland in einer Kooperation mit sechs weiteren europäischen NATO-Staaten bestellt, sollte die Bundeswehr anfänglich 60 dieser hochmodernen Transporter erhalten. Im Zuge von Kostensteigerungen und Lieferverzögerungen wurde die deutsche Bestellung jedoch mehrfach angepasst. Zunächst auf 53 Maschinen reduziert, einigte man sich schließlich im Jahr 2011 darauf, die Anzahl der verbindlich abzunehmenden Flugzeuge auf 40 zu senken. Die übrigen 13 Flugzeuge wurden im Rahmen eines sogenannten „Nutzungspools” für den Verkauf an andere Nationen angeboten, um die finanziellen Lasten für Deutschland zu mindern. Diese Reduzierung der Bestellmenge war eine Reaktion auf die seinerzeit angespannte Haushaltslage und eine Neubewertung des Bedarfs. Dennoch bleibt der A400M das größte und leistungsfähigste Transportflugzeug in der Flotte der Luftwaffe.
Lieferstatus: Was ist angekommen?
Die Auslieferung der A400M an die Bundeswehr begann im Dezember 2014, begleitet von großen Erwartungen, aber auch von den bereits erwähnten Verzögerungen. Seitdem sind kontinuierlich weitere Maschinen in Wunstorf, dem Heimatstandort des Lufttransportgeschwaders 62 (LTG 62), eingetroffen. Um die Frage nach der tatsächlichen Anzahl zu beantworten, ist es wichtig, den aktuellen Stand der Lieferungen zu betrachten. Das Verteidigungsministerium veröffentlicht regelmäßig im sogenannten Rüstungsbericht des Deutschen Bundestages die aktuellen Zahlen. Im Sommer 2023 wurde beispielsweise bekannt gegeben, dass die Bundeswehr bereits über 40 A400M verfügt und damit die vertraglich vereinbarte Anzahl der ursprünglich zu liefernden und zu behaltenden Maschinen erreicht hat oder kurz davor steht. Dies ist ein wichtiger Meilenstein, da die Lieferphase für die Kernflotte damit weitestgehend abgeschlossen ist. Die verbleibenden Flugzeuge aus dem „Nutzungspool” werden je nach Verkauf an Dritte ausgeliefert. Aber „im Bestand haben” ist nicht gleichbedeutend mit „einsatzbereit sein”.
„Im Bestand“ versus „Einsatzbereit“: Der Knackpunkt
Hier liegt der eigentliche Kern der Frage und die größte Quelle für Missverständnisse in der öffentlichen Wahrnehmung. Wenn die Bundeswehr meldet, eine bestimmte Anzahl von A400M im Bestand zu haben, bedeutet dies lediglich, dass diese Flugzeuge physisch an die Luftwaffe übergeben und in deren Inventar aufgenommen wurden. Sie sind somit Eigentum des Staates. Die Einsatzbereitschaft hingegen ist eine wesentlich komplexere Kennzahl. Ein Flugzeug gilt nur dann als einsatzbereit, wenn es voll funktionstüchtig ist, alle notwendigen Modifikationen und Nachrüstungen erhalten hat, ausreichend Ersatzteile verfügbar sind und geschultes Personal (Piloten, Lademeister, Techniker) für den Betrieb zur Verfügung steht.
Ein Großteil der nach Deutschland gelieferten A400M musste nach der Auslieferung zunächst umfangreiche Nachrüstungen und Modifikationen durchlaufen. Dies liegt daran, dass der Hersteller Airbus aus technischen Gründen nicht alle ursprünglich vereinbarten Fähigkeiten bereits in den ersten Serienflugzeugen integrieren konnte. Beispielsweise betraf dies die Fähigkeit zur Luftbetankung, die Integration von Selbstschutzsystemen oder die Möglichkeit, bestimmte Lasten abzuwerfen. Diese „fehlenden Fähigkeiten” (Missing Capabilities) erforderten aufwendige Werkstattaufenthalte nach der Auslieferung, die die sofortige Einsatzbereitschaft der Maschinen erheblich einschränkten. Es gab auch Diskussionen über sogenannte „Teileträger” oder „Ersatzteillager-Flugzeuge”, bei denen Maschinen kurzfristig als Spender für benötigte Bauteile dienten, um andere Flugzeuge flugfähig zu halten. Dies ist zwar ein gängiges Verfahren in der militärischen Luftfahrt, aber es reduziert natürlich die Gesamtverfügbarkeit der Flotte.
Zudem spielen auch die regelmäßige Wartung, Inspektionen und die allgemeine Flottenverfügbarkeit eine Rolle. Wie bei jedem komplexen technischen System müssen Flugzeuge regelmäßig gewartet und repariert werden, was sie für bestimmte Zeiträume der aktiven Nutzung entzieht. Daher ist es unrealistisch zu erwarten, dass 100 Prozent der „im Bestand” befindlichen Flugzeuge gleichzeitig „einsatzbereit” sind. Eine Quote von 70-80 Prozent gilt bereits als sehr gut für militärische Transportflugzeuge dieser Größe.
Herausforderungen im Betrieb: Warum nicht alle Flugzeuge fliegen können
Die Einsatzbereitschaft des A400M wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die über die reine Auslieferung hinausgehen. Eine der größten Herausforderungen war und ist die anfängliche Ersatzteilsituation. Da der A400M ein relativ neues und komplexes System ist, gab es zu Beginn Engpässe bei der Verfügbarkeit von spezifischen Bauteilen. Dies führte dazu, dass Flugzeuge teilweise länger am Boden blieben, als es für reine Wartungsarbeiten nötig gewesen wäre.
Auch technische Probleme traten auf, wie beispielsweise Schwierigkeiten mit dem Getriebe der Propeller oder den Triebwerken, die intensive Nachbesserungen erforderten. Die aufwendige Integration neuer Systeme und die Behebung von Kinderkrankheiten in den ersten Jahren des Betriebs banden erhebliche Ressourcen und Personal. Darüber hinaus ist die Ausbildung von ausreichend qualifiziertem Personal – von den Piloten über die Techniker bis hin zu den Lademeistern – eine Mammutaufgabe. Jedes Flugzeug, das am Boden steht, weil kein ausreichend geschultes Personal zur Verfügung steht, reduziert die operative Stärke der Flotte.
Die Anpassung an die spezifischen Anforderungen der Bundeswehr, etwa für Spezialkräfte-Operationen oder die Nutzung als fliegende Intensivstation, erfordert ebenfalls kontinuierliche Entwicklungs- und Integrationsarbeit. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass die Zahl der tatsächlich operationellen Flugzeuge in der Regel unter der Gesamtzahl der ausgelieferten Maschinen liegt.
Die „Tatsächliche” Zahl: Eine Momentaufnahme
Die genaue, tagesaktuelle Zahl der einsatzbereiten A400M ist naturgemäß schwer zu fassen, da sie ständigen Schwankungen unterliegt. Die Bundeswehr gibt in ihren regelmäßigen Berichten an den Bundestag jedoch eine Übersicht über die sogenannte Verfügbarkeitsrate. Diese Rate spiegelt den Anteil der Flugzeuge wider, die prinzipiell für den Einsatz zur Verfügung stehen könnten. In den vergangenen Jahren lag diese Rate für den A400M oft unter den Erwartungen, hat sich aber dank intensiver Anstrengungen und der Reifung des Systems stetig verbessert.
Im Frühjahr 2023, als die Bundeswehr die 40. A400M in Empfang nahm, wurde betont, dass ein Großteil der Flotte mittlerweile mit wichtigen Fähigkeiten nachgerüstet ist. Obwohl die exakte Zahl der „fully mission capable“ (vollständig einsatzfähigen) A400M schwankt, lässt sich feststellen, dass ein substanzieller Kern der Flotte für alle Kernaufgaben zur Verfügung steht. Parallel zu den Transportaufgaben werden einige Flugzeuge auch für die Ausbildung, für Testflüge nach Wartungsarbeiten oder für spezialisierte Rollen wie die Luftbetankung eingesetzt. Diese sind zwar flugfähig, aber nicht immer für klassische Transportmissionen verfügbar.
Es ist wichtig zu verstehen, dass selbst bei einer Flotte von 40 Flugzeugen niemals alle gleichzeitig im Einsatz sein werden. Ein Teil befindet sich in planmäßiger Wartung, ein anderer in der Überführung oder im Training. Realistisch betrachtet, dürfte die Zahl der operativ verfügbaren A400M für den Routineeinsatz bei etwa der Hälfte bis zwei Dritteln der Gesamtflotte liegen, abhängig von den aktuellen Wartungszyklen und der Personalsituation.
Ausblick und „Zeitenwende“: Die Zukunft des A400M in der Bundeswehr
Die sogenannte „Zeitenwende“ und die damit verbundenen zusätzlichen Investitionen in die Bundeswehr haben auch positive Auswirkungen auf die A400M-Flotte. Mit einem höheren Verteidigungshaushalt können Engpässe bei Ersatzteilen, Personal und Wartung effektiver adressiert werden. Das Ziel ist es, die Verfügbarkeitsraten weiter zu steigern und die Flotte in vollem Umfang für alle geplanten Missionen nutzen zu können. Dazu gehört auch die vollständige Integration aller ursprünglich geplanten Fähigkeiten, wie der umfassende elektronische Selbstschutz oder erweiterte Abwurfverfahren für Lasten und Personal.
Der A400M wird in den kommenden Jahrzehnten das Arbeitspferd der Luftwaffe im Bereich des strategischen und taktischen Lufttransports bleiben. Seine Bedeutung für die Landes- und Bündnisverteidigung sowie für internationale Einsätze ist unbestreitbar. Die kontinuierliche Verbesserung der Einsatzbereitschaft und die volle Nutzung seiner vielseitigen Fähigkeiten sind daher zentrale Ziele für die Bundeswehr. Auch die enge europäische Zusammenarbeit im Rahmen des Programms bleibt entscheidend für die Weiterentwicklung und den effizienten Betrieb der Flotte.
Fazit: Eine komplexe, aber positive Entwicklung
Die „Inventur” bei der Luftwaffe zeigt, dass die Frage nach der Anzahl der A400M-Transportflugzeuge der Bundeswehr vielschichtiger ist, als es auf den ersten Blick scheint. Während die Anzahl der ausgelieferten Flugzeuge das vertraglich vereinbarte Soll erreicht hat oder übertroffen wurde, ist die tatsächliche Einsatzbereitschaft eine dynamische Größe, die von vielen Faktoren beeinflusst wird. Von technischen Nachrüstungen über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen bis hin zur Ausbildung des Personals – all dies trägt zur Komplexität bei. Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren jedoch erhebliche Fortschritte gemacht, um die Verfügbarkeit ihrer A400M-Flotte zu verbessern und die Kinderkrankheiten des Systems zu überwinden. Mit Blick auf die Zukunft und die „Zeitenwende“ stehen die Zeichen gut, dass der A400M seine volle Leistungsfähigkeit für Deutschland und seine Verbündeten immer besser entfalten wird. Er ist und bleibt ein unverzichtbarer Baustein für eine moderne, schlagkräftige Luftwaffe.