Im weiten Pantheon der The Legend of Zelda-Spiele nimmt Twilight Princess einen einzigartigen und oft kontroversen Platz ein. Als es 2006 auf den Markt kam, sowohl als Abschied von der Nintendo GameCube-Ära als auch als Launch-Titel für die revolutionäre Wii-Konsole, waren die Erwartungen immens. Nach dem stilistisch mutigen, aber polarisierenden Wind Waker sehnten sich viele Fans nach einer Rückkehr zu einem „ernsthafteren” und „dunkleren” Zelda-Erlebnis, und Nintendo lieferte. Doch wie gut ist dieser düstere Klassiker wirklich, fast zwei Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung? Eine tiefgehende Retrospektive ist angebracht.
Die Geburt einer dunklen Legende: Ein Gegenentwurf zu Wind Waker
Nachdem The Wind Waker mit seinem Cel-Shading-Look und dem Fokus auf Erkundung der Weltmeere die Meinungen spaltete, schien Twilight Princess eine direkte Antwort auf die Rufe nach einem traditionelleren, realistischeren Art-Stil zu sein. Das Spiel präsentierte sich in einer optisch reiferen, detailreicheren und vor allem dunkleren Ästhetik. Die Welt von Hyrule war nicht mehr die leuchtende, cartoonhafte Version, die wir kannten, sondern ein Land, das von einer mysteriösen, schattenhaften Dimension, dem Zwielicht (Twilight Realm), bedroht wird. Diese Dunkelheit durchzog nicht nur die Optik, sondern auch die Atmosphäre und die Geschichte des Spiels und verlieh ihm eine Ernsthaftigkeit, die seit Ocarina of Time selten in dieser Intensität zu spüren war.
Die packende Geschichte und unvergessliche Charaktere
Die Handlung von Twilight Princess beginnt beschaulich im idyllischen Dorf Ordon, wo Link als einfacher Hirtenjunge lebt. Doch diese Ruhe wird jäh zerstört, als Kreaturen aus dem Zwielicht das Dorf überfallen und Links Freunde entführen. Link wird in die Schattenwelt gezogen und verwandelt sich in einen Wolf. Hier beginnt die vielleicht prägendste Beziehung des Spiels: die zu Midna, einer zynischen, mysteriösen Kreatur aus dem Zwielicht, die Link widerwillig auf seiner Reise begleitet. Ihre Entwicklung vom eigennützigen Schattenwesen zur loyalen Verbündeten ist das emotionale Herzstück der Erzählung und eine der besten Charakterentwicklungen in der gesamten Serie.
Die Geschichte entfaltet sich als epischer Kampf gegen die Invasion des Zwielichts und dessen Herrscher Zanto, einem von Wut und Neid zerfressenen Usurpator. Später enthüllt sich die wahre Bedrohung in Gestalt von Ganondorf, dessen Rückkehr die Dunkelheit in Hyrule auf ein neues Level hebt. Die Geschichte ist düster, manchmal herzzerreißend, aber stets motivierend. Sie erforscht Themen wie Macht, Verantwortung und das Opfer für das größere Wohl, alles verpackt in eine klassische „Held wider Willen”-Erzählung, die jedoch durch Midnas Persönlichkeit und die ständige Bedrohung durch das Zwielicht eine frische Note erhält.
Das Gameplay: Innovation trifft Tradition
Twilight Princess glänzt durch eine Mischung aus bewährten Zelda-Mechaniken und cleveren Neuerungen. Die zentrale Gameplay-Säule ist zweifellos der Wechsel zwischen Links menschlicher Form und seiner Wolf-Form. Als Mensch navigiert Link durch die Welt, löst Rätsel mit seinem umfangreichen Inventar und nimmt an Schwertkämpfen teil. Als Wolf hingegen kann er sich durch enge Passagen quetschen, verborgene Gerüche aufspüren und vor allem mit Midna zusammenarbeiten, um neue Wege zu öffnen oder unsichtbare Gegner zu enthüllen. Diese Dualität ist ein entscheidendes Element, das das Spielgefühl durchweg frisch hält, auch wenn die anfänglichen „Tränen des Lichts”-Sammelaufgaben im Wolf-Modus manchmal als etwas langwierig empfunden werden können.
Dungeons und Rätsel: Ein Meisterwerk des Designs
Ein Markenzeichen der Zelda-Reihe sind ihre Dungeons, und Twilight Princess liefert hier abermals ein herausragendes Erlebnis. Die Tempel sind kreativ gestaltet, voller cleverer Rätsel, einzigartiger Umgebungen und denkwürdiger Bosskämpfe. Ob der verschneite Bergrutsch-Palast mit seiner originellen Schlittschuh-Mechanik, der riesige Wassertempel mit seinen komplexen Wassermanagement-Rätseln oder der schwebende Wolkenhort mit seinen greifhakenbasierten Herausforderungen – jeder Dungeon fühlt sich einzigartig an und führt ein neues Item ein, das später auch in der Oberwelt nützlich ist. Die Bosskämpfe sind episch inszeniert und erfordern oft den kreativen Einsatz der gerade erworbenen Gegenstände, was das Gefühl des Triumphs verstärkt.
Inventar und Kampfsystem: Vielfalt und Präzision
Das Inventar des Spiels ist eine Schatzkammer bekannter und neuer Gegenstände. Neben dem klassischen Bogen, den Bomben und dem Enterhaken finden sich auch innovative Werkzeuge wie der Sturmklinge (Spinner), die den Spieler über spezielle Schienen sausen lässt, oder der Kugelketten-Hammer, ein massives, zerstörerisches Werkzeug. Das Kampfsystem ist präzise und befriedigend, insbesondere durch die „Verborgenen Künste”, spezielle Schwerttechniken, die Link im Laufe des Spiels erlernt. Diese Techniken verleihen den Kämpfen eine zusätzliche Tiefe und ermöglichen spektakuläre Finisher gegen die oft beeindruckend gestalteten Gegner.
Die Wahl zwischen der Wii- und GameCube-Version, und später der HD-Version, beeinflusste das Kampfgefühl erheblich. Die Wii-Version nutzte die Bewegungssteuerung für Schwertschläge, was für einige immersiv war, für andere jedoch weniger präzise als die traditionelle Knopfsteuerung der GameCube-Version. Die HD-Neuauflage für die Wii U bot glücklicherweise eine verbesserte Controller-Auswahl.
Die offene Welt: Hyrule als Spielplatz
Die Oberwelt von Hyrule ist groß und weitläufig, verbunden durch die ausgedehnten Hyrule-Felder. Diese sind zwar nicht so dicht besiedelt wie in späteren Zelda-Spielen, bieten aber dennoch eine beeindruckende Kulisse und genügend Geheimnisse, um die Erkundungslust zu wecken. Die verschiedenen Regionen – vom waldreichen Ordon über das staubige Kakariko bis zum eisigen Zora-Fluss – sind visuell ansprechend und erzählen ihre eigenen kleinen Geschichten. Das Reiten auf Epona über die weiten Felder, begleitet von der epischen Orchestermusik, vermittelt ein starkes Gefühl von Abenteuer und Freiheit.
Musik und Atmosphäre: Ein Triumph der Immersion
Der Soundtrack von Twilight Princess ist ein Meisterwerk und trägt maßgeblich zur düsteren, aber hoffnungsvollen Atmosphäre bei. Die Kompositionen reichen von melancholischen Streicherklängen, die die Verzweiflung Hyrules einfangen, über majestätische Orchesterstücke, die Links Heldentaten untermalen, bis hin zu den bedrohlichen und unheimlichen Klängen des Zwielichts. Die Musik verstärkt die Emotionen der Geschichte, macht die Bosskämpfe noch dramatischer und verleiht der gesamten Reise eine filmische Qualität. Man spürt förmlich die Last, die auf Links Schultern liegt, aber auch die unerschütterliche Hoffnung, die er verkörpert.
Kritikpunkte und Schwächen: Die Schattenseiten des Zwielichts
Trotz all seiner Stärken ist Twilight Princess nicht perfekt. Einer der häufigsten Kritikpunkte ist das Pacing des Spiels, insbesondere in den frühen Stunden. Das Sammeln der „Tränen des Lichts” in den ersten drei Regionen, bei dem Link jedes Mal gezwungen ist, im Wolf-Modus zu agieren, kann sich repetitiv und langwierig anfühlen. Es dient zwar dazu, die Mechaniken zu etablieren und die Bedrohung des Zwielichts zu verdeutlichen, bremst aber den Spielfluss erheblich.
Ein weiterer Punkt ist die Leere der Hyrule-Felder. Obwohl sie imposant sind, fehlt es ihnen manchmal an interessanten Interaktionsmöglichkeiten oder Geheimnissen abseits der Hauptwege, was spätere Zelda-Titel besser meistern sollten. Auch die Rolle der Prinzessin Zelda ist, trotz ihrer entscheidenden Bedeutung für die Geschichte, oft passiv; sie dient eher als moralischer Kompass und Symbol der Hoffnung als eine aktive Heldin.
Die bereits erwähnte Wii-Steuerung war ebenfalls ein zweischneidiges Schwert. Während die Gestensteuerung für den Bogen und das Katapult intuitiv war, empfanden viele die Schwertkampf-Bewegungen als unpräzise und ermüdend, insbesondere im Vergleich zur präzisen Knopfsteuerung der GameCube- und später der HD-Version.
Das Vermächtnis und die Neubewertung: Ein düsterer Klassiker
Fast zwei Jahrzehnte später hält sich Zelda: Twilight Princess immer noch als ein bedeutender Eintrag in der Reihe. Es ist ein Spiel, das seine Versprechen an eine reifere und düstere Erzählung erfüllt. Die HD-Neuauflage von 2016 verbesserte die Grafik, optimierte einige Gameplay-Elemente (z.B. das Sammeln der Tränen des Lichts wurde etwas gestrafft) und bot eine angenehmere Steuerung, was vielen die Möglichkeit gab, das Spiel neu oder erstmals zu erleben.
Es mag nicht die radikale Freiheit von Breath of the Wild oder den revolutionären Einfluss von Ocarina of Time haben, aber Twilight Princess steht für ein meisterhaft ausgeführtes, traditionelles Action-Adventure, das die Tugenden der Serie – exzellente Dungeon-Designs, unvergessliche Charaktere, eine packende Geschichte und eine immersive Welt – auf ein hohes Niveau hebt. Es ist ein Spiel, das oft im Schatten seiner Vorgänger oder Nachfolger steht, aber dennoch eine enorme emotionale Tiefe und ein herausragendes Spielerlebnis bietet.
Fazit: Wie gut ist Zelda: Twilight Princess wirklich?
The Legend of Zelda: Twilight Princess ist mehr als nur „gut” – es ist ein herausragender Klassiker und ein triumphaler Höhepunkt der traditionellen Zelda-Formel. Seine düstere Ästhetik, die emotionale Geschichte mit Midna als unbestreitbarem Star, die genial gestalteten Dungeons und das befriedigende Gameplay machen es zu einem unvergesslichen Erlebnis. Ja, es hat seine kleinen Makel, vor allem im Pacing des Anfangs, aber diese verblassen im Angesicht seiner überwältigenden Stärken.
Für Fans, die eine tiefgründige Geschichte, clevere Rätsel und epische Kämpfe in einer atmosphärisch dichten Welt suchen, ist Twilight Princess ein absolutes Muss. Es ist ein Beweis dafür, dass auch in dunklen Zeiten die Hoffnung und der Mut eines jungen Helden Hyrule retten können. Ein Spiel, das man nicht nur spielt, sondern lebt und fühlt. Ein wahrhaftiger Zelda-Klassiker, der seinen Platz in der Hall of Fame redlich verdient hat.