Der Wunsch, Tierarzt oder Tierärztin zu werden, ist für viele junge Menschen mehr als nur ein Berufsziel – es ist eine Berufung. Doch der Weg dorthin ist steinig und beginnt oft mit einer nervenaufreibenden Wartezeit auf den ersehnten Studienplatz. Besonders das Studium der Tiermedizin an renommierten Hochschulen wie der FU Berlin ist extrem begehrt und somit stark zulassungsbeschränkt. Wenn die erste Runde der Zusagen vorbei ist und keine positive Nachricht im Postfach liegt, richtet sich alle Hoffnung auf das Nachrückverfahren. Doch wie realistisch sind die Chancen wirklich, über diesen Weg noch einen Platz an der Freien Universität Berlin zu ergattern? Wir tauchen tief in die Materie ein, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Der Traum vom Tierarztberuf: Warum Tiermedizin so begehrt ist
Die Veterinärmedizin fasziniert. Sie vereint naturwissenschaftliches Interesse, Empathie für Tiere und den Wunsch, Gutes zu tun. Ob in der Kleintierpraxis, im Zoo, in der Forschung oder im öffentlichen Gesundheitswesen – die Einsatzgebiete sind vielfältig und sinnstiftend. Diese Faszination führt jedoch zu einer immensen Bewerberzahl, die die Zahl der verfügbaren Studienplätze bei Weitem übersteigt. In Deutschland gibt es nur fünf Universitäten, die Tiermedizin anbieten, und die FU Berlin gehört dabei zu den begehrtesten Adressen. Die Konkurrenz ist gnadenlos, und ein exzellenter Schulabschluss ist oft nur die Grundvoraussetzung, nicht die Garantie.
Das Zulassungsverfahren: Ein Labyrinth aus Quoten und Kriterien
Das Zulassungsverfahren für bundesweit zulassungsbeschränkte Studiengänge wie die Tiermedizin wird zentral über hochschulstart.de koordiniert. Dabei werden die Plätze nach verschiedenen Quoten vergeben:
- Abiturbestenquote (30%): Hier zählen allein die Noten des Abiturs. Der Numerus Clausus (NC) für Tiermedizin liegt hier regelmäßig im 1,0-Bereich.
- Wartezeitquote (10%): Diese Quote spielte früher eine größere Rolle, ist aber mittlerweile durch eine Gesetzesänderung stark reduziert und wird in Zukunft gänzlich entfallen. Wer viele Semester auf einen Studienplatz gewartet hat, konnte hier profitieren.
- Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH, 60%): Dies ist die größte und wichtigste Quote. Die Universitäten können hier eigene Kriterien festlegen, die über die Abiturnote hinausgehen. Dazu gehören oft:
- Verbesserte Abiturnote durch spezielle Bonus-Punkte (z.B. für naturwissenschaftliche Leistungskurse).
- Ergebnis eines fachspezifischen Studierfähigkeitstests (z.B. der Test für medizinische Studiengänge, TMS, obwohl für Tiermedizin seltener verpflichtend).
- Abgeschlossene Berufsausbildung (z.B. als Tiermedizinische/r Fachangestellte/r).
- Praktische Tätigkeiten oder einschlägige ehrenamtliche Engagements.
- Auswahlgespräche (eher selten in Tiermedizin).
Die FU Berlin nutzt im Rahmen des AdH eine Kombination aus Abiturnote und weiteren qualifizierenden Kriterien. Dies macht das Verfahren komplex und unberechenbar für Bewerber, die nicht genau wissen, wie ihre individuellen Leistungen im Vergleich zu Tausenden anderen Kandidaten bewertet werden.
Das Nachrückverfahren: Eine zweite Chance?
Wenn die erste Runde der Zulassungen durch hochschulstart.de und die Universitäten abgeschlossen ist, bleiben oft Plätze unbesetzt. Dies kann verschiedene Gründe haben:
- Bewerber erhalten Zusagen von mehreren Hochschulen und entscheiden sich für einen anderen Studienort.
- Bewerber entscheiden sich kurzfristig gegen das Studium.
- Bewerber erfüllen Zulassungsbedingungen nicht fristgerecht (z.B. fehlende Unterlagen).
Genau für diese Fälle gibt es das Nachrückverfahren. Es ist im Grunde eine Wiederholung des Zulassungsverfahrens, bei dem die verbleibenden Studienplätze an die nächsten Bewerber auf den Ranglisten vergeben werden. Dieses Verfahren läuft ebenfalls zentral über hochschulstart.de ab und wird als „koordinierte Nachrückphase” bezeichnet.
Wie funktioniert das Nachrückverfahren konkret?
Im Rahmen der koordinierten Nachrückphase werden die Plätze in einer festgelegten Reihenfolge erneut angeboten. Bewerber, die in der Hauptphase keinen Platz erhalten haben oder deren bevorzugte Studiengänge noch Plätze frei haben, werden kontaktiert. Die Reihenfolge richtet sich dabei nach den ursprünglichen Ranglisten, die auf Basis der oben genannten Kriterien (Abiturnote, Wartezeit, AdH) erstellt wurden. Es ist wichtig zu verstehen, dass es keine neue Bewerbungsrunde gibt; es wird auf die bereits eingereichten Bewerbungen und Ranglisten zurückgegriffen.
Die Besonderheiten des Nachrückverfahrens für Tiermedizin an der FU Berlin
Die FU Berlin ist eine der renommiertesten Adressen für Tiermedizin in Deutschland. Entsprechend hoch ist die Nachfrage. Für das Nachrückverfahren an der FU gelten dieselben grundlegenden Mechanismen wie für alle Studiengänge, die über hochschulstart.de koordiniert werden. Die Chancen hängen maßgeblich von zwei Faktoren ab:
- Ihrer Position auf der Rangliste: Wie weit sind Sie vom ursprünglichen NC oder der letzten zugelassenen Person im AdH-Verfahren entfernt? Je näher Sie an diesen Grenzwerten sind, desto besser.
- Der Anzahl der freigewordenen Plätze: Dies ist die größte Unbekannte. Niemand kann vorhersagen, wie viele zugelassene Bewerber ihren Platz nicht annehmen werden.
Da Tiermedizin ein sogenannter „Unikum-Studiengang” ist (man studiert meist nur diesen einen Studiengang), ist die Anzahl der Absagen im Vergleich zu Mehrfachbewerbern (z.B. auf BWL und Jura gleichzeitig) oft geringer. Viele Bewerber haben nur dieses eine Ziel und nehmen einen Studienplatz, wenn sie ihn bekommen. Dennoch gibt es immer Abspringer. Manche entscheiden sich für eine andere Uni, manche für eine Ausbildung, andere verschieben den Studienbeginn.
Faktoren, die Ihre Chancen beeinflussen
Es gibt verschiedene Aspekte, die über Erfolg oder Misserfolg im Nachrückverfahren entscheiden können:
1. Die Nähe zum ursprünglichen NC und den AdH-Grenzwerten
Wenn Ihre Abiturnote beispielsweise 1,1 betrug und der letzte NC 1,0 war, stehen Ihre Chancen im Nachrückverfahren besser, als wenn Ihr Schnitt 1,5 betrug. Ähnliches gilt für die Punktzahlen, die im AdH-Verfahren vergeben wurden. Je höher Ihre Punktzahl im AdH war, desto weiter oben stehen Sie auf der Rangliste, und desto eher rücken Sie nach.
2. Die Anzahl der Absagen
Dieser Faktor ist völlig unberechenbar. Eine hohe Anzahl von Absagen kann dazu führen, dass die Wartelisten deutlich „aufrücken”. Eine geringe Anzahl bedeutet, dass sich kaum etwas bewegt. Universitäten veröffentlichen in der Regel nicht, wie viele Plätze im Nachrückverfahren vergeben werden.
3. Ihre Priorisierung bei hochschulstart.de
Bewerber können bei hochschulstart.de bis zu zwölf Studienwünsche angeben und diese priorisieren. Wenn Sie die Tiermedizin an der FU Berlin als Ihre erste Priorität angegeben haben und alle anderen Zulassungsangebote ablehnen, erhöht dies Ihre Chancen, falls Ihr Platz auf der Warteliste erreicht wird, da Sie dann für diesen Studiengang fest zugelassen werden können.
4. Der „Dominoeffekt“
Das Nachrückverfahren kann einen Dominoeffekt auslösen. Wenn ein Bewerber einen Platz an der FU Berlin annimmt, den er vorher an einer anderen Universität erhalten hat, wird der Platz an der anderen Universität frei und löst dort wiederum ein Nachrücken aus. Dieses komplexe Zusammenspiel kann dazu führen, dass sich auch weit hinten liegende Plätze noch bewegen, wenn auch selten in den begehrtesten Studiengängen.
Realistische Einschätzung der Chancen: Zwischen Hoffnung und Realität
Es ist wichtig, ehrlich zu sein: Die Chancen im Nachrückverfahren für Tiermedizin an der FU Berlin sind gering, wenn man nicht schon sehr nah am ursprünglichen NC oder den AdH-Grenzwerten war. Die Anzahl der Plätze, die freigeben werden, ist meist überschaubar. Ein Nachrücken von mehreren Zehnteln im NC oder vielen hundert Plätzen auf der Rangliste ist extrem selten, aber nicht gänzlich ausgeschlossen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie die Hoffnung aufgeben sollten! Solange Sie auf der Warteliste stehen, besteht eine Chance. Diese Ungewissheit ist es, die das „Zittern” verursacht. Es erfordert viel Geduld und Nervenstärke.
Was Sie tun können, während Sie warten
1. Geduld bewahren und informiert bleiben
Das Nachrückverfahren kann sich über Wochen hinziehen. Prüfen Sie regelmäßig Ihr hochschulstart.de-Konto und Ihr E-Mail-Postfach. Panik oder ständiges Nachfragen bei der Universität sind selten hilfreich, da die Abläufe zentral gesteuert werden und die Universitäten oft keine Auskunft über den aktuellen Stand der Nachrückerliste geben können.
2. Plan B schmieden: Alternativen für Ihren Traum
Gerade weil die Chancen im Nachrückverfahren begrenzt sind, ist es unerlässlich, einen Plan B in der Tasche zu haben. Dies nimmt Ihnen einen Großteil des psychischen Drucks und gibt Ihnen das Gefühl, die Kontrolle zu behalten. Mögliche Alternativen sind:
- Alternative Studiengänge: Überlegen Sie, ob ein fachverwandter Studiengang wie Biologie, Agrarwissenschaften, Biomedizin oder Pferdewissenschaften eine Option für Sie sein könnte. Diese Studiengänge können eine gute Grundlage für ein späteres Tiermedizin-Studium im Ausland bilden oder Ihnen andere Karrierewege im Tierbereich eröffnen.
- Ausbildung im Tierbereich: Eine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten (TFA) ist eine ausgezeichnete Vorbereitung. Sie sammeln nicht nur wertvolle praktische Erfahrungen, die später im Studium nützlich sind, sondern können auch im AdH-Verfahren für eine erneute Bewerbung punkten.
- Praktika oder Freiwilligendienste: Engagieren Sie sich in Tierheimen, Tierarztpraxen, Zoos oder auf Bauernhöfen. Jede Erfahrung im Umgang mit Tieren und im tiermedizinischen Umfeld ist wertvoll und zeigt Ihr Engagement.
- Auslandsstudium: Viele deutsche Abiturienten entscheiden sich für ein Tiermedizin-Studium im europäischen Ausland (z.B. Ungarn, Polen, Slowakei, Tschechien, Österreich). Die Studiengebühren sind hier oft höher, aber die Zulassungskriterien können weniger streng sein. Achten Sie darauf, dass der Abschluss in Deutschland anerkannt wird.
- Verbesserung der Qualifikationen für die nächste Bewerbung: Wenn es dieses Jahr nicht klappt, nutzen Sie die Zeit, um Ihre Bewerbung für das nächste Jahr zu optimieren. Sammeln Sie praktische Erfahrungen, besuchen Sie relevante Kurse oder erwerben Sie Bonuspunkte, die im AdH-Verfahren der FU Berlin oder einer anderen Universität von Vorteil sein könnten.
Die emotionale Achterbahnfahrt: Umgang mit der Ungewissheit
Das Warten auf eine Zulassung, besonders im Nachrückverfahren, ist eine enorme psychische Belastung. Es ist völlig normal, sich ängstlich, frustriert oder hoffnungsvoll zu fühlen. Sprechen Sie mit Freunden, Familie oder Vertrauenspersonen über Ihre Gefühle. Suchen Sie sich Aktivitäten, die Sie ablenken und Ihnen Freude bereiten. Wichtig ist, sich nicht ausschließlich auf diese eine Entscheidung zu fixieren, sondern aktiv an Ihren Alternativplänen zu arbeiten. Ein Studienplatz ist wichtig, aber nicht das Einzige, was Ihr Leben erfüllt.
Fazit: Ein Funken Hoffnung, aber mit realistischer Perspektive
Das Zittern um den Studienplatz für Tiermedizin an der FU Berlin im Nachrückverfahren ist eine Realität für viele Bewerber. Die Chancen sind zwar meist gering, aber nicht null. Ein kleines Fünkchen Hoffnung bleibt immer, solange das Verfahren läuft. Entscheidend ist, wie nah Sie am ursprünglichen NC oder den AdH-Grenzwerten liegen und wie viele Plätze tatsächlich frei werden. Unabhängig vom Ausgang ist es jedoch essenziell, sich nicht entmutigen zu lassen. Der Traum vom Tierarztberuf ist auch über Umwege oder alternative Pfade erreichbar. Nutzen Sie die Wartezeit, um sich weiterzuentwickeln, Erfahrungen zu sammeln und Ihre Leidenschaft für die Tiermedizin zu stärken – egal, ob Sie am Ende an der FU Berlin studieren oder einen anderen Weg einschlagen.