Die Welt von Tsushima, wie sie uns in Sucker Punchs Meisterwerk Ghost of Tsushima präsentiert wurde, war atemberaubend. Eine fesselnde Einzelspieler-Kampagne, die uns in die Rolle von Jin Sakai versetzte, um seine Heimat vor den mongolischen Invasoren zu verteidigen, begeisterte Millionen. Doch als die Credits liefen und die meisten Spieler dachten, sie hätten alles erlebt, überraschte Sucker Punch mit einem kostenlosen Update, das eine völlig neue Dimension eröffnete: Ghost of Tsushima: Legends. Dieser Multiplayer-Modus war keine bloße Beigabe, sondern ein eigenständiges Erlebnis, das die mystische Seite der japanischen Folklore erkundete. Aber wie gut ist dieser überraschende Koop-Ableger wirklich? Tauchen wir ein und finden es heraus.
### Was ist Ghost of Tsushima: Legends?
Anders als die historische Erzählung des Hauptspiels, entführt uns Legends in eine Welt voller Mythologie und übernatürlicher Bedrohungen. Spieler schlüpfen nicht in die Rolle von Jin, sondern in die von vier legendären Kriegern, die gegen dämonische Wesen und Geister aus der japanischen Mythologie kämpfen. Es ist ein reines Koop-Erlebnis, das von Grund auf für Teamwork und strategische Zusammenarbeit konzipiert wurde. Sucker Punch schaffte es, die Essenz des einzigartigen Kampfgefühls des Hauptspiels beizubehalten und es gleichzeitig durch mächtige Fähigkeiten, einzigartige Klassen und eine tiefere Fokus auf die Gruppendynamik zu erweitern.
### Die Legenden-Klassen: Ein Team auf vier Säulen
Das Herzstück von Legends sind die vier einzigartigen Charakterklassen, die jeweils eine entscheidende Rolle im Team spielen:
1. Der Samurai: Als Tank und Nahkampfexperte ist der Samurai die erste Wahl für Spieler, die gerne an vorderster Front stehen. Mit seiner Fähigkeit, Schaden einzustecken und gleichzeitig großen Flächenschaden zu verursachen, ist er unverzichtbar, um Horden von Feinden zu kontrollieren. Seine ultimative Fähigkeit, der Hachiman-Sturm, lässt ihn mehrere schnelle Hiebe auf Gegner in seiner Nähe ausführen, was ihn zu einem wahren Wirbelwind der Zerstörung macht. Er ist die Mauer, an der feindliche Angriffe zerschellen.
2. Der Jäger: Die Fernkampfklasse, die präzise und tödliche Pfeile auf ihre Feinde schießt. Der Jäger kann Gegnergruppen schwächen und mit gezielten Schüssen wichtige Ziele ausschalten, bevor sie überhaupt in Reichweite gelangen. Ihre ultimative Fähigkeit, das Auge des Uchitsune, erlaubt es ihnen, bis zu drei Pfeile gleichzeitig abzufeuern, die mehrere Feinde treffen oder einen einzelnen Feind verheerend schädigen können. Ein gut platzierter Jäger kann das Blatt einer jeden Schlacht wenden.
3. Der Ronin: Der Support-Charakter des Teams, der seine Verbündeten heilt und wiederbeleben kann. Der Ronin ist nicht nur ein Heiler, sondern auch ein effektiver Gegner im Nahkampf und kann mit Geisterhunden an seiner Seite Feinde ablenken. Seine ultimative Fähigkeit ruft einen mächtigen Geist-Hund herbei oder entfesselt eine Heilwelle, die alle Verbündeten in der Nähe wiederbelebt und heilt. Er ist der Klebstoff, der das Team zusammenhält und den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen kann.
4. Der Assassine: Wie der Name schon sagt, ist der Assassine der Meister der Infiltration und des tödlichen Überraschungsangriffs. Er kann sich tarnen, um Feinde lautlos auszuschalten, und mit kritischen Treffern massiven Schaden verursachen. Seine ultimative Fähigkeit, der Verfluchte Schlag, lässt ihn zu mehreren Feinden springen und sie sofort eliminieren oder schwer verletzen. Er ist der Schatten, der aus dem Nichts zuschlägt und die gefährlichsten Bedrohungen eliminiert.
Die Synergien zwischen diesen Klassen sind der Schlüssel zum Erfolg. Ein klug zusammengestelltes Team, das die Stärken jeder Klasse nutzt, wird auch die schwierigsten Herausforderungen meistern können.
### Die Spielmodi: Vielfalt im Koop-Erlebnis
Legends bietet eine beeindruckende Vielfalt an Spielmodi, die alle unterschiedliche Facetten des Koop-Gameplays beleuchten:
1. Story-Missionen: Diese für zwei Spieler konzipierten Missionen sind die perfekte Einführung in die Welt von Legends. Sie erzählen kleine, in sich geschlossene Geschichten, die von japanischer Mythologie inspiriert sind, und dienen dazu, die Kernmechaniken zu erlernen und die Ausrüstung zu verbessern. Sie sind ideal, um sich mit einem Freund oder einem zufälligen Partner aufzuwärmen und tiefer in die dunklere Ästhetik des Spiels einzutauchen. Mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden bieten sie eine angenehme Lernkurve und steigende Herausforderungen.
2. Überlebensmissionen (Survival): Hier wird es ernst. Vier Spieler verteidigen strategische Punkte gegen immer stärker werdende Wellen von dämonischen Feinden. Diese Horde-Modi erfordern nicht nur Kampfgeschick, sondern auch taktisches Verständnis und hervorragende Koordination. Wo positioniert man sich? Wann nutzt man seine ultimativen Fähigkeiten? Welche Gegner haben Priorität? Jede Überlebensmission ist ein Test für die Teamfähigkeit und Ausdauer der Gruppe, und die Modifikatoren, die jede Woche wechseln, halten die Erfahrung frisch und unvorhersehbar.
3. Rivalen-Modus (Rivals): Mit dem „Director’s Cut” kam dieser PvPvE-Modus hinzu, der eine frische, kompetitive Note ins Spiel brachte. Zwei Teams à zwei Spieler treten gegeneinander an, um so viele Feinde wie möglich zu besiegen und gleichzeitig das gegnerische Team zu sabotieren. Das Besiegen von Feinden sammelt Magatama, die genutzt werden können, um dem anderen Team Flüche aufzuerlegen (z.B. deren Gesundheit zu entziehen oder ihre Fähigkeiten zu blockieren). Das erste Team, das genug Magatama sammelt, um Oni zu beschwören und diese zu besiegen, gewinnt. Der Rivalen-Modus ist ein chaotischer, aber unglaublich spaßiger Balanceakt zwischen Kampf, Taktik und Sabotage.
4. Der Iyo-Raid: Das ultimative Endgame-Erlebnis und der Höhepunkt von Legends. Dieser dreiteilige Raid für vier Spieler ist eine brutale, gnadenlose Herausforderung, die keine Matchmaking-Option bietet – man muss sich ein Team aus vertrauten Spielern zusammenstellen. Er kombiniert anspruchsvolle Kämpfe mit komplexen Umgebungsrätseln und erfordert perfekte Abstimmung, Kommunikation und Kenntnis der eigenen Klasse. Der Iyo-Raid ist nichts für schwache Nerven, aber der Triumph, ihn zu meistern, gehört zu den befriedigendsten Erlebnissen, die Ghost of Tsushima: Legends zu bieten hat. Er ist ein wahres Meisterstück im Koop-Design, das Spieler an ihre Grenzen bringt.
### Das Kampfsystem und die Progression
Das Kampfsystem von Legends basiert auf dem hervorragenden Fundament des Hauptspiels, erweitert es aber um Elemente, die dem Koop-Gedanken Rechnung tragen. Während Jin oft ein Ein-Mann-Armee war, geht es in Legends darum, die Angriffe zu koordinieren, Gegner mit Statuseffekten zu belegen und die Fähigkeiten der Klassen effektiv einzusetzen. Der Kampf ist flüssig, brutal und erfordert präzises Timing und oft schnelles Umschalten zwischen Zielen.
Die Progression erfolgt über ein lootbasiertes System. Besiegte Feinde und abgeschlossene Missionen belohnen die Spieler mit neuer Ausrüstung (Waffen, Talismane, Geisterwaffen) mit steigendem Ki-Level. Jedes Ausrüstungsteil kann mit verschiedenen Vorteilen (Perks) und Attributen versehen sein, die sich auf den Spielstil auswirken. Spieler können ihre Ausrüstung bei einem Geisterschmied umrollen, um perfekte Builds zu erstellen, die auf ihre bevorzugte Spielweise zugeschnitten sind. Dies fördert eine enorme Wiederholbarkeit und die Freude am Experimentieren mit verschiedenen Builds und Strategien. Das Sammeln legendärer Gegenstände mit einzigartigen Eigenschaften ist eine weitere Motivation, immer wieder in die Schlacht zu ziehen.
### Ästhetik und Atmosphäre
Obwohl Legends in eine mythologische Welt entführt, bleibt der unverwechselbare künstlerische Stil von Ghost of Tsushima erhalten. Die Umgebungen sind wunderschön und atmosphärisch, oft dunkler und unheimlicher als im Hauptspiel, passend zur übernatürlichen Thematik. Dämonische Feinde und Geister sind fantastisch gestaltet und fügen sich nahtlos in die Ästhetik ein. Die stimmungsvolle Musik trägt ebenfalls dazu bei, eine packende Atmosphäre zu schaffen, die Spieler tief in das Geschehen zieht. Es ist ein visuelles und akustisches Fest, das die hervorragende Arbeit von Sucker Punch unterstreicht.
### Warum Legends wirklich glänzt
1. Kostenloses Update: Eines der beeindruckendsten Dinge an Legends war, dass es ein kostenloses Update für alle Besitzer von Ghost of Tsushima war. Dies ist ein seltenes Geschenk in der heutigen Gaming-Landschaft und zeigt die Wertschätzung von Sucker Punch für seine Spielerbasis.
2. Tiefe des Koop-Gameplays: Legends ist kein „aufgezwungener” Multiplayer. Es ist von Grund auf als Koop-Erlebnis konzipiert und glänzt durch seine Teamwork-Mechaniken. Die Notwendigkeit, zusammenzuarbeiten, sich gegenseitig zu unterstützen und strategisch vorzugehen, ist allgegenwärtig.
3. Abwechslungsreiche Modi: Mit Story, Survival, Rivals und dem Raid bietet Legends für jeden Koop-Geschmack etwas. Die Mischung aus entspannteren Missionen, herausfordernden Horde-Modi und dem ultimativen Endgame sorgt für langanhaltende Motivation.
4. Exzellentes Kampfsystem: Das flüssige und befriedigende Kampfsystem des Hauptspiels wird perfekt auf den Multiplayer übertragen und durch Klassen-Fähigkeiten und Statuseffekte erweitert.
5. Umfassende Progression: Das Ausrüstungs- und Perksystem motiviert zum Experimentieren und Verbessern. Der Drang nach dem perfekten Build oder der nächsten legendären Waffe ist ein starker Anreiz zur Wiederholbarkeit.
6. Starke Community: Trotz seines Alters hat Legends immer noch eine aktive und engagierte Spielerbasis, was die Langlebigkeit des Titels unterstreicht.
### Kritikpunkte (und wie sie gehandhabt wurden)
Anfänglich gab es kleinere Balance-Probleme oder Schwierigkeiten bei der Suche nach Teammitgliedern für den Raid, da dieser kein Matchmaking hatte. Sucker Punch war jedoch bemerkenswert engagiert darin, Feedback aufzunehmen und das Spiel kontinuierlich zu verbessern. Patches sorgten für bessere Balance, und auch wenn der Raid Matchmaking vermissen lässt, wurde die Möglichkeit, Freunde einzuladen, stets vereinfacht. Die gelegentliche Repetitivität, die jedem lootbasierten Spiel innewohnt, wird durch wöchentliche Herausforderungen und neue Modifikatoren gut abgefedert.
### Fazit: Ein Multiplayer, der selbst Legenden schmiedet
Ghost of Tsushima war bereits ein Meisterwerk des Einzelspieler-Storytellings. Doch mit Legends hat Sucker Punch bewiesen, dass sie auch ein unglaublich tiefes und befriedigendes Multiplayer-Erlebnis schaffen können, das die Erwartungen bei Weitem übertroffen hat. Es ist weit mehr als nur eine nette Dreingabe; es ist ein eigenständiges, hervorragend umgesetztes Spiel, das die mystische Seite Tsushimas aufgreift und in ein packendes Koop-Abenteuer verwandelt.
Für Fans des Hauptspiels ist Legends ein absolutes Muss. Für Spieler, die nach einem anspruchsvollen, kooperativen Action-Erlebnis suchen, das auf japanischer Mythologie basiert, ist es eine absolute Empfehlung. Die Synergie der Klassen, die Vielfalt der Modi und das süchtig machende Fortschrittssystem sorgen dafür, dass Ghost of Tsushima: Legends auch Jahre nach seiner Veröffentlichung noch eine lohnende Erfahrung ist. Es ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie ein Entwickler ein scheinbar abgeschlossenes Erlebnis um einen Mehrspieler-Modus erweitern kann, der selbst Legenden schmiedet und dem Hauptspiel in puncto Qualität in nichts nachsteht. Wer sich bisher nur auf Jins Geschichte konzentriert hat, verpasst ein wahres Juwel der Koop-Gaming-Welt.