Immer wieder taucht in Foren und Diskussionen die Frage auf: Ist es motorschonend oder gar schädlich, mit niedriger Drehzahl, beispielsweise 1200 U/min, bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h zu fahren? Die Meinungen gehen hier weit auseinander. Während die einen auf Spritsparen und Verschleißminderung schwören, warnen andere vor negativen Auswirkungen auf den Motor. Wir haben Experten befragt und die Argumente beider Seiten beleuchtet, um Klarheit in diese Diskussion zu bringen.
Die Befürworter: Spritsparen und Verschleißminderung
Die Befürworter des Fahrens mit niedrigen Drehzahlen argumentieren hauptsächlich mit dem geringeren Kraftstoffverbrauch. Bei 1200 U/min muss der Motor weniger leisten, was sich direkt im Verbrauch niederschlägt. Gerade im Stadtverkehr, wo häufig Stop-and-Go herrscht, kann dies einen deutlichen Unterschied machen. Weniger Kraftstoffverbrauch bedeutet auch weniger Emissionen, was sich positiv auf die Umwelt auswirkt.
Ein weiterer Punkt ist die angebliche Verschleißminderung. Bei niedriger Drehzahl arbeiten die Motorkomponenten mit geringeren Belastungen. Das bedeutet weniger Reibung, weniger Wärmeentwicklung und somit theoretisch eine längere Lebensdauer der Bauteile wie Kolben, Pleuel und Lager. Allerdings muss hier beachtet werden, dass der Verschleiß stark vom Fahrstil und der Motorbelastung abhängt.
Einige Fahrer berichten auch von einem ruhigeren und komfortableren Fahrgefühl bei niedrigen Drehzahlen. Das Brummen des Motors ist weniger präsent, was gerade auf längeren Strecken angenehm sein kann. Zudem wird die Geräuschkulisse im Innenraum reduziert.
Die Kritiker: Schäden durch Untertouriges Fahren
Die Kritiker des Fahrens mit niedrigen Drehzahlen warnen vor den negativen Auswirkungen des sogenannten Untertourigen Fahrens. Sie argumentieren, dass der Motor bei zu niedrigen Drehzahlen nicht optimal arbeitet und dadurch Schäden entstehen können.
Eines der Hauptargumente ist die unzureichende Schmierung. Bei niedrigen Drehzahlen baut die Ölpumpe weniger Druck auf, was dazu führen kann, dass die Schmierung der Motorkomponenten nicht mehr optimal gewährleistet ist. Dies kann zu erhöhtem Verschleiß, insbesondere an den Lagern, führen. Besonders kritisch ist dies bei älteren Motoren, bei denen die Ölpumpe bereits Verschleißerscheinungen aufweist.
Ein weiteres Problem ist die Vibration. Bei sehr niedrigen Drehzahlen können starke Vibrationen auftreten, die sich negativ auf die Motorlager und andere Bauteile auswirken. Diese Vibrationen können auch zu einem erhöhten Verschleiß der Motoraufhängung führen.
Zudem kann es bei untertourigem Fahren zu Ablagerungen im Motor kommen. Durch die unvollständige Verbrennung des Kraftstoffs entstehen mehr Rußpartikel, die sich im Motor ablagern und die Leistung beeinträchtigen können. Dies kann insbesondere die Ventile und Einspritzdüsen betreffen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die erhöhte Belastung des Zweimassenschwungrads (ZMS), sofern vorhanden. Das ZMS dient dazu, Vibrationen zu dämpfen. Bei untertourigem Fahren muss es jedoch härter arbeiten, was zu einem schnelleren Verschleiß führen kann.
Expertenmeinungen: Was sagen die Profis?
Um ein umfassendes Bild zu erhalten, haben wir verschiedene Experten befragt, darunter Ingenieure von Automobilherstellern und unabhängige Kfz-Meister.
Ein Ingenieur eines deutschen Automobilherstellers betonte, dass moderne Motoren zwar auf Effizienz optimiert sind, aber dennoch innerhalb eines bestimmten Drehzahlbereichs arbeiten müssen: „Unsere Motoren sind darauf ausgelegt, sparsam zu sein, aber das bedeutet nicht, dass man sie permanent am unteren Drehzahlbereich betreiben sollte. Kurzzeitiges Fahren mit 1200 U/min bei 30 km/h ist in Ordnung, aber dauerhaftes Untertouriges Fahren kann zu Problemen führen. Wichtig ist, auf die Geräusche des Motors zu achten und gegebenenfalls zurückzuschalten.”
Ein unabhängiger Kfz-Meister warnte vor allem vor den langfristigen Folgen: „Im Kurzstreckenbetrieb und bei häufigem Untertourigen Fahren können sich Ablagerungen bilden, die die Leistung des Motors beeinträchtigen. Auch die Lebensdauer des Turboladers kann verkürzt werden, da dieser bei niedrigen Drehzahlen nicht optimal geschmiert wird. Gerade bei Dieselfahrzeugen mit Partikelfilter ist ein regelmäßiges Freibrennen des Filters bei höheren Drehzahlen wichtig.”
Ein weiterer Experte wies auf die Bedeutung der Motorsteuerung hin: „Moderne Motorsteuerungen sind in der Lage, den Zündzeitpunkt und die Einspritzmenge an die aktuelle Fahrsituation anzupassen. Dennoch sollte man sich nicht blind auf die Elektronik verlassen und auf das Gefühl für das Fahrzeug achten. Wenn der Motor sich ‘quält’ oder ruckelt, ist es ein Zeichen dafür, dass die Drehzahl zu niedrig ist.”
Die richtige Balance finden: Tipps für ein motorschonendes Fahren
Um die Vorteile des sparsamen Fahrens zu nutzen, ohne den Motor zu schädigen, ist es wichtig, die richtige Balance zu finden. Hier einige Tipps:
- Drehzahlbereich beachten: Achten Sie auf den empfohlenen Drehzahlbereich in der Bedienungsanleitung Ihres Fahrzeugs. Vermeiden Sie dauerhaftes Fahren unterhalb dieses Bereichs.
- Auf Geräusche achten: Hören Sie auf die Geräusche Ihres Motors. Wenn er sich angestrengt anhört oder ruckelt, schalten Sie zurück.
- Last vermeiden: Vermeiden Sie hohe Lasten bei niedrigen Drehzahlen, beispielsweise beim Beschleunigen bergauf.
- Regelmäßiges Freibrennen: Fahren Sie regelmäßig Strecken mit höheren Drehzahlen, um Ablagerungen zu vermeiden und den Partikelfilter freizubrennen (insbesondere bei Dieselfahrzeugen).
- Wartung beachten: Achten Sie auf regelmäßige Wartung und Ölwechsel, um eine optimale Schmierung zu gewährleisten.
- Moderne Getriebe nutzen: Moderne Automatikgetriebe und Schaltassistenten helfen, den optimalen Gang zu wählen und Untertouriges Fahren zu vermeiden.
Fazit: Situationsabhängig und mit Gefühl
Ob das Fahren mit 30 km/h bei 1200 U/min motorschonend oder schädlich ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Motortyp, das Alter des Fahrzeugs, die Fahrweise und die Straßenbedingungen. Kurzzeitiges Fahren mit niedrigen Drehzahlen kann durchaus spritsparend sein, aber dauerhaftes Untertouriges Fahren birgt Risiken. Entscheidend ist, auf die Geräusche des Motors zu achten und ein Gefühl für das Fahrzeug zu entwickeln. Mit einer angepassten Fahrweise und regelmäßiger Wartung können Sie die Lebensdauer Ihres Motors verlängern und gleichzeitig Kraftstoff sparen.