In der riesigen Landschaft der Videospiele gibt es nur wenige Trilogien, die eine so tiefe und bleibende Wirkung hinterlassen haben wie die Ezio Trilogy von Assassin’s Creed. Für viele Spieler ist der Name Ezio Auditore da Firenze gleichbedeutend mit dem goldenen Zeitalter der Serie und repräsentiert eine Ära, in der Parkour, offene Welten und eine fesselnde historische Erzählung in perfekter Harmonie verschmolzen. Doch wie verhält es sich, wenn man Jahre später zurückkehrt, nachdem die Spielewelt sich unzählige Male weiterentwickelt hat? Hält die Magie noch an? Ist die Ezio Trilogy auch heute noch wirklich gut?
Dieser ausführliche Rückblick nimmt uns mit auf eine Reise durch die sonnigen Gassen von Florenz, die geschäftigen Straßen Roms und die mystischen Basare Konstantinopels, um herauszufinden, ob Ezios Erbe auch im modernen Gaming noch Bestand hat.
Ein Renaissance-Meisterwerk: Assassin’s Creed II
Der Startschuss für Ezios Legende fiel 2009 mit Assassin’s Creed II. Nach dem etwas repetitiven, aber bahnbrechenden ersten Teil, war AC II eine Offenbarung. Es war nicht nur eine Verbesserung; es war eine Neuerfindung. Die Geschichte um den jungen florentinischen Adligen Ezio, der nach einem tragischen Familienverrat zum Assassinen wird, fesselte sofort. Seine Entwicklung vom unbekümmerten Lebemann zum charismatischen Meister-Assassinen ist eine der besten Charakterentwicklungen der gesamten Videospielgeschichte.
Was AC II so besonders machte, war die unglaubliche Liebe zum Detail in der Darstellung der italienischen Renaissance. Florenz, Venedig, Monteriggioni – jede Stadt war ein lebendiges, atmendes Kunstwerk, gefüllt mit historischen Persönlichkeiten wie Leonardo da Vinci und den Medici. Das Parkour-System fühlte sich flüssiger an, die Kämpfe waren vielseitiger und das Missionsdesign abwechslungsreicher. Plötzlich gab es eine eigene Villa zum Ausbauen, Schätze zu finden und Rätsel zu lösen, die tief in der Mythologie der „Ersten Zivilisation” verwurzelt waren. AC II legte den Grundstein für alles, was danach kam und setzte einen neuen Standard für Open-World-Spiele. Die Mischung aus Action, Erkundung und einer emotionalen Story war schlichtweg perfekt.
Rom brennt: Assassin’s Creed Brotherhood
Nur ein Jahr später, 2010, folgte Assassin’s Creed Brotherhood und bewies, dass Ubisoft aus Fehlern lernte und auf Stärken aufbaute. Anstatt die Geschichte einfach fortzusetzen, revolutionierte Brotherhood das Gameplay. Ezio war nun ein etablierter Assassine, der in Rom – der größten Einzelstadt, die die Serie bis dahin gesehen hatte – gegen die Borgias kämpfte. Das Kernfeature, das „Bruderschaft”-Element, erlaubte es Spielern, Rekruten auszubilden und sie in Kämpfen zur Unterstützung herbeizurufen oder auf Missionen zu schicken. Dies verlieh dem Gameplay eine strategische Tiefe, die süchtig machte und perfekt zur Identität der Assassinen-Gilde passte.
Die Open World von Rom war atemberaubend und voller Geheimnisse. Das Zerstören von Borgia-Türmen, um Gebiete zu befreien, das Renovieren der Stadt und die Interaktion mit den verschiedenen Fraktionen sorgten für eine dynamische Spielwelt. Das Kampfsystem wurde weiter verfeinert, mit der Einführung von Killstreaks, die das Gemetzel noch befriedigender machten. Brotherhood bewies, dass man ein etabliertes Gameplay-Fundament nehmen und auf überraschende und innovative Weise erweitern konnte, ohne die Seele des Spiels zu verlieren. Es ist für viele Fans der Höhepunkt der Trilogie, da es die Stärken des Vorgängers nahm und nahezu perfektionierte.
Das Ende einer Ära: Assassin’s Creed Revelations
Im Jahr 2011 fand Ezios Reise mit Assassin’s Creed Revelations ihren emotionalen Abschluss. Ezio, nun ein gealterter und weiser Mentor, reist nach Konstantinopel, um die Geheimnisse seines Vorfahren Altaïr zu lüften und seine eigene Bestimmung zu finden. Diese melancholische und introspektive Erzählung verleiht Ezios Charakter eine Tiefe, die ihn über den typischen Videospielhelden hinaushebt. Die Verschmelzung von Ezios und Altaïrs Geschichten war ein Geniestreich, der Fans beider Charaktere begeisterte.
Konstantinopel als Schauplatz war exotisch und faszinierend, mit seinen osmanischen und byzantinischen Einflüssen. Gameplay-technisch führte Revelations die Hakenklinge (Hookblade) ein, die das Parkour noch flüssiger und schneller machte und neue vertikale Möglichkeiten eröffnete. Das Handwerkssystem für Bomben bot zusätzliche taktische Optionen. Ein weniger geliebtes Feature war das „Turmverteidigungs“-Minispiel, das manchmal als störend empfunden wurde. Trotzdem war Revelations ein würdiger Abschluss, der nicht nur Ezios Geschichte zu einem bewegenden Ende führte, sondern auch tiefe Einblicke in die gesamte Mythologie der Serie bot. Es war ein melancholischer Abschied von einem Charakter, den wir über Jahre hinweg begleitet hatten.
Die unvergänglichen Stärken der Ezio Trilogy
Jahre nach ihrer Veröffentlichung sind es vor allem diese Kernaspekte, die die Ezio Trilogy auch heute noch so empfehlenswert machen:
- Die Geschichte und Ezio Auditore da Firenze: Ezios Reise ist eine der besten erzählerischen Bögen im Gaming. Seine Entwicklung vom rachsüchtigen Jüngling zum weisen Mentor ist tiefgründig und emotional. Man wächst mit ihm mit, fühlt mit ihm und verabschiedet sich schweren Herzens. Die persönliche Note und der Fokus auf Ezios Leben sind der Kitt, der diese Spiele zusammenhält.
- Historische Welten zum Eintauchen: Die Darstellung der italienischen Renaissance und des Osmanischen Reichs ist unübertroffen. Ubisoft hat eine unglaubliche Arbeit geleistet, um diese Epochen zum Leben zu erwecken. Die Architektur, die Kleidung, die Sprachfetzen und die historischen Figuren schaffen eine Atmosphäre, die ihresgleichen sucht. Es ist ein Gefühl, als würde man in ein interaktives Geschichtsbuch eintauchen.
- Der Soundtrack von Jesper Kyd: Die musikalische Untermalung ist schlichtweg legendär. Melodien wie „Ezio’s Family” sind ikonisch und verstärken die emotionale Wirkung der Spiele maßgeblich. Sie sind zeitlos und tragen maßgeblich zur Atmosphäre bei.
- Das Gefühl der Freiheit und Erkundung: Das Erklimmen der höchsten Türme, das freie Laufen über Dächer und das Entdecken verborgener Geheimnisse sind auch heute noch unglaublich befriedigend. Die Städte sind nicht nur Kulisse, sondern Spielplatz und Herausforderung zugleich.
Wo die Zeit genagt hat: Schwächen im modernen Kontext
Man muss aber auch ehrlich sein: Einige Aspekte der Spiele haben die Zahn der Zeit nicht unbeschadet überstanden:
- Die Steuerung und das Parkour: Während das Parkour-System zu seiner Zeit revolutionär war, kann es sich aus heutiger Sicht etwas klobig und unpräzise anfühlen. Ezio springt manchmal dorthin, wo man es nicht will, oder klammert sich nicht fest, wenn es nötig wäre. Moderne Open-World-Spiele bieten hier oft eine intuitivere und fehlerverzeihendere Navigation.
- Das Kampfsystem: Das berüchtigte „Konter-Töten” war der Hauptmechanismus des Kampfes. Es ist effektiv, aber auch repetitiv. Oft kann man ganze Gegnergruppen mit wenig Aufwand besiegen, indem man einfach Konter timt. Es mangelt an der Vielseitigkeit und Herausforderung moderner Kampfsysteme.
- Das Schleichen: Der Stealth-Aspekt, der im Namen der Serie steckt, ist oft rudimentär. Man kann sich in Menschenmengen verstecken oder von oben angreifen, aber ausgeklügelte Stealth-Mechaniken, wie sie in späteren AC-Teilen oder anderen Stealth-Spielen zu finden sind, fehlen weitestgehend. Oft ist der offene Kampf effizienter als das mühsame Schleichen.
- Nebenaktivitäten: Viele der Nebenquests – das Sammeln von Federn, das Töten von Zielpersonen, das Laufen von Kurier-Missionen – können sich schnell repetitiv anfühlen und als Füller dienen. Der Tiefgang und die Abwechslung späterer AC-Titel sind hier noch nicht vorhanden.
- Grafik und Animationen (Originale): Ohne das Remaster (dazu gleich mehr) zeigen die Originalspiele ihr Alter deutlich. Texturen, Gesichts-Animationen und die Detaildichte können im Vergleich zu aktuellen Titeln ernüchternd wirken.
Die Ezio Collection: Eine Schönheitskur, aber keine Verjüngungskur
Um die Trilogie für moderne Konsolen zugänglich zu machen, veröffentlichte Ubisoft 2016 die Assassin’s Creed Ezio Collection. Diese Remaster-Version bot verbesserte Texturen, eine höhere Auflösung und stabilere Bildraten (meistens) auf PlayStation 4 und Xbox One (später auch auf Nintendo Switch und PC). Alle Einzelspieler-DLCs waren ebenfalls enthalten, was ein fantastisches Paket für Neueinsteiger und Rückkehrer darstellte.
Die Collection verleiht den Spielen zweifellos einen moderneren Glanz. Die Umgebungen sehen schärfer und lebendiger aus, und die erhöhte Bildrate macht das Gameplay flüssiger. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass es sich um ein Remaster und nicht um ein Remake handelt. Die grundlegenden Gameplay-Mechaniken, die Steuerung und die oft kritisierten Gesichts-Animationen wurden nicht überarbeitet. Die oben genannten Schwächen – das Kampfsystem, das Parkour-System und die Stealth-Mechaniken – bleiben im Wesentlichen unverändert. Das Remaster macht die Spiele hübscher, aber nicht grundsätzlich moderner im Spielgefühl.
Fazit: Ist die Ezio Trilogy auch heute noch wirklich gut?
Die klare Antwort lautet: Ja, absolut! Aber mit wichtigen Nuancen. Die Ezio Trilogy ist auch heute noch eine unglaublich starke Sammlung von Spielen, die durch ihre unvergleichliche Geschichte, ihren unvergesslichen Hauptcharakter, ihre atemberaubenden historischen Kulissen und ihren fantastischen Soundtrack glänzt. Wer sich für narrative Meisterwerke, historische Settings und das Gefühl der Freiheit in einer Open World begeistern kann, wird auch heute noch in Ezios Abenteuer eintauchen und darin versinken.
Man muss jedoch bereit sein, über die veralteten Gameplay-Mechaniken hinwegzusehen. Das Parkour kann frustrierend sein, die Kämpfe repetitiv und das Schleichen rudimentär. Wer ein modernes, geschliffenes Gameplay mit der Tiefe von Cyberpunk 2077 oder den komplexen Kampfsystemen eines Elden Ring erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Aber wer sich auf die Stärken konzentriert – die Emotionen, die Erkundung, die historische Immersion und vor allem Ezios unvergleichliche Reise – der wird belohnt werden.
Die Ezio Trilogy bleibt ein Gaming-Klassiker und ein Meilenstein der Videospielgeschichte. Sie ist mehr als nur eine Ansammlung von Spielen; sie ist ein kulturelles Phänomen, das die Messlatte für historische Open-World-Spiele höher gelegt hat. Auch Jahre später ist die Zeit mit Ezio Auditore da Firenze eine, die man sich nicht entgehen lassen sollte – ob als nostalgische Rückkehr oder als erste Begegnung mit einem wahren Meister-Assassinen.
Seine Geschichte mag zu Ende sein, aber sein Erbe lebt weiter, stark und relevant wie eh und je.