Die Welt von Mortal Kombat ist bekannt für ihre brutalen Fatalities, ikonischen Charaktere und eine Geschichte, die ebenso tiefgründig wie kompliziert ist. Seit dem ersten Spiel im Jahr 1992 haben Spieler Generationen lang die epischen Schlachten zwischen den Reichen verfolgt. Doch wenn man versucht, die gesamte Storyline zu entwirren, stößt man schnell auf die Frage: Sind wirklich alle Mortal Kombat-Spiele storytechnisch miteinander verbunden? Oder handelt es sich um eine Aneinanderreihung von Reboots und alternativen Realitäten, die nur lose zusammenhängen? Dieser Artikel taucht tief in die komplexe Mortal Kombat Timeline ein, um diese Frage ein für alle Mal zu beantworten.
Ein Universum voller Kampf und Chaos: Die Anfänge der Mortal Kombat-Saga
Als Mortal Kombat 1992 die Arcade-Hallen eroberte, war die Geschichte noch vergleichsweise einfach. Der mächtige Zauberer Shang Tsung veranstaltete das zehnte Turnier, um die Eroberung des Erdreichs durch die Außenwelt vorzubereiten. Die ersten Spiele – Mortal Kombat (1992), Mortal Kombat II (1993) und Mortal Kombat 3 (1995) – erzählten eine mehr oder weniger lineare Geschichte: Die Helden des Erdreichs besiegen Shang Tsung, müssen sich dann der Invasion von Shao Kahn stellen und ihn schließlich zurückdrängen. Diese Phase etablierte die Kerncharaktere wie Liu Kang, Raiden, Sub-Zero, Scorpion und Sonya Blade und legte den Grundstein für das, was kommen sollte.
Mit Spielen wie Mortal Kombat 4 (1997) und seinen Erweiterungen (bekannt als Mortal Kombat Gold) wurde die Bedrohung durch den gefallenen Älteren Gott Shinnok eingeführt. Die Geschichte erweiterte sich, indem sie tiefere Einblicke in die Mythologie der Reiche und der Götter gewährte. Diese Phase zeigte, dass die Bedrohungen nicht nur aus der Außenwelt, sondern auch aus den höheren Sphären der Existenz kommen konnten. Die Serie behielt dabei eine durchgehende Erzählstruktur bei, in der die Ereignisse des vorherigen Spiels direkt die Grundlage für das nächste bildeten. Es war eine klassische Fortsetzungsreihe.
Die „Original-Timeline”: Von Deadly Alliance bis Armageddon
Die Spiele Mortal Kombat: Deadly Alliance (2002) und Mortal Kombat: Deception (2004) markierten einen Wendepunkt. Shao Kahn war besiegt, Shinnok eingesperrt, aber neue Bedrohungen traten auf den Plan. Die Allianz von Shang Tsung und Quan Chi führte zur Vernichtung vieler Erdreich-Helden, und der wiederauferstandene Drachenkönig Onaga drohte, die Reiche ins Chaos zu stürzen. Raiden selbst opferte sich, um Onaga aufzuhalten, was jedoch fehlschlug. Diese Spiele tauchten tiefer in die Lore ein und zeigten die ständige Notwendigkeit, neue Champions zu finden und unvorstellbare Mächte zu bekämpfen.
Die Spitze der „Original-Timeline” bildete Mortal Kombat: Armageddon (2006). Dieses Spiel war als episches Finale konzipiert, das *alle* Charaktere der Serie in einer alles entscheidenden Schlacht zusammenführte. Die Apokalypse stand bevor, ausgelöst durch die Mächte von Blaze und die Söhne von Argus, Taven und Daegon. Das Ende von Armageddon zeigte ein verheerendes Szenario: Fast alle Kämpfer waren tot, nur Raiden und Shao Kahn blieben übrig. In einem letzten, verzweifelten Versuch, die Realität zu retten, schickte der sterbende Raiden eine Nachricht in die Vergangenheit an sein früheres Ich: „He must win!” – Er muss gewinnen! Diese einzige, kryptische Botschaft sollte die gesamte Mortal Kombat Geschichte für immer verändern.
Der erste Reboot: Mortal Kombat (2011) – Eine neue Ära beginnt
Raiden’s Botschaft war der Auslöser für den ersten großen Reboot der Serie, der im schlicht „Mortal Kombat” betitelten Spiel von 2011 (oft als MK9 bezeichnet) stattfand. Dieses Spiel war keine Fortsetzung im traditionellen Sinne, sondern eine Neuinterpretation der Ereignisse der ersten drei Mortal Kombat-Spiele. Der „neue” Raiden, bewaffnet mit den kryptischen Visionen seines zukünftigen Ichs, versuchte, die schlimmsten Katastrophen zu verhindern, die zum Armageddon geführt hatten. Doch seine Bemühungen hatten oft unbeabsichtigte und tragische Folgen.
In dieser neuen Zeitlinie starben Charaktere, die in der Original-Timeline überlebt hatten, auf andere Weise oder wurden zu dunklen Versionen ihrer selbst. Liu Kang, der Champion des Erdreichs, rebellierte gegen Raiden und wurde getötet, nur um als untoter Diener Quan Chis zurückzukehren. Viele andere Helden des Erdreichs fielen im Kampf gegen Shao Kahn und seine Verbündeten und wurden ebenfalls zu untoten Lakaien. Dieser Reboot zeigte, dass selbst die besten Absichten die Zeitlinie nicht immer zum Besseren wenden können, und etablierte eine wesentlich düstereerzählte Version der bekannten Ereignisse. Es war ein klarer Neuanfang, der aber direkt aus dem Ende der vorherigen Kontinuität resultierte.
Die neue Zeitlinie: Mortal Kombat X und Mortal Kombat 11
Die Geschichte von MK9 setzte sich direkt in Mortal Kombat X (2015) fort. 25 Jahre nach den Ereignissen von MK9 sahen wir eine neue Generation von Kämpfern, darunter Cassie Cage (Tochter von Johnny Cage und Sonya Blade), Jacqui Briggs (Tochter von Jax) und Kung Jin (Nachfahre von Kung Lao). Sie mussten sich einer erneuten Bedrohung durch Shinnok und Quan Chi stellen. Die untoten Versionen der gefallenen Helden aus MK9 blieben eine konstante Bedrohung, was zeigte, dass Raidens Versuche, die Zukunft zu ändern, nicht alle Konsequenzen beseitigen konnten. Die Story von MKX vertiefte die etablierte „neue Zeitlinie” und zeigte, wie sich die Entscheidungen der Vergangenheit auf die Gegenwart auswirkten.
Mit Mortal Kombat 11 (2019) erreichte die „neue Zeitlinie” ihren Höhepunkt – und ihr Ende. Eine neue, noch mächtigere Antagonistin wurde eingeführt: Kronika, die Hüterin der Zeit und Mutter von Shinnok. Sie war unzufrieden mit Raidens Einmischung in die Zeitlinie und versuchte, eine „perfekte” neue Ära zu schmieden, indem sie die Zeit manipulierte und verschiedene Versionen von Charakteren aus verschiedenen Epochen zusammenführte. Dieser narrative Kniff ermöglichte es, jüngere und ältere Versionen von Kämpfern gleichzeitig im Spiel zu haben und spielte auf eine vielschichtigere Multiversums-Konzept an. Am Ende von MK11 (und seiner Erweiterung „Aftermath”) sah sich Liu Kang gezwungen, selbst zum Gott des Feuers und Donners aufzusteigen und Kronika zu besiegen, wodurch er zum neuen Hüter der Zeit wurde. Ihm oblag es nun, eine komplett neue Zeitlinie zu schmieden.
Der zweite Reboot: Mortal Kombat 1 (2023) – Ein wahrhaftiger Neuanfang
Das jüngste Kapitel, Mortal Kombat 1 (2023), ist der direkte Beweis für die zyklische Natur der Mortal Kombat-Erzählung. Nach seinen Taten in MK11 hat Liu Kang eine völlig neue Zeitlinie erschaffen – eine, in der die Charaktere ihr Leben ohne die früheren Katastrophen und Konflikte beginnen. Scorpion und Sub-Zero sind Brüder, Raiden ist ein Sterblicher, und viele andere Beziehungen und Ursprungsgeschichten wurden neu interpretiert. Dieses Spiel ist kein Sequel zu MK11 im traditionellen Sinne, sondern ein kompletter Reboot, der die Ergebnisse von Liu Kangs Macht als Hüter der Zeit zeigt.
Dennoch ist es nicht völlig losgelöst. Die Existenz von Liu Kang als Gott des Feuers und Donners und seine Erinnerungen an die früheren Zeitlinien verbinden MK1 (2023) untrennbar mit den Ereignissen von MK11. Zudem deuten die Kameo-Kämpfer und der Invasionsmodus im Spiel auf die Existenz eines Multiversums hin, in dem verschiedene Realitäten und Versionen von Charakteren nebeneinander existieren. Dies unterstreicht, dass die Mortal Kombat-Geschichte nicht mehr als eine einzelne, lineare Kette von Ereignissen betrachtet werden kann, sondern als eine Abfolge von sich entwickelnden Realitäten, die durch Reboots miteinander verbunden sind.
Was ist mit den Spin-offs? Mythologies, Special Forces und Shaolin Monks
Neben den Hauptspielen gab es auch einige Spin-offs:
* Mortal Kombat Mythologies: Sub-Zero (1997): Dieses Action-Adventure ist eine Prequel-Geschichte zu MK1 und MK4 und beleuchtet die Ereignisse vor dem ersten Turnier aus der Sicht von Sub-Zero (Bi-Han). Es ist weitestgehend kanonisch für die Original-Timeline.
* Mortal Kombat: Special Forces (2000): Dieses umstrittene Spiel folgte Jax Briggs auf der Jagd nach Kano. Aufgrund seines schlechten Empfangs und der diskontinuierlichen Erzählweise wird es oft als semi-kanonisch oder gänzlich ignoriert betrachtet, obwohl es in der Original-Timeline angesiedelt war.
* Mortal Kombat: Shaolin Monks (2005): Ein Beat ’em up, das die Ereignisse von MKII aus der Perspektive von Liu Kang und Kung Lao neu erzählt. Es ist eine alternative Nacherzählung und somit nicht direkt kanonisch für die Haupt-Timeline, sondern eher eine „Was wäre wenn”-Geschichte.
Diese Spin-offs ergänzen die Lore der Original-Timeline, aber ihre Kanonizität variiert. Keines von ihnen ist direkt mit den Reboot-Timelines von MK9, MKX, MK11 oder MK1 (2023) verbunden, außer durch die Präsenz bekannter Charaktere, deren Ursprungsgeschichten dort neu definiert wurden.
Die große Frage: Sind wirklich alle Mortal Kombat-Spiele storytechnisch miteinander verbunden?
Die kurze Antwort lautet: Ja, aber nicht in einer einzelnen, linearen Kette. Die längere Antwort ist komplexer:
1. **Die Original-Timeline (MK1 – Armageddon)**: Diese Spiele waren linear miteinander verbunden. Jedes Spiel setzte die Geschichte des vorherigen direkt fort und baute darauf auf.
2. **Der erste Reboot (MK9, MKX, MK11)**: Diese Spiele bilden eine kohärente, eigene Zeitlinie. Sie sind jedoch direkt mit der Original-Timeline durch Raidens Botschaft aus Armageddon verbunden. Sie sind das Ergebnis des Versuchs, die Katastrophe zu verhindern, die in der Original-Timeline stattgefunden hat.
3. **Der zweite Reboot (MK1/2023)**: Dieses Spiel ist direkt mit MK11 verbunden, da Liu Kang als Hüter der Zeit diese neue Realität erschaffen hat. Es ist ein Neuanfang, aber einer, der auf den Ereignissen und dem Ausgang des vorherigen Spiels basiert.
Man kann also sagen, dass die Mortal Kombat Story eine zyklische Natur besitzt. Die Ereignisse münden immer wieder in einer Katastrophe, die zu einem Reboot führt, der die Geschichte neu erzählt. Jeder Reboot ist jedoch eine *direkte Konsequenz* der vorherigen Zeitlinie und nicht nur eine willkürliche Neuinterpretation. Die Charaktere und deren Essenz bleiben erhalten, aber ihre Rollen, Beziehungen und Schicksale ändern sich.
Die Spiele sind wie Kapitel in einem ewigen Buch der Zeit, das immer wieder umgeschrieben wird. Die Reboots sind keine losgelösten Geschichten, sondern tief verwurzelte narrative Entscheidungen, die die Konstanz der Charaktere in einem sich ständig wandelnden Universum betonen. Das Konzept des Multiversums, das in MK11 und MK1 (2023) immer stärker in den Vordergrund rückt, lässt sogar die Idee zu, dass alle Zeitlinien – die originale, die Reboot-Timeline und Liu Kangs neue Ära – irgendwo in der unendlichen Weite des Mortal Kombat Kosmos parallel existieren könnten.
Fazit: Ein ewiger Kreislauf der Zeit und des Kampfes
Die Mortal Kombat Timeline ist ein Meisterwerk der Verzweigungen, Reboots und Retcons, die alle dazu dienen, die Geschichte frisch und spannend zu halten. Vom einfachen Turnier des ersten Spiels bis zu den komplexen Zeitreisen und Multiversums-Konflikten der jüngsten Titel – die Erzählung hat sich ständig weiterentwickelt.
Obwohl nicht jedes Spiel eine direkte, ununterbrochene Fortsetzung des vorherigen ist, sind sie durch die narrative Struktur der Reboots und die Idee der sich wiederholenden Zyklen miteinander verbunden. Jedes große Mortal Kombat-Spiel (abgesehen von Spin-offs) trägt auf seine Weise zur umfassenden Mortal Kombat Lore bei und erklärt, wie die aktuelle Realität entstanden ist. Es ist ein faszinierendes Universum, das immer wieder von neuem beginnt, aber stets die Echos seiner Vergangenheit in sich trägt. Die Frage ist nicht, ob sie verbunden sind, sondern *wie* sie verbunden sind – und die Antwort ist eine sich ständig neu erfindende Saga, die durch die Macht der Zeit selbst zusammengehalten wird.