Die Vorfreude war gigantisch. Als Colossal Order und Paradox Interactive Cities Skylines 2 ankündigten, versprach man nicht weniger als die Weiterentwicklung des ultimativen Städtebau-Erlebnisses. Millionen von Fans, die in Cities Skylines 1 (CS1) unzählige Stunden in den Bau ihrer Traumstädte investiert hatten, fieberten dem Nachfolger entgegen. Die Erwartungen waren hoch: eine verbesserte Simulation, größere Karten, detailliertere Grafik und ein moderneres Spielerlebnis. Doch was am 24. Oktober 2023 veröffentlicht wurde, entpuppte sich für viele als eine bittere Enttäuschung. Statt des erwarteten Next-Gen-Städtebauers präsentierte sich Cities Skylines 2 als ein Titel, der unter massiven Performance-Problemen, einer inkonsistenten Optik und einem wahren Bug-Fiasko leidet. Die Frage, die sich seither stellt, ist drängend: Warum sieht Cities Skylines 2 so schlecht aus und ist derart verbuggt?
**Das visuelle Desaster: Warum die Grafik enttäuscht**
Eines der ersten Dinge, die Spielern beim Start von Cities Skylines 2 ins Auge fielen, war die Optik. Für einen modernen AAA-Titel, der 2023 veröffentlicht wurde, wirkte das Spiel oft erstaunlich veraltet und unfertig. Während manche Bereiche durchaus ansprechend aussehen können, trüben eine Vielzahl von Mängeln das Gesamtbild.
Zunächst fällt die Performance ins Gewicht. Selbst auf High-End-Systemen kämpft das Spiel mit drastisch niedrigen Bildraten (FPS), Rucklern und spürbaren Framedrops, sobald die Stadt eine gewisse Größe erreicht. Dies ist besonders frustrierend, da die grafische Qualität in vielen Aspekten nicht den hohen Hardware-Anforderungen gerecht wird. Die Optimierung scheint schlichtweg nicht stattgefunden zu haben, was zu einer subotimalen Spielerfahrung führt.
Die visuelle Qualität selbst ist inkonsistent. Nahaufnahmen von Gebäuden oder der Umgebung offenbaren oft niedrige Texturauflösungen. Das sogenannte „Level of Detail” (LOD)-System, das die Detailstufe von Objekten in Abhängigkeit von ihrer Entfernung regelt, funktioniert mangelhaft. Gebäude oder Bäume wechseln abrupt ihre Detailstufen (Pop-in), und weit entfernte Objekte erscheinen als unscharfe Matschtexturen, die kaum zu identifizieren sind. Besonders ärgerlich sind die flimmernden Kanten und das schlechte Anti-Aliasing, das die gesamte Szenerie unruhig wirken lässt.
Auch die Beleuchtung und die Shader-Effekte tragen zur Enttäuschung bei. Viele Objekte wirken flach und plastisch, Schatten sind oft hart, inkonsistent oder fehlen ganz. Reflexionen sind rudimentär und tragen kaum zur Immersion bei. Manchmal erscheinen Autos oder Gebäude in der Ferne wie unbeholfene Klötze ohne jegliche Details. Die dynamischen Wettereffekte sind zwar vorhanden, können aber die grundlegenden Mängel in der visuellen Darstellung nicht überdecken. Vergleicht man das Spiel mit einem stark modifizierten Cities Skylines 1, das mit zahlreichen Grafik-Mods und Assets der Community angereichert wurde, wirkt der Nachfolger oft erstaunlich blass und weniger lebendig. Dies ist ein hartes Urteil für einen Titel, der technisch überlegen sein sollte.
**Das Bug-Fiasko: Eine Zählung der Mängel**
Neben den visuellen Schwächen leidet Cities Skylines 2 unter einer schieren Flut an Bugs, die das Gameplay teils massiv beeinträchtigen und sogar unspielbar machen können. Diese Fehler erstrecken sich über alle Bereiche des Spiels, von der Kernsimulation bis hin zu technischen Ungereimtheiten.
Die Simulation, das Herzstück eines jeden Städtebauspiels, ist besonders betroffen. Die KI der Bürger (Cims) ist oft fehlerhaft: Cims finden keine Arbeit, obwohl Arbeitsplätze vorhanden sind, ziehen nicht in leere Häuser, oder nehmen absurde Routen, um ihr Ziel zu erreichen. Das Verkehrs-KI, ein Markenzeichen von CS1, ist in CS2 eine Quelle des Frusts. Ampelschaltungen sind oft ineffizient, Autos bilden unerklärliche Staus, und Einsatzfahrzeuge erreichen ihr Ziel nicht, was zu katastrophalen Folgen wie brennenden Gebäuden oder ungeklärter Kriminalität führt.
Die Wirtschaftssimulation ist ebenfalls unausgereift. Industrien beklagen sich über fehlende Kunden, obwohl die Nachfrage hoch ist. Geschäfte haben keine Waren, obwohl die Importwege offen sind. Die Kostenstruktur und das Einkommen der Stadt scheinen oft willkürlich zu sein, was es schwer macht, eine stabile Ökonomie aufzubauen. Dienstleistungen wie Müllabfuhr, Gesundheitsversorgung oder Bildung weisen eklatante Effizienzprobleme auf, die sich nicht immer logisch erklären lassen. Ganze Stadtteile können aufgrund mangelnder Müllabfuhr kollabieren, obwohl genug Deponien vorhanden sind.
Technische Bugs runden das katastrophale Bild ab. Spieler berichten von häufigen Abstürzen des Spiels (Crashes), Freezes, beschädigten Speicherständen und Benutzeroberflächen-Fehlern (UI-Glitches), die die Spielbarkeit erheblich einschränken. Soundbugs, fehlende Animationen und Clipping-Fehler sind an der Tagesordnung. Das Fehlen grundlegender Features oder Quality-of-Life-Verbesserungen, die in CS1 vorhanden waren, trägt zusätzlich zum Gefühl bei, ein unfertiges Produkt erworben zu haben.
**Die Ursachen: Eine tiefergehende Analyse**
Die Gründe für dieses Ausmaß an Unfertigkeit sind vielfältig und komplex, doch einige Hypothesen scheinen sich zu verfestigen:
1. **Release-Druck und überzogene Ziele:** Es ist ein offenes Geheimnis in der Spieleindustrie, dass Release-Termine oft hart sind und eingehalten werden müssen, selbst wenn das Produkt noch nicht bereit ist. Colossal Order und Paradox Interactive hatten zweifellos einen ehrgeizigen Zeitplan. Möglicherweise war der Wunsch, eine „Next-Gen”-Erfahrung zu liefern und gleichzeitig die Komplexität der Simulation erheblich zu steigern, zu ambitioniert für die gegebene Entwicklungszeit. Der Scope Creep – das ständige Erweitern des Projektumfangs – könnte ein Faktor gewesen sein.
2. **Die Unity Engine und ihre Herausforderungen:** Wie schon sein Vorgänger, setzt auch Cities Skylines 2 auf die Unity Engine. Unity ist eine vielseitige Engine, aber sie ist nicht primär für extrem große, offene Welten mit tausenden simulierten Einheiten bekannt, wie sie ein Städtebauspiel erfordert. Es ist denkbar, dass Colossal Order an die Grenzen dessen gestoßen ist, was Unity in dieser Größenordnung leisten kann, oder dass die Implementierung ihrer komplexen Systeme auf der Engine schlichtweg noch nicht ausgereift ist. Die spezifische Art und Weise, wie die Engine für die hohe Anzahl von Objekten, die KI-Simulation und die physikalischen Berechnungen optimiert wurde (oder eben nicht), scheint der Kern des Performance-Problems zu sein.
3. **Mangelnde Optimierungszeit:** Ein großes Spiel wie Cities Skylines 2 benötigt eine enorme Menge an Zeit für Optimierung und Qualitätssicherung (QA). Angesichts der Performance-Probleme und der Masse an Bugs scheint diese Zeit entweder nicht ausreichend gewesen zu sein oder wurde aufgrund des Release-Drucks gekürzt. Oft wird die Optimierung erst in den letzten Phasen der Entwicklung intensiviert – wenn diese Phase zu kurz ist, leidet das Endprodukt.
4. **Entwicklung für mehrere Plattformen:** Obwohl die Konsolenversionen von Cities Skylines 2 verschoben wurden, war das Spiel von Anfang an für PC, PlayStation 5 und Xbox Series X/S konzipiert. Die gleichzeitige Entwicklung für verschiedene Architekturen kann die Komplexität erhöhen und zu Kompromissen führen, die sich negativ auf die PC-Version auswirken, insbesondere wenn die Ressourcen begrenzt sind. Der Versuch, eine einheitliche Codebasis für alle Plattformen zu schaffen, kann die Optimierung für eine spezifische Plattform erschweren.
5. **Technische Schulden und neue Systeme:** Colossal Order hat versucht, die Simulation auf ein völlig neues Level zu heben. Dies beinhaltet neue Systeme für Zivilisten, Verkehr, Wirtschaft und Umwelt. Solche tiefgreifenden Änderungen können zu einer erheblichen „technischen Schuld” führen, bei der alte oder unsaubere Code-Strukturen neue Probleme verursachen oder die Integration neuer Features erschweren. Das Paradox Interactive-Entwicklerstudio hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es Ambitionen hat, aber auch, dass die Release-Qualität manchmal leiden kann. In diesem Fall jedoch sind die Probleme so fundamental, dass der Schaden für den Ruf enorm ist.
**Die Reaktion der Community und der Weg nach vorn**
Die Reaktion der Gaming-Community war erwartungsgemäß heftig. Reviews auf Plattformen wie Steam waren zum Launch „größtenteils negativ”, und viele Spieler forderten Rückerstattungen. Die Enttäuschung war besonders groß, weil Colossal Order als ein Studio gilt, das qualitativ hochwertige und gut unterstützte Spiele liefert. Diese Situation hat das Vertrauen vieler Fans erschüttert.
Colossal Order und Paradox Interactive haben das Feedback der Community ernst genommen und sich entschuldigt. Seit dem Release wurden bereits mehrere Patches veröffentlicht, die einige der gravierendsten Probleme, insbesondere in Bezug auf die Performance und kleinere Bugs, beheben sollen. Es ist jedoch klar, dass der Weg zu einem wirklich ausgereiften und zufriedenstellenden Spiel lang sein wird.
Die Zukunft von Cities Skylines 2 hängt nun stark davon ab, wie konsequent und erfolgreich Colossal Order die Patches und Updates in den kommenden Monaten implementiert. Titel wie No Man’s Sky oder Cyberpunk 2077 haben gezeigt, dass Spiele nach einem katastrophalen Launch durch kontinuierliche Arbeit zu geliebten Klassikern reifen können. Der Erfolg wird davon abhängen, ob es gelingt, die grundlegenden Simulationsprobleme zu beheben, die Performance nachhaltig zu verbessern und die versprochene „Next-Gen”-Grafik im Laufe der Zeit zu liefern. Die Modding-Community, ein entscheidender Faktor für den Langzeiterfolg von CS1, wartet ebenfalls auf umfassende Tools und Unterstützung, um das Spiel mit eigenen Kreationen zu bereichern.
**Fazit: Eine Lektion in Geduld und Qualitätsanspruch**
Cities Skylines 2 ist ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn ein Spiel zu früh und in einem unfertigen Zustand auf den Markt kommt. Die Gründe sind wahrscheinlich eine Mischung aus Release-Druck, überambitionierten Zielen, Schwierigkeiten mit der Engine-Optimierung und mangelnder Zeit für Polishing. Es ist ein Grafik-Desaster und ein Bug-Fiasko, das die Spieler tief enttäuscht hat.
Für Colossal Order und Paradox Interactive ist es eine ernste Lektion. Sie müssen beweisen, dass sie aus diesen Fehlern gelernt haben und bereit sind, die notwendige Zeit und Ressourcen zu investieren, um Cities Skylines 2 in das Spiel zu verwandeln, das die Fans erwartet haben und das es potenziell sein könnte. Die Fans wiederum müssen Geduld aufbringen. Die Stadtplanung der virtuellen Welt mag warten müssen, aber die Hoffnungen auf eine strahlende Zukunft für Cities Skylines 2 bleiben bestehen – wenn auch mit einer gehörigen Portion Skepsis.