Die Welt der Videospielkonsolen ist ein schnelllebiges Geschäft. Generationen kommen und gehen, und mit ihnen verschwinden auch die Plattformen, die einst unsere Wohnzimmer eroberten. Doch kaum eine Konsole erlebte ein so schnelles und gleichzeitig stilles Ende wie die Nintendo Wii U. Während ihre Vorgängerin, die Wii, noch jahrelang im kollektiven Gedächtnis blieb und sogar nach der Ablösung noch gelegentlich neue Titel sah, scheint die Wii U in einen Dornröschenschlaf verfallen zu sein, aus dem sie nicht mehr erwacht. Absolut keine neuen Spiele mehr – eine harte Realität für Fans und Sammler. Doch warum ist das so? Tauchen wir ein in die komplexen Gründe für das verstummte Ende dieser oft missverstandenen Konsole.
Einleitung: Das leise Sterben einer Vision
Die Wii U, 2012 als Nachfolgerin der überaus erfolgreichen Wii auf den Markt gebracht, sollte Nintendos Innovationstrieb in eine neue Ära führen. Mit ihrem einzigartigen GamePad, das einen zweiten Bildschirm in die Hände der Spieler brachte, versprach sie revolutionäre Spielkonzepte. Doch diese Vision stieß auf Hindernisse, die sich als unüberwindbar erweisen sollten. Heute, mehr als ein Jahrzehnt nach ihrem Debüt, ist die Wii U Konsole ein Relikt vergangener Tage, deren Software-Bibliothek ein für alle Mal abgeschlossen scheint.
Ein Missverständnis von Anfang an: Die Geburtswehen der Wii U
Schon der Start der Wii U war holprig und von Missverständnissen geprägt. Für viele Konsumenten war nicht klar, ob es sich um eine eigenständige neue Konsole oder lediglich um ein Upgrade oder Zubehör für die bestehende Wii handelte. Die Namensgebung „Wii U” trug maßgeblich zu dieser Verwirrung bei, was sich negativ auf die anfänglichen Verkaufszahlen der Wii U auswirkte.
Ein weiteres Problem war die technische Ausstattung. Obwohl die Wii U im Vergleich zur Wii einen deutlichen Sprung nach vorne machte, hinkte sie der Konkurrenz, die kurze Zeit später mit PlayStation 4 und Xbox One auf den Markt kam, bereits hinterher. Ihre Hardware-Architektur war komplexer als die der Wettbewerber, was die Portierung von Spielen erschwerte und die Entwicklungskosten in die Höhe trieb.
Das Herzstück der Konsole, das Wii U GamePad, war zweifellos innovativ. Es ermöglichte asymmetrisches Gameplay, bei dem ein Spieler auf dem TV-Bildschirm und ein anderer auf dem GamePad agierte, oder bot Zusatzinformationen und Inventarmanagement. Doch diese Innovation entpuppte sich auch als Bürde. Entwickler mussten Spiele oft speziell auf das GamePad zuschneiden, was den Aufwand für Multiplattform-Titel erhöhte und oft nicht in das Konzept passte. Die Reichweite des GamePads war begrenzt, und ein Ersatz war teuer, was die Attraktivität für viele potenzielle Käufer minderte.
Die Crux der Verkaufszahlen: Ein unattraktiver Markt für Entwickler
Der wichtigste Faktor für das Ausbleiben neuer Spiele ist zweifellos die geringe Verbreitung der Konsole. Mit weltweit nur etwa 13,56 Millionen verkauften Einheiten war die Wii U Nintendos am wenigsten erfolgreiche Heimkonsole (wenn man die Virtual Boy mal außen vor lässt). Zum Vergleich: Die originale Wii verkaufte sich über 100 Millionen Mal, die Nintendo Switch hat diese Marke bereits weit überschritten.
Für Spieleentwickler und Publisher ist die sogenannte „Install Base” – die Anzahl der verkauften Konsolen – entscheidend. Je größer diese Basis, desto mehr potenzielle Käufer gibt es für ein Spiel. Bei geringen Verkaufszahlen ist das finanzielle Risiko, ein neues Spiel zu entwickeln, extrem hoch. Die hohen Entwicklungskosten für moderne Titel müssen durch den Verkauf von Millionen Exemplaren wieder eingespielt werden. Bei einer Konsole mit einer derart kleinen Nutzerbasis ist dies schlichtweg nicht rentabel.
Der frühe Exodus der Dritthersteller war ein klares Warnsignal. Große Publisher wie EA, Ubisoft und Activision zogen sich relativ schnell von der Plattform zurück, nachdem ihre anfänglichen Titel sich schlecht verkauft hatten. Ohne die Unterstützung externer Studios, die traditionell einen Großteil der Spielbibliothek einer Konsole ausmachen, war die Wii U fast ausschließlich auf Nintendos eigene First-Party-Spiele angewiesen. Obwohl Titel wie „Mario Kart 8”, „Super Smash Bros. for Wii U” und „The Legend of Zelda: Breath of the Wild” (das auch noch als Launchtitel für die Switch diente) hochgelobt wurden, konnten sie die Konsole alleine nicht tragen.
Nintendos Schwenk: Die Geburt des Phönix aus der Asche
Nintendo erkannte die Probleme der Wii U relativ schnell. Anstatt sich an einer sterbenden Plattform festzuhalten, traf das Unternehmen eine mutige und entscheidende strategische Wende. Die Erkenntnisse und auch die Fehler der Wii U flossen direkt in die Entwicklung der nächsten Konsole ein: der Nintendo Switch.
Die Switch, die im März 2017 auf den Markt kam, löste die Wii U als Nintendos primäre Konsole ab. Sie verfeinerte das Konzept der Hybrid-Konsole, das die Wii U mit ihrem GamePad bereits andeutete, und präsentierte es in einem wesentlich klareren und überzeugenderen Paket. Das Ergebnis war ein durchschlagender Erfolg, der die kühnsten Erwartungen übertraf.
Die Wii U fungierte somit, ungewollt, als eine Art Testfeld für die Switch. Viele der Ideen und auch einige der technischen Konzepte, wenn auch in wesentlich verbesserter Form, fanden sich in der Switch wieder. Nintendos Fokus verlagerte sich komplett auf die neue Plattform, was das Ende der Software-Entwicklung für die Wii U besiegelte.
Das „Kanonenfutter” für die Switch: Portierungen und ihre Folgen
Ein weiterer entscheidender Sargnagel für neue Wii U Spiele war Nintendos kluge Strategie, die besten und erfolgreichsten Titel der Wii U auf die Switch zu portieren. Spiele wie „Mario Kart 8 Deluxe”, „Donkey Kong Country: Tropical Freeze”, „New Super Mario Bros. U Deluxe”, „Pikmin 3 Deluxe” und „Captain Toad: Treasure Tracker” erhielten auf der Switch nicht nur ein zweites Leben, sondern wurden zu Millionensellern.
Diese Portierungen waren aus Marketingsicht brillant: Sie gaben Switch-Besitzern Zugang zu einer bereits bewährten und geliebten Bibliothek von Spielen und unterstrichen gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der neuen Konsole. Für die Wii U bedeutete dies jedoch den Entzug ihrer größten Zugpferde. Warum sollte ein Entwickler ein neues Spiel für die Wii U entwickeln, wenn selbst Nintendos beste Titel auf der Nachfolgerkonsole ein wesentlich größeres Publikum finden konnten? Die Einzigartigkeit der Wii U, die ihre großartigen Spiele ausmachte, wurde dadurch effektiv auf die Switch übertragen und monetarisiert, was jegliche Motivation für weitere Wii U Entwicklung zunichtemachte.
Der natürliche Lebenszyklus einer Konsole – beschleunigt
Jede Konsole hat einen begrenzten Lebenszyklus. Dieser beginnt mit dem Launch, erreicht seinen Höhepunkt an Software-Releases und Support und endet schließlich mit dem Auslaufen der Produktion und des Supports. Für die Wii U war dieser Zyklus extrem kurz und steil.
Schon 2016 kündigte Nintendo das Ende der Produktion der Wii U an. Mit dem Fokus auf die Switch wurden die Ressourcen für die ältere Konsole stark reduziert. Der Nintendo eShop für die Wii U ist zwar noch funktionsfähig für digitale Käufe bereits veröffentlichter Titel, aber es gibt keine neuen Einträge mehr. Online-Dienste wie das Miiverse wurden eingestellt, was das gesamte Ökosystem der Konsole schrumpfen ließ. Wenn Hersteller keine Entwicklungskits mehr bereitstellen oder den Backend-Support für Online-Funktionen einstellen, wird es für externe Entwickler praktisch unmöglich, neue Titel zu entwickeln oder zu veröffentlichen.
Das Erbe der Wii U: Eine Konsole für Kenner und Sammler
Trotz ihres kommerziellen Misserfolgs und des Mangels an neuen Spielen ist die Wii U nicht wertlos. Ganz im Gegenteil: Sie ist eine Konsole, die für ihre exzellenten First-Party-Titel und ihr einzigartiges Spielgefühl geschätzt wird. Viele der besten Wii U Spiele wurden zwar auf die Switch portiert, aber einige exklusive Erlebnisse, die stark auf das GamePad zugeschnitten waren, bleiben einzigartig für die Plattform. Man denke an „Nintendo Land” oder „Star Fox Zero”, die ohne das GamePad kaum denkbar wären.
Die Wii U war in gewisser Weise ihrer Zeit voraus. Das Konzept einer Hybrid-Konsole, die sowohl auf dem Fernseher als auch portabel genutzt werden kann, war die Blaupause für den späteren Erfolg der Switch. Sie zeigte die Potenziale, aber auch die Fallstricke einer solchen Vision auf. Für Sammler und Liebhaber von Nintendos Geschichte ist die Wii U ein faszinierendes Stück Hardware, das eine entscheidende Rolle in der Evolution des Unternehmens spielte.
Fazit: Das unvermeidliche Ende und die Lehren daraus
Das „stille Ende” der Wii U ist das Ergebnis einer Kombination aus anfänglicher Verwirrung, geringen Verkaufszahlen, fehlender Dritthersteller-Unterstützung und Nintendos strategischem Schwenk hin zur überlegenen Switch. Es ist ein klassisches Beispiel dafür, wie selbst innovative Ideen scheitern können, wenn die Ausführung oder das Timing nicht stimmt.
Die Wii U hat ihre Aufgabe erfüllt, wenn auch nicht so, wie es Nintendo ursprünglich geplant hatte. Sie war ein notwendiger Schritt, ein Lernprozess, der den Weg für den triumphalen Erfolg der Nintendo Switch ebnete. Während keine neuen Spiele mehr für sie erscheinen werden, bleibt sie eine Konsole mit einer kleinen, aber feinen Bibliothek von Titeln, die es verdient haben, gespielt und geschätzt zu werden. Ihr leises Verschwinden vom Markt für neue Veröffentlichungen ist somit nicht das Ende ihrer Geschichte, sondern vielmehr die Übergabe des Staffelstabs an eine würdige Nachfolgerin, die aus ihren Fehlern gelernt hat.