Marktanalyse: **Kaufen Privatkunden von VW noch einen Neuwagen konfiguriert** oder ist das nur noch für **Firmen**?

Der Geruch eines brandneuen Autos, das Gefühl, als Erster die Sitze zu spüren, und vor allem die unendlichen Möglichkeiten, sich das eigene Traumauto zusammenzustellen – das war lange Zeit der Inbegriff des Neuwagenkaufs. Besonders bei Marken wie Volkswagen, die für ihre breite Modellpalette und umfangreiche Konfigurationsmöglichkeiten bekannt sind, gehörte das stundenlange Verweilen im Online-Konfigurator oder beim Händler zum ritualisierten Vorfreude-Prozess. Doch die Zeiten ändern sich rasant. Der Automobilmarkt ist im Wandel, getrieben von technologischen Innovationen, wirtschaftlichen Herausforderungen und einem veränderten Konsumentenverhalten. Dies wirft eine zentrale Frage auf: Kaufen Privatkunden von VW heute noch einen Neuwagen konfiguriert oder ist dieser Luxus des „Maßanzugs auf Rädern” primär dem Firmenkundensegment vorbehalten?

Ein Blick zurück: Der Neuwagen als Statussymbol und emotionales Investment

In vergangenen Jahrzehnten war der Neuwagenkauf für viele Privatpersonen ein Höhepunkt im Leben. Er war oft Ausdruck von wirtschaftlichem Erfolg, ein Stück Freiheit und die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. Der VW Konfigurator war dabei ein magisches Werkzeug: Farbe auswählen, Felgen bestimmen, das Infotainment-System upgraden und die Ledersitze hinzufügen – jede Entscheidung trug dazu bei, das Auto zu einem ganz persönlichen Ausdruck zu machen. Familien sparten oft jahrelang, um sich diesen Traum zu erfüllen, und die Lieferzeit war eine Zeit gespannter Vorfreude. Der Wertverlust wurde dabei oft als Investition in die eigene Lebensqualität und den Komfort akzeptiert. Die Freude am individuellen Zusammenstellen, dem Warten auf „das Eigene”, war ein wichtiger Bestandteil der emotionalen Bindung an die Marke und das Produkt. Es war ein Statement, das man sich leistete und das den persönlichen Geschmack widerspiegelte.

Wirtschaftliche Realitäten: Steigende Preise und sinkende Kaufkraft

Die größte Hürde für Privatkunden ist zweifellos der Preis. Die Neuwagenpreise sind in den letzten Jahren rasant gestiegen. Gründe dafür sind vielfältig: gestiegene Rohstoffkosten, aufwendigere Sicherheitssysteme, immer komplexere Assistenzsysteme, die Integration teurer Elektromobilitäts-Technologien und die allgemeine Inflation. Ein gut ausgestatteter VW Golf, der vor zehn Jahren noch als erschwinglich galt, kann heute in einer ähnlichen Konfiguration schnell die 40.000-Euro-Marke überschreiten. Modelle wie der Passat oder Tiguan bewegen sich oft im Bereich von 50.000 bis 70.000 Euro, während die Elektro-ID.-Modelle mitunter noch darüber liegen. Diese Preisentwicklung trifft auf eine Kaufkraft, die bei vielen Privatpersonen stagniert oder sogar sinkt. Die allgemeinen Lebenshaltungskosten sind gestiegen, und die Prioritäten bei der Budgetverteilung verschieben sich. Ein Fahrzeug, das früher vielleicht „gerade noch so” finanzierbar war, wird heute für viele unerschwinglich.

Für viele Privatpersonen ist der Kaufpreis eines individuell konfigurierten Neuwagens schlichtweg zu hoch geworden. Die finanzielle Belastung, sei es durch Barkauf, Finanzierung oder Leasing, ist erheblich. Insbesondere die monatlichen Raten für einen Neuwagen können einen großen Teil des verfügbaren Budgets verschlingen, was Spielraum für andere Ausgaben einschränkt. Dies führt dazu, dass Privatkunden heute wesentlich preissensibler sind und tendenziell eher Kompromisse eingehen müssen, was die Ausstattung betrifft. Der Fokus verlagert sich von „was ich will” zu „was ich mir leisten kann” oder „was wirklich notwendig ist”. Zusätzliche Ausstattungsmerkmale, die früher als „Nice-to-have” galten, werden heute oft als verzichtbarer Luxus eingestuft.

Der Aufstieg des Flotten- und Firmenkundengeschäfts: Rationalität trifft Volumen

Im krassen Gegensatz dazu steht das Firmenkundengeschäft. Für Unternehmen ist ein Neuwagen in erster Linie ein Wirtschaftsgut und ein Arbeitsmittel. Hier dominieren rationale Überlegungen: Total Cost of Ownership (TCO), steuerliche Vorteile, Wiederverkaufswert, Zuverlässigkeit, Wartungsfreundlichkeit und ein professionelles Erscheinungsbild. Unternehmen profitieren oft von Flottenrabatten und speziellen Konditionen, die für Privatkunden unerreichbar sind. Sie kaufen häufig größere Stückzahlen, was ihre Verhandlungsposition stärkt und zu attraktiveren Einkaufspreisen führt. VW hat traditionell eine sehr starke Position im Flottenmarkt und weiß um die Bedeutung dieses Segments.

Gerade bei VW ist das Flottengeschäft seit jeher eine wichtige Säule. Viele Unternehmen setzen auf Modelle wie den Passat, den Tiguan oder mittlerweile auch die ID.-Modelle als Dienstwagen oder für ihren Fuhrpark. Für diese Kunden ist die Möglichkeit, Fahrzeuge zu konfigurieren, von entscheidender Bedeutung. Sie können die Ausstattung optimal an die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter anpassen – von Basisausstattungen für Poolfahrzeuge bis hin zu höherwertigen Ausstattungen für Führungskräfte, die oft spezifische Anforderungen an Komfort, Konnektivität und Sicherheit haben. Die Konfiguration wird hier nicht von Emotionen, sondern von Effizienz, Funktionalität und Repräsentation gesteuert. Steuerliche Aspekte, wie die Möglichkeit, Abschreibungen und Betriebsausgaben geltend zu machen, spielen eine enorme Rolle und machen den Neukauf für Firmen deutlich attraktiver als für private Käufer. Zudem bieten Full-Service-Leasingpakete den Unternehmen eine hohe Planungssicherheit und minimieren den administrativen Aufwand, was ein weiterer entscheidender Faktor ist.

Technologiewandel und Modellvielfalt: Komplexität als Kostenfaktor

Die Automobilindustrie durchläuft einen fundamentalen Wandel, der von der Elektromobilität und zunehmender Digitalisierung geprägt ist. Moderne Fahrzeuge sind rollende Computer, vollgepackt mit Assistenzsystemen, komplexer Software und vernetzten Diensten. Diese Technologien erhöhen nicht nur die Entwicklungskosten, sondern auch den Endpreis für den Kunden. Während diese Innovationen für Sicherheit und Komfort sorgen, fragen sich viele Privatkunden, ob sie wirklich jedes Feature benötigen und bezahlen wollen. Die schiere Menge an Optionen im VW Konfigurator, von verschiedenen Infotainmentsystemen über unzählige Assistenzpakete bis hin zu unterschiedlichen Antriebssträngen (Verbrenner, Plug-in-Hybrid, Elektro), kann für den Laien schnell unübersichtlich werden und treibt den Preis in die Höhe.

VW hat auf diesen Trend reagiert, indem insbesondere bei den Elektroautos der ID.-Familie oft auf eine stärkere Bündelung von Ausstattungen in Paketen gesetzt wird. Das vereinfacht die Produktion, verkürzt Lieferzeiten und macht die Preisgestaltung transparenter. Doch diese Vereinfachung geht oft zulasten der individuellen Konfigurationsmöglichkeiten. Privatkunden müssen sich häufig zwischen vordefinierten „Max Mustern” entscheiden, anstatt ihr Fahrzeug bis ins letzte Detail selbst zusammenzustellen. Die Flexibilität, die der klassische Verbrenner-Konfigurator bot, weicht einer stärker standardisierten Produktpalette, die vor allem auf Effizienz und schnelle Verfügbarkeit abzielt. Für viele ist die Wahl des Antriebs (Benzin, Diesel, Hybrid, Elektro) bereits eine so fundamentale Entscheidung, dass die feine Abstimmung der Ausstattung in den Hintergrund rückt.

Alternativen für Privatkunden: Pragmatismus übertrumpft Individualität

Angesichts der hohen Neuwagenpreise suchen Privatkunden verstärkt nach Alternativen, die ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Der „konfigurierte Neuwagen” ist dabei oft die erste Wahl, die aus finanziellen Gründen revidiert wird. Stattdessen werden folgende Optionen immer beliebter und verändern das Kaufverhalten nachhaltig:

1. Junge Gebrauchte und Jahreswagen: Hier lassen sich erhebliche Preisnachlässe gegenüber einem Neuwagen erzielen, oft bei nur geringer Laufleistung und sehr guter Ausstattung. Der erste und größte Wertverlust ist bereits passiert, was den Anschaffungspreis deutlich attraktiver macht. Viele dieser Fahrzeuge stammen ursprünglich aus dem Firmenleasing oder waren Werksdienstwagen, sind top geplegt und verfügen oft über eine überdurchschnittliche Ausstattung, die ein Privatkunde sich neu nur schwer leisten könnte.
2. Lagerfahrzeuge und Vorführmodelle: Händler haben oft Fahrzeuge auf Lager oder Vorführmodelle, die sofort verfügbar sind und mit attraktiven Rabatten angeboten werden. Zwar sind sie nicht individuell konfiguriert, aber oft gut ausgestattet und eine schnelle Lösung für dringenden Fahrzeugbedarf. Der Verzicht auf die „eigene Konfiguration” wird hier durch den Preisvorteil und die sofortige Verfügbarkeit aufgewogen.
3. Kurzfristiges Leasing für Privatkunden: Das sogenannte „Privatleasing” hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Es ermöglicht feste, überschaubare monatliche Raten ohne das Risiko des Wertverlustes oder unerwarteter Reparaturkosten (sofern ein Servicepaket inkludiert ist). Auch wenn die individuelle Konfiguration hier seltener ist (oft werden vordefinierte Pakete angeboten), ist die finanzielle Planbarkeit ein großes Plus. Es bietet die Möglichkeit, regelmäßig ein neues Fahrzeug zu fahren, ohne die hohen Anschaffungskosten tragen zu müssen.
4. Auto-Abo-Modelle: Diese noch relativ neue Form der Mobilität bietet maximale Flexibilität. Alles ist in einer Monatsrate enthalten (Versicherung, Wartung, Reifen, Steuer), und der Kunde hat keine Verpflichtungen bezüglich Wertverlust oder Reparaturen. Die Fahrzeuge sind in der Regel vorkonfiguriert, aber topaktuell und gut ausgestattet. Es ist die ultimative Form des sorglosen Fahrens, ideal für diejenigen, die sich nicht an ein Fahrzeug binden oder Risiken eingehen wollen.
5. Standardisierte Pakete und Ausstattungslinien: Selbst wenn Privatkunden einen Neuwagen kaufen, greifen sie seltener auf die freie Konfiguration zu. Stattdessen wählen sie häufig vordefinierte Ausstattungslinien (z.B. „Comfortline”, „Highline”, „R-Line” bei VW oder feste Pakete bei den ID.-Modellen), die bereits ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten und die Kosten besser kalkulierbar machen. Die absolute Individualisierung weicht der optimierten Kostenkontrolle. Der Fokus liegt auf einem stimmigen Gesamtpaket, das den wichtigsten Bedürfnissen gerecht wird.

Diese Entwicklung zeigt, dass Privatkunden von VW zwar immer noch den Wunsch nach einem neuen, modernen Fahrzeug haben, aber die Prioritäten sich verschoben haben. Pragmatismus und finanzielle Vernunft überwiegen oft den Wunsch nach absoluter Individualität. Der Online-Konfigurator wird dann eher zur Wunschliste, die später mit der Realität des Angebots abgeglichen wird oder als Informationsquelle dient, um die verschiedenen Optionen und deren Preise kennenzulernen, bevor man sich für eine günstigere Alternative entscheidet.

Die digitale Transformation und VWs Antwort

Auch Volkswagen hat diese Verschiebungen im Kaufverhalten erkannt. Die Online-Konfiguratoren sind weiterhin ein zentrales Werkzeug auf der Website, dienen aber oft mehr der Informationsbeschaffung und dem „Träumen”, bevor der Gang zum Händler die Realität der Preise und Verfügbarkeit offenbart. VW investiert stark in digitale Vertriebswege und Direktvertrieb, insbesondere für die ID.-Modelle. Hier gibt es oft eine stärker standardisierte Angebotspalette, die den Konfigurationsprozess vereinfacht und beschleunigt. Der Fokus liegt auf attraktiven Leasing- und Finanzierungsangeboten, die auch Privatkunden ansprechen sollen und den Einstieg in die Elektromobilität erleichtern.

Die Elektroautos von VW, insbesondere die ID.-Familie, werden oft mit weniger Konfigurationsmöglichkeiten angeboten als Verbrenner. Statt einzelner Optionen gibt es meist Ausstattungspakete, die den Produktionsprozess vereinfachen und die Lieferzeiten verkürzen sollen. Dies ist ein Kompromiss zwischen der Nachfrage nach Individualität und der Effizienz in der Produktion und Logistik – ein Kompromiss, der vor allem auf das Massenmarktsegment zielt. Diese Strategie spiegelt das Bestreben wider, Fahrzeuge schneller und zu attraktiveren Konditionen auf den Markt zu bringen, um die Elektromobilität für eine breitere Käuferschicht zugänglich zu machen, selbst wenn dies bedeutet, dass die absolute Freiheit bei der Gestaltung eingeschränkt wird. Der Fokus liegt auf der Kerntechnologie und dem Erlebnis des elektrischen Fahrens.

Fazit: Ein differenziertes Bild des VW-Kunden

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Frage, ob Privatkunden von VW noch einen Neuwagen konfiguriert kaufen, kein einfaches Ja oder Nein zulässt. Das Bild ist differenziert:

• Ja, der Wunsch nach einem individualisierten Neuwagen ist bei Privatkunden weiterhin vorhanden. Der Konfigurator wird genutzt, um Träume zu schmieden und sich über die Möglichkeiten zu informieren. Es gibt immer noch eine Nische von Enthusiasten oder finanziell gut gestellten Privatkunden, die bereit und in der Lage sind, den Preis für ihr individuelles Wunschfahrzeug zu zahlen.
• Nein, die tatsächliche Umsetzung eines vollends individuell konfigurierten Neuwagenkaufs durch Privatkunden nimmt ab. Hohe Preise, sinkende Kaufkraft und attraktive Alternativen (Jahreswagen, Leasing, Lagerfahrzeuge) führen dazu, dass viele Kompromisse eingehen oder sich für fertige Angebote entscheiden, die ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Der „Wunschzettel” aus dem Konfigurator wird seltener 1:1 in eine Bestellung umgesetzt.
• Ja, für Firmenkunden bleibt die Konfiguration von Neuwagen absolut essenziell. Sie nutzen sie, um ihre Flotten effizient und bedarfsgerecht zusammenzustellen, unterstützt durch wirtschaftliche und steuerliche Anreize. Hier ist die Konfiguration ein Werkzeug zur Optimierung des Geschäftsbetriebs und zur Erfüllung spezifischer Anforderungen an Mitarbeiterfahrzeuge.

Der Markt hat sich gespalten: Auf der einen Seite stehen die rational agierenden Firmenkunden, für die das konfigurierte Fahrzeug ein optimiertes Betriebsmittel ist, oft mit einem klar definierten Budget und funktionalen Anforderungen. Auf der anderen Seite die Privatkunden, deren einstiger Traum vom Wunschauto heute oft dem Pragmatismus weichen muss. VW muss weiterhin beide Segmente bedienen, wird aber für Privatkunden verstärkt auf attraktive Standardpakete, flexible Mobilitätslösungen und vorkonfigurierte Angebote setzen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der individuelle Neuwagenkauf à la carte wird zunehmend zu einem Nischenphänomen, während der „fertige” Neuwagen, oft über Leasing oder als junger Gebrauchter, zur neuen Norm für viele Privatpersonen wird, die auf Qualität und Zuverlässigkeit von VW nicht verzichten möchten. Die emotionale Bindung an die Marke bleibt, aber die Zugangswege zum neuen Fahrzeug ändern sich drastisch.

Die Zukunft des Automarktes wird weitere Innovationen im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen und des Vertriebs bringen. Doch eines bleibt sicher: Der Name Volkswagen wird weiterhin für Qualität und ein breites Angebot stehen, auch wenn sich die Art und Weise, wie ein Auto zu seinem Kunden findet, stetig wandelt. Der Konfigurator wird weiterhin existieren – mal als Traumwerkzeug, mal als reines Kalkulationsinstrument.