Ah, die Rieju! Für viele von uns ist sie mehr als nur ein Motorrad – sie ist ein Symbol für Freiheit, Abenteuer und die ersten Schritte in die aufregende Welt der Zweiräder. Ob als zuverlässiger Begleiter auf dem Weg zur Schule, als sportliches Gerät für Offroad-Abenteuer oder als stylisches Supermoto-Bike, die Rieju hat einen festen Platz im Herzen vieler junger Fahrer. Doch eine Frage beschäftigt fast jeden Rieju-Besitzer früher oder später: „Wie schnell geht meine Rieju wirklich, und was ist das absolute Maximum?“
Die Faszination der Höchstgeschwindigkeit ist tief in der DNA jedes Motorradfahrers verankert. Der Moment, wenn der Gasgriff am Anschlag ist, der Motor dreht und der Tacho immer weiter nach oben klettert – das ist ein Gefühl, das schwer zu beschreiben ist. Aber ist die angezeigte Geschwindigkeit immer die tatsächliche? Und welche Faktoren spielen eine Rolle, wenn es darum geht, das Letzte aus der geliebten Maschine herauszuholen? In diesem umfassenden Artikel tauchen wir tief in die Welt der Rieju-Geschwindigkeiten ein, beleuchten technische Details, Tuning-Möglichkeiten und natürlich auch die wichtigen Aspekte von Sicherheit und Legalität.
Die Rieju: Mehr als nur ein Moped
Bevor wir uns den reinen Zahlen widmen, sollten wir kurz verstehen, was die Rieju so besonders macht. Rieju, ein spanischer Hersteller mit langer Tradition, hat sich auf leichte Motorräder, insbesondere im 50ccm– und 125ccm-Segment, spezialisiert. Modelle wie die Rieju MRT 50, Marathon 125 oder die sportlichere RS3 haben sich einen Namen gemacht durch ihre robuste Bauweise, ihr ansprechendes Design und ihre vielseitigen Einsatzmöglichkeiten. Sie sind oft die erste Wahl für Jugendliche, die in die Welt der motorisierten Zweiräder eintauchen und dabei sowohl im Alltag als auch im leichten Gelände Spaß haben wollen.
Die 50ccm-Modelle sind in vielen Ländern für junge Fahrer ab 15 oder 16 Jahren zugänglich und unterliegen strengen gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich ihrer Höchstgeschwindigkeit. In Deutschland beispielsweise sind Mofas auf 25 km/h und Kleinkrafträder (Roller, Leichtkrafträder) auf 45 km/h begrenzt. Dies wird durch verschiedene Formen der Drosselung erreicht, die wir gleich genauer beleuchten werden. Die 125ccm-Modelle richten sich an Fahrer mit A1-Führerschein und dürfen in der Regel schneller fahren, sind aber ebenfalls oft auf eine bestimmte Leistung und Geschwindigkeit begrenzt, um den Führerscheinklassen zu entsprechen.
Serienzustand vs. „Offene” Rieju: Was ist möglich?
Die erste und wichtigste Unterscheidung, wenn es um die Geschwindigkeit deiner Rieju geht, ist der Zustand deines Bikes: Ist es im Serienzustand (gedrosselt) oder ist es „offen” (entdrosselt oder getunt)?
Die gedrosselte Rieju (Serienzustand)
Im Auslieferungszustand sind Riejus, insbesondere die 50ccm-Modelle, auf die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit beschränkt. Diese Drosselung kann auf verschiedene Weisen erfolgen:
- Vergaser-Drossel: Ein kleinerer Düsendurchmesser oder ein verengter Ansaugstutzen begrenzen die Benzin-/Luftzufuhr.
- Auspuff-Drossel: Engere Krümmer, Katalysatoren oder ein reduzierer Auslass im Auspuffsystem verhindern einen optimalen Gasfluss. Oft sind in den Krümmern auch sogenannte „Blindrohre” oder „Verjüngungen” verbaut.
- CDI-Drossel: Die elektronische Zündanlage (CDI) kann so programmiert sein, dass sie die Drehzahl des Motors bei einer bestimmten Geschwindigkeit abriegelt.
- Getriebe-Drossel: Manchmal werden auch einfach längere Übersetzungen (kleineres Ritzel, größeres Kettenblatt) verwendet, um die Endgeschwindigkeit zu reduzieren, obwohl dies seltener der Fall ist.
Eine 50ccm Rieju (z.B. MRT 50) erreicht im gedrosselten 45 km/h Zustand selten mehr als die zugelassenen 45-50 km/h auf dem Tacho. Bergab oder mit starkem Rückenwind sind vielleicht ein paar km/h mehr drin, aber das war’s auch schon. Die 125ccm-Modelle sind oft auf 80-100 km/h gedrosselt, je nach Land und genauer Modellvariante.
Die „offene” oder entdrosselte Rieju
Hier wird es spannend für alle, die das volle Potenzial ihrer Maschine ausschöpfen wollen. Eine entdrosselte Rieju ist eine, bei der die vom Werk installierten Begrenzungen entfernt wurden. Das Entfernen dieser Drosseln kann zu einer erheblichen Steigerung der Leistung und damit der Höchstgeschwindigkeit führen.
Eine gut entdrosselte Rieju 50ccm kann je nach Modell und Zustand tatsächlich 70-90 km/h erreichen. Hier sprechen wir von Werten, die schon deutlich über der legalen Grenze liegen. Modelle wie die MRT oder Marathon, die ursprünglich für den Enduro- und Supermoto-Einsatz konzipiert wurden, haben in ihren Motoren (oft Minarelli AM6 Nachbauten) viel Potenzial, wenn sie „atmen” dürfen.
Bei den 125ccm Riejus können nach dem Entdrosseln Geschwindigkeiten von 110-130 km/h realistisch sein, ebenfalls abhängig vom genauen Modell, dem Motor (2-Takt vs. 4-Takt) und weiteren Faktoren. Einige der älteren 2-Takt 125er hatten hier sogar noch mehr Potenzial.
Tuning: Das volle Potenzial entfesseln
Das reine Entdrosseln ist oft nur der erste Schritt. Für viele ist der Reiz des Tunings unwiderstehlich. Hier sind einige der gängigsten Tuning-Maßnahmen und ihr Einfluss auf die Geschwindigkeit:
- Auspuffanlage: Ein hochwertiger Sportauspuff ist oft die erste Tuning-Maßnahme. Er verbessert den Gasfluss erheblich und kann zusammen mit einer passenden Vergaserabstimmung die Leistung und Drehzahl deutlich steigern. Bekannte Marken wie Giannelli, Leovince oder Yasuni sind hier beliebt.
- Vergaser: Der Einbau eines größeren Vergasers (z.B. von 16mm auf 19mm oder sogar 21mm) ermöglicht eine bessere Gemischzufuhr, was zu mehr Leistung führt. Eine präzise Abstimmung mit der richtigen Hauptdüse ist hier entscheidend.
- Zylinderkit: Wer wirklich die Grenzen ausloten will, greift zum Sport- oder Rennzylinder. Kits von 70ccm oder mehr für die 50ccm Modelle oder Hubraumerweiterungen bei den 125ern bringen massive Leistungssteigerungen, erfordern aber oft weitere Anpassungen an Kurbelwelle, Vergaser und Auspuff.
- Übersetzung (Ritzel/Kettenblatt): Dies ist eine der effektivsten Methoden, um die Endgeschwindigkeit zu beeinflussen. Ein größeres Ritzel vorne oder ein kleineres Kettenblatt hinten („längere Übersetzung”) reduziert die Drehzahl bei gleicher Geschwindigkeit und erhöht potenziell die Höchstgeschwindigkeit, allerdings auf Kosten der Beschleunigung. Eine ausgewogene Abstimmung ist hier der Schlüssel.
- Sportluftfilter: Ein offener Sportluftfilter kann die Luftzufuhr verbessern, erfordert aber eine erneute Vergaserabstimmung.
- CDI/Zündung: Eine entriegelte oder sportliche CDI kann die Drehzahlbegrenzung aufheben und eine optimierte Zündkurve bieten.
Mit einem umfassenden und gut aufeinander abgestimmten Tuning-Setup können selbst 50ccm Rieju-Modelle theoretisch Geschwindigkeiten von über 100 km/h erreichen. Bei 125ccm Rieju-Modellen sind mit entsprechendem Tuning (z.B. Sportzylinder, Rennkurbelwelle) sogar bis zu 140-150 km/h denkbar, wobei wir hier bereits im extremen Bereich der Machbarkeit und Haltbarkeit sind.
Die Realität des „Tacho am Anschlag”: Warum dein Tacho lügt
Jeder Rieju-Fahrer kennt das Gefühl: Der Tacho zeigt 80, 90 oder sogar 100 km/h an, und man ist stolz wie Oskar. Doch hier kommt die ernüchternde Wahrheit: Der Tacho am Motorrad ist in der Regel nicht sehr präzise. Die meisten Motorradtachos zeigen eine höhere Geschwindigkeit an, als tatsächlich gefahren wird. Diese Abweichung kann 5-15% betragen, je nach Hersteller und Modell.
Warum ist das so? Zum einen gibt es gesetzliche Toleranzen, die eine leichte Voreilung erlauben, aber keine Nacheilung. Zum anderen sind die Messungen über Radumdrehungen nicht immer exakt, da Faktoren wie Reifendruck oder Reifenabnutzung die tatsächliche Abrolllänge beeinflussen. Die einzig zuverlässige Methode, die tatsächliche Geschwindigkeit zu messen, ist ein GPS-Gerät. Ein GPS-gestützter Tacho im Smartphone oder ein externes GPS-Modul gibt dir Aufschluss über die reale Geschwindigkeit.
Wenn dein Tacho also „am Anschlag” ist und 90 km/h anzeigt, können es in Wahrheit gut und gerne nur 80-85 km/h sein. Das ändert nichts am Fahrgefühl, aber es ist wichtig, dies zu wissen, um realistische Erwartungen zu haben und vor allem, um die Verkehrsregeln richtig einzuschätzen.
Faktoren, die die Höchstgeschwindigkeit beeinflussen
Neben dem Zustand deines Motors und dem Tuning gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die darüber entscheiden, wie schnell deine Rieju tatsächlich fährt:
- Fahrergewicht und -position: Ein leichterer Fahrer erreicht tendenziell eine höhere Geschwindigkeit. Auch die Aerodynamik spielt eine Rolle: Wer sich duckt und klein macht, reduziert den Luftwiderstand und gewinnt ein paar km/h.
- Windverhältnisse: Starker Gegenwind ist ein Geschwindigkeitskiller. Rückenwind kann hingegen ein echter Boost sein.
- Streckenbeschaffenheit: Bergauf geht es langsamer, bergab schneller. Auch die Qualität des Fahrbahnbelags (Asphalt, Schotter, lose Erde) beeinflusst den Rollwiderstand.
- Wartung und Zustand des Bikes: Ein gut gewartetes Motorrad mit richtigem Reifendruck, sauberer Kette, frischem Öl und gut eingestelltem Motor läuft effizienter und somit schneller. Eine schmutzige oder zu straffe Kette, zu geringer Reifendruck oder ein verschmutzter Luftfilter kosten spürbar Leistung.
- Höhe über dem Meeresspiegel: In großen Höhen ist die Luft dünner, was weniger Sauerstoff für die Verbrennung bedeutet und die Motorleistung reduzieren kann, es sei denn, der Vergaser wurde entsprechend angepasst.
Das „Maximum”: Wo liegen die Grenzen?
Was ist nun das absolute Maximum, das eine Rieju erreichen kann? Diese Frage ist komplex und hängt stark davon ab, wie viel Aufwand und Geld man bereit ist zu investieren, und wo man die Grenzen der Sinnhaftigkeit zieht.
Für 50ccm Rieju Modelle:
Realistisch betrachtet, ohne extremen Umbau, aber mit allen gängigen Tuning-Maßnahmen (entdrosselt, Sportauspuff, größerer Vergaser, evtl. 70ccm Zylinderkit und angepasster Übersetzung), können Geschwindigkeiten von 90-110 km/h erreicht werden. Darüber hinaus wird es sehr aufwendig und teuer, da man an die Grenzen der Motorkonstruktion stößt (Kurbelwelle, Lager, Kühlung). Die Haltbarkeit leidet extrem.
Für 125ccm Rieju Modelle:
Bei den 125ern (insbesondere den 2-Taktern, die deutlich mehr Tuning-Potenzial haben als die meisten 4-Takter) sind mit umfassendem Tuning (größerer Zylinder, Sportauspuff, angepasster Vergaser/Einspritzung, optimierte CDI) Geschwindigkeiten von 130-150 km/h theoretisch erreichbar. Auch hier gilt: Die Grenzen der Materialbelastung sind schnell erreicht, und die Kosten explodieren.
Es ist wichtig zu verstehen, dass jede Leistungssteigerung über das vorgesehene Maß hinaus die Lebensdauer des Motors und anderer Komponenten erheblich verkürzt. Höhere Drehzahlen und Temperaturen belasten Kurbelwelle, Lager und Zylinder massiv.
Sicherheit und Legalität: Ein Appell an die Vernunft
Wir haben über die faszinierenden Möglichkeiten gesprochen, die Höchstgeschwindigkeit deiner Rieju zu steigern. Doch es gibt zwei Aspekte, die über allem stehen müssen: Sicherheit und Legalität. Hier ein dringender Appell:
Rechtliche Konsequenzen:
- Fahren ohne Fahrerlaubnis: Eine entdrosselte oder getunte 50ccm Rieju, die über 45 km/h fährt, gilt nicht mehr als Kleinkraftrad. Man bräuchte dafür einen A1- oder A-Führerschein. Fahren ohne die entsprechende Fahrerlaubnis ist eine Straftat und hat schwerwiegende Folgen (Geldstrafen, Punkte, Entzug des Führerscheins für längere Zeit, Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis).
- Verlust des Versicherungsschutzes: Die Betriebserlaubnis erlischt, wenn das Fahrzeug verändert wird. Im Falle eines Unfalls kann die Versicherung die Zahlung verweigern, und du bleibst auf allen Kosten sitzen. Das kann zu lebenslanger Verschuldung führen.
- Steuerhinterziehung: Ein Fahrzeug, das in eine höhere Klasse rutscht, muss anders besteuert werden.
- Technische Mängel: Nicht eingetragene Änderungen können zu Problemen bei der Hauptuntersuchung (TÜV) führen.
Sicherheitsrisiken:
- Bremsen: Die Bremsanlage einer 50ccm Rieju ist nicht für Geschwindigkeiten von 90 km/h oder mehr ausgelegt. Der Bremsweg verlängert sich drastisch.
- Fahrwerk und Reifen: Fahrwerk und Reifen sind ebenfalls für niedrigere Geschwindigkeiten konzipiert. Bei hohen Geschwindigkeiten kann das Fahrverhalten instabil werden, und die Reifen können überhitzen oder platzen.
- Unfallrisiko: Höhere Geschwindigkeiten bedeuten ein exponentiell höheres Unfallrisiko und schwerere Verletzungen. Die jugendliche Unerfahrenheit und mangelnde Schutzkleidung erhöhen das Risiko zusätzlich.
- Haltbarkeit: Wie bereits erwähnt, leidet die Haltbarkeit des Motors und des gesamten Bikes extrem unter dauerhafter Überbeanspruchung.
Denkt immer daran: Die Straßenverkehrsordnung existiert, um uns alle zu schützen. Geschwindigkeitsbegrenzungen sind keine Schikane, sondern dienen der Sicherheit. Das Austesten von Grenzen sollte auf abgesperrten Strecken unter professioneller Aufsicht geschehen – niemals im öffentlichen Straßenverkehr.
Fazit: Die Balance finden
Die Faszination der Höchstgeschwindigkeit ist unbestreitbar, und es ist nur menschlich, wissen zu wollen, wozu die eigene Rieju fähig ist. Technisch gesehen ist mit entsprechendem Tuning einiges möglich, das weit über die ursprünglich vorgesehenen Geschwindigkeiten hinausgeht. Eine entdrosselte Rieju 50ccm kann locker 70-90 km/h erreichen, und mit umfassendem Tuning können die Grenzen weiter verschoben werden. Bei den 125ccm-Modellen sind die Zahlen entsprechend höher.
Doch dieser Artikel soll nicht nur zeigen, was geht, sondern vor allem auch aufzeigen, was sinnvoll und verantwortungsvoll ist. Die Versuchung, das eigene Bike zu tunen und „Tacho am Anschlag” zu fahren, ist groß. Aber die Risiken für die eigene Sicherheit und die potenziellen legalen Konsequenzen sind ebenfalls immens und dürfen niemals unterschätzt werden.
Genießt eure Rieju, pflegt sie gut und fahrt stets mit Vernunft und Respekt vor den Regeln. Die pure Freude am Fahren, das Gefühl von Freiheit und das Entdecken neuer Wege sind oft erfüllender als jeder Geschwindigkeitsrekord, der teuer bezahlt werden muss. Teilt eure Erfahrungen in der Community, aber seid euch der Verantwortung bewusst, die mit jedem Gasgriffdreh einhergeht. Fahrt sicher und bleibt auf zwei Rädern!