Ein Unfallschaden am parkenden Auto ist ärgerlich genug. Noch frustrierender wird es, wenn die gegnerische Versicherung einen eigenen Gutachter schickt und dessen Gutachten deutlich von Ihren Vorstellungen abweicht. Was nun? Klagen oder abwarten? Diese Frage stellen sich viele Betroffene. Dieser Artikel beleuchtet die Vor- und Nachteile beider Strategien und gibt Ihnen wichtige Hinweise, um die richtige Entscheidung zu treffen.
Die Ausgangslage: Unfall am geparkten Auto und das Gutachten der Versicherung
Stellen Sie sich vor: Sie kommen zu Ihrem Auto und entdecken einen frischen Schaden. Ein Zettel des Unfallverursachers liegt nicht da. Nach mühsamer Recherche wird der Verursacher gefunden und seine Versicherung informiert. In der Regel schickt die Versicherung dann einen eigenen Gutachter, um den Schaden zu begutachten.
Dieses Gutachten ist entscheidend für die Höhe der Schadensregulierung. Es dokumentiert den Schaden, ermittelt die Reparaturkosten, den Wertverlust und gegebenenfalls den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs. Aber was, wenn dieses Gutachten den Schaden kleiner darstellt, als er tatsächlich ist? Oder wenn wichtige Punkte, wie der Wertverlust, nicht ausreichend berücksichtigt werden?
Option 1: Abwarten und Verhandeln
Der erste Impuls ist oft, sich gegen das Gutachten der Versicherung zu wehren. Das ist absolut legitim und oft auch der richtige Weg. Bevor Sie direkt Klage einreichen, sollten Sie versuchen, eine außergerichtliche Einigung mit der Versicherung zu erzielen.
* Prüfen Sie das Gutachten genau: Nehmen Sie sich Zeit und analysieren Sie das Gutachten der Versicherung. Sind alle Schäden korrekt erfasst? Sind die Reparaturkosten realistisch kalkuliert? Werden Wertminderung oder Nutzungsausfallentschädigung angemessen berücksichtigt?
* Holen Sie ein Gegengutachten ein: Wenn Sie Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens der Versicherung haben, ist es ratsam, ein eigenes Gegengutachten von einem unabhängigen Sachverständigen erstellen zu lassen. Dieses Gegengutachten dient als Grundlage für Ihre Verhandlungen mit der Versicherung. Die Kosten für ein solches Gegengutachten können unter Umständen von der Versicherung übernommen werden, wenn die Abweichungen zum ersten Gutachten erheblich sind und Sie den Verursacher des Unfalls nicht kennen. Informieren Sie die Versicherung daher vorab über Ihre Absicht, ein Gegengutachten einzuholen.
* Nehmen Sie Kontakt zur Versicherung auf: Setzen Sie sich schriftlich mit der Versicherung in Verbindung und legen Sie Ihre Einwände gegen das Gutachten dar. Legen Sie das Gegengutachten bei und fordern Sie eine Neuberechnung des Schadens.
* Bleiben Sie sachlich und beharrlich: Es ist wichtig, in den Verhandlungen sachlich und argumentativ vorzugehen. Bleiben Sie hartnäckig und lassen Sie sich nicht von der Versicherung abwimmeln.
* Nutzen Sie einen Anwalt: Wenn die Verhandlungen mit der Versicherung scheitern, kann es ratsam sein, einen Anwalt für Verkehrsrecht hinzuzuziehen. Ein Anwalt kann Ihre Rechte besser durchsetzen und die Erfolgsaussichten einer Klage einschätzen.
**Vorteile des Abwartens und Verhandelns:**
* Kostengünstiger: Außergerichtliche Verhandlungen sind in der Regel kostengünstiger als ein Gerichtsverfahren.
* Zeitersparnis: Verhandlungen können schneller zu einer Lösung führen als ein langwieriger Gerichtsprozess.
* Flexibilität: Sie haben die Möglichkeit, Kompromisse einzugehen und eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.
**Nachteile des Abwartens und Verhandelns:**
* Ungewissheit: Es besteht keine Garantie, dass die Versicherung Ihren Forderungen nachkommt.
* Zeitliche Begrenzung: Sie müssen die Verjährungsfristen beachten. Ansprüche aus einem Verkehrsunfall verjähren in der Regel nach drei Jahren.
* Frustration: Wenn die Verhandlungen scheitern, kann dies sehr frustrierend sein.
Option 2: Klage einreichen
Wenn alle Verhandlungen mit der Versicherung scheitern und Sie der Meinung sind, dass Ihnen ein höherer Schaden zusteht, bleibt Ihnen nur noch der Weg der Klage.
* Anwalt konsultieren: Bevor Sie Klage einreichen, sollten Sie unbedingt einen Anwalt für Verkehrsrecht konsultieren. Er kann die Erfolgsaussichten einer Klage einschätzen und Sie im Prozess vertreten.
* Klage vorbereiten: Der Anwalt wird die Klage vorbereiten und alle relevanten Beweismittel zusammentragen. Dazu gehören das Unfallprotokoll, das Gutachten der Versicherung, Ihr Gegengutachten und Zeugenaussagen.
* Klage einreichen: Die Klage wird beim zuständigen Gericht eingereicht.
* Gerichtsprozess: Im Gerichtsprozess werden die Beweismittel geprüft und Zeugen gehört. Das Gericht entscheidet dann über die Höhe des Schadensersatzes.
**Vorteile einer Klage:**
* Rechtssicherheit: Ein Gerichtsurteil schafft Rechtssicherheit und zwingt die Versicherung zur Zahlung.
* Durchsetzung Ihrer Rechte: Sie können Ihre Rechte auch gegen den Willen der Versicherung durchsetzen.
* Höherer Schadensersatz: Unter Umständen können Sie vor Gericht einen höheren Schadensersatz erstreiten als in den Verhandlungen mit der Versicherung.
**Nachteile einer Klage:**
* Kostenrisiko: Ein Gerichtsverfahren ist mit erheblichen Kosten verbunden (Anwaltskosten, Gerichtskosten, Kosten für Sachverständige). Wenn Sie den Prozess verlieren, müssen Sie alle Kosten tragen.
* Zeitaufwand: Ein Gerichtsverfahren kann sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen.
* Ungewissheit: Es besteht keine Garantie, dass Sie den Prozess gewinnen.
Die richtige Strategie: Was ist besser für Sie?
Die Frage, ob Klagen oder Abwarten die bessere Strategie ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
* **Höhe des Schadens:** Je höher der Schaden, desto eher lohnt sich eine Klage.
* **Erfolgsaussichten:** Lassen Sie sich von einem Anwalt über die Erfolgsaussichten einer Klage beraten.
* **Kostenrisiko:** Wägen Sie das Kostenrisiko einer Klage gegen den möglichen Nutzen ab.
* **Zeitliche und nervliche Belastung:** Bedenken Sie, dass ein Gerichtsverfahren zeitaufwendig und nervenaufreibend sein kann.
* **Rechtsschutzversicherung:** Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, übernimmt diese in der Regel die Kosten eines Gerichtsverfahrens.
**Generell gilt:**
* **Bei geringfügigen Schäden:** Versuchen Sie, eine außergerichtliche Einigung mit der Versicherung zu erzielen.
* **Bei größeren Schäden und strittigen Punkten:** Holen Sie ein Gegengutachten ein und ziehen Sie einen Anwalt hinzu.
* **Wenn die Verhandlungen scheitern und die Erfolgsaussichten gut stehen:** Erwägen Sie eine Klage.
Fazit
Nach einem Unfall mit Ihrem parkenden Auto und einem abweichenden Gutachten der gegnerischen Versicherung ist es wichtig, die Situation genau zu analysieren und die Vor- und Nachteile beider Strategien abzuwägen. Eine pauschale Antwort auf die Frage „Klagen oder Abwarten?” gibt es nicht. Lassen Sie sich von einem unabhängigen Sachverständigen und einem Anwalt für Verkehrsrecht beraten, um die für Ihre individuelle Situation beste Entscheidung zu treffen. Eine Rechtsschutzversicherung kann dabei helfen, das finanzielle Risiko einer Klage zu minimieren. Denken Sie daran: Sie haben das Recht auf eine angemessene Entschädigung für Ihren Schaden.