In einer Welt, die von glänzenden, leistungsstarken Konsolen und immer beeindruckenderen Handhelds wie der Nintendo Switch, dem Steam Deck oder gar den jüngsten Cloud-Gaming-Lösungen überschwemmt wird, mag der Kauf einer PS Vita Slim im Jahr 2024 oder 2023 wie eine nostalgische Laune wirken. Oder vielleicht sogar wie ein dummer Fehler. Aber war er das wirklich? Ich habe den Sprung gewagt und mir vor einiger Zeit eine gebrauchte PS Vita Slim zugelegt. Und ich muss sagen: Die Antwort ist komplexer, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Dieser Artikel ist eine ehrliche Analyse, die beleuchtet, ob der Kauf dieses Handheld-Klassikers noch immer eine lohnende Investition sein kann oder ob man lieber die Finger davon lassen sollte.
Die PS Vita-Ära: Eine ambitionierte Vision mit steinigem Weg
Die PlayStation Vita (kurz: PS Vita) wurde Ende 2011 in Japan und Anfang 2012 weltweit eingeführt. Sie war Somas ehrgeiziger Nachfolger der äußerst erfolgreichen PSP und sollte die tragbare Gaming-Erfahrung auf ein neues Niveau heben. Mit einem wunderschönen OLED-Bildschirm, zwei Analogsticks, einem Touchscreen auf der Vorderseite und einem Touchpad auf der Rückseite sowie Bewegungssensoren war sie ihrer Zeit weit voraus. Sony wollte mit der Vita eine Brücke zwischen Heimkonsole und Handheld schlagen, was sich in Funktionen wie Remote Play zur PS3 und später PS4 widerspiegelte.
Doch trotz ihrer beeindruckenden Hardware und einer vielversprechenden Startphase kämpfte die Vita mit mehreren Problemen: dem hohen Preis, dem Mangel an „Must-Have”-Titeln von Sony selbst (vor allem nach den ersten zwei Jahren), der starken Konkurrenz durch Smartphones und vor allem den berüchtigten, proprietären Speicherkarten, deren Preise abschrecken waren. Die Verkaufszahlen blieben hinter den Erwartungen zurück, und Sony verlagerte den Fokus schnell weg von großen „AAA”-Produktionen hin zu Indie-Titeln und japanischen Nischenspielen.
Die Geburt der PS Vita Slim (PCH-2000): Ein Redesign mit Kompromissen
Im Jahr 2013, nur zwei Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung, stellte Sony die PS Vita Slim (Modell PCH-2000) vor. Dieses Redesign sollte die Konsole zugänglicher machen. Die Slim war leichter, dünner und bot eine deutlich verbesserte Akkulaufzeit. Der größte und umstrittenste Unterschied war jedoch der Wechsel vom ursprünglichen, leuchtenden OLED-Bildschirm zu einem LCD-Display. Für viele Puristen war dies ein Rückschritt, da die tiefen Schwarztöne und lebendigen Farben des OLED unübertroffen waren. Doch das LCD der Slim war keineswegs schlecht; es bot eine gute Farbdarstellung und eine gleichmäßigere Ausleuchtung, und es war weniger anfällig für Einbrennen.
Weitere Verbesserungen umfassten einen internen 1 GB Speicher (der die proprietären Speicherkarten jedoch nicht ersetzte) und, vielleicht am wichtigsten, den Wechsel vom proprietären Ladeanschluss zum standardisierten Micro-USB-Port. Dies war ein Segen für Reisende und jeden, der nicht ein weiteres Spezialkabel mit sich führen wollte. In Sachen Ergonomie fühlte sich die Slim dank ihrer abgerundeten Kanten und ihres geringeren Gewichts oft besser in der Hand an, besonders bei längeren Spielsessions.
Das aktuelle Ökosystem: Spiele, Speicher und der digitale Store
Wer heute eine PS Vita Slim kauft, muss sich mit dem aktuellen Stand des Ökosystems auseinandersetzen, das seit Jahren keine offizielle Unterstützung mehr erhält.
Die Spielebibliothek: Eine Schatzkiste für Kenner
Die größte Stärke der PS Vita liegt heute in ihrer Spielebibliothek. Trotz des Mangels an Blockbuster-Titeln beherbergt die Vita eine erstaunliche Sammlung an einzigartigen Erlebnissen:
- Exklusive Vita-Titel: Spiele wie Uncharted: Golden Abyss, Killzone: Mercenary (oft als einer der besten Vita-Shooter überhaupt bezeichnet), Gravity Rush, Tearaway und Persona 4 Golden sind Meisterwerke, die es nirgendwo sonst in dieser Form gibt oder die auf der Vita ihre definitive Version fanden.
- Indie-Powerhouse: Die Vita war eine absolute Goldgrube für Indie-Spiele. Titel wie Hotline Miami, Spelunky, Shovel Knight, Guacamelee! und Velocity 2X sind perfekt für das Handheld-Format geeignet und bieten stundenlangen Spielspaß.
- PS1- und PSP-Klassiker: Über den PlayStation Store kann man eine riesige Auswahl an PS1- und PSP-Spielen herunterladen. Dies macht die Vita zu einem fantastischen Emulationsgerät für Sonys Handheld-Geschichte und Klassiker wie Final Fantasy VII oder Metal Gear Solid: Peace Walker.
- Cross-Buy und Remote Play: Viele PS3/PS4-Titel waren Cross-Buy-fähig, was bedeutete, dass man die Vita-Version kostenlos bekam. Remote Play ermöglichte es zudem, PS4-Spiele auf der Vita zu streamen, was unter guten Netzwerkbedingungen überraschend gut funktionierte und ein netter Bonus war.
Das Problem ist die Verfügbarkeit. Viele dieser Spiele sind digital im PlayStation Store erhältlich, aber die Angst vor einer endgültigen Schließung des Stores schwebt wie ein Damoklesschwert über der Vita-Community. Physische Versionen sind oft teuer, besonders bei seltenen Titeln.
Die Krux mit den Speicherkarten
Die proprietären Speicherkarten der PS Vita sind nach wie vor ihr größter Schwachpunkt. Sie waren schon bei der Markteinführung teuer und sind es heute noch. Neue Karten sind kaum noch zu finden und gebrauchte können immer noch horrende Preise erzielen. Für ein gutes Spielerlebnis sind mindestens 16 GB, besser noch 32 GB oder 64 GB erforderlich. Ohne eine solche Karte ist der Nutzen der Vita stark eingeschränkt. Dies ist ein erheblicher Faktor, der potenzielle Käufer abschrecken könnte und die Einstiegskosten massiv erhöht.
Der PlayStation Store: Ein Relikt der Vergangenheit
Der digitale Store ist nach wie vor erreichbar und man kann Spiele herunterladen, die man bereits besitzt, oder neue kaufen. Allerdings gibt es keine Möglichkeit mehr, Guthaben direkt auf der Vita zu erwerben; dies muss über die PS4/PS5 oder die PlayStation-Website erfolgen. Die Benutzeroberfläche ist veraltet und die Navigation kann frustrierend sein. Die Ungewissheit über die langfristige Verfügbarkeit des Stores ist ein echtes Problem für digitale Käufer und ein Grund, warum physische Sammlungen an Wert gewinnen.
War der Kauf einer PS Vita Slim ein Fehler? Pro und Contra im aktuellen Kontext
Um die Eingangsfrage zu beantworten, müssen wir die aktuellen Vor- und Nachteile abwägen:
Die Argumente FÜR den Kauf einer PS Vita Slim:
- Einzigartige Spielerlebnisse: Die Vita bietet Titel, die man nirgendwo anders findet oder die auf ihr am besten zur Geltung kommen. Für Fans japanischer Rollenspiele, Visual Novels und cleverer Indie-Spiele ist sie ein Paradies.
- Ergonomie und Haptik: Die physischen Tasten, Analogsticks und das kompakte Design sind für viele eine willkommene Abwechslung zum reinen Touchscreen-Gaming von Smartphones. Die Slim liegt dank ihres geringen Gewichts und ihrer Form sehr gut in der Hand.
- Portabilität: Sie ist kleiner und leichter als eine Nintendo Switch oder ein Steam Deck und passt somit besser in Jackentaschen oder kleine Taschen. Perfekt für Pendler oder als Zweitgerät.
- Modding-Potenzial: Für diejenigen, die sich mit der Community beschäftigen, bietet die Vita ein enormes Potenzial durch Homebrew, Emulatoren und Tools zur Umgehung der proprietären Speicherkarten (z.B. mittels SD2Vita-Adapter). Dies erweitert die Nutzbarkeit und den Wert der Konsole erheblich, sollte aber mit Bedacht und unter Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen genutzt werden.
- Sammlerwert und Nostalgie: Für Sammler und Liebhaber von Handheld-Gaming ist die Vita ein faszinierendes Stück Technikgeschichte, dessen Wert in Zukunft steigen könnte.
- Gutes LCD-Display: Trotz der Kritik am Verzicht auf OLED ist das LCD der Slim ein scharfes, farbenfrohes Display, das die meisten Spiele hervorragend darstellt und weniger anfällig für Burn-in ist.
Die Argumente GEGEN den Kauf einer PS Vita Slim:
- Hohe Einstiegskosten: Der Kauf einer gebrauchten Konsole ist meist erschwinglich, aber die notwendige proprietäre Vita-Speicherkarte treibt den Gesamtpreis in die Höhe. Ohne sie ist der Nutzen stark begrenzt.
- Keine offizielle Unterstützung mehr: Es werden keine neuen Spiele mehr entwickelt, und Sony hat den offiziellen Support eingestellt. Das bedeutet, man ist auf die vorhandene Bibliothek angewiesen.
- Ungewissheit über den PlayStation Store: Die Angst vor der Schließung des digitalen Stores ist real. Wer auf digitale Käufe setzt, riskiert den Verlust des Zugangs zu seiner Bibliothek.
- Batterielebensdauer bei Gebrauchtgeräten: Gebrauchte Konsolen können eine degradierte Batterie haben, was die angepriesene gute Akkulaufzeit der Slim zunichtemachen könnte. Ein Batteriewechsel ist oft aufwändig.
- Fehlende Konkurrenzfähigkeit: Im direkten Vergleich mit der Nintendo Switch fehlen der Vita die modernen Blockbuster-Titel, die riesige Nutzerbasis und der aktuelle Support. Das Steam Deck und ähnliche Geräte bieten noch mehr Leistung und Flexibilität.
- Verfügbarkeit physischer Spiele: Viele der besten Spiele sind nur noch digital erhältlich oder physisch extrem teuer und selten.
Persönliches Fazit: Fehler oder Liebhaberstück?
War der Kauf meiner PS Vita Slim ein Fehler? Für mich persönlich: Absolut nicht. Aber ich bin auch ein Liebhaber von Handheld-Gaming, ein Sammler und jemand, der die besonderen Nischentitel zu schätzen weiß. Ich liebe es, Persona 4 Golden erneut zu spielen oder die Indie-Perlen zu entdecken, die ich damals verpasst habe.
Wenn Sie jedoch jemand sind, der ausschließlich die neuesten Grafiken und die größten Blockbuster-Titel sucht, oder wenn Sie ein Budget haben, das die zusätzlichen Kosten für Speicherkarten und möglicherweise gebrauchte Spiele nicht zulässt, dann könnte der Kauf einer PS Vita Slim in der Tat ein Fehlgriff sein. Die Konkurrenz ist stark, und eine Nintendo Switch bietet ein moderneres, unterstütztes Ökosystem mit einer riesigen und stetig wachsenden Bibliothek.
Die Vita Slim ist nicht für jedermann. Sie ist ein Gerät für Enthusiasten, für Sammler, für Nostalgiker und für all jene, die eine tiefe Wertschätzung für ihre einzigartige Spielebibliothek und ihr hervorragendes Hardware-Design haben. Wer sich auf das Abenteuer einlässt, bereit ist, sich mit den Eigenheiten (Stichwort Speicherkarten) auseinanderzusetzen und die Konsole als das zu sehen, was sie ist – ein beeindruckendes Stück Gaming-Geschichte mit einer fantastischen Sammlung von Nischentiteln –, der wird mit der PS Vita Slim eine große Freude haben. Sie ist kein Mainstream-Gerät mehr, sondern ein charmanter Handheld-Klassiker, der auch heute noch seinen Platz im Herzen vieler Gamer findet. Mein Kauf war keine Fehlinvestition, sondern die Bereicherung meiner Gaming-Erfahrung um ein einzigartiges Stück Technologie und unzählige Stunden Spielspaß.
Am Ende des Tages ist die PS Vita Slim wie ein Oldtimer: Sie erfordert etwas mehr Pflege und Verständnis, bietet aber eine Fahrerfahrung, die moderne Autos nicht bieten können. Und genau das macht ihren Reiz aus.