Als God of War (2018) vor nunmehr sechs Jahren für die PlayStation 4 erschien, schlug es ein wie ein Blitz. Es war nicht einfach nur ein weiteres Spiel in einer erfolgreichen Reihe; es war eine kühne Neuerfindung, eine Evolution, die die Grenzen des Mediums neu definierte. Aus dem wütenden, rachsüchtigen Geist, der die griechische Mythologie in Schutt und Asche legte, wurde ein alternder, nachdenklicher Vater, der in den nordischen Reichen versuchte, seine Vergangenheit zu begraben. Aber ist dieses Spiel wirklich ein Meisterwerk für die Ewigkeit? Hält es der kritischen Betrachtung Jahre später stand, oder bröckelt der Lack an manchen Stellen?
Ein Paradigmenwechsel: Von der Wut zur Reife
Die größte Überraschung von God of War (2018) war sein mutiger Bruch mit der Tradition. Die brutal-blutige Hack-and-Slay-Formel der Vorgänger wich einer tiefgründigeren, narrativ getriebenen Erfahrung. Anstatt eines unaufhaltsamen Zerstörers sahen wir einen Kratos, der mit seiner Vergangenheit und seiner neuen Rolle als Vater ringt. Diese Metamorphose war nicht nur für die Figur Kratos, sondern für die gesamte Serie revolutionär. Das Spiel wagte es, langsamer zu sein, nachdenklicher, emotional nuancierter, ohne dabei die für God of War typische epische Wucht zu verlieren. Es bewies, dass Charakterentwicklung und eine packende Geschichte Hand in Hand gehen können mit packendem Gameplay.
Dieser Paradigmenwechsel war riskant, zahlte sich aber voll aus. God of War (2018) wurde weltweit für seine Neuerungen gefeiert und räumte zahlreiche „Spiel des Jahres”-Auszeichnungen ab. Doch die eigentliche Bewährungsprobe kommt oft erst mit der Zeit: Wie gut halten sich Spiele, wenn der Hype abgeklungen ist und man sie mit frischen Augen betrachtet? Im Falle von God of War (2018) lässt sich sagen, dass es sich auch heute noch wie ein modernes, wegweisendes Werk anfühlt, dessen Qualitäten über die Jahre nicht verblasst sind.
Die unvergessliche Geschichte: Eine Reise ins Vaterherz
Der Kern von God of War (2018) ist die Beziehung zwischen Kratos und Atreus. Nach dem Tod von Atreus’ Mutter, Faye, begeben sich Vater und Sohn auf eine beschwerliche Reise, um ihre Asche auf dem höchsten Gipfel der neun Reiche zu verstreuen. Was als einfache Pilgerfahrt beginnt, entwickelt sich schnell zu einer tiefgreifenden Odyssee der Selbstfindung und des gegenseitigen Verständnisses. Kratos, geplagt von seiner mörderischen Vergangenheit und unfähig, Zuneigung zu zeigen, ringt mit der Erziehung seines Sohnes. Atreus wiederum sehnt sich nach der Anerkennung seines Vaters und kämpft mit seinen eigenen, noch unentdeckten Kräften.
Die Charakterentwicklung beider Figuren ist meisterhaft inszeniert. Kratos’ schweigsame Art und seine unbeholfenen Versuche, eine Verbindung zu Atreus herzustellen, sind herzzerreißend und authentisch. Atreus’ anfängliche Naivität weicht einer wachsenden Reife und der Erkenntnis, dass auch sein Vater ein Mensch mit Fehlern und Schmerz ist. Ihre Dialoge, oft spärlich, aber immer bedeutungsvoll, sind ein Highlight des Spiels. Man spürt die Distanz, die zwischen ihnen liegt, aber auch die unzerstörbare Bindung, die sie trotz allem verbindet. Die Erzählung ist ein Paradebeispiel dafür, wie man komplexe Emotionen und Beziehungen in einem Actionspiel glaubwürdig darstellen kann.
Neben dem Vater-Sohn-Gespann brillieren auch die Nebencharaktere: Der gesprächige Mimir, das „lebende Wissen”, dient nicht nur als Expositionsträger, sondern auch als humoristisches Element und moralischer Kompass. Die Zwerge Brok und Sindri, die sich ständig streiten, aber Kratos’ Ausrüstung aufwerten, sind liebenswert und tragen zur Weltbildung bei. Freya, die geheimnisvolle Hexe, verbirgt ihre eigene tragische Geschichte und spielt eine entscheidende Rolle im Verlauf der Ereignisse. Jede Figur ist sorgfältig ausgearbeitet und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Die thematischen Tiefen des Spiels reichen von Trauer und Verlust über die Last der Vergangenheit bis hin zur Möglichkeit der Erlösung. Es geht darum, ob man den Zyklus der Gewalt durchbrechen kann und ob man wirklich ein neues Leben beginnen kann, wenn die alten Schatten einen verfolgen. Diese universellen Themen sind zeitlos und machen die Geschichte auch Jahre später noch relevant und emotional packend.
Fesselndes Gameplay: Schwer, taktisch, befriedigend
Das Gameplay von God of War (2018) ist eine weitere Säule seines Erfolgs. Das Kampfsystem wurde komplett überarbeitet. Statt des schnellen, luftigen Button-Mashing der Vorgänger gibt es nun eine gewichtige, taktische Nahkampf-Erfahrung aus der Third-Person-Perspektive über die Schulter. Kratos’ primäre Waffe, die Leviathan-Axt, ist ein Meisterwerk des Game-Designs. Sie ist nicht nur ein brutales Werkzeug, sondern auch ein Puzzle-Element und eine Distanzwaffe, die mit einem Druck auf die Dreieck-Taste elegant zurückkehrt. Das Geräusch des Aufpralls und die befriedigende Rückkehr der Axt sind auch heute noch ein Genuss.
Die Kämpfe erfordern Präzision, Ausweichmanöver, Parieren und das strategische Einsetzen von Runenangriffen. Atreus ist dabei kein bloßer Begleiter, sondern ein aktiver Teil des Kampfsystems. Mit seinen Pfeilen kann er Gegner ablenken, betäuben oder elementaren Schaden zufügen, was die Kämpfe dynamischer und vielschichtiger macht. Die Synergie zwischen Vater und Sohn ist auch hier spürbar, und die Möglichkeit, Atreus mit einem Knopfdruck Befehle zu erteilen, funktioniert intuitiv und flüssig.
Die Welt von Midgard und den anderen nordischen Reichen ist semi-offen gestaltet und lädt zum Erkunden ein. Es gibt zahlreiche Geheimnisse, optionale Bosskämpfe (die Walküren sind legendär!) und kleinere Rätsel, die oft die Umgebung oder die Fähigkeiten von Kratos und Atreus nutzen. Das Leveldesign ist geschickt miteinander verwoben, mit versteckten Pfaden und Abkürzungen, die sich im Laufe des Spiels erschließen. Es ist eine Welt, die sich lebendig anfühlt und voller Legenden und Details steckt. Die Liebe zum Detail in der Architektur, den Umgebungen und den Bestien ist bemerkenswert.
Die RPG-Elemente, wie die Verbesserung von Rüstungen und Waffen oder das Freischalten neuer Fähigkeiten im Skill-Tree, fügen eine zusätzliche Ebene der Tiefe hinzu. Sie motivieren zum Sammeln von Ressourcen und zum Ausprobieren verschiedener Spielstile. Auch wenn sie nicht so tiefgreifend sind wie in reinen RPGs, so sind sie doch ausreichend, um dem Spieler ein Gefühl des Fortschritts und der Anpassung zu vermitteln. Jahre später erweist sich dieses System als robust und macht auch erneute Durchgänge interessant, da man verschiedene Builds ausprobieren kann.
Visuelle und auditive Brillanz: Eine zeitlose Ästhetik
Technisch war God of War (2018) bei seiner Veröffentlichung ein absolutes Referenzspiel für die PlayStation 4. Und auch heute, Jahre später, hält die Grafik mühelos stand. Die Umgebungen sind atemberaubend detailliert, von den eisigen Gipfeln Midgards bis zu den glühenden Tiefen Muspelheims. Die Charaktermodelle sind unglaublich ausdrucksstark, besonders Kratos’ Gesicht, das eine erstaunliche Bandbreite an Emotionen ohne viele Worte vermittelt.
Ein besonderes Lob verdient die „One-Shot-Kamera„. Die gesamte Reise, von Anfang bis Ende, wird ohne einen einzigen sichtbaren Schnitt präsentiert. Dies schafft eine unvergleichliche Immersion und das Gefühl, Teil einer einzigen, ununterbrochenen filmischen Erfahrung zu sein. Es war eine technische und kreative Meisterleistung, die das Storytelling maßgeblich beeinflusst hat und auch heute noch beeindruckt.
Die Soundkulisse und der Soundtrack sind ebenfalls herausragend. Die Stimme von Christopher Judge als Kratos ist ikonisch – tief, rau und voller Schmerz, aber auch von unerwarteter Zärtlichkeit. Sunny Suljic als Atreus liefert ebenfalls eine glaubwürdige Performance. Die Soundeffekte sind wuchtig und tragen zur Immersion bei, sei es das Knistern von Feuer, das Heulen von Wölfen oder das markerschütternde Geräusch von Kratos’ Axt, die in Feindesleibern einschlägt. Und der Soundtrack von Bear McCreary ist schlichtweg grandios. Die nordischen Klänge, die kraftvollen Chöre und die melancholischen Melodien untermalen perfekt die emotionale Tiefe und die epische Größe des Abenteuers. Auch nach Jahren ist das Hauptthema sofort wiedererkennbar und erzeugt Gänsehaut.
Kritische Betrachtung: Kleinere Schatten in der Ewigkeit
Kein Spiel ist perfekt, und auch God of War (2018) hat kleinere Schwächen, die im Rückblick vielleicht etwas deutlicher hervortreten, aber das Gesamtbild kaum trüben. Manch einer mag die Anzahl der Gegnertypen als etwas begrenzt empfinden, was zuweilen zu einer gewissen Repetitivität in den Kämpfen führen kann, insbesondere bei längeren Spielsitzungen. Auch die anfängliche Pacing-Kurve, die langsam beginnt, um die Charaktere und die Welt einzuführen, könnte für Spieler, die einen sofortigen Action-Einstieg erwarten, gewöhnungsbedürftig sein.
Manche der optionalen Aufgaben oder Sammelobjekte sind zwar unterhaltsam, aber nicht immer mit der gleichen narrativen Dichte versehen wie die Hauptgeschichte. Doch dies sind wirklich nur kleine Schönheitsfehler an einem ansonsten makellosen Erlebnis. Die Stärken des Spiels, seine innovative Erzählweise, das tiefe Charakterdrama und das befriedigende Kampfsystem, überstrahlen diese Punkte bei Weitem und lassen sie auch Jahre später kaum ins Gewicht fallen.
Fazit: Ein Meisterwerk, das Bestand hat
Ist God of War (2018) ein Meisterwerk für die Ewigkeit? Absolut. Auch Jahre nach seiner Veröffentlichung bleibt es ein beeindruckendes Beispiel für Storytelling, Gameplay-Design und technische Exzellenz in Videospielen. Es hat nicht nur die God of War-Serie neu definiert, sondern auch gezeigt, wie man etablierte Franchises mutig weiterentwickeln kann, ohne ihre Seele zu verlieren. Die emotionale Tiefe der Geschichte, die packenden Charaktere, das taktische Kampfsystem und die atemberaubende Präsentation bilden ein harmonisches Gesamtwerk, das immer noch fasziniert und berührt.
Es ist ein Spiel, das man immer wieder spielen kann, um neue Details in der Geschichte zu entdecken, seine Lieblingskämpfe erneut zu erleben oder einfach nur, um die Atmosphäre der nordischen Welt zu genießen. Die Erwartungen, die es an seinen Nachfolger God of War Ragnarök stellte, waren immens, und selbst Jahre nach dem Release blicken Spieler mit nostalgischer Bewunderung auf diesen Titel zurück. God of War (2018) ist nicht nur ein Höhepunkt der PlayStation-Ära, sondern ein zeitloses Kunstwerk, dessen Vermächtnis in der Gaming-Geschichte fest verankert ist und das auch zukünftige Generationen von Spielern inspirieren wird. Es ist mehr als nur ein Spiel; es ist eine epische Saga, die in Erinnerung bleibt.