Mein **Roller springt nicht an**, obwohl die **Kompression genug** ist – woran kann es liegen?

Es gibt nur wenige Dinge, die so frustrierend sind, wie ein geliebter **Roller, der nicht anspringt**. Besonders ärgerlich wird es, wenn man bereits festgestellt hat, dass der Motor eine **gute Kompression** aufweist. Man weiß, dass der Motor mechanisch in Ordnung zu sein scheint, doch der erlösende Start bleibt aus. Viele Schrauber (und die, die es werden wollen) geraten hier schnell an ihre Grenzen. Keine Sorge, Sie sind nicht allein! Dieser Artikel nimmt Sie an die Hand und führt Sie systematisch durch die potenziellen Ursachen und die **Fehlersuche**, wenn Ihr Roller trotz ausreichender Kompression keinen Mucks von sich gibt.

**Der magische Dreiklang des Verbrennungsmotors: Kraftstoff, Zündung, Luft**

Bevor wir in die Tiefe gehen, ist es wichtig, sich das Grundprinzip jedes Verbrennungsmotors vor Augen zu führen. Ein Motor benötigt drei Dinge, um zu starten und zu laufen:

1. **Kraftstoff:** Eine korrekt dosierte Mischung aus Kraftstoff und Luft.
2. **Zündung:** Einen Funken zur richtigen Zeit, um diese Mischung zu entzünden.
3. **Luft und Kompression:** Genug Luft und eine ausreichende Verdichtung dieser Mischung, um eine kraftvolle Verbrennung zu ermöglichen.

Da Sie bereits wissen, dass die **Kompression genug** ist, können wir diesen Punkt als gegeben ansehen. Das schränkt die **Fehlersuche** erheblich ein und konzentriert uns auf das **Kraftstoffsystem** und das **Zündsystem**, sowie auf die Feinheiten der Gemischbildung und der Steuerzeiten.

**Die häufigsten Verdächtigen: Kraftstoffsystem-Probleme**

Ein Motor kann nicht starten, wenn ihm der Treibstoff fehlt oder dieser nicht in der richtigen Form (Mischung) und Menge ankommt. Hier sind die gängigsten Problemquellen:

1. **Alter oder verunreinigter Kraftstoff:**
* **Altert:** Benzin ist nicht ewig haltbar. Nach einigen Monaten verliert es an Zündfähigkeit, besonders wenn es Ethanol enthält (E10). Das Benzin zerfällt, und es können sich Ablagerungen bilden. Wenn Ihr Roller längere Zeit stand, könnte dies das Problem sein.
* **Wasser im Tank:** Kondenswasser oder verunreinigtes Benzin von der Tankstelle kann Wasser in den Tank bringen. Wasser verbrennt nicht und kann die Zündung stören.
* **Check:** Riechen Sie am Tankinhalt. Sieht er trüb aus? Entleeren Sie ein wenig in ein Glas und schauen Sie nach Wasserablagerungen am Boden.

2. **Probleme mit der Kraftstoffzufuhr:**
* **Benzinhahn / Unterdruckhahn:** Viele Roller (besonders ältere Modelle) haben einen Unterdruckbenzinhahn. Dieser öffnet sich nur, wenn der Motor Unterdruck erzeugt (beim Startversuch). Ist die Membran darin defekt, öffnet der Hahn nicht, und es kommt kein Benzin zum Vergaser.
* **Check:** Saugen Sie an dem kleinen Unterdruckschlauch, der vom Ansaugstutzen zum Benzinhahn führt. Jetzt sollte Benzin aus dem größeren Schlauch (zum Vergaser) fließen. Falls nicht, ist der Benzinhahn defekt oder verstopft.
* **Kraftstofffilter:** Ist dieser Filter verstopft, kann nicht genug Benzin durchfließen.
* **Check:** Oft ist er durchsichtig; prüfen Sie auf Ablagerungen. Ansonsten austauschen.
* **Kraftstoffleitungen:** Knickstellen, Risse oder Verstopfungen in den Schläuchen können die Zufuhr behindern.
* **Check:** Visuelle Inspektion. Auch hier können sich Algen oder Ablagerungen bilden.

3. **Der Vergaser – Das Herzstück der Gemischbildung (oder die Achillessehne):**
* Der **Vergaser** ist oft die Hauptursache, wenn der Roller mit guter Kompression nicht anspringt. Selbst bei den modernen Einspritzern können vergleichbare Probleme auftreten (siehe unten).
* **Verstopfte Düsen:** Die winzigen Bohrungen der **Hauptdüse** und besonders der **Leerlaufdüse** können durch Kraftstoffablagerungen oder Schmutz verstopfen. Schon eine minimale Verstopfung der Leerlaufdüse reicht aus, um den Kaltstart zu verhindern.
* **Check:** Vergaser zerlegen und reinigen. Druckluft und spezieller Vergaserreiniger sind hier Ihre Freunde.
* **Schwimmer und Schwimmernadelventil:** Das **Schwimmernadelventil** regelt den Benzinstand in der Schwimmerkammer. Ist es undicht oder klemmt es, kann der Benzinstand zu hoch (Überlauf) oder zu niedrig (kein Benzin) sein. Ein verbogener Schwimmer kann ebenfalls den falschen Füllstand verursachen.
* **Check:** Beim Zerlegen prüfen.
* **Choke (Kaltstartautomatik):** Der Choke ist entscheidend für den Kaltstart, da er das Gemisch anfettet.
* **Elektrischer Choke:** Ist dieser defekt (steckt fest, bekommt keinen Strom), bleibt er entweder dauerhaft geöffnet (zu mageres Gemisch, kein Start) oder geschlossen (zu fettes Gemisch, Motor springt an, säuft aber ab oder läuft schlecht).
* **Manuelle Chokes:** Prüfen, ob der Seilzug richtig funktioniert und der Choke beim Betätigen wirklich schließt.
* **Check:** Funktion des elektrischen Chokes testen (ausbauen, an 12V halten – der Stift sollte sich langsam ausfahren).
* **Membranen (bei Unterdruckvergasern):** Eine rissige oder ausgehärtete Vergasermembran (Schiebermembran) kann dazu führen, dass der Vergaserschieber nicht richtig angehoben wird und der Motor kein Gas annimmt oder gar nicht erst startet.
* **Check:** Auf Risse und Steifheit prüfen.

4. **Falschluft im Ansaugtrakt:**
* Ein undichter **Ansaugstutzen** oder Risse in den Ansaugmanschetten können dazu führen, dass der Motor **Falschluft** zieht. Das Gemisch wird dadurch zu mager, und der Motor kann nicht starten oder stirbt sofort wieder ab.
* **Check:** Prüfen Sie den Ansaugstutzen auf Risse (besonders an den Biegestellen). Manchmal kann man mit Startpilot (kurze Spritzer auf den Ansaugtrakt) die Falschluft lokalisieren: Ändert sich die Drehzahl kurz, ist dort eine Undichtigkeit.

5. **Einspritzanlage (bei modernen Rollern):**
* Auch wenn Vergaser häufiger sind, haben viele moderne Roller eine Einspritzanlage. Hier sind die Probleme vergleichbar, nur die Bauteile anders:
* **Kraftstoffpumpe:** Fördert keinen Druck oder ist defekt.
* **Einspritzdüse:** Verstopft, leckt oder ist defekt.
* **Sensoren:** Defekte Sensoren (z.B. Drosselklappensensor, Ansauglufttemperatursensor, Lambdasonde) können falsche Informationen an das Steuergerät senden, was zu einer fehlerhaften Gemischbildung führt.
* **Check:** Fehlercodes auslesen, Kraftstoffdruck prüfen.

**Zündsystem-Probleme: Kein Funke, kein Feuer**

Wenn der Sprit ankommt, aber der Motor trotzdem stumm bleibt, ist das **Zündsystem** der nächste Punkt auf Ihrer Liste. Auch mit perfekter Kompression ist ohne einen kräftigen **Zündfunke** kein Start möglich.

1. **Die Zündkerze:**
* Die **Zündkerze** ist das am häufigsten übersehene Bauteil.
* **Verölt/Verrusst/Nass:** Ist die Kerze nass von Benzin, kann kein Funke überspringen. Das deutet auf ein zu fettes Gemisch oder einen fehlenden Funken hin. Eine verölte oder verrusste Kerze hat eine schlechte Leitfähigkeit und kann ebenfalls keinen ordentlichen Funken erzeugen.
* **Verschlissen/Defekt:** Eine alte, verschlissene Zündkerze mit korrodierten Elektroden oder einem zu großen Elektrodenabstand liefert einen zu schwachen Funken. Auch Haarrisse im Isolator können zu Kriechströmen führen.
* **Check:** Zündkerze ausbauen, reinigen oder erneuern. Halten Sie die Kerze bei aufgestecktem Zündkerzenstecker gegen den Motorblock (Masse) und starten Sie (Vorsicht Hochspannung!). Sehen Sie einen kräftigen, blauen Funken? Wenn nicht, liegt das Problem woanders.

2. **Zündkerzenstecker und Zündkabel:**
* **Widerstand:** Ein alter Zündkerzenstecker oder ein beschädigtes Zündkabel kann einen hohen Widerstand haben, der den Zündstrom stark reduziert.
* **Lockere Verbindungen:** Ein lockerer Sitz des Steckers auf der Kerze oder des Kabels an der Zündspule.
* **Check:** Auf festen Sitz prüfen. Zündkerzenstecker und Zündkabel auf Beschädigungen prüfen, eventuell durchmessen.

3. **Zündspule:**
* Eine defekte **Zündspule** kann einen zu schwachen oder gar keinen Zündfunken erzeugen.
* **Check:** Wenn an der Zündkerze kein Funke ankommt, aber die Zündspule Strom bekommt, ist sie der nächste Verdächtige.

4. **CDI (Capacitor Discharge Ignition) / ECU (Electronic Control Unit):**
* Die **CDI-Einheit** (oft auch Zündbox genannt) steuert den Zündzeitpunkt und die Zündenergie. Eine defekte CDI kann zu einem fehlenden oder unregelmäßigen Zündfunken führen. Bei Einspritzern übernimmt die ECU diese Funktion (und vieles mehr).
* **Check:** Leider schwer zu prüfen ohne Ersatzteil. Manchmal hilft es, die Steckverbindungen zu prüfen.

5. **Impulsgeber (Pickup) / Stator:**
* Der **Impulsgeber** (oft am Stator verbaut) sendet Signale an die CDI/ECU, wann der Zündfunke ausgelöst werden soll. Ist er defekt oder liefert er ungenaue Signale, stimmt der Zündzeitpunkt nicht oder es gibt gar keinen Funken. Auch eine defekte Wicklung am Stator kann die Stromversorgung für die Zündung lahmlegen.
* **Check:** Widerstandswerte prüfen (Multimeter, Herstellerangaben beachten).

6. **Sicherungen und Verkabelung:**
* Eine durchgebrannte Sicherung oder ein Kabelbruch im Zündkreis kann die gesamte Zündanlage lahmlegen.
* **Check:** Alle Sicherungen prüfen. Sichtprüfung der Kabel auf Scheuerstellen oder Korrosion.

7. **Sicherheitsschalter:**
* Manchmal sind es die einfachen Dinge: Ein defekter **Seitenständerschalter** oder **Kill-Schalter** (Notausschalter) kann den Motorstart verhindern. Das System denkt, der Roller sei nicht sicher zum Fahren, und unterbricht die Zündung.
* **Check:** Prüfen Sie, ob diese Schalter richtig stehen oder eventuell klemmen. Manchmal hilft ein Wackeln oder kurzschließen zum Testen (mit Vorsicht!).

**Weitere, seltenere, aber mögliche Ursachen**

1. **Auspuff verstopft:**
* Ein komplett verstopfter **Auspuff** (z.B. durch Ölkohle bei Zweitaktern oder einen zusammengebrochenen Katalysator bei Viertaktern) verhindert, dass die Abgase entweichen können. Der Motor kann nicht „atmen” und somit nicht starten.
* **Check:** Auspuff demontieren und versuchen, ohne Auspuff zu starten (nur kurz, da sehr laut!).

2. **Steuerzeiten verstellt (nur 4-Takter):**
* Obwohl die **Kompression genug** ist, könnten die **Steuerzeiten** durch eine übersprungene Steuerkette oder einen losen Nockenwellenkeil verstellt sein. In diesem Fall öffnen und schließen die Ventile zur falschen Zeit, auch wenn die Kolbenbewegung selbst noch Kompression erzeugt. Die Gemischbildung und Verbrennung sind dann jedoch unmöglich.
* **Check:** Aufwändig, erfordert Kenntnisse der Markierungen am Motor.

3. **Masseverbindung:**
* Eine schlechte **Masseverbindung** des Motors oder wichtiger Komponenten (Zündspule, CDI) kann zu unzureichender Stromversorgung führen.
* **Check:** Massekabel prüfen, reinigen, ggf. neue Verbindung herstellen.

**Die systematische Fehlersuche: So gehen Sie vor**

Verzweifeln Sie nicht! Gehen Sie methodisch vor.

1. **Sicherheit zuerst:** Batterie abklemmen bei Arbeiten an der Elektrik. Vorsicht bei Kraftstoff und Funken.
2. **Ist Kraftstoff da?**
* Tankinhalt und Alter des Benzins prüfen.
* Benzinhahn testen (saugen am Unterdruckschlauch).
* Schwimmerkammer des Vergasers entleeren (oft eine Ablassschraube unten). Kommt Benzin? Wenn ja, ist die Zufuhr bis zum Vergaser in Ordnung.
* Startpilot oder Bremsenreiniger (kurz!) in den Ansaugstutzen sprühen. Springt der Motor damit kurz an? Dann liegt das Problem definitiv am Kraftstoffsystem (Vergaser/Einspritzung).
3. **Ist ein Zündfunke da?**
* Zündkerze ausbauen.
* Zündkerze reinigen oder ersetzen.
* Zündkerze anstecken, gegen Motormasse halten und starten. Sehen Sie einen kräftigen blauen Funken?
* **Kein Funke:** Zündkerzenstecker, Zündkabel, Zündspule, CDI, Impulsgeber, Kill-Schalter prüfen.
* **Schwacher Funke:** Zündkerze, Zündkabel, Zündspule genauer prüfen.
4. **Der Vergaser (wenn Kraftstoff da ist, aber kein Startpilot-Start):**
* Vergaser ausbauen und gründlich reinigen. Alle Düsen mit Druckluft durchblasen. Schwimmerstand prüfen. Choke-Funktion prüfen.
5. **Falschluft:**
* Ansaugstutzen auf Risse prüfen. Mit Startpilot sprühen.

**Wann Sie einen Profi rufen sollten**

Wenn Sie alle Punkte systematisch abgearbeitet haben, die grundlegenden Checks durchgeführt wurden und Ihr Roller immer noch nicht anspringt, kann es sinnvoll sein, eine Fachwerkstatt aufzusuchen. Moderne Roller mit Einspritzanlagen erfordern oft spezielle Diagnosegeräte, um Fehlercodes auszulesen oder Sensoren zu prüfen. Auch komplexe Probleme wie defekte Steuergeräte oder tiefgreifende Motorprobleme (trotz guter Kompression an den Ringen, könnte die Ventileinstellung bei 4-Taktern dennoch Probleme bereiten) sind oft besser in erfahrenen Händen aufgehoben.

**Fazit**

Ein **Roller, der nicht anspringt, obwohl die Kompression genug ist**, ist ein Rätsel, das sich fast immer lösen lässt. Die Kernprobleme liegen fast ausschließlich im Bereich der **Kraftstoffversorgung** oder der **Zündung**. Durch eine systematische **Fehlersuche**, beginnend mit den einfachsten und häufigsten Ursachen, können Sie die meisten Probleme selbst identifizieren und beheben. Mit Geduld und den richtigen Werkzeugen wird Ihr Roller bald wieder wie neu schnurren. Viel Erfolg bei der Diagnose!