Es erwischt jeden mal: Ein Kratzen im Hals, ein pochender Kopf oder eine hartnäckige Erkältung zwingen uns ins Bett. Als Arbeitnehmer stellt sich dann schnell die Frage: Was muss ich jetzt tun? Wen muss ich informieren? Und vor allem: Ab wann brauche ich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (kurz: AU) vom Arzt? Die Regeln rund um die Krankmeldung können auf den ersten Blick verwirrend wirken. Doch keine Sorge, dieser Artikel beleuchtet die gesetzlichen Vorschriften, gängige Praxis und wichtige Ausnahmen, damit Sie im Krankheitsfall immer auf der sicheren Seite sind.
Einleitung: Wenn der Körper streikt – Was tun bei Krankheit?
Plötzlich krank zu werden, ist nicht nur unangenehm, sondern kann auch Stress verursachen, wenn man sich unsicher ist, wie man sich im Job korrekt verhalten soll. Die wichtigste Devise lautet immer: Ruhe bewahren und die richtigen Schritte einleiten. Das Arbeitsrecht in Deutschland bietet klare Richtlinien, um sowohl die Rechte des Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung als auch die Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Der Kernpunkt ist dabei die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, umgangssprachlich auch „gelber Schein“ oder „Attest“ genannt, die Ihre Arbeitsunfähigkeit offiziell bestätigt.
Die rechtliche Grundlage: Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)
Die Spielregeln für die Krankmeldung sind in Deutschland hauptsächlich im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) festgelegt. Dieses Gesetz regelt Ihren Anspruch auf Fortzahlung Ihres Gehalts, wenn Sie wegen Krankheit arbeitsunfähig sind. Es ist auch die zentrale Vorschrift, die festlegt, wann Sie eine ärztliche Bescheinigung über Ihre Arbeitsunfähigkeit vorlegen müssen. Das EFZG stellt sicher, dass Sie bei Krankheit nicht sofort in finanzielle Not geraten, sondern für eine bestimmte Dauer weiterhin Ihr volles Gehalt erhalten. Im Gegenzug fordert es von Ihnen, dass Sie Ihre Arbeitsunfähigkeit korrekt melden und nachweisen.
Die Faustregel: Wann benötige ich eine AU-Bescheinigung?
Der Paragraph 5 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes ist hier eindeutig:
„Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.“
Was bedeutet das konkret? Die sogenannte „3-Tages-Regel“ besagt, dass Sie in der Regel spätestens am vierten Kalendertag Ihrer Krankheit eine ärztliche Bescheinigung vorlegen müssen. Hierbei zählen alle Kalendertage, also auch Wochenenden und Feiertage. Ist der dritte Krankheitstag beispielsweise ein Sonntag, müssen Sie das Attest spätestens am darauffolgenden Montag (als viertem Kalendertag) Ihrem Arbeitgeber vorlegen.
Beispiel: Sie werden am Mittwoch krank.
- Mittwoch: 1. Krankheitstag
- Donnerstag: 2. Krankheitstag
- Freitag: 3. Krankheitstag
In diesem Fall müssten Sie das Attest spätestens am Montag der Folgewoche vorlegen (sofern dies der vierte Kalendertag ist und der Freitag Ihr letzter Arbeitstag war). Sollten Sie aber bereits am Donnerstag oder Freitag wieder fit sein, ist in der Regel kein Attest nötig.
Die Pflicht zur unverzüglichen Meldung: Immer das A und O
Bevor wir uns weiter mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beschäftigen, ist es entscheidend, die Meldepflicht zu verstehen. Unabhängig davon, ob Sie ein Attest benötigen oder nicht, sind Sie verpflichtet, Ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer Ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. „Unverzüglich“ bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, also so schnell wie möglich nach Bekanntwerden der Arbeitsunfähigkeit, spätestens aber zu Beginn Ihrer regulären Arbeitszeit. Dies ist essenziell für die Personalplanung Ihres Arbeitgebers.
Wie die Mitteilung erfolgen soll, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Telefonanruf, E-Mail oder auch eine Nachricht über Messenger-Dienste können ausreichen, solange der Arbeitgeber die Information tatsächlich erhält. Viele Unternehmen haben jedoch interne Richtlinien, die den bevorzugten Kommunikationsweg festlegen. Informieren Sie sich am besten frühzeitig über die Vorgaben in Ihrem Betrieb. Wichtig ist, dass Sie nicht nur mitteilen, *dass* Sie krank sind, sondern auch *wie lange* Sie voraussichtlich ausfallen werden, damit der Arbeitgeber planen kann.
Ausnahmen bestätigen die Regel: Wenn der Chef das Attest früher verlangt
Die 3-Tages-Regel ist zwar die gesetzliche Standardregelung, aber Arbeitgeber haben das Recht, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch schon früher zu verlangen – sogar ab dem ersten Krankheitstag. Dieses Recht ist ebenfalls im Entgeltfortzahlungsgesetz verankert (§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG). Der Arbeitgeber muss hierfür keine besonderen Gründe nennen; er kann dies aus reinem Ermessen tun. Oft ist diese Regelung im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag festgehalten. Ist dies der Fall, müssen Sie dieser Anweisung Folge leisten. Informieren Sie sich also unbedingt über die spezifischen Regelungen in Ihrem Arbeits- oder Tarifvertrag.
Warum verlangen Arbeitgeber manchmal eine AU ab dem ersten Tag?
- Hoher Krankenstand: In Betrieben mit häufigen Kurzerkrankungen kann dies ein Mittel sein, um den Krankenstand zu senken.
- Misstrauen: Bei Verdacht auf Blaumachen oder wiederholten Kurzerkrankungen vor oder nach Wochenenden/Feiertagen kann der Arbeitgeber dieses Recht nutzen.
- Betriebliche Notwendigkeit: In kleinen Teams oder bei Positionen mit hoher Verantwortung kann jeder Ausfall kritisch sein.
Wird von Ihnen ein Attest ab dem ersten Tag verlangt, müssen Sie dieses spätestens am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit besorgen und am zweiten Tag vorlegen. Es ist ratsam, bereits am ersten Krankheitstag zum Arzt zu gehen, wenn Sie wissen, dass Ihr Arbeitgeber dies verlangt, um Verzögerungen zu vermeiden.
Der Weg zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Arztbesuch und eAU
Wenn klar ist, dass Sie eine AU benötigen, führt der Weg zum Arzt. Der Arzt stellt nach der Untersuchung die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. Diese bestätigt nicht nur Ihre Arbeitsunfähigkeit, sondern auch deren voraussichtliche Dauer. Bislang gab es den bekannten „gelben Schein”, der aus mehreren Durchschlägen bestand: einer für Sie, einer für den Arbeitgeber und einer für die Krankenkasse.
Seit 2023 ist in Deutschland die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) das Standardverfahren. Das bedeutet, dass die AU nicht mehr in Papierform ausgedruckt und persönlich übergeben werden muss. Stattdessen übermittelt die Arztpraxis die Daten Ihrer AU digital an Ihre Krankenkasse. Ihre Krankenkasse wiederum stellt die Daten dann dem Arbeitgeber zum Abruf bereit. Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet das eine erhebliche Erleichterung: Sie müssen die AU nicht mehr selbst zum Arbeitgeber bringen oder per Post schicken.
Was müssen Sie bei der eAU beachten?
- Meldepflicht bleibt: Sie müssen Ihren Arbeitgeber weiterhin unverzüglich über Ihre Arbeitsunfähigkeit informieren. Die eAU ersetzt nicht die Mitteilungspflicht!
- Keine Kopie für den Arbeitgeber: Sie erhalten vom Arzt in der Regel nur noch einen Ausdruck für Ihre Unterlagen. Diesen müssen Sie nicht dem Arbeitgeber vorlegen.
- Kontrollpflicht: Es ist ratsam, sich vom Arzt eine schriftliche Bestätigung der AU geben zu lassen und den Übertragungsvorgang zu verfolgen, falls es zu technischen Problemen kommen sollte. So können Sie im Zweifelsfall nachweisen, dass Sie beim Arzt waren.
- Datenschutz: Ihr Arbeitgeber erhält über die eAU nur die Information, dass Sie arbeitsunfähig sind und für welchen Zeitraum. Die Diagnose bleibt streng vertraulich und wird dem Arbeitgeber nicht übermittelt.
Was tun, wenn die Krankheit länger dauert?
Sollten Sie länger krank sein als ursprünglich von Ihrem Arzt prognostiziert, müssen Sie erneut einen Arzt aufsuchen, um eine Folgebescheinigung ausstellen zu lassen. Diese Folge-AU muss nahtlos an die erste AU anschließen. Stellen Sie sicher, dass dies zeitgerecht geschieht, um keine Lücke in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu haben, da dies zu Problemen mit der Lohnfortzahlung führen könnte. Nach sechs Wochen ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit für dieselbe Krankheit endet der Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Ab diesem Zeitpunkt erhalten Sie in der Regel Krankengeld von Ihrer Krankenkasse.
Häufige Missverständnisse und Sonderfälle
- Krankheit im Urlaub: Was gilt? Wer im Urlaub krank wird, sollte unverzüglich den Arbeitgeber informieren und sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lassen. Die Tage, an denen Sie nachweislich krank waren, werden dann nicht auf Ihren Urlaubsanspruch angerechnet. Sie können die verpassten Urlaubstage nachholen, sobald Sie wieder gesund sind. Ohne Attest gelten die Urlaubstage als genommen.
- Krankheit am Wochenende oder Feiertag: Zählen sie mit? Ja, für die Berechnung der 3-Tages-Frist zählen Wochenenden und Feiertage mit. Wenn Sie also am Freitag krank werden, ist der Sonntag der dritte Kalendertag. Das Attest müsste in diesem Fall spätestens am Montag vorliegen, sofern Ihr Arbeitgeber keine AU ab dem 1. Tag verlangt.
- Kurze Krankheiten: Attestpflicht bei Rückfall. Wenn Sie kurz krank sind, keine AU benötigen, aber nach kurzer Genesung erneut mit derselben Krankheit ausfallen, kann dies als Fortsetzung der ursprünglichen Krankheit gewertet werden. Dann können die Tage zusammengezählt werden, und eine Attestpflicht tritt früher ein.
- Minijobber und Auszubildende: Gelten hier andere Regeln? Grundsätzlich gelten die Regelungen des EFZG und die Pflicht zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch für Minijobber, Auszubildende und Teilzeitkräfte. Es gibt keine Sonderregeln bezüglich der Attestpflicht.
Konsequenzen bei fehlendem oder verspätetem Attest
Die Nichtbeachtung der Vorschriften zur Krankmeldung kann ernste Konsequenzen haben.
- Entzug der Lohnfortzahlung: Wenn Sie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht fristgerecht vorlegen, ist der Arbeitgeber berechtigt, die Lohnfortzahlung für die Tage der fehlenden Bescheinigung zu verweigern.
- Abmahnung: Ein Verstoß gegen die Meldepflicht oder die Pflicht zur fristgerechten Vorlage des Attestes kann zu einer Abmahnung führen. Dies ist eine offizielle Verwarnung, die im schlimmsten Fall eine Kündigung nach sich ziehen kann, wenn sich das Verhalten wiederholt.
- Kündigung: Im Extremfall, insbesondere bei wiederholten Pflichtverletzungen oder arglistiger Täuschung (z.B. Vortäuschung einer Krankheit ohne AU), kann eine Kündigung drohen. Dies ist zwar die letzte Konsequenz, zeigt aber die Ernsthaftigkeit, mit der die Einhaltung dieser Regeln gesehen wird.
Kommunikation ist hier der Schlüssel: Sollte es Ihnen aus wichtigen Gründen (z.B. sehr schwerer Krankheit) nicht möglich sein, ein Attest rechtzeitig zu besorgen, informieren Sie Ihren Arbeitgeber so schnell wie möglich darüber und erklären Sie die Situation. Oft lässt sich eine Lösung finden.
Datenschutz bei der Krankmeldung: Was der Chef wissen darf – und was nicht
Ein wichtiger Aspekt, der oft Fragen aufwirft, ist der Datenschutz. Ihr Arbeitgeber hat das Recht, über Ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer informiert zu werden, um die Arbeitsabläufe zu planen. Er hat jedoch kein Recht, nach Ihrer Diagnose zu fragen oder andere medizinische Details zu erfahren. Dies ist durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das deutsche Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geschützt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst enthält keine Diagnose, und die eAU übermittelt ebenfalls keine detaillierten Gesundheitsinformationen an den Arbeitgeber.
Checkliste für Arbeitnehmer: So machen Sie alles richtig
- Informieren Sie Ihren Arbeitgeber unverzüglich: Sobald Sie wissen, dass Sie arbeitsunfähig sind, rufen Sie an oder senden Sie eine E-Mail – idealerweise noch vor Arbeitsbeginn. Nennen Sie den Grund (Krankheit) und die voraussichtliche Dauer.
- Prüfen Sie Ihren Arbeitsvertrag/Tarifvertrag: Hat Ihr Arbeitgeber das Recht, eine AU ab dem ersten Tag zu verlangen? Wenn ja, handeln Sie entsprechend.
- Besuchen Sie rechtzeitig den Arzt: Spätestens am vierten Kalendertag der Krankheit, oder falls vom Arbeitgeber früher verlangt, entsprechend früher.
- Vergewissern Sie sich bei der eAU: Fragen Sie in der Arztpraxis, ob die elektronische Übermittlung erfolgreich war. Bewahren Sie den Ausdruck für Ihre Unterlagen auf.
- Kommunizieren Sie bei längerer Krankheit: Sorgen Sie für eine lückenlose Folgebescheinigung, wenn Ihre Arbeitsunfähigkeit länger andauert als ursprünglich prognostiziert.
- Bleiben Sie erreichbar (falls gewünscht): Während der Krankheit müssen Sie nicht permanent erreichbar sein, aber eine Möglichkeit für den Arbeitgeber, Sie bei dringenden Fragen zu kontaktieren, ist ratsam.
Fazit: Klare Regeln schaffen Sicherheit für alle
Die Regeln rund um die Krankmeldung und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind klar definiert und sollen sowohl Arbeitnehmer schützen als auch Arbeitgebern Planungssicherheit geben. Die wichtigste Lehre ist: Kommunizieren Sie proaktiv und halten Sie sich an die Fristen. Die digitale Ära mit der eAU vereinfacht den Prozess der Attestübermittlung erheblich und nimmt Arbeitnehmern eine Last ab. Wer die gesetzlichen Bestimmungen kennt und die betrieblichen Vorgaben beachtet, kann sich im Krankheitsfall voll und ganz auf seine Genesung konzentrieren, ohne sich Sorgen um den Job machen zu müssen.
Sollten Sie jemals unsicher sein, wie Sie in einer konkreten Situation vorgehen sollen, ist der Betriebsrat, die Personalabteilung oder eine Rechtsberatung die richtige Anlaufstelle. Im Allgemeinen gilt jedoch: Eine transparente und fristgerechte Kommunikation mit Ihrem Arbeitgeber ist der beste Weg, um Missverständnisse und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.