Der Führerstand einer Lokomotive, eine Welt für sich. Voller Knöpfe, Hebel und Anzeigen, das Dröhnen des Motors in den Ohren, die endlose Weite der Gleise vor Augen. Für viele ist es ein Kindheitstraum, Lokführer zu werden. Doch wie fühlt es sich wirklich an, zum ersten Mal die Verantwortung für einen tonnenschweren Zug zu übernehmen und ihn sicher ans Ziel zu bringen? Wir haben uns exklusiv mit erfahrenen und frischgebackenen Lokführern unterhalten und sie nach ihren persönlichen Erlebnissen bei ihrer ersten Fahrt gefragt. Ihre Antworten sind überraschend ehrlich, nervenaufreibend und oft auch sehr amüsant.
Der lange Weg zum ersten Mal: Ausbildung und Vorbereitung
Bevor ein angehender Lokführer überhaupt in den Führerstand steigen darf, liegt ein intensiver und anspruchsvoller Ausbildungsweg vor ihm. Die Ausbildung, die je nach Land und Bahngesellschaft variieren kann, umfasst in der Regel sowohl theoretische als auch praktische Anteile. Im theoretischen Teil werden umfassende Kenntnisse über die Technik der Lokomotiven, die Signaltechnik, das Streckennetz, die Fahrpläne und die Sicherheitsbestimmungen vermittelt.
„Die Theorie war wirklich heftig“, erinnert sich Markus, ein junger Lokführer, der erst vor wenigen Monaten seine erste Fahrt absolviert hat. „Man muss wirklich alles auswendig können. Die verschiedenen Signale, die Bremswegberechnungen, die ganzen Vorschriften… Das war schon eine Herausforderung.“
Der praktische Teil der Ausbildung beinhaltet das Fahren unter Aufsicht eines erfahrenen Lehrlokführers. Dabei lernen die Auszubildenden, die Lokomotive zu bedienen, Züge zu kuppeln, Bremsprüfungen durchzuführen und mit Störungen umzugehen. Sie sammeln Streckenkenntnisse und lernen, sich in verschiedenen Situationen richtig zu verhalten.
„Die ersten Fahrten mit dem Lehrlokführer waren gut, um ein Gefühl für die Maschine zu bekommen“, erzählt Anna, eine erfahrene Lokführerin, die seit über 20 Jahren im Dienst ist. „Aber die Anspannung, das erste Mal alleine verantwortlich zu sein, ist trotzdem etwas ganz anderes.“
Die Nervosität vor dem großen Tag: Schlaflose Nächte und zittrige Hände
Je näher der Tag der ersten Fahrt rückt, desto größer wird die Nervosität. Viele angehende Lokführer berichten von schlaflosen Nächten, in denen sie die Strecke im Kopf immer wieder abfahren, mögliche Szenarien durchspielen und sich fragen, ob sie wirklich auf alles vorbereitet sind.
„Ich konnte die Nacht vorher kaum schlafen“, gesteht Thomas, der vor Kurzem seine Ausbildung abgeschlossen hat. „Ich lag im Bett und habe mir immer wieder die Fahrplanzeiten durchgelesen und mir vorgestellt, was passieren könnte. Was, wenn ein Signal ausfällt? Was, wenn ein Tier auf den Gleisen ist? Was, wenn ich einen Fehler mache?“
Auch Anna erinnert sich gut an ihre Nervosität vor ihrer ersten Fahrt: „Ich hatte richtig zittrige Hände, als ich in den Führerstand gestiegen bin. Ich habe mir gedacht: ‚So, jetzt liegt es an dir. Du bist verantwortlich für die Sicherheit der Fahrgäste und des Zuges.‘ Das ist schon ein beklemmendes Gefühl.“
Die ersten Meter: Adrenalin und Überforderung
Der Moment, in dem der Lokführer zum ersten Mal den Leistungshebel nach vorne schiebt und der Zug langsam anfährt, ist ein unvergessliches Erlebnis. Das Dröhnen des Motors, die Vibrationen im Führerstand, die vorbeiziehende Landschaft – all das verschmilzt zu einem überwältigenden Gefühl.
„Als der Zug sich in Bewegung setzte, war das ein unglaublicher Adrenalinstoß“, erzählt Markus begeistert. „Ich war so konzentriert, dass ich alles andere um mich herum vergessen habe. Ich habe nur noch auf die Signale, die Anzeigen und die Strecke geachtet.“
Doch die Euphorie kann schnell in Überforderung umschlagen. Gerade am Anfang ist es schwierig, alle Informationen gleichzeitig zu verarbeiten und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
„Ich war total überfordert“, erinnert sich Thomas. „Ich musste gleichzeitig auf die Geschwindigkeit, die Signale, die Bremsen und den Fahrplan achten. Ich hatte das Gefühl, dass mein Gehirn kurz vor dem Explodieren war.“
Unerwartete Herausforderungen und brenzlige Situationen
Keine Fahrt ist wie die andere. Auch wenn die Strecke bekannt ist und die Fahrpläne eingehalten werden, können immer wieder unerwartete Ereignisse eintreten, die den Lokführer vor Herausforderungen stellen.
„Auf meiner ersten Fahrt hatte ich gleich eine Verspätung, weil ein anderer Zug eine Störung hatte“, erzählt Anna. „Ich musste improvisieren und versuchen, die Verspätung so gut wie möglich aufzuholen, ohne die Sicherheit zu gefährden. Das war schon stressig.“
Manchmal kommt es auch zu brenzligen Situationen, die schnelles Handeln erfordern. Tiere auf den Gleisen, technische Defekte oder plötzlich auftretende Hindernisse können zu gefährlichen Situationen führen.
„Ich hatte einmal eine Situation, in der plötzlich ein Auto auf einem Bahnübergang stand, obwohl die Schranken schon geschlossen waren“, berichtet Markus. „Ich musste eine Notbremsung einleiten und hatte Glück, dass ich den Zug noch rechtzeitig zum Stehen bringen konnte. Das war wirklich knapp.“
Die Erleichterung am Ziel: Stolz und Zufriedenheit
Nach Stunden der Konzentration und Anspannung ist die Ankunft am Zielbahnhof ein befreiendes Gefühl. Der Lokführer hat seine Aufgabe erfüllt und den Zug sicher ans Ziel gebracht.
„Als ich zum ersten Mal in den Bahnhof eingefahren bin und den Zug zum Stehen gebracht habe, war ich unglaublich stolz“, erzählt Thomas. „Ich habe mir gedacht: ‚Ich habe es geschafft! Ich bin ein Lokführer!‘“
Auch Anna erinnert sich an ihre Erleichterung am Ende ihrer ersten Fahrt: „Ich war total erschöpft, aber auch unglaublich zufrieden. Ich wusste, dass ich den richtigen Beruf gewählt hatte.“
Tipps und Ratschläge für angehende Lokführer
Was können angehende Lokführer tun, um ihre erste Fahrt so gut wie möglich zu meistern? Unsere befragten Lokführer haben einige wertvolle Tipps und Ratschläge:
- Sei gut vorbereitet: Lerne die Theorie auswendig und nutze die praktischen Übungen, um dich mit der Technik und den Strecken vertraut zu machen.
- Höre auf die erfahrenen Kollegen: Die Ratschläge der Lehrlokführer und anderer erfahrener Kollegen sind unbezahlbar.
- Bleibe ruhig und konzentriert: Auch in stressigen Situationen ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
- Sei selbstbewusst: Vertraue auf deine Fähigkeiten und dein Wissen.
- Genieße die Fahrt: Die erste Fahrt ist ein besonderes Erlebnis, das man nicht vergessen wird.
Die erste Fahrt als Lokführer ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Mit guter Vorbereitung, Konzentration und dem richtigen Maß an Selbstvertrauen können angehende Lokführer diese Herausforderung meistern und ihren Traumjob erfolgreich ausüben. Und wer weiß, vielleicht sitzt auch du bald im Führerstand und steuerst einen tonnenschweren Zug durch die Lande.