Die Welt der Monsterfangspiele ist seit Jahrzehnten fest in den Händen eines Giganten: Pokémon. Milliarden von Spielen verkauft, eine riesige Fangemeinde, unzählige Ableger – der Name Game Freak und Nintendo ist untrennbar mit dem Sammeln, Trainieren und Kämpfen kleiner Kreaturen verbunden. Doch der Erfolg ruft auch Nachahmer und, viel wichtiger, Herausforderer auf den Plan. Immer wieder wagen sich mutige Entwickler daran, eine eigene Vision dieses beliebten Genres zu präsentieren, oft mit dem unausgesprochenen Ziel, dem Platzhirsch seinen Thron streitig zu machen oder zumindest eine ebenbürtige Alternative zu bieten. Einer dieser Herausforderer, der in den letzten Jahren immer wieder von sich reden gemacht hat, ist Nexomon. Insbesondere mit „Nexomon: Extinction” wagte das Entwicklerstudio VEWO Interactive den Sprung auf Konsolen und PC und stellte sich der großen Frage: Kann dieses Spiel wirklich eine ernstzunehmende Abwechslung für Pokémon-Fans sein? Wir haben uns tief in die Welt von Nexomon begeben und es auf Herz und Nieren geprüft, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Ist Nexomon mehr als nur ein netter Klon, oder findet es seinen eigenen, unverwechselbaren Platz im Herzen der Spieler? Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch Omnicron!
Was ist Nexomon überhaupt? Ein erster Überblick
Bevor wir ins Detail gehen, klären wir, was Nexomon im Kern ausmacht. Die Reihe begann ursprünglich auf Mobilgeräten und hat sich seitdem stetig weiterentwickelt. Mit „Nexomon: Extinction” – oft als der Höhepunkt der Serie angesehen – erhalten wir ein klassisches JRPG-Erlebnis, das sich stark an den bewährten Formeln des Genres orientiert. Hier geht es darum, eine Vielzahl von Kreaturen, genannt Nexomon, zu fangen, zu trainieren und in rundenbasierten Kämpfen einzusetzen. Die Geschichte führt uns durch eine postapokalyptische Welt, in der die Menschheit nach einem katastrophalen Krieg gegen die Titanen-Nexomon ums Überleben kämpft. Als junger Tamer (Trainer) müssen wir die Welt erkunden, unser Team aufbauen und das Gleichgewicht wiederherstellen. Das Spiel ist gespickt mit Anspielungen, Humor und einer überraschend ernsten Hintergrundgeschichte, die es von seinen oft kindlicheren Konkurrenten abhebt. Es ist ein Spiel, das seine Einflüsse nicht versteckt, aber gleichzeitig versucht, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln.
Die Welt von Nexomon: Eine Reise durch Omnicron
Die Welt von Nexomon: Extinction ist Omnicron – ein Kontinent, der nach den verheerenden Kriegen gezeichnet ist und dennoch voller Leben steckt. Die Grafik ist in einem charmanten 2D-Pixel-Art-Stil gehalten, der moderne Elemente mit nostalgischem Flair verbindet. Die Umgebungen sind abwechslungsreich gestaltet: von kargen Wüsten über dichte Wälder bis hin zu eisigen Tundren und belebten Städten. Jedes Gebiet hat seine eigenen einzigartigen Nexomon und Geheimnisse zu entdecken. Das Leveldesign ist größtenteils linear, bietet aber immer wieder kleine Abzweigungen und optionale Pfade, die zum Erkunden einladen. Versteckte Schätze, seltene Nexomon und optionale Trainer fordern die Entdeckungslust heraus. Im Gegensatz zu manch neueren Pokémon-Spielen setzt Nexomon: Extinction auf eine klassische Top-Down-Perspektive, die das Reisen durch die Welt angenehm und übersichtlich gestaltet. Die Städte sind lebendig, die NPCs haben oft humorvolle Dialoge oder geben nützliche Tipps. Auch wenn die Welt nicht die gleiche freie Erkundung wie ein Open-World-Spiel bietet, fühlt sie sich dennoch weitläufig und kohärent an, was dem Spieler eine glaubwürdige Kulisse für sein Abenteuer bietet. Die visuelle Gestaltung trägt maßgeblich zur Atmosphäre bei und erinnert angenehm an die goldenen Zeiten der 16-Bit-RPGs, während sie gleichzeitig modern genug wirkt, um nicht veraltet zu erscheinen.
Die Nexomon selbst: Design, Vielfalt und das Fangen
Das Herzstück eines jeden Monsterfangspiels sind natürlich die Monster selbst. Und hier liefert Nexomon eine beachtliche Leistung ab. Mit über 380 verschiedenen Nexomon – und mehr in Updates – bietet das Spiel eine reiche Auswahl an Kreaturen, die es zu entdecken gilt. Das Monsterdesign ist erfrischend eigenständig und fantasievoll. Während man bei einigen Designs vielleicht leichte Ähnlichkeiten zu Pokémon-Konzepten entdecken mag, haben die meisten Nexomon einen ganz eigenen Charme und sind oft detailreich und originell gestaltet. Von putzigen Anfangs-Nexomon über majestätische Flugwesen bis hin zu furchterregenden Titanen – die Palette ist breit gefächert.
Das Typensystem ist mit neun Elementen (Normal, Feuer, Wasser, Pflanze, Wind, Elektro, Psycho, Mineral, Geist) vertraut, bietet aber auch einige eigene Wendungen in den Stärken und Schwächen, die man lernen muss. Dies sorgt für strategische Tiefe im Kampf.
Das Fangen von Nexomon ist ebenfalls ein zentrales Element und unterscheidet sich in einigen wichtigen Punkten von seinem großen Vorbild. Anstatt mit einem Ball einfach zu werfen, wenn das Monster schwach ist, spielen hier Konditionierungsobjekte eine Rolle. Man schwächt das Nexomon, nutzt „Nexotraps” (die Nexomon-Version der Pokébälle) und kann zusätzlich Leckerlis oder Effekte einsetzen, um die Fangrate zu erhöhen. Der Schwierigkeitsgrad beim Fangen kann überraschend hoch sein, besonders bei seltenen oder legendären Exemplaren. Dies fügt eine zusätzliche Ebene der Herausforderung hinzu und macht das erfolgreiche Fangen eines begehrten Nexomon umso befriedigender. Manchmal fühlt es sich an wie ein kleines Minispiel, bei dem Timing und die richtige Kombination von Items entscheidend sind. Das System der „Sparkling” Nexomon (die Shiny-Varianten) ist ebenfalls präsent und sorgt für zusätzliche Motivation bei der Jagd. Die Entwicklung der Nexomon ist meist linear, oft in zwei oder drei Stufen, und fügt den Kreaturen oft neue Facetten hinzu, sowohl optisch als auch strategisch.
Das Kampfsystem: Strategie und Tiefe
Das Kampfsystem von Nexomon ist rundenbasiert und wird Veteranen des Genres sofort vertraut vorkommen. Es ist ein klassisches 1-gegen-1-System, bei dem die Spieler abwechselnd Angriffe, Fähigkeiten oder Items einsetzen. Doch der Teufel steckt im Detail. Jedes Nexomon verfügt über vier Fähigkeiten, die über ein Ausdauersystem (ähnlich den AP in Pokémon) verwaltet werden. Die Fähigkeiten haben unterschiedliche Elementtypen und Effekte, was taktische Überlegungen erfordert.
Ein wesentlicher Unterschied und gleichzeitig eine große Stärke von Nexomon ist der Schwierigkeitsgrad. Das Spiel ist merklich anspruchsvoller als die meisten modernen Pokémon-Titel. Trainer-Kämpfe sind oft herausfordernd und erfordern eine gute Teamzusammenstellung und den bewussten Einsatz von Typvorteilen. Es reicht nicht aus, nur ein überleveltes Nexomon zu besitzen; der Spieler muss strategisch vorgehen, Statusveränderungen nutzen und auch mal Heilitems einsetzen. Die Gegner sind nicht dumm und wechseln ihre Nexomon strategisch, um Typvorteile zu nutzen. Das permanente EP-Teilen gibt es hier nicht in der Form, wie man es aus neueren Pokémon-Spielen kennt, was bedeutet, dass man aktiv an der Entwicklung aller Teammitglieder arbeiten muss, wenn man nicht den Anschluss verlieren möchte. Dies fördert das Gefühl, ein echtes Team zu führen und sich jeder Herausforderung bewusst zu stellen. Für Spieler, denen Pokémon zu einfach geworden ist, bietet Nexomon hier eine willkommene Steigerung des Anspruches, was das Gameplay deutlich belebt und die Spieler motiviert, sich intensiver mit den Mechaniken auseinanderzusetzen.
Die Geschichte: Mehr als nur „Fang sie alle!”
Wo sich viele Monsterfangspiele auf das „Sammeln und Besiegen der Liga” konzentrieren, geht Nexomon einen Schritt weiter und bietet eine überraschend gut ausgearbeitete Geschichte. Wie bereits erwähnt, findet das Abenteuer in einer postapokalyptischen Welt statt, in der die Menschheit sich von einem Krieg mit den riesigen Titanen-Nexomon erholen muss. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Waisenkindes, das seine Karriere als Nexomon-Tamer beginnt und schnell in weitaus größere Konflikte verwickelt wird.
Die Erzählung ist mit viel Humor gewürzt, oft in Form von vierten-Wand-Durchbrüchen und cleveren Anspielungen auf das Genre oder sogar die Spieler selbst. Dies sorgt für viele Schmunzler und lockert die ansonsten ernstere Grundstimmung auf. Die Charaktere sind zwar nicht immer tiefgründig, aber sympathisch und haben oft interessante Hintergrundgeschichten. Der Hauptantagonist ist facettenreich und die Motivationen der verschiedenen Fraktionen sind nachvollziehbar. Die Geschichte hat Wendungen, die man nicht immer kommen sieht, und schafft es, den Spieler emotional zu packen. Sie ist nicht nur ein Rahmen für die Kämpfe, sondern ein integraler Bestandteil des Erlebnisses, der zum Weiterspielen motiviert und dem Spieler das Gefühl gibt, wirklich etwas Wichtiges zu tun. Für ein Spiel dieses Genres ist die Qualität der Geschichte bemerkenswert und hebt Nexomon erneut von einigen direkten Konkurrenten ab, die oft eher auf eine minimalistische Handlung setzen.
Technik & Präsentation: Eine Frage des Polishes
Die technische Seite von Nexomon: Extinction ist größtenteils solide. Der 2D-Pixel-Art-Stil läuft auf den meisten Plattformen flüssig und ohne nennenswerte Performance-Probleme. Die Animationen der Nexomon sind liebevoll gestaltet, sowohl in der Oberwelt als auch im Kampf, und tragen zum Charme des Spiels bei. Der Soundtrack ist eingängig und passend zu den verschiedenen Regionen und Situationen. Er ist vielleicht nicht so ikonisch wie manche Pokémon-Melodien, aber er erfüllt seinen Zweck und bleibt im Ohr. Die Soundeffekte sind ebenfalls gut gelungen und geben den Angriffen und Interaktionen eine angenehme akustische Untermalung.
Einige kleinere Makel gibt es allerdings. Gelegentlich kann es zu kleineren grafischen Glitches kommen, oder die Menüführung könnte an manchen Stellen intuitiver sein. Auch die Ladezeiten können manchmal etwas lang sein, besonders beim Wechsel zwischen größeren Gebieten oder beim Starten von Kämpfen. Diese sind jedoch meist zu vernachlässigen und trüben das Gesamterlebnis kaum. Was die UI/UX angeht, ist sie funktional, aber könnte an manchen Stellen noch etwas mehr Feinschliff vertragen, um den Navigationsfluss zu optimieren. Insgesamt ist die technische Umsetzung jedoch mehr als ausreichend für ein Indie-Spiel dieses Umfangs und beeinträchtigt das Spielvergnügen nicht wesentlich.
Nexomon vs. Pokémon: Der direkte Vergleich
Kommen wir zum Kern der Sache: Ist Nexomon eine gelungene Pokémon-Alternative? Die Antwort ist ein klares „Ja, aber…”.
Wo Nexomon glänzt:
- Schwierigkeitsgrad: Für Spieler, denen Pokémon zu einfach geworden ist, bietet Nexomon eine echte Herausforderung.
- Geschichte: Die tiefergehende, humorvolle und oft überraschende Handlung ist ein großer Pluspunkt.
- Monsterdesign: Viele Nexomon sind erfrischend originell und haben einen eigenen Charakter.
- Klassisches JRPG-Gefühl: Das Spiel bleibt den Wurzeln des Genres treu und verzichtet auf zu viele Modernisierungen, die nicht jedem gefallen.
- Fokus auf Gameplay: Weniger überflüssiger Schnickschnack, mehr Substanz bei Kampf und Fangmechaniken.
Wo Pokémon immer noch die Nase vorn hat:
- Budget und Polierung: Als AAA-Titel verfügt Pokémon über ein ungleich höheres Budget, was sich in der technischen Perfektion, den Animationen und der schieren Größe der Projekte widerspiegelt (obwohl die letzten Titel hier auch kritisiert wurden).
- Online-Funktionen: Tausch- und Kampfsysteme online sind bei Pokémon noch immer Standard und bieten Langzeitmotivation. Nexomon ist primär ein Singleplayer-Erlebnis.
- Legacy und Markenwert: Die jahrzehntelange Geschichte und die emotionale Bindung vieler Spieler an Pokémon sind unübertroffen.
- Innovation (manchmal): Während Pokémon oft für fehlende Innovation kritisiert wird, wagt es dennoch gelegentlich große Schritte (z.B. Open-World-Ansätze).
Nexomon positioniert sich nicht als direkter Konkurrent, der Pokémon vom Thron stoßen will, sondern als eine sehr gute Ergänzung oder eine Nische für diejenigen, die etwas Ähnliches, aber doch Eigenständiges suchen. Es ist ein Spiel für Spieler, die sich nach dem Gefühl der „goldenen Ära” der Monsterfang-RPGs sehnen, aber mit einem modernen Twist und einer Prise Humor.
Langzeitmotivation und Endgame
Nachdem die Hauptgeschichte abgeschlossen ist, bietet Nexomon: Extinction auch noch einiges an Endgame-Content, um Spieler bei der Stange zu halten. Es gibt legendäre Nexomon zu entdecken und zu fangen, optionale Gebiete, die erst nach dem Abschluss der Story zugänglich werden, und natürlich die Vervollständigung des Nexomon-Katalogs. Die Jagd nach den Sparking-Varianten (Shiny-Nexomon) ist ebenfalls eine zeitaufwendige Herausforderung für Sammler. Während es keine kompetitiven Online-Kämpfe gibt, ist die Motivation, das eigene Team zu perfektionieren und alle Geheimnisse der Welt zu lüften, für viele Spieler ausreichend. Es gibt viele optionale Trainer zu besiegen und Nebenquests zu erfüllen, die oft zusätzliche Belohnungen und Lore bieten. Die Spielzeit, um die Hauptstory zu beenden, liegt je nach Spielweise zwischen 25 und 40 Stunden, aber um alles zu entdecken und zu fangen, kann man leicht 60+ Stunden investieren. Das ist für ein Spiel dieses Preissegments ein sehr gutes Angebot.
Fazit: Eine echte Alternative oder ein netter Zeitvertreib?
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nexomon: Extinction weit mehr ist als nur ein einfacher Pokémon-Klon. Es ist ein liebevoll entwickeltes Monsterfang-Rollenspiel, das es schafft, seine eigenen Stärken hervorzuheben und eine unverwechselbare Identität zu entwickeln. Mit seinem charmanten Artstyle, dem überraschend anspruchsvollen Kampfsystem, dem cleveren Humor und einer fesselnden Geschichte bietet es ein rundum gelungenes Erlebnis für Fans des Genres.
Für wen ist Nexomon also gedacht? Es ist die perfekte Wahl für Spieler, die:
- Eine anspruchsvollere Herausforderung im Monsterfang-Genre suchen.
- Eine gut geschriebene Geschichte mit Humor und Tiefe schätzen.
- Sich nach dem klassischen 2D-JRPG-Gefühl sehnen.
- Eine frische Auswahl an Monstern abseits der bekannten Marken entdecken möchten.
- Eine ausgezeichnete und preisgünstige Pokémon-Alternative suchen, die sich nicht scheut, eigene Wege zu gehen.
Ob Nexomon Pokémon vom Thron stoßen kann? Wohl kaum. Aber das muss es auch nicht. Es schafft es meisterhaft, eine eigene Nische zu besetzen und zu beweisen, dass das Monsterfang-Genre noch viel mehr zu bieten hat, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Es ist keine reine Kopie, sondern eine Hommage mit Herz und Seele, die mit genug Eigenständigkeit glänzt, um einen festen Platz im Herzen vieler Spieler zu finden. Nexomon ist nicht nur ein netter Zeitvertreib, sondern eine absolut empfehlenswerte und gelungene Alternative, die jeder Fan des Genres zumindest einmal ausprobiert haben sollte. Eine echte Überraschung und ein Beweis dafür, dass auch kleinere Studios Großes leisten können. Wir können es nur wärmstens empfehlen!