Erinnern Sie sich an die Zeit, als Sony mit einem ehrgeizigen Handheld das Gaming neu definieren wollte? Die Rede ist natürlich von der PS Vita, einem Gerät, das bei seinem Debüt Ende 2011 (in Japan) und Anfang 2012 (im Westen) mit beeindruckender Hardware und großen Ambitionen an den Start ging. Doch trotz ihres Potenzials konnte sie nie den durchschlagenden Erfolg des Nintendo 3DS oder später der Nintendo Switch erreichen. Heute, viele Jahre nach ihrem Produktionsstopp, stellt sich die Frage: Ist die PS Vita nur ein verstaubtes Relikt aus vergangenen Tagen, oder verbirgt sich unter ihrer Oberfläche noch ein wahrer, vergessener Schatz für Enthusiasten? Wir tauchen tief ein, um zu analysieren, ob sich eine Anschaffung im Jahr 2024 noch wirklich lohnt.
Der Traum vom Next-Gen-Handheld: Eine Reise in die Vergangenheit
Als die PS Vita auf den Markt kam, war sie ein technisches Wunderwerk. Mit einem brillanten 5-Zoll-OLED-Display (im ursprünglichen Modell PCH-1000), zwei präzisen Analogsticks, einem Touchscreen vorne und einem Touchpad hinten, sowie Bewegungssensoren und Kameras, sollte sie ein mobiles Spielerlebnis bieten, das dem der großen Konsolen in nichts nachstand. Titel wie „Uncharted: Golden Abyss“ oder „Gravity Rush“ zeigten eindrucksvoll, wozu die Hardware fähig war.
Doch trotz der anfänglichen Begeisterung und der beeindruckenden Technik litt die Vita unter mehreren Problemen: Ein hoher Preis, aggressive Konkurrenz durch den 3DS, ein Mangel an durchgängigen Marketingkampagnen und vor allem die notorisch teuren und proprietären Speicherkarten bremsten ihren Erfolg. Die Erwartungen, ein „PlayStation 3 in der Hosentasche” zu sein, wurden von der Realität eingeholt, und so verschwand sie langsam aber sicher aus dem Rampenlicht.
Die strahlenden Facetten: Was die PS Vita auch heute noch besonders macht
Überraschenderweise hat die PS Vita auch Jahre nach ihrem „offiziellen“ Ende einige starke Argumente, die für sie sprechen:
Das Hardware-Erlebnis: Design, Display und Ergonomie
Die Vita ist ein haptisches Vergnügen. Sie liegt erstaunlich gut in der Hand, und die Anordnung der Tasten und Sticks ist intuitiv. Besonders das OLED-Display des ursprünglichen Modells (PCH-1000) ist auch heute noch eine Augenweide. Es bietet tiefe Schwarztöne, lebendige Farben und hervorragende Kontraste, die viele Spiele einfach fantastisch aussehen lassen. Auch wenn die spätere PCH-2000 (Slim) Version auf ein gutes LCD-Display setzte, ist das OLED für viele das Highlight. Die Dual-Analogsticks waren und sind ein entscheidender Vorteil gegenüber vielen anderen Handhelds ihrer Zeit und ermöglichen ein Konsolengefühl, das man sonst kaum mobil bekam.
Die Spielebibliothek: Ein unentdecktes Universum?
Obwohl die Vita oft als „Spiele-Mangelware“ verkannt wurde, beherbergt sie eine beeindruckende Bibliothek an Titeln, von denen viele exklusiv oder in ihrer besten Handheld-Version nur hier zu finden sind. Klassiker wie Persona 4 Golden, das als eines der besten JRPGs aller Zeiten gilt, oder das einzigartige „Gravity Rush“ sind Meilensteine. „Killzone: Mercenary“ zeigte, wie ein Shooter auf einem Handheld funktionieren kann, und „Tearaway“ war ein kreatives Meisterwerk, das alle Vita-Funktionen nutzte. Darüber hinaus wurde die Vita zum Mekka für Indie-Spiele, mit Perlen wie „Hotline Miami“, „Spelunky“, „Shovel Knight“ und „Guacamelee!“, die perfekt auf das Format zugeschnitten waren.
Ein weiterer großer Pluspunkt ist die Abwärtskompatibilität. Die Vita kann viele PSP-Spiele und eine riesige Auswahl an PSOne Classics aus dem PlayStation Store emulieren. Dies erweitert die bereits umfangreiche Bibliothek um Hunderte weiterer Titel.
Das verborgene Potenzial: Homebrew und Modding
Hier liegt der größte Trumpf der PS Vita in der heutigen Zeit. Die Möglichkeit, die Konsole mit einer Custom Firmware (CFW) zu modifizieren, verwandelt sie von einem guten Handheld in eine wahre Powerhouse-Maschine für Retro-Gaming und weit darüber hinaus. Mit Homebrew und CFW können Sie:
- Die berüchtigten proprietären Memory Cards durch günstige microSD-Karten via SD2Vita-Adapter ersetzen. Dies spart nicht nur enorme Kosten, sondern löst auch das Speicherplatzproblem ein für alle Mal.
- Emulatoren für eine schier endlose Liste von Konsolen installieren, darunter SNES, Game Boy Advance, N64, Sega Dreamcast (mit Einschränkungen), und viele mehr. Die Vita wird so zur ultimativen Retro-Maschine.
- Fan-Portierungen von PC-Klassikern wie GTA III, Vice City, San Andreas, Doom, Quake und vielen anderen spielen, die speziell für die Vita optimiert wurden.
- Zugriff auf inoffizielle Patches und Übersetzungen für Spiele erhalten.
- Backups Ihrer eigenen Spiele einfach verwalten.
Diese Modifikationen entfesseln das wahre Potenzial der Hardware und machen die Vita zu einem unvergleichlichen Alleskönner für Tüftler und Liebhaber.
Die Schattenseiten: Wo die PS Vita heute an ihre Grenzen stößt
Trotz all dieser positiven Aspekte gibt es natürlich auch Gründe, die gegen eine Anschaffung sprechen:
Offizieller Support und der PlayStation Store
Offizieller Support ist längst eingestellt. Es gibt keine neuen Spiele, keine System-Updates (außer seltenen Sicherheitspatches) und keinen Kundenservice für Hard- oder Softwareprobleme. Während der PlayStation Store auf der Vita selbst noch voll funktionsfähig ist und Käufe sowie Downloads ermöglicht (im Gegensatz zu früheren Gerüchten über eine komplette Schließung), wurde der Zugang zum Vita-Store über den Webbrowser und die PS3 eingestellt. Die Auswahl ist fixiert, und man ist auf die vorhandenen digitalen Angebote angewiesen.
Die proprietären Speicherkarten
Ohne Modding sind die Memory Cards der Vita ein Albtraum. Sie sind extrem teuer auf dem Gebrauchtmarkt, schwer zu finden und bieten im Verhältnis zu ihrem Preis wenig Speicherplatz. Dies war einer der Hauptgründe für den Misserfolg der Konsole und bleibt ohne den SD2Vita-Hack ein erhebliches Hindernis.
Die Konkurrenz ist gnadenlos
Die Landschaft der Handhelds hat sich dramatisch verändert. Die Nintendo Switch bietet ein riesiges, aktuelles Ökosystem und eine beeindruckende Spielebibliothek. Geräte wie das Steam Deck oder der ASUS ROG Ally bringen PC-Gaming unterwegs auf ein völlig neues Niveau. Selbst moderne Smartphones bieten heutzutage oft beeindruckende Grafikleistung und eine Fülle von Spielen. Die Vita kann in Sachen Leistung oder aktueller Unterstützung nicht mithalten.
Akkulaufzeit und Online-Funktionen
Die Akkulaufzeit der Vita (ca. 4-6 Stunden) war damals gut, ist heute aber eher durchschnittlich. Viele Online-Multiplayer-Dienste für Vita-Spiele sind inzwischen abgeschaltet oder ihre Communitys sind stark geschrumpft. Für Online-Gaming ist die Vita kaum noch relevant.
Für wen lohnt sich die PS Vita heute noch? Die Zielgruppen-Analyse
Die PS Vita ist definitiv kein Gerät für jedermann im Jahr 2024. Aber für bestimmte Nischen kann sie ein unschätzbarer Wert sein:
- Der Sammler und Retro-Enthusiast: Wer die Geschichte des Gamings schätzt und einzigartige Titel wie Persona 4 Golden in ihrer ursprünglichen Form erleben möchte, wird die Vita lieben.
- Der Modder und Tüftler: Dies ist die größte und am besten bediente Zielgruppe. Wer bereit ist, sich mit Custom Firmware und Homebrew auseinanderzusetzen, wird mit einem unglaublich vielseitigen Gerät belohnt, das Emulation, PC-Portierungen und eine riesige Spielebibliothek ermöglicht, alles in einem komfortablen Formfaktor.
- Der Indie-Liebhaber: Wenn Sie die Indie-Spiele der frühen 2010er Jahre verpasst haben oder diese in einem dedizierten Handheld-Format erleben möchten, bietet die Vita eine fantastische Auswahl.
- Budget-bewusste Spieler: Nach der einmaligen Investition in die Konsole und einen SD2Vita-Adapter sind viele Vita-Spiele (oft digital) sehr günstig erhältlich.
Fazit: Vergessener Schatz oder doch nur vergessen?
Die Frage, ob sich eine PS Vita heute noch lohnt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Ohne Modding ist sie ein interessantes Stück Gaming-Geschichte mit einigen exzellenten Titeln, deren Wert jedoch durch die hohen Kosten der Memory Cards und den fehlenden offiziellen Support geschmälert wird. Sie ist dann eher ein „vergessenes” Gerät, das nur für eingefleischte Sammler oder Nostalgiker von Bedeutung ist.
Doch mit Modding entfaltet die Vita ihr volles, ungenutztes Potenzial. Sie wird zu einem „vergessenen Schatz“, der durch die Freiheit der Custom Firmware und die Möglichkeit, Emulatoren und PC-Portierungen zu nutzen, eine unvergleichliche Vielseitigkeit bietet. Plötzlich ist sie nicht nur eine PSP- und PSOne-Abspielstation, sondern ein Retro-Gaming-Paradies für SNES, GBA, N64 und vieles mehr, verpackt in einem wunderschönen Handheld mit hervorragender Ergonomie.
Die PS Vita ist heute kein Mainstream-Gerät mehr. Aber für die richtige Person – den Experimentierfreudigen, den Retro-Fan, den Indie-Liebhaber, der bereit ist, ein wenig Zeit und Mühe in die Modifikation zu investieren – kann sie ein überraschend lohnendes und zutiefst befriedigendes Spielerlebnis bieten. Sie mag nicht mehr strahlen wie die neuesten Konsolen, aber in ihrer Nische leuchtet sie immer noch hell und ist für viele ein absoluter Geheimtipp.