Wer kennt es nicht? Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, ein Blick aufs Navi, ein Gedanke zu viel – und plötzlich blitzt es. Der Schrecken ist groß, die Ungewissheit plagt: War ich wirklich zu schnell? Wie genau funktioniert das eigentlich alles, und wird mein Blitzfoto wirklich auf eine fehlerhafte Messung überprüft? In diesem Artikel gehen wir dem komplexen Prozess der Blitzer-Bescheide auf den Grund und beleuchten, welche Kontrollmechanismen greifen, bevor ein Bußgeldbescheid in Ihrem Briefkasten landet.
Die Technik hinter dem Blitz: Funktionsweise verschiedener Messgeräte
Bevor wir uns mit der Überprüfung der Messungen beschäftigen, ist es wichtig zu verstehen, wie die verschiedenen Geschwindigkeitsmessgeräte überhaupt funktionieren. Grundsätzlich lassen sich diese in verschiedene Kategorien einteilen:
* **Radarmessgeräte:** Diese Geräte senden Radarwellen aus, die von vorbeifahrenden Fahrzeugen reflektiert werden. Aus der Frequenzverschiebung der reflektierten Wellen (Doppler-Effekt) wird die Geschwindigkeit des Fahrzeugs berechnet. Radarmessgeräte sind weit verbreitet und werden sowohl mobil als auch stationär eingesetzt.
* **Lichtschrankenmessgeräte:** Hier werden mehrere Lichtschranken in einem bestimmten Abstand zueinander aufgebaut. Das Fahrzeug durchfährt die Lichtschranken, und die Zeit, die es dafür benötigt, wird gemessen. Aus der Zeit und dem Abstand wird die Geschwindigkeit berechnet.
* **Piezosensoren:** Diese Sensoren werden in die Fahrbahn eingelassen und reagieren auf den Druck der darüberfahrenden Fahrzeuge. Durch die Messung der Zeit, die das Fahrzeug benötigt, um über die Sensoren zu fahren, kann die Geschwindigkeit ermittelt werden.
* **Laser-Messgeräte (LIDAR):** Diese Geräte senden Laserstrahlen aus und messen die Zeit, die diese benötigen, um vom Fahrzeug reflektiert zu werden. Durch die genaue Messung der Entfernung und der Zeit kann die Geschwindigkeit des Fahrzeugs sehr präzise bestimmt werden.
Jede dieser Techniken hat ihre eigenen Vor- und Nachteile. Radarmessgeräte können beispielsweise durch andere Fahrzeuge oder Gegenstände beeinflusst werden, während Lichtschrankenmessgeräte einen gewissen Aufwand beim Aufbau erfordern. Laser-Messgeräte gelten als besonders präzise, sind aber auch anfälliger für Fehlmessungen bei ungünstigen Wetterbedingungen.
Der Weg vom Blitzer zum Bußgeldbescheid: Ein detaillierter Prozess
Nachdem ein Fahrzeug geblitzt wurde, beginnt ein mehrstufiger Prozess, der letztendlich zum Bußgeldbescheid führt. Dieser Prozess umfasst:
1. **Datenerfassung:** Das Messgerät erfasst die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, das Datum und die Uhrzeit der Messung sowie den Standort. Diese Daten werden zusammen mit dem Blitzerfoto gespeichert.
2. **Datenübertragung:** Die erfassten Daten werden in der Regel an eine zentrale Bußgeldstelle übertragen. Dies kann entweder direkt online oder durch den Transport von Datenträgern erfolgen.
3. **Halterermittlung:** Anhand des Kennzeichens auf dem Blitzfoto wird der Halter des Fahrzeugs ermittelt. Dies geschieht über das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA).
4. **Anhörung des Halters:** Der Halter des Fahrzeugs erhält einen Anhörungsbogen, in dem er die Möglichkeit hat, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Er kann angeben, ob er das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Messung gefahren hat oder ob eine andere Person gefahren ist.
5. **Identifizierung des Fahrers:** Wenn der Halter nicht selbst gefahren ist, wird versucht, den tatsächlichen Fahrer zu identifizieren. Dies kann durch die Befragung des Halters oder durch die Auswertung des Blitzfotos erfolgen.
6. **Überprüfung der Messung:** Die Messergebnisse werden von geschulten Beamten oder Mitarbeitern der Bußgeldstelle überprüft. Dabei wird insbesondere auf Plausibilität und mögliche Fehlerquellen geachtet.
7. **Erlass des Bußgeldbescheids:** Wenn die Überprüfung ergibt, dass die Messung korrekt ist und der Fahrer identifiziert wurde, wird ein Bußgeldbescheid erlassen. Dieser enthält Angaben zum Verstoß, die Höhe des Bußgeldes, eventuelle Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot, falls dies vorgesehen ist.
Wer prüft die Messung? Die Rolle von Mensch und Maschine
Die Überprüfung der Messung ist ein entscheidender Schritt im Prozess. Dabei spielen sowohl technische als auch menschliche Faktoren eine Rolle.
* **Technische Überprüfung:** Moderne Geschwindigkeitsmessgeräte führen in der Regel automatische Selbsttests durch, um ihre Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Diese Tests werden regelmäßig durchgeführt und dokumentiert. Darüber hinaus werden die Geräte regelmäßig geeicht, um sicherzustellen, dass sie korrekte Ergebnisse liefern. Die Eichung erfolgt durch staatlich anerkannte Prüfstellen.
* **Menschliche Überprüfung:** Die Messergebnisse werden von geschulten Beamten oder Mitarbeitern der Bußgeldstelle überprüft. Diese prüfen, ob die Messung plausibel ist und ob es Anzeichen für eine Fehlmessung gibt. Dabei werden beispielsweise folgende Aspekte berücksichtigt:
* **Fotoqualität:** Ist das Blitzfoto scharf und deutlich erkennbar? Ist das Kennzeichen gut lesbar?
* **Umgebungsbedingungen:** Gab es zum Zeitpunkt der Messung besondere Umstände, die die Messung beeinflusst haben könnten, wie z.B. schlechtes Wetter, Nebel oder Reflexionen?
* **Messprotokoll:** Entspricht das Messprotokoll den Vorgaben? Gibt es Auffälligkeiten oder Unstimmigkeiten?
* **Geräteeinstellungen:** Waren die Geräteeinstellungen korrekt? Wurde das Gerät ordnungsgemäß bedient?
* **Toleranzabzug:** Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen wird ein Toleranzabzug vorgenommen, um mögliche Ungenauigkeiten der Messung zu berücksichtigen. Dieser Toleranzabzug beträgt in der Regel 3 km/h bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h und 3% bei Geschwindigkeiten über 100 km/h.
Fehlerquellen bei Geschwindigkeitsmessungen: Worauf es ankommt
Trotz aller Kontrollmechanismen können bei Geschwindigkeitsmessungen Fehler auftreten. Mögliche Fehlerquellen sind:
* **Technische Defekte:** Das Messgerät kann defekt sein oder nicht ordnungsgemäß funktionieren.
* **Falsche Bedienung:** Das Messgerät kann falsch bedient worden sein, z.B. durch falsche Einstellungen oder eine fehlerhafte Ausrichtung.
* **Umwelteinflüsse:** Starke Sonneneinstrahlung, Regen, Schnee oder Nebel können die Messung beeinflussen.
* **Reflexionen:** Reflexionen von anderen Fahrzeugen oder Gegenständen können zu Fehlmessungen führen, insbesondere bei Radarmessgeräten.
* **Mehrfachbelichtung:** Bei manchen Messgeräten kann es zu Mehrfachbelichtungen kommen, wenn mehrere Fahrzeuge gleichzeitig erfasst werden. Dies kann zu einer falschen Zuordnung der Geschwindigkeit führen.
Was tun bei Zweifeln an der Messung? Ihre Rechte und Möglichkeiten
Wenn Sie Zweifel an der Richtigkeit einer Geschwindigkeitsmessung haben, haben Sie verschiedene Möglichkeiten:
* **Akteneinsicht:** Sie haben das Recht, die Akte einzusehen, die die Beweismittel für den Verstoß enthält. Dies umfasst das Blitzfoto, das Messprotokoll und die Eichscheine des Messgeräts.
* **Einspruch:** Sie können gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen. Dies muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids schriftlich erfolgen.
* **Gutachten:** Sie können ein eigenes Gutachten in Auftrag geben, um die Richtigkeit der Messung zu überprüfen. Ein solches Gutachten kann jedoch teuer sein.
* **Anwaltliche Beratung:** Es ist ratsam, sich von einem Anwalt für Verkehrsrecht beraten zu lassen. Dieser kann Ihre Rechte prüfen und Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche unterstützen.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Beweislast in der Regel bei der Behörde liegt. Das bedeutet, dass die Behörde nachweisen muss, dass die Messung korrekt durchgeführt wurde. Wenn Sie jedoch Zweifel an der Richtigkeit der Messung haben, sollten Sie dies aktiv geltend machen und die entsprechenden Schritte unternehmen.
Fazit: Gründliche Prüfung, aber keine absolute Garantie
Der Prozess von der Geschwindigkeitsmessung bis zum Bußgeldbescheid ist komplex und beinhaltet mehrere Kontrollmechanismen. Die Messgeräte werden regelmäßig geeicht und gewartet, und die Messergebnisse werden von geschulten Beamten oder Mitarbeitern der Bußgeldstelle überprüft. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Wenn Sie Zweifel an der Richtigkeit einer Messung haben, sollten Sie Ihre Rechte kennen und die entsprechenden Schritte unternehmen, um die Messung überprüfen zu lassen. Eine anwaltliche Beratung kann in solchen Fällen sehr hilfreich sein. Die sorgfältige Prüfung der Blitzfotos und Messprotokolle ist also Standard, garantiert aber keine fehlerfreie Messung. Es liegt in Ihrer Verantwortung, Unstimmigkeiten zu hinterfragen und Ihre Rechte wahrzunehmen.