Das österreichische Pickerl – für viele Autobesitzer ist es ein kleines, unscheinbares Etikett auf der Windschutzscheibe, dessen wahre Bedeutung oft im Verborgenen liegt. Doch dieses scheinbar einfache Klebchen ist weit mehr als nur ein Aufkleber. Es ist der sichtbare Beweis für die Verkehrssicherheit und Umweltverträglichkeit Ihres Fahrzeugs, ein Zeugnis der gesetzlich vorgeschriebenen §57a Überprüfung. Wer es nicht versteht, riskiert nicht nur Strafen, sondern auch die eigene Sicherheit und die anderer Verkehrsteilnehmer.
In diesem Artikel nehmen wir Sie an die Hand und entschlüsseln das Geheimnis der Pickerl-Lochungen. Wir erklären Ihnen detailliert, wie Sie die Gültigkeit Ihres Fahrzeugs ablesen, welche Toleranzfristen es gibt und warum das korrekte Verständnis des Pickerls so essenziell ist. Machen Sie sich bereit, das Rätsel zu lüften und mit neuem Wissen sicher auf Österreichs Straßen unterwegs zu sein!
Was ist das österreichische Pickerl und warum ist es so wichtig?
Das „Pickerl“ ist umgangssprachlich die Bezeichnung für die Begutachtungsplakette nach §57a des Kraftfahrgesetzes (KFG). Es ist der Nachweis, dass Ihr Fahrzeug (egal ob Auto, Motorrad, Anhänger oder LKW) regelmäßig auf seine Verkehrs- und Betriebssicherheit sowie auf seine Umweltverträglichkeit überprüft wurde. Diese Überprüfung ist in Österreich für fast alle Fahrzeuge verpflichtend und dient dazu, Mängel frühzeitig zu erkennen und zu beheben, bevor sie zu Gefahrenquellen werden.
Die Gültigkeit eines Pickerls ist nicht nur eine Formalität. Sie ist die Bestätigung, dass Ihr Fahrzeug den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Ein gültiges Pickerl ist somit entscheidend für:
- Ihre Sicherheit: Ein überprüftes Fahrzeug ist ein sicheres Fahrzeug.
- Die Sicherheit anderer: Mängelfreie Fahrzeuge reduzieren das Unfallrisiko.
- Rechtliche Konformität: Ohne gültiges Pickerl drohen saftige Strafen.
- Versicherungsschutz: Im Falle eines Unfalls kann ein abgelaufenes Pickerl zu Problemen mit der Versicherung führen.
- Umweltschutz: Die Abgaswerte werden überprüft, um die Umweltbelastung zu minimieren.
Das Pickerl auf den ersten Blick: Die visuellen Merkmale
Bevor wir uns den Lochungen widmen, werfen wir einen Blick auf das Pickerl selbst. Es ist eine runde Plakette, die in der Regel auf der Windschutzscheibe (bei Pkw) oder an einer gut sichtbaren Stelle am Fahrzeug (z.B. Motorrad, Anhänger) angebracht ist. Es zeigt:
- Das Bundeswappen der Republik Österreich.
- Die Aufschrift „REPUBLIK ÖSTERREICH“ und „BEGUTACHTUNG NACH §57a KFG“.
- Ein einzigartiges Identifikationsnummer des Pickerls (Seriennummer).
- Der Stempel der Prüfstelle und die Unterschrift des Prüftechnikers.
- Und natürlich: die berühmten Lochungen für Monat und Jahr.
Die Farbe des Pickerls kann variieren. Früher gab es oft farbige Pickerl, die den Begutachtungszeitraum angaben (z.B. grüne für Neufahrzeuge, rote für die erste fällige Begutachtung nach 3 Jahren etc.). Heute sind die meisten Pickerl einheitlich weiß. Die Gültigkeit ergibt sich ausschließlich aus den Lochungen und der Einhaltung der Toleranzfristen.
Das Herzstück: Die Bedeutung der Lochungen einfach erklärt
Die Lochungen sind der Schlüssel zur Entschlüsselung der Gültigkeit Ihres Pickerls. Jedes Pickerl hat zwei Hauptlochungen: eine für das Jahr und eine für den Monat. Diese zeigen Ihnen an, wann Ihr Fahrzeug spätestens zur Begutachtung fällig ist.
1. Die Jahreslochung: Welches Jahr ist es?
In der Mitte des Pickerls befindet sich ein Kreis, der in zwölf Segmente unterteilt ist. In der Mitte dieses Kreises ist eine zweistellige Zahl zu sehen. Diese Zahl gibt das Ablaufjahr des Pickerls an. Ist beispielsweise eine „25“ gelocht, so bedeutet dies, dass Ihr Pickerl im Jahr 2025 fällig wird.
Beispiel: Eine Lochung bei „25“ im mittleren Kreis bedeutet, dass die Begutachtung im Jahr 2025 fällig ist.
2. Die Monatslochung: Wann genau ist es fällig?
Rund um die Jahreszahl sind zwölf kleine Felder angeordnet, die jeweils einen Monat symbolisieren. Diese Felder sind wie ein Zifferblatt einer Uhr angeordnet:
- „12 Uhr“ steht für den Jänner (Januar)
- „1 Uhr“ steht für den Februar
- „2 Uhr“ steht für den März
- …und so weiter bis
- „11 Uhr“ für den Dezember
Ein Loch in einem dieser Felder zeigt an, in welchem Monat die Begutachtung fällig ist. Ist beispielsweise das Feld bei „3 Uhr“ gelocht, so ist die Begutachtung im April fällig.
Beispiel:
- Ist die Jahreslochung auf „25“ und das Feld bei „2 Uhr“ (März) gelocht, so ist die Begutachtung im März 2025 fällig.
- Ist die Jahreslochung auf „24“ und das Feld bei „10 Uhr“ (November) gelocht, so ist die Begutachtung im November 2024 fällig.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Lochungen immer den ursprünglichen Fälligkeitsmonat angeben, nicht unbedingt den Monat, in dem die Begutachtung tatsächlich durchgeführt wurde, insbesondere wenn die Toleranzfristen in Anspruch genommen werden.
Die entscheidenden Toleranzfristen: Wann muss ich wirklich zur Prüfung?
Die Lochungen allein erzählen noch nicht die ganze Geschichte. In Österreich gibt es – je nach Fahrzeugkategorie – Toleranzfristen, die Ihnen einen gewissen Spielraum geben, um Ihr Fahrzeug zur Überprüfung vorzuführen. Diese Fristen sind absolut entscheidend, um Strafen zu vermeiden und Ihr Pickerl nicht zu überziehen. Hier muss man sehr genau unterscheiden:
1. Für Personenkraftwagen (M1) und leichte Anhänger (O1)
Dies ist die häufigste Kategorie und betrifft die meisten Privatfahrzeuge. Für diese Fahrzeuge gilt eine großzügigere Toleranzfrist:
- Sie können die Begutachtung einen Monat vor dem auf dem Pickerl gelochten Monat durchführen lassen.
- Sie können die Begutachtung im gelochten Monat selbst durchführen lassen.
- Sie haben eine Nachfrist von vier Monaten nach dem auf dem Pickerl gelochten Monat.
Zusammenfassend bedeutet das: Sie haben ein Zeitfenster von insgesamt fünf Monaten (1 Monat vor dem Fälligkeitsmonat, der Fälligkeitsmonat selbst, 4 Monate danach), in dem Sie Ihr Fahrzeug legal begutachten lassen können.
Beispiel für PKW (M1) und leichte Anhänger (O1):
Ihr Pickerl zeigt eine Lochung für März 2025. Sie können Ihr Fahrzeug zur §57a Begutachtung vorführen in:
- Februar 2025 (1 Monat vor dem Fälligkeitsmonat)
- März 2025 (der Fälligkeitsmonat selbst)
- April 2025 (1. Monat nach Fälligkeit)
- Mai 2025 (2. Monat nach Fälligkeit)
- Juni 2025 (3. Monat nach Fälligkeit)
- Juli 2025 (4. Monat nach Fälligkeit)
Die späteste Möglichkeit zur legalen Begutachtung wäre also der 31. Juli 2025. Auch wenn die Begutachtung im Juli erfolgt, wird das neue Pickerl weiterhin den März 2026 als Fälligkeitsmonat zeigen, um den ursprünglichen Begutachtungszyklus beizubehalten.
2. Für alle anderen Fahrzeugkategorien (z.B. Motorräder, LKWs, Taxis, Mietwagen, Busse, schwere Anhänger, historische Fahrzeuge mit Ausnahmegenehmigung, etc.)
Hier sind die Regeln strenger. Es gibt keine Nachfrist nach dem gelochten Monat:
- Sie können die Begutachtung einen Monat vor dem auf dem Pickerl gelochten Monat durchführen lassen.
- Sie können die Begutachtung im gelochten Monat selbst durchführen lassen.
Das bedeutet: Sie haben ein Zeitfenster von insgesamt zwei Monaten.
Beispiel für Motorräder, LKWs und andere Kategorien:
Ihr Pickerl zeigt eine Lochung für März 2025. Sie können Ihr Fahrzeug zur §57a Begutachtung vorführen in:
- Februar 2025 (1 Monat vor dem Fälligkeitsmonat)
- März 2025 (der Fälligkeitsmonat selbst)
Die späteste Möglichkeit zur legalen Begutachtung wäre also der 31. März 2025. Bereits ab dem 1. April 2025 wäre Ihr Pickerl als „abgelaufen“ anzusehen, auch wenn es für PKW noch in der Toleranzfrist wäre.
Wichtiger Hinweis zur Ersterstanmeldung:
Bei Neufahrzeugen gelten Sonderregelungen für die erste, zweite und dritte Begutachtung. In der Regel ist die erste Begutachtung nach 3 Jahren, die zweite nach weiteren 2 Jahren und danach jährlich fällig (3-2-1-Regel). Das Pickerl wird dann entsprechend gelocht.
Weitere wichtige Aspekte des Pickerls
Neben den Lochungen und Toleranzfristen gibt es noch weitere Punkte, die es zu beachten gilt:
- Der Begutachtungsbericht: Zu jedem Pickerl gehört ein ausführlicher Begutachtungsbericht. Dieser sollte immer im Fahrzeug mitgeführt werden und dokumentiert alle bei der Prüfung festgestellten Mängel (leichte Mängel, schwere Mängel, Gefahr im Verzug) sowie die durchgeführten Messungen.
- Der Stempel und die Unterschrift: Der Stempel der Prüfstelle und die Unterschrift des Prüfers bestätigen die offizielle Durchführung der Begutachtung.
- Beschädigtes oder fehlendes Pickerl: Ist Ihr Pickerl beschädigt, unleserlich oder fehlt es, müssen Sie dies bei der Prüfstelle melden und ein Ersatzpickerl ausstellen lassen. Auch ein fehlendes Pickerl gilt als Mangel und kann bei einer Polizeikontrolle geahndet werden.
- „Vorgeführt“-Vermerk: Wenn ein Fahrzeug zur Begutachtung vorgeführt wird und schwere Mängel festgestellt werden, die behoben werden müssen, kann die Prüfstelle einen „vorgeführt“-Vermerk am Pickerl anbringen. Das Fahrzeug darf dann unter Umständen nur noch zur Reparaturfahrt bewegt werden und muss innerhalb einer bestimmten Frist erneut vorgeführt werden.
Die Konsequenzen eines abgelaufenen Pickerls
Ein abgelaufenes Pickerl ist kein Kavaliersdelikt. Die Konsequenzen können vielfältig und unangenehm sein:
- Geldstrafen: Bei einer Polizeikontrolle drohen empfindliche Strafen, die von mehreren Dutzend bis zu mehreren Hundert Euro reichen können, insbesondere wenn das Pickerl schon länger abgelaufen ist oder schwere Mängel vorliegen. Bei einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer können die Strafen noch höher ausfallen.
- Erhöhtes Risiko bei Unfällen: Im Falle eines Unfalls kann die Versicherung die Leistung kürzen oder sogar gänzlich verweigern, wenn das Pickerl abgelaufen war und ein Zusammenhang zwischen den nicht behobenen Mängeln und dem Unfallhergang hergestellt werden kann. Das bedeutet, Sie müssten unter Umständen für alle Schäden selbst aufkommen.
- Stilllegung des Fahrzeugs: Im Extremfall, insbesondere bei festgestellten schweren Mängeln oder Gefahr im Verzug, kann die Polizei Ihr Fahrzeug sofort stilllegen.
- Zulassungsentzug: Wenn Sie der Aufforderung zur Begutachtung nicht nachkommen, kann die Zulassungsstelle die Abmeldung Ihres Fahrzeugs veranlassen.
All diese Szenarien verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Gültigkeit des Pickerls stets im Auge zu behalten und die Fristen einzuhalten.
Praktische Tipps für Fahrzeugbesitzer
Damit Sie immer auf der sicheren Seite sind, hier einige bewährte Tipps:
- Regelmäßig prüfen: Machen Sie es sich zur Gewohnheit, einmal im Monat (z.B. beim Tanken oder Waschen des Autos) einen Blick auf Ihr Pickerl zu werfen.
- Fälligkeitsmonat merken: Notieren Sie sich den Fälligkeitsmonat in Ihrem Kalender oder Smartphone. Moderne Apps können Sie auch automatisch erinnern.
- Termin frühzeitig vereinbaren: Warten Sie nicht bis zur letzten Minute der Toleranzfrist. Vereinbaren Sie Ihren Termin zur KFZ Überprüfung frühzeitig, um Engpässe bei Prüfstellen zu vermeiden.
- Unterlagen bereithalten: Halten Sie den Zulassungsschein (Teil I) und den letzten Begutachtungsbericht bereit.
- Fahrzeug vorbereiten: Überprüfen Sie grundlegende Dinge wie Beleuchtung, Reifenprofil, Flüssigkeitsstände und Scheibenwischer, bevor Sie zur Prüfung fahren. Kleinere Mängel können so oft schon vorab behoben werden.
- Bei Unsicherheiten fragen: Wenn Sie sich bei der Deutung Ihres Pickerls oder den Fristen unsicher sind, wenden Sie sich an eine Prüfstelle (Werkstatt, ÖAMTC, ARBÖ).
Häufige Missverständnisse und Mythen rund um das Pickerl
Trotz der klaren Regelungen halten sich hartnäckig einige Missverständnisse:
- „Das Pickerl ist abgelaufen, wenn es alt aussieht oder die Farbe verblasst ist.“
Falsch! Aussehen oder Farbe sind irrelevant. Nur die Lochungen und die Einhaltung der Toleranzfristen zählen. - „Wenn ich ein neues Auto kaufe, ist das Pickerl automatisch für ein Jahr gültig.“
Nicht unbedingt. Der erste Pickerl-Termin ist erst nach 3 Jahren. Bei Gebrauchtwagen sollten Sie immer das bestehende Pickerl überprüfen und im Zweifelsfall eine frische Begutachtung durchführen lassen, besonders wenn der Kauf kurz vor dem Ablauf des Pickerls liegt. - „Ich fahre sowieso nicht viel, also ist das Pickerl nicht so wichtig.“
Falsch! Die Pflicht zur Begutachtung besteht unabhängig von der Fahrleistung. Die Verkehrssicherheit muss immer gewährleistet sein.
Fazit: Wissen ist Sicherheit
Das österreichische Pickerl mag auf den ersten Blick komplex erscheinen, doch mit dem richtigen Wissen ist es einfach zu entschlüsseln. Die Lochungen für Jahr und Monat sind die Kerninformationen, die Ihnen den Fälligkeitsmonat der §57a Überprüfung anzeigen. Das Verständnis der Toleranzfristen – insbesondere der Unterscheidung zwischen PKW/leichten Anhängern und allen anderen Fahrzeugkategorien – ist von entscheidender Bedeutung, um Fristen einzuhalten und rechtliche sowie versicherungstechnische Probleme zu vermeiden.
Nehmen Sie das Pickerl ernst. Es ist ein kleines Detail mit großer Wirkung für Ihre Fahrsicherheit und die Einhaltung der Gesetze. Ein stets gültiges Pickerl gibt Ihnen nicht nur ein gutes Gefühl, sondern schützt Sie und Ihr Fahrzeug vor unnötigen Risiken und Kosten. Fahren Sie sicher und gut informiert – die Straßen Österreichs danken es Ihnen!