Die Gaming-Welt erlebte 2020 einen wahren Freudensturm: Tony Hawk’s Pro Skater 1+2 feierte ein triumphales Comeback. Mit atemberaubender Grafik, einer liebevollen Detailverliebtheit und dem unvergleichlichen Gameplay, das Generationen von Spielern prägte, katapultierte das Remake die Kult-Skateboard-Simulation zurück an die Spitze der Charts und in die Herzen alter und neuer Fans. Der Erfolg war so überwältigend, dass die Rufe nach einem Remake von Tony Hawk’s Pro Skater 3+4 beinahe so laut wurden wie der Soundtrack selbst. Doch wie realistisch ist dieses Vorhaben wirklich, angesichts der jüngsten Entwicklungen und den Herausforderungen, die ein solches Projekt mit sich bringen würde?
Der triumphale Erfolg von Tony Hawk’s Pro Skater 1+2
Das Remake von Tony Hawk’s Pro Skater 1+2 war mehr als nur eine grafische Überarbeitung; es war eine Meisterleistung in Sachen Nostalgie und moderner Spieleentwicklung. Entwickelt von Vicarious Visions und veröffentlicht von Activision, bewies es, dass die Formel auch Jahrzehnte später noch zieht. Das Spiel verkaufte sich millionenfach und erntete begeisterte Kritiken. Es bewahrte das Kern-Gameplay, die ikonischen Levels und den legendären Soundtrack, fügte aber gleichzeitig Quality-of-Life-Verbesserungen, neue Tricks und erweiterte Anpassungsmöglichkeiten hinzu. Spieler konnten nahtlos zwischen den Kampagnen von THPS 1 und 2 wechseln, eigene Skateparks bauen und online gegen Freunde antreten. Dieser Erfolg sendete ein klares Signal an die Industrie: Die Liebe zu Tony Hawk ist ungebrochen, und das Potenzial für weitere Neuauflagen ist riesig.
Die Besonderheiten von Tony Hawk’s Pro Skater 3 und 4
Bevor wir über die Machbarkeit eines Remakes sprechen, ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, was THPS 3 und 4 so besonders machte und warum die Fans gerade diese Titel so sehnlichst zurückwünschen:
- Tony Hawk’s Pro Skater 3: Dieser Teil führte den revolutionären „Revert”-Mechanismus ein, der es Spielern ermöglichte, nach dem Landen aus einer Halfpipe oder Rampe ihre Kombo fortzusetzen. Dies veränderte das Gameplay grundlegend und eröffnete unzählige neue Möglichkeiten für längere, komplexere Trick-Ketten. THPS3 bot zudem größere, interaktivere Levels und war einer der ersten Konsolentitel mit echtem Online-Multiplayer.
- Tony Hawk’s Pro Skater 4: Mit THPS4 wagte die Serie einen mutigen Schritt in Richtung Open-World-Struktur. Die Levels waren weitläufiger und hatten keine strikten Zeitlimits mehr. Stattdessen gab es Missionen, die von Charakteren in der Spielwelt angeboten wurden. Dies gab dem Spiel ein Gefühl von Freiheit und Erkundung, das in den Vorgängern so nicht vorhanden war.
Beide Spiele markierten wichtige Evolutionsstufen der Serie und brachten Gameplay-Innovationen mit sich, die heute noch als wegweisend gelten. Ein Remake müsste diese essenziellen Elemente nicht nur respektieren, sondern auch modern interpretieren.
Die große Hürde: Das Schicksal von Vicarious Visions
Hier liegt das größte und vielleicht unüberwindbarste Hindernis: Vicarious Visions, das talentierte Studio hinter dem gefeierten THPS 1+2 Remake, existiert in seiner ursprünglichen Form nicht mehr. Im Januar 2021 wurde bekannt gegeben, dass Vicarious Visions vollständig in Blizzard Entertainment integriert wurde. Das Team, das die Magie von Tony Hawk so perfekt wiederbelebt hatte, arbeitet nun an Blizzard-Franchises wie Diablo und Overwatch. Dieser Schritt bedeutet, dass das spezifische Know-how, die Leidenschaft und die eingespielten Teams, die für den Erfolg von THPS 1+2 verantwortlich waren, nicht mehr als eigenständige Einheit zur Verfügung stehen. Die Ressourcen und Talente wurden umverteilt, und es ist unwahrscheinlich, dass sie für ein weiteres Skateboarding-Spiel freigestellt werden.
Activision, der Publisher beider Spiele, steht nun vor der Frage, welches Studio ein potenzielles THPS 3+4 Remake entwickeln könnte. Müsste ein komplett neues Team von Grund auf in die Materie einsteigen? Dies würde nicht nur die Entwicklungszeit verlängern, sondern auch das Risiko erhöhen, dass der Geist der Originale nicht so perfekt eingefangen wird, wie es Vicarious Visions gelang.
Technische Machbarkeit und Entwicklungspotenzial
Trotz der Entwickler-Hürde gibt es auch positive Aspekte bezüglich der technischen Machbarkeit. Vicarious Visions hat mit THPS 1+2 eine hervorragende Basis geschaffen. Die Unreal Engine 4, die für das Remake verwendet wurde, ist modern und flexibel. Das Kern-Gameplay, die Physik-Engine, die grundlegenden Assets und das UI sind bereits vorhanden und könnten als Ausgangspunkt für THPS 3+4 dienen. Viele der Tricks, Skater-Modelle und Anpassungsoptionen könnten wiederverwendet oder angepasst werden.
Allerdings müssten die einzigartigen Gameplay-Mechanismen von THPS 3 und 4 – insbesondere der Revert und die offene Missionsstruktur – neu implementiert und in das moderne Framework integriert werden. Dies ist keine geringe Aufgabe, aber sicherlich einfacher, als ein Spiel komplett von Grund auf neu zu entwickeln. Die größten technischen Herausforderungen lägen in der Rekonstruktion und Modernisierung der spezifischen Levels, der Integration der Open-World-Elemente von THPS4 und der potenziellen Online-Funktionalitäten.
Lizenzen, Musik und Skater: Ein bekanntes Minenfeld
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Lizenzierung. Die Tony Hawk’s Pro Skater-Reihe ist berühmt für ihren ikonischen Soundtrack, der eine ganze Generation geprägt hat. Die Kosten und der Aufwand, die Musikrechte für die unzähligen Songs aus den Originalspielen erneut zu erwerben, sind enorm. Schon bei THPS 1+2 konnten nicht alle Lieder erneut lizenziert werden, und einige mussten ersetzt werden. Für THPS 3 und 4 würde sich dieses Problem erneut stellen, und es ist fraglich, ob Activision bereit wäre, die hohen Summen zu investieren, um den ursprünglichen Soundtrack so weit wie möglich zu erhalten.
Ähnlich verhält es sich mit den Skater-Lizenzen. Die Verträge mit den professionellen Skatern wie Tony Hawk, Bucky Lasek, Chad Muska und vielen anderen müssten neu ausgehandelt werden. Einige der Original-Skater sind heute nicht mehr so prominent oder haben sich aus dem aktiven Profi-Sport zurückgezogen, was die Verhandlungen zusätzlich erschweren könnte. Auch die Lizenzen für Marken wie Skateboards, Bekleidung und andere In-Game-Produkte müssen berücksichtigt werden.
Die Marktsituation und das Interesse der Spieler
Die Marktnachfrage nach einem weiteren Tony Hawk’s Pro Skater Remake ist zweifellos hoch. Foren, Social Media und Kommentare unter Nachrichtenartikeln zeigen deutlich, dass die Fans sehnsüchtig auf eine Fortsetzung hoffen. Die Nostalgie-Welle, die THPS 1+2 so erfolgreich machte, ist noch nicht abgeebbt. Zudem gibt es derzeit keine direkte Konkurrenz im Bereich der klassischen Arcade-Skateboarding-Spiele. Während Titel wie „Skate 4” und „Session” auf einen realistischeren Ansatz setzen, besetzt Tony Hawk eine Nische, die auf schnelle, spaßige und übertriebene Trick-Action ausgelegt ist.
Allerdings muss Activision auch die langfristige Perspektive betrachten. Wie lange hält die Nostalgie an? Könnte eine zu schnelle Veröffentlichung zu einer Sättigung des Marktes führen? Diese Fragen sind Teil der wirtschaftlichen Kalkulation. Die gute Nachricht ist, dass die Spielerbasis für das Genre immer noch groß und leidenschaftlich ist.
Wirtschaftliche Überlegungen für Activision (und Microsoft)
Letztendlich läuft alles auf die wirtschaftliche Rentabilität hinaus. Activision, und seit kurzem auch Microsoft als Eigentümer von Activision Blizzard, müssen abwägen, ob die potenziellen Einnahmen die Entwicklungskosten rechtfertigen. Angesichts der fehlenden Entwickler-Expertise von Vicarious Visions, der komplexen und kostspieligen Lizenzverhandlungen und der Tatsache, dass Tony Hawk’s Pro Skater im Vergleich zu Activision-Flaggschiffen wie Call of Duty oder Blizzard-Titeln wie Diablo oder World of Warcraft eine kleinere IP ist, könnte das Projekt als zu riskant oder nicht prioritär genug eingestuft werden.
Microsofts Übernahme könnte hier zweischneidig sein: Einerseits könnten neue Investitionen und eine breitere Strategie mehr Raum für Nischen-Remakes wie THPS schaffen. Andererseits könnte Microsoft auch den Fokus auf größere, wiederkehrende Franchises legen, die höhere Gewinne versprechen. Es ist eine Frage der Prioritäten und der Ressourcenallokation innerhalb eines riesigen Konzerns.
Was sind die Alternativen?
Sollte ein offizielles Remake von THPS 3+4 unwahrscheinlich sein, gäbe es andere Wege, die Sehnsucht der Fans zu stillen:
- Ein neuer Entwickler: Activision könnte ein anderes Studio mit der Entwicklung beauftragen. Dies wäre jedoch mit den bereits erwähnten Risiken behaftet.
- Ein komplett neues Spiel: Statt eines Remakes könnte ein gänzlich neues Tony Hawk’s Pro Skater-Spiel entwickelt werden, das die besten Elemente der gesamten Serie aufgreift. Das Risiko hierbei wäre, den Geist der Originale zu verlieren.
- Community-Projekte: In Ermangelung offizieller Titel könnten Fan-Projekte oder Spiritual Successors von Indie-Entwicklern entstehen, die versuchen, die Lücke zu füllen.
- Der „Skate”-Reboot: Electronic Arts arbeitet an einem neuen „Skate”-Spiel, das eine andere, aber ebenfalls beliebte Herangehensweise an das Skateboard-Genre verfolgt. Dies könnte die Wartezeit verkürzen.
Fazit: Eine Hoffnung mit großen Hürden
Die Sehnsucht nach einem Remake von Tony Hawk’s Pro Skater 3+4 ist absolut verständlich und durch den Erfolg von 1+2 nur noch verstärkt worden. Das Potenzial für ein weiteres herausragendes Spiel ist fraglos da, da die Originale innovative Gameplay-Elemente einführten, die auch heute noch relevant sind. Doch die Realität der Spieleentwicklung ist komplex.
Das Fehlen von Vicarious Visions als Entwickler, die hohen Kosten und Schwierigkeiten bei der Lizenzierung von Musik und Skatern sowie die wirtschaftlichen Prioritäten eines großen Publishers wie Activision (und jetzt Microsoft) sind gewichtige Faktoren, die gegen ein baldiges Remake sprechen. Es ist nicht unmöglich, aber der Weg wäre steinig und würde eine erhebliche Investition und einen klaren strategischen Willen erfordern.
Für den Moment bleibt den Fans nichts anderes übrig, als die großartigen Remakes von THPS 1+2 zu genießen und zu hoffen, dass Activision die Rufe der Community erhört und einen Weg findet, diese geliebten Skateboarding-Klassiker doch noch in modernem Glanz erstrahlen zu lassen. Die Tür ist nicht komplett geschlossen, aber sie knarrt bedenklich.