Fordern wirklich alle Stellen im Öffentlichen Dienst bei der Bewerbung Ihre Personalakte an?

Die Bewerbung im Öffentlichen Dienst ist oft von spezifischen Regelungen und Prozessen geprägt, die sich vom privaten Sektor unterscheiden. Eine häufig gestellte Frage, die bei vielen Bewerbern Unsicherheit auslöst, betrifft die **Personalakte**. Muss wirklich jede Stelle im Öffentlichen Dienst bei einer Bewerbung die gesamte Personalakte anfordern? Die Antwort ist, wie so oft im komplexen Verwaltungsrecht, nicht einfach nur „Ja” oder „Nein”, sondern hängt von verschiedenen Faktoren ab. Tauchen wir gemeinsam ein in die Tiefen des Beamtenrechts, des Tarifrechts und des Datenschutzes, um diese Frage umfassend zu beleuchten.

### Was genau ist eine Personalakte?

Bevor wir die Frage nach der Anforderung klären, ist es wichtig zu verstehen, was eine **Personalakte** überhaupt ist. Im Wesentlichen ist die Personalakte eine Sammlung aller Dokumente, die die persönliche und dienstliche Entwicklung eines Mitarbeiters oder Beamten während seines Beschäftigungsverhältnisses betreffen. Dazu gehören typischerweise:

* Bewerbungsunterlagen und Einstellungsdaten
* Arbeits- oder Dienstverträge
* Veränderungsmitteilungen (z.B. Höhergruppierungen, Versetzungen)
* Leistungsbeurteilungen und Zielvereinbarungen
* Nachweise über Fort- und Weiterbildungen
* Urlaubs- und Fehlzeitenübersichten
* Abmahnungen, Disziplinarverfahren oder andere dienstrechtliche Maßnahmen
* Gehaltsabrechnungen und sozialversicherungsrechtliche Unterlagen (oft in einem gesonderten Teilakt)
* Ausscheiden aus dem Dienst

Die Personalakte dient als zentrale Informationsquelle für den Arbeitgeber und ist sowohl für verwaltungsinterne Zwecke als auch zur Einhaltung rechtlicher Vorgaben unerlässlich. Sie bildet die Grundlage für personalwirtschaftliche Entscheidungen und kann im Falle von Rechtsstreitigkeiten eine wichtige Rolle spielen.

### Die Rechtsgrundlagen: Eine Frage der Zuständigkeit und des Zwecks

Die Frage, ob eine Personalakte angefordert werden darf oder muss, berührt verschiedene Rechtsbereiche, allen voran das **Beamtenrecht** (Bundesbeamtengesetz – BBG, Landesbeamtengesetze), die **Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst** (z.B. TVöD, TV-L) und natürlich das **Datenschutzrecht** (insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO und das Bundesdatenschutzgesetz – BDSG).

**1. Innerhalb derselben Behörde oder Körperschaft:**
Wenn Sie sich innerhalb derselben Behörde, desselben Ressorts oder derselben Körperschaft des Öffentlichen Dienstes auf eine neue Stelle bewerben (z.B. von einer Abteilung in eine andere, oder von einer Kommune zu einem anderen Amt innerhalb derselben Kommunalverwaltung), ist es die Regel, dass die Personalakte für den Bewerbungsprozess herangezogen wird. Hierbei handelt es sich nicht um eine „Anforderung” im Sinne eines Datentransfers zwischen zwei eigenständigen Stellen, sondern um einen internen Zugriff der Personalverwaltung. Die Personalakte ist bereits vorhanden und dient als umfassende Informationsquelle für die Personalentscheidung. Dies ist der häufigste Fall, in dem die Personalakte „automatisch“ im Bewerbungsprozess berücksichtigt wird.

**2. Wechsel zwischen verschiedenen, rechtlich eigenständigen öffentlichen Arbeitgebern:**
Dies ist der komplexere Fall. Wenn Sie beispielsweise von einer Bundesbehörde zu einer Landesbehörde wechseln möchten, von einer Kommune in eine andere Stadt oder vom Land zu einer Anstalt des Öffentlichen Rechts, handelt es sich um einen Wechsel zwischen zwei verschiedenen, wenn auch öffentlichen, Arbeitgebern. Hier greifen die strengen Regeln des **Datenschutzes**.

* **Grundsatz der Datensparsamkeit und Zweckbindung:** Die DSGVO legt fest, dass personenbezogene Daten nur für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben und verarbeitet werden dürfen (Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO). Das bedeutet, ein neuer Arbeitgeber darf nur die Informationen anfordern, die für die Begründung oder Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses **erforderlich** sind. Eine pauschale Anforderung der gesamten Personalakte ist in den meisten Fällen nicht durch diesen Grundsatz gedeckt.
* **Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit:** Die Anforderung von Daten muss dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen. Ist es wirklich notwendig, die gesamte Historie des bisherigen Dienstverhältnisses zu kennen, oder reichen Zeugnisse und spezifische Informationen?
* **Einwilligung des Bewerbers:** Dies ist der entscheidende Punkt. Ein Austausch der vollständigen Personalakte zwischen zwei rechtlich eigenständigen öffentlichen Arbeitgebern ist in der Regel nur mit der ausdrücklichen und informierten **Einwilligung des Bewerbers** zulässig. Ohne Ihre Zustimmung darf die alte Dienststelle Ihre Personalakte nicht einfach an die neue senden. Oft wird in den Bewerbungsunterlagen ein Passus aufgenommen, der die Einwilligung zur Anforderung der Personalakte oder bestimmter Teile davon vorsieht. Achten Sie genau darauf, was Sie unterschreiben!
* **Spezifische Informationen anstelle der gesamten Akte:** Häufiger als die Anforderung der *gesamten* Akte ist die Anforderung *spezifischer Informationen* über das bisherige Dienstverhältnis. Dies können Angaben zur bisherigen Besoldungs- oder Entgeltgruppe, zur Dauer der Beschäftigung, zu relevanten Fortbildungen oder zu speziellen Regelungen (z.B. Versorgungsanwartschaften) sein. Auch hier sollte der Grundsatz der Erforderlichkeit und die Einwilligung des Bewerbers beachtet werden.

**3. Wechsel vom Privatsektor in den Öffentlichen Dienst:**
Hier ist die Sachlage klar: Ein öffentlicher Arbeitgeber kann und wird nicht die Personalakte von einem privaten Arbeitgeber anfordern. Private Unternehmen unterliegen anderen rechtlichen Rahmenbedingungen und sind nicht verpflichtet, solche Daten weiterzugeben, abgesehen von Zeugnissen, die Sie selbst vorlegen. In diesem Fall wird für Sie eine komplett neue Personalakte beim öffentlichen Arbeitgeber angelegt. Ihre bisherige Berufserfahrung wird anhand Ihrer vorgelegten Zeugnisse und Referenzen bewertet.

### Warum der Mythos der „immer angeforderten Personalakte” existiert

Der Glaube, dass jede Stelle im Öffentlichen Dienst automatisch die gesamte Personalakte anfordert, rührt möglicherweise aus verschiedenen Gründen:

* **Verwechslung interner und externer Prozesse:** Wie oben erläutert, ist die Nutzung der Personalakte bei internen Versetzungen Standard. Dies wird oft pauschal auf alle Bewerbungen im Öffentlichen Dienst übertragen.
* **Historische Praktiken:** Früher, bevor der **Datenschutz** in seiner heutigen Form so streng reguliert war, mag der Austausch von Personalakten zwischen öffentlichen Stellen unkomplizierter gewesen sein.
* **Missverständnis von „Dienstzeugnissen” und „Referenzen”:** Manchmal werden diese mit der Personalakte gleichgesetzt, obwohl sie nur einen Teil der Informationen darstellen.
* **Spezialfälle:** In bestimmten sensiblen Bereichen, die beispielsweise eine Sicherheitsüberprüfung erfordern, kann es zu umfassenderen Abfragen kommen, die über die übliche Bewerbung hinausgehen. Diese sind jedoch streng gesetzlich geregelt und nicht gleichbedeutend mit der Übermittlung der gesamten Personalakte.

### Vorteile und Nachteile der Aktenanforderung

Aus Sicht des Arbeitgebers hat die Anforderung der Personalakte bei einem Wechsel innerhalb des Öffentlichen Dienstes Vorteile:

* **Umfassendes Bild:** Der neue Arbeitgeber erhält ein detailliertes Bild der bisherigen Leistungen, Erfahrungen und des Verhaltens des Bewerbers.
* **Rechtssicherheit:** Alle relevanten Informationen, die für die Einstellung und spätere Personalverwaltung wichtig sind (z.B. Besoldungsgruppe, Stufenlaufzeiten, Disziplinarvermerke), liegen vor.
* **Effizienz:** Es spart Zeit, da nicht alle Informationen neu abgefragt oder gesammelt werden müssen, insbesondere bei Beamtenverhältnissen.

Für Bewerber gibt es jedoch auch potenzielle Nachteile und Bedenken:

* **Datenschutz und Privatsphäre:** Der Gedanke, dass eine umfassende Akte mit persönlichen Details und möglicherweise auch negativen Vermerken weitergegeben wird, kann unbehaglich sein.
* **Kein „Neuanfang”:** Die Geschichte der bisherigen Dienstverhältnisse kann eine Rolle spielen, auch wenn man vielleicht eine neue Chance sucht.
* **Fehler in der Akte:** Fehlerhafte oder unvollständige Einträge in der Personalakte könnten unbemerkt weitergegeben werden.

### Ihre Rechte als Bewerber und Arbeitnehmer

Der **Datenschutz** ist ein hohes Gut, und das gilt auch für Ihre Personalakte. Sie haben als Betroffener umfassende Rechte:

* **Recht auf Auskunft (Art. 15 DSGVO):** Sie haben das Recht zu erfahren, welche Daten über Sie gespeichert sind und zu welchem Zweck sie verarbeitet werden. Sie können jederzeit Einsicht in Ihre Personalakte verlangen.
* **Recht auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO):** Sollten Sie feststellen, dass Daten in Ihrer Personalakte unrichtig oder unvollständig sind, haben Sie das Recht auf Berichtigung.
* **Recht auf Löschung (Art. 17 DSGVO):** Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie die Löschung von Daten verlangen, wenn diese nicht mehr erforderlich sind oder unrechtmäßig verarbeitet wurden. Dies ist bei einer aktiven Personalakte naturgemäß begrenzt, aber beispielsweise für alte, irrelevante Daten möglich.
* **Recht auf Widerspruch (Art. 21 DSGVO):** Wenn die Verarbeitung Ihrer Daten auf einem berechtigten Interesse beruht, können Sie Widerspruch einlegen, es sei denn, es liegen zwingende schutzwürdige Gründe des Arbeitgebers vor.
* **Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO):** Dieses Recht ist im Kontext der Personalakte nur sehr eingeschränkt relevant, da es sich meist um Daten handelt, die nicht automatisiert verarbeitet werden und die Grundlage für die rechtliche Beziehung bilden.

**Was können Sie tun?**
Wenn Sie sich auf eine Stelle im Öffentlichen Dienst bewerben und unsicher sind, ob Ihre Personalakte angefordert wird:

1. **Lesen Sie genau:** Achten Sie in den Bewerbungsunterlagen und im Anschreiben auf Passagen, die sich auf die Anforderung von Informationen bei früheren Arbeitgebern beziehen.
2. **Fragen Sie nach:** Scheuen Sie sich nicht, bei der personalverantwortlichen Stelle nachzufragen, welche Daten genau angefordert werden und auf welcher Rechtsgrundlage dies geschieht.
3. **Geben Sie nur informierte Einwilligung:** Stimmen Sie der Anforderung der Personalakte nur zu, wenn Sie genau wissen, welche Daten übermittelt werden und wofür sie verwendet werden. Sie können Ihre Einwilligung auch auf bestimmte Teile der Akte beschränken.

### Fazit und Empfehlungen für Bewerber

Die Behauptung, dass *alle* Stellen im Öffentlichen Dienst bei einer Bewerbung die gesamte Personalakte anfordern, ist ein **Mythos**. Die Realität ist wesentlich nuancierter und hängt entscheidend davon ab, ob Sie sich innerhalb derselben Organisation bewegen oder zu einem rechtlich eigenständigen öffentlichen Arbeitgeber wechseln.

**Zusammenfassend lässt sich sagen:**

* **Innerhalb derselben Behörde/Körperschaft:** Ja, die Personalakte wird für die Bewerbung herangezogen. Dies ist ein interner Prozess.
* **Zwischen verschiedenen, rechtlich eigenständigen öffentlichen Arbeitgebern:** In der Regel **nicht ohne Ihre ausdrückliche Einwilligung**. Oft werden nur **spezifische, relevante Informationen** angefordert, nicht die gesamte Akte, und auch das nur mit Ihrer Zustimmung und wenn es für die neue Position erforderlich und verhältnismäßig ist.
* **Vom Privatsektor in den Öffentlichen Dienst:** Nein, Ihre Personalakte vom privaten Arbeitgeber wird nicht angefordert.

Die Einhaltung des **Datenschutzrechts** (DSGVO, BDSG) ist hierbei von zentraler Bedeutung. Öffentliche Arbeitgeber sind an strenge Regeln gebunden, was die Erhebung, Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten angeht.

Für Bewerber bedeutet das: Seien Sie informiert und aktiv! Fragen Sie nach, lesen Sie genau und machen Sie von Ihren Datenschutzrechten Gebrauch. Der Öffentliche Dienst ist ein attraktiver Arbeitgeber, und ein transparentes Vorgehen in Bezug auf Ihre Daten sollte zum Standard gehören.