Die Frage, ob eine Begleitperson im öffentlichen Nahverkehr kostenlos mitfahren darf, auch wenn die dazugehörige Wertmarke fehlt oder abgelaufen ist, beschäftigt viele Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen. Dieser Artikel beleuchtet die Rechtslage, praktische Aspekte und gibt Tipps, wie Sie in solchen Situationen am besten vorgehen.
Was die Wertmarke bedeutet: Eine kurze Einführung
Die Wertmarke ist ein bundesweit gültiges Dokument, das in Verbindung mit dem Schwerbehindertenausweis bestimmte Rechte im öffentlichen Nahverkehr einräumt. Eines der wichtigsten Rechte ist die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson, wenn im Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „B” eingetragen ist. Das Merkzeichen „B” bedeutet, dass die schwerbehinderte Person aufgrund ihrer Beeinträchtigung dauerhaft auf eine Begleitperson angewiesen ist.
Die Wertmarke dient also als Nachweis, dass die Voraussetzungen für die kostenlose Mitnahme der Begleitperson erfüllt sind. Ohne Wertmarke ist die Situation rechtlich komplexer.
Der Kern der Frage: Kostenlose Mitnahme ohne Wertmarke – ist das möglich?
Grundsätzlich gilt: Die kostenlose Mitnahme der Begleitperson ist an die Gültigkeit der Wertmarke gebunden. Fehlt die Wertmarke, ist abgelaufen oder wird sie vergessen, besteht rein rechtlich kein Anspruch auf kostenlose Beförderung. Allerdings gibt es Situationen und Argumentationen, die eine Kulanzregelung durch das Verkehrsunternehmen rechtfertigen können.
Mögliche Szenarien und Argumentationsgrundlagen
1. Vergessen der Wertmarke:
Dies ist wohl das häufigste Szenario. Was tun, wenn die Wertmarke zu Hause liegt? Hier ist Kommunikation der Schlüssel. Erklären Sie dem Kontrolleur ruhig und sachlich die Situation. Zeigen Sie den Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „B” vor. Viele Kontrolleure sind in solchen Fällen kulant, vor allem wenn Sie glaubhaft versichern, dass die Wertmarke vorhanden ist. Bieten Sie an, die Wertmarke bei der nächsten Haltestelle von einer Angehörigen bringen zu lassen oder diese später im Kundencenter vorzuzeigen.
Wichtig: Bestehen Sie nicht auf Ihrem „Recht”, denn ohne Wertmarke besteht formal kein Anspruch. Freundlichkeit und Kooperationsbereitschaft erhöhen die Chancen auf eine positive Reaktion.
2. Abgelaufene Wertmarke:
Eine abgelaufene Wertmarke ist problematischer. Hier ist es ratsam, sich rechtzeitig um eine neue Wertmarke zu kümmern. Ist die neue Wertmarke bereits beantragt, aber noch nicht ausgestellt, können Sie dies dem Kontrolleur erklären und idealerweise einen Nachweis des Antrags vorlegen. Auch hier ist Kulanz des Verkehrsunternehmens erforderlich. Argumentieren Sie, dass der Anspruch auf die kostenlose Mitnahme der Begleitperson grundsätzlich besteht und die Ausstellung der neuen Wertmarke lediglich eine Formalie ist.
3. Verlust der Wertmarke:
Bei Verlust der Wertmarke sollten Sie umgehend eine Ersatz-Wertmarke beantragen. Bis diese ausgestellt ist, gelten ähnliche Regeln wie bei einer vergessenen Wertmarke. Zeigen Sie den Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „B” vor und erklären Sie den Verlust. Manche Verkehrsunternehmen akzeptieren in solchen Fällen eine eidesstattliche Versicherung über den Verlust der Wertmarke. Informieren Sie sich im Vorfeld bei Ihrem zuständigen Versorgungsamt oder dem Verkehrsunternehmen über die genauen Bestimmungen.
4. Technische Probleme mit der Wertmarke:
In seltenen Fällen kann es zu technischen Problemen mit der Wertmarke kommen, beispielsweise wenn diese durch Magnetfelder beschädigt wurde. In diesem Fall sollten Sie versuchen, den Schaden nachzuweisen (z.B. durch ein Foto) und den Sachverhalt dem Kontrolleur erläutern. Auch hier ist Kulanz gefragt.
Rechtliche Aspekte und Urteile
Die Rechtsgrundlage für die kostenlose Mitnahme der Begleitperson findet sich im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). § 145 SGB IX regelt die unentgeltliche Beförderung von Personen mit Schwerbehinderung im öffentlichen Personennahverkehr. Entscheidend ist hierbei immer die Gültigkeit der Wertmarke in Verbindung mit dem Schwerbehindertenausweis.
Es gibt keine einschlägigen Urteile, die explizit die kostenlose Mitnahme der Begleitperson ohne gültige Wertmarke regeln. Die Entscheidung liegt in der Regel im Ermessen des jeweiligen Verkehrsunternehmens und des Kontrolleurs. Gerichte haben jedoch in ähnlichen Fällen betont, dass das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Eine Fahrpreisnacherhebung für die Begleitperson allein aufgrund des Fehlens der Wertmarke könnte unverhältnismäßig sein, wenn der Anspruch auf die kostenlose Mitnahme anderweitig nachgewiesen werden kann (z.B. durch den Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „B”).
Tipps für den Umgang mit Kontrolleuren
Ruhe bewahren: Bleiben Sie ruhig und sachlich, auch wenn der Kontrolleur unfreundlich reagiert.
Freundlich sein: Freundlichkeit und Kooperationsbereitschaft erhöhen die Chancen auf Kulanz.
Erklären Sie die Situation: Schildern Sie den Sachverhalt detailliert und nachvollziehbar.
Zeigen Sie den Schwerbehindertenausweis: Der Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „B” ist der wichtigste Nachweis.
Bieten Sie Lösungen an: Schlagen Sie vor, die Wertmarke nachzureichen oder anderweitig nachzuweisen.
Notieren Sie sich den Namen des Kontrolleurs: Im Falle einer Fahrpreisnacherhebung kann dies hilfreich sein.
Beschweren Sie sich gegebenenfalls: Wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen, können Sie sich beim Verkehrsunternehmen beschweren.
Präventive Maßnahmen
Die beste Strategie ist, Situationen zu vermeiden, in denen die Wertmarke fehlt oder abgelaufen ist. Hier sind einige Tipps zur Prävention:
Führen Sie die Wertmarke immer mit sich: Bewahren Sie die Wertmarke am besten zusammen mit dem Schwerbehindertenausweis in einer separaten Hülle auf, die Sie immer dabei haben.
Überprüfen Sie die Gültigkeit der Wertmarke regelmäßig: Notieren Sie sich das Ablaufdatum und beantragen Sie rechtzeitig eine neue Wertmarke.
Fertigen Sie eine Kopie der Wertmarke an: Eine Kopie kann im Notfall hilfreich sein.
Informieren Sie sich über die Bestimmungen Ihres Verkehrsunternehmens: Jedes Verkehrsunternehmen kann eigene Regelungen zur Kulanz handhaben.
Fazit: Kulanz ist Trumpf, aber Vorbereitung ist besser
Die kostenlose Mitnahme der Begleitperson ohne gültige Wertmarke ist rechtlich nicht garantiert, aber in vielen Fällen durch Kulanz der Verkehrsunternehmen möglich. Wichtig ist eine offene Kommunikation, ein freundliches Auftreten und der Nachweis des Anspruchs durch den Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „B”. Noch besser ist es, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um solche Situationen von vornherein zu vermeiden. So können Sie und Ihre Begleitperson den öffentlichen Nahverkehr stressfrei nutzen.