Ein kurzer Blick unter die Motorhaube, ein beherzter Griff zur Ölkanne – schnell ist es passiert: Zu viel Motoröl eingefüllt. Was auf den ersten Blick wie eine Kleinigkeit erscheint, um den Motor vor Trockenlauf zu schützen, entpuppt sich schnell als eine der teuersten Fehlentscheidungen, die Sie für Ihr Fahrzeug treffen können. Die Folgen reichen von schlechter Motorleistung bis hin zum katastrophalen Motorschaden. Doch warum ist ein zu hoher Ölstand so gefährlich, und was sollten Sie tun, wenn Sie diesen Fehler gemacht haben?
Der scheinbar harmlose Fehler: Warum zu viel Motoröl zum Problem wird
Viele Autofahrer denken, „viel hilft viel” sei auch beim Motoröl der Fall. Schließlich ist Öl die Lebensader des Motors, schmiert bewegliche Teile und schützt vor Verschleiß. Ein Mangel ist fatal, das ist allgemein bekannt. Doch auch ein Überschuss kann gravierende Konsequenzen haben. Der Motor ist ein komplexes System, das präzise auf bestimmte Betriebszustände und Flüssigkeitsmengen ausgelegt ist. Die Menge des Motoröls ist dabei entscheidend für seine korrekte Funktion.
Die Mechanik dahinter: Was passiert bei Überfüllung?
Im Kurbelgehäuse, dem untersten Bereich des Motors, befindet sich die Ölwanne. Hier sammelt sich das Motoröl. Die Kurbelwelle, ein zentrales Bauteil, das die Auf- und Abwärtsbewegungen der Kolben in eine Drehbewegung umwandelt, rotiert direkt darüber. Ist der Motorölstand korrekt, taucht die Kurbelwelle nicht ins Öl ein oder nur minimal. Bei einem zu hohen Ölstand jedoch schlägt die schnell rotierende Kurbelwelle direkt ins Öl – und das hat weitreichende Folgen.
Die katastrophalen Folgen eines überfüllten Motors
Die Auswirkungen eines zu hohen Ölstands sind vielfältig und können teuer werden. Lassen Sie uns die wichtigsten Risiken detailliert betrachten:
1. Schaumbildung und mangelnde Schmierung (Ölverdünnung)
Wenn die Kurbelwelle ins Öl schlägt, verquirlt sie es regelrecht. Dieser Effekt ähnelt dem Schlagen von Sahne. Das Ergebnis ist ein schaumiges Gemisch, das mit Luftblasen durchsetzt ist. Dieses geschäumte Öl kann seine Schmierfähigkeit nicht mehr richtig entfalten. Die Ölpumpe, die das Öl zu allen wichtigen Motorbauteilen transportiert, kann den schaumigen Brei nicht effizient fördern. Luftblasen im Schmierfilm führen zu einem Abriss des Films zwischen beweglichen Teilen, was einen drastischen Anstieg der Reibung und damit zu erhöhtem Verschleiß an Lagern, Kolben und Zylinderlaufbahnen führt. Dies ist oft der direkte Weg zu einem irreparablen Motorschaden.
2. Überdruck im Kurbelgehäuse und Dichtungsschäden
Ein erhöhter Ölstand führt auch zu einem erhöhten Druck im Kurbelgehäuse. Das Kurbelgehäuseentlüftungssystem ist nicht darauf ausgelegt, diesen zusätzlichen Druck abzuführen. Der Überdruck kann dazu führen, dass Dichtungen (z.B. Kurbelwellendichtringe, Ventildeckeldichtung) und Simmerringe undicht werden. Die Folge sind teure Ölverluste und Umweltbelastungen. Das ausgetretene Öl kann sich auf heiße Motorteile tropfen und im schlimmsten Fall zu einem Brand führen.
3. Beschädigung des Katalysators
Durch den erhöhten Druck und das Aufschäumen des Öls kann es passieren, dass Ölpartikel über die Kurbelgehäuseentlüftung in den Ansaugtrakt gelangen und von dort in die Verbrennungsräume gesaugt werden. Dort verbrennen sie zusammen mit dem Kraftstoff. Das verbrannte Öl hinterlässt Rückstände, die den Katalysator beschädigen oder verstopfen können. Ein defekter Katalysator führt zu einem erhöhten Kraftstoffverbrauch, schlechteren Abgaswerten und ist ein extrem teures Ersatzteil.
4. Turbocharger-Schäden
Viele moderne Fahrzeuge sind mit Turboladern ausgestattet, die über eine eigene Ölversorgung verfügen und extrem hohe Drehzahlen erreichen. Ein zu hoher Ölstand kann auch hier Probleme verursachen. Der Rückfluss des Öls vom Turbolader in die Ölwanne wird behindert, was zu einem Rückstau führen kann. Dieser Ölstaudruck kann die Dichtungen des Turboladers beschädigen und Öl in den Ansaug- oder Abgastrakt drücken. Ein defekter Turbolader ist nicht nur ein erheblicher Leistungsverlust, sondern ebenfalls eine sehr kostspielige Reparatur.
5. Erhöhter Ölverbrauch und blaue Abgasfahne
Paradoxerweise kann ein zu hoher Ölstand auch zu einem erhöhten Ölverbrauch führen. Das aufgeschäumte Öl wird leichter in den Brennraum gesaugt und verbrannt. Dies äußert sich oft durch eine blaue Abgasfahne, besonders beim Starten oder unter Last, und deutet auf eine Verbrennung von Motoröl hin. Zusätzlich zur Katalysatorschädigung müssen Sie häufiger Öl nachfüllen, obwohl Sie ja eigentlich zu viel eingefüllt haben.
6. Überhitzung des Motors
Wenn das Öl schäumt und seine Schmierfähigkeit verliert, steigt die Reibung zwischen den beweglichen Teilen. Diese erhöhte Reibung erzeugt Wärme, die der Motor nicht mehr ausreichend abführen kann. Das Kühlsystem ist auf die Kühlwirkung des Öls angewiesen. Die Folge kann eine Überhitzung des Motors sein, was weitere Schäden an Zylinderkopf, Dichtungen und anderen Komponenten nach sich ziehen kann.
Der richtige Motorölstand: Wie Sie korrekt prüfen
Um all diese Probleme zu vermeiden, ist es unerlässlich, den Motorölstand regelmäßig und korrekt zu prüfen. Hier ist die Schritt-für-Schritt-Anleitung:
- Fahrzeug auf ebener Fläche parken: Dies ist entscheidend für eine genaue Messung. Eine Schräglage verfälscht das Ergebnis.
- Motor auf Betriebstemperatur bringen: Fahren Sie den Wagen einige Kilometer, damit das Öl dünnflüssiger wird und sich gut verteilt.
- Motor abstellen und warten: Schalten Sie den Motor aus und warten Sie etwa 5-10 Minuten. So hat das gesamte Öl Zeit, in die Ölwanne zurückzufließen.
- Ölmessstab ziehen: Lokalisieren Sie den farbigen (meist gelben oder orangen) Griff des Ölmessstabs, ziehen Sie ihn heraus und wischen Sie ihn mit einem sauberen Tuch oder Küchenpapier komplett sauber.
- Ölmessstab wieder einführen: Stecken Sie den sauberen Messstab vollständig bis zum Anschlag zurück in die Öffnung.
- Erneut ziehen und ablesen: Ziehen Sie den Messstab wieder heraus und lesen Sie den Ölstand ab. Der Ölfilm sollte sich zwischen der Min- und Max-Markierung befinden. Idealerweise liegt der Stand bei etwa 2/3 der Distanz zwischen Minimum und Maximum.
- Bei Bedarf nachfüllen (aber richtig): Wenn der Stand zu niedrig ist, füllen Sie in kleinen Schritten (ca. 100-200 ml) nach und wiederholen Sie die Messung nach einigen Minuten Wartezeit. Niemals über die Max-Markierung füllen!
Beachten Sie auch die Angaben in Ihrem Fahrzeughandbuch, da einige Hersteller spezifische Anweisungen zum Ölstandprüfen haben (z.B. bei kaltem Motor). Bei Fahrzeugen ohne physischen Messstab erfolgt die Prüfung elektronisch über das Infotainmentsystem. Hier ist die Einhaltung der Herstellervorgaben noch wichtiger.
Hilfe, ich habe zu viel Öl eingefüllt! Was tun?
Die Panik ist groß, wenn Sie bemerken, dass der Ölstand über Max liegt. Doch keine Sorge, es gibt Lösungen. Das Wichtigste ist: Nicht weiterfahren!
1. Die Menge des Überschusses abschätzen
Wie viel zu viel ist es? Liegt der Stand nur wenige Millimeter über der Max-Markierung, kann der Motor eventuell noch ohne direkten Schaden laufen, sollte aber so schnell wie möglich korrigiert werden. Ist der Stand deutlich über Max, besteht akute Gefahr.
2. Professionelle Hilfe aufsuchen
Der sicherste Weg ist es, Ihr Fahrzeug von einem Fachmann überprüfen zu lassen. Ein Pannendienst kann das Fahrzeug abschleppen, oder Sie rufen eine Werkstatt an, die das überschüssige Öl professionell absaugt. Dies ist die empfehlenswerteste Option, da sie das Risiko von Folgeschäden minimiert.
3. Selbst Hand anlegen (Nur bei geringem Überschuss und Vorsicht!)
Wenn Sie über das nötige Werkzeug und etwas technisches Verständnis verfügen, können Sie das überschüssige Öl auch selbst ablassen. Dafür benötigen Sie:
- Eine Ölabsaugpumpe (manuell oder elektrisch), die durch die Öffnung des Ölmessstabs eingeführt wird. Dies ist die sauberste und einfachste Methode.
- Alternativ: Einen passenden Schraubenschlüssel für die Ölablassschraube, einen Auffangbehälter und eventuell einen neuen Dichtring für die Ablassschraube. Diese Methode ist aufwändiger und mit einem höheren Risiko verbunden, da das Fahrzeug aufgebockt werden muss und die Gefahr besteht, die Ablassschraube zu beschädigen oder das Öl zu verunreinigen.
Gehen Sie bei beiden Methoden äußerst vorsichtig vor. Saugen Sie das Öl in kleinen Mengen ab und prüfen Sie den Stand immer wieder, bis er sich im optimalen Bereich befindet. Entsorgen Sie das Altöl fachgerecht!
Prävention ist der beste Schutz
Um dieses Dilemma gar nicht erst entstehen zu lassen, beherzigen Sie folgende Tipps:
- Regelmäßige Kontrollen: Prüfen Sie den Ölstand mindestens einmal im Monat und vor längeren Fahrten.
- Betriebsanleitung lesen: Hier finden Sie genaue Angaben zum richtigen Motoröltyp und zur Prüfprozedur.
- Kleine Mengen nachfüllen: Wenn der Ölstand zu niedrig ist, füllen Sie immer nur kleine Mengen (z.B. 250 ml) nach und messen Sie erneut.
- Richtigen Öltyp verwenden: Achten Sie darauf, immer den vom Hersteller vorgeschriebenen Öltyp zu verwenden. Unterschiedliche Öle können sich in ihrer Viskosität und ihren Eigenschaften unterscheiden.
- Sorgfältig vorgehen: Nehmen Sie sich Zeit für die Kontrolle und das Nachfüllen. Hektik führt zu Fehlern.
Fazit: Weniger ist manchmal mehr
Der Motor Ihres Fahrzeugs ist ein Präzisionswerk. Ein korrekt gefüllter Motorölstand ist von entscheidender Bedeutung für seine Langlebigkeit und Leistungsfähigkeit. Ein Überschuss ist nicht nur unnötig, sondern kann weitaus gravierendere Schäden verursachen als ein leichter Mangel. Denken Sie daran: Ein kleiner Fehler mit der Ölkanne kann schnell zu einer kostspieligen Reparatur oder gar zum Totalschaden des Motors führen. Nehmen Sie sich die Zeit, den Ölstand regelmäßig und sorgfältig zu prüfen und im Zweifelsfall immer lieber zu wenig als zu viel nachzufüllen. Ihr Motor wird es Ihnen danken!
Schützen Sie Ihre Investition und Ihr Portemonnaie, indem Sie diesen vermeidbaren Fehler nicht machen. Der richtige Ölstand ist ein Schlüsselfaktor für die Gesundheit Ihres Motors – schenken Sie ihm die Aufmerksamkeit, die er verdient.