Die Frage, ob man in einen originalen Roller bedenkenlos vollsynthetisches Öl fahren kann, ist ein Dauerbrenner unter Roller-Enthusiasten. Während die moderne Schmierstofftechnologie enorme Fortschritte gemacht hat, stellt sich die Frage, ob ältere Motoren, die ursprünglich für mineralische oder teilsynthetische Öle konzipiert wurden, tatsächlich von den vermeintlichen Vorteilen vollsynthetischer Öle profitieren oder ob gar Schäden riskiert werden. Dieser Artikel taucht tief in die Schmierstoff-Wissenschaft ein, um diese Frage umfassend zu beantworten.
Grundlagen der Schmierstoffarten: Mineralisch, Teilsynthetisch und Vollsynthetisch
Um die Diskussion zu verstehen, ist es wichtig, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Öltypen zu kennen:
- Mineralische Öle: Diese Öle werden direkt aus Rohöl gewonnen und sind die älteste und günstigste Form von Motorenöl. Sie bieten einen ausreichenden Schutz für ältere Motoren, sind aber weniger temperaturstabil und neigen schneller zur Alterung als synthetische Öle.
- Teilsynthetische Öle: Diese Öle sind eine Mischung aus mineralischen und synthetischen Basisölen. Sie bieten eine verbesserte Leistung und einen besseren Schutz im Vergleich zu mineralischen Ölen, sind aber nicht so leistungsfähig wie vollsynthetische Öle.
- Vollsynthetische Öle: Diese Öle werden durch chemische Prozesse hergestellt und bieten die höchste Leistung und den besten Schutz. Sie sind extrem temperaturstabil, widerstandsfähig gegen Oxidation und bieten eine hervorragende Schmierung auch unter extremen Bedingungen.
Die Vor- und Nachteile von Vollsynthetischem Öl im Überblick
Vorteile:
- Bessere Schmierung: Vollsynthetische Öle haben eine gleichmäßigere Molekülstruktur, was zu einer besseren Schmierung und weniger Reibung führt. Dies kann sich in einer verbesserten Leistung und einem geringeren Verschleiß niederschlagen.
- Höhere Temperaturstabilität: Vollsynthetische Öle halten höheren Temperaturen stand, ohne ihre Schmiereigenschaften zu verlieren. Dies ist besonders wichtig bei luftgekühlten Rollermotoren, die zu Überhitzung neigen können.
- Bessere Reinigungswirkung: Vollsynthetische Öle enthalten in der Regel Additive, die Ablagerungen und Schmutz im Motor lösen und verhindern können.
- Längere Ölwechselintervalle: Aufgrund ihrer höheren Stabilität müssen vollsynthetische Öle seltener gewechselt werden als mineralische oder teilsynthetische Öle.
Nachteile:
- Höherer Preis: Vollsynthetische Öle sind in der Regel teurer als mineralische oder teilsynthetische Öle.
- Potenzielle Undichtigkeiten: Bei älteren Motoren mit verschlissenen Dichtungen kann die bessere Fließfähigkeit vollsynthetischer Öle zu Undichtigkeiten führen. Dies liegt daran, dass die Dichtungen möglicherweise nicht für die feineren Moleküle synthetischer Öle ausgelegt sind.
- „Ölkohle” Ablösung: In extrem seltenen Fällen kann die verbesserte Reinigungswirkung von vollsynthetischem Öl in sehr alten Motoren dazu führen, dass sich Ablagerungen („Ölkohle”) lösen und Ölkanäle verstopfen. Dies ist jedoch eher eine theoretische Gefahr.
- Übermäßige Schmierung bei 2-Taktern: Bei 2-Takt-Rollern ist das Mischungsverhältnis von Öl und Benzin entscheidend. Vollsynthetisches Öl kann dazu führen, dass zu viel Öl verbrannt wird, was zu einer Verrußung der Zündkerze und einer Beeinträchtigung der Leistung führen kann.
Der Original-Roller: Das Alter des Motors ist entscheidend
Die Entscheidung, ob man vollsynthetisches Öl in einen originalen Roller füllen kann, hängt stark vom Alter und dem Zustand des Motors ab. Hier einige Richtlinien:
- Roller älter als 20 Jahre: Bei sehr alten Rollern, die ursprünglich für mineralische Öle konzipiert wurden, ist Vorsicht geboten. Hier empfiehlt es sich, weiterhin mineralisches oder höchstens teilsynthetisches Öl zu verwenden. Das Risiko von Undichtigkeiten und Ablagerungsproblemen ist höher.
- Roller zwischen 10 und 20 Jahren: Bei diesen Rollern kann man in der Regel problemlos auf teilsynthetisches Öl umsteigen. Ein Umstieg auf vollsynthetisches Öl ist möglich, sollte aber sorgfältig beobachtet werden. Achten Sie auf Undichtigkeiten und Veränderungen im Motorlauf.
- Roller jünger als 10 Jahre: Bei neueren Rollern, die bereits mit teilsynthetischem Öl betrieben wurden, ist der Umstieg auf vollsynthetisches Öl in der Regel unproblematisch. Beachten Sie jedoch immer die Herstellerempfehlungen.
Herstellerempfehlungen und Freigaben beachten
Es ist immer ratsam, die Herstellerempfehlungen für den jeweiligen Roller zu beachten. Diese finden sich in der Bedienungsanleitung. Einige Hersteller geben explizit an, welche Ölsorten für ihre Motoren geeignet sind. Auch wenn der Hersteller keine Freigabe für vollsynthetisches Öl erteilt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass es schädlich ist. Es bedeutet lediglich, dass der Hersteller es nicht getestet oder empfohlen hat.
Spezielle Öle für Roller (2-Takt und 4-Takt)
Es ist wichtig, das richtige Öl für den jeweiligen Rollertyp zu verwenden. 2-Takt-Roller benötigen spezielle 2-Takt-Öle, die für die Verbrennung mit Benzin ausgelegt sind. Diese Öle enthalten Additive, die eine saubere Verbrennung gewährleisten und die Bildung von Ablagerungen verhindern. 4-Takt-Roller benötigen 4-Takt-Öle, die den Motor schmieren und kühlen. Die Viskosität des Öls (z.B. 10W-40) sollte ebenfalls den Herstellerangaben entsprechen.
Viskosität: Die richtige Fließfähigkeit wählen
Die Viskosität des Öls gibt an, wie flüssig oder zähflüssig es ist. Die Viskosität wird in der Regel durch eine Zahl vor und nach einem „W” angegeben (z.B. 10W-40). Die erste Zahl gibt die Viskosität bei niedrigen Temperaturen an (Wintereignung), die zweite Zahl die Viskosität bei hohen Temperaturen. Die richtige Viskosität hängt von den Betriebsbedingungen und dem Motortyp ab. Im Zweifelsfall sollte man sich an die Herstellerempfehlungen halten.
Fazit: Eine Abwägungssache mit Beobachtung
Ob man in einen originalen Roller bedenkenlos vollsynthetisches Öl fahren kann, ist keine einfache Ja-oder-Nein-Frage. Es hängt vom Alter, Zustand des Motors und den Herstellerempfehlungen ab. Bei älteren Rollern ist Vorsicht geboten, während bei neueren Rollern der Umstieg in der Regel unproblematisch ist. Wichtig ist, den Motor nach dem Umstieg sorgfältig zu beobachten und auf Veränderungen im Motorlauf oder Undichtigkeiten zu achten. Im Zweifelsfall ist es ratsam, sich von einem Fachmann beraten zu lassen.