Die Ausbildung ist eine spannende Zeit – voller neuer Eindrücke, Lerninhalte und dem ersten Schritt in die Berufswelt. Doch Hand aufs Herz: Das Azubi-Gehalt ist oft kein Luxusgehalt. Viele junge Menschen träumen von mehr finanzieller Unabhängigkeit, sei es für das erste eigene Auto, eine neue Wohnung oder einfach nur, um sich ab und zu etwas Besonderes leisten zu können. Da liegt der Gedanke nahe: Wäre ein Nebenjob nicht die perfekte Lösung für eine zusätzliche Finanzspritze für Azubis?
Die Kombination aus Ausbildung, Berufsschule und einem Nebenjob klingt verlockend, birgt aber auch einige Herausforderungen. Ist Teilzeit arbeiten trotz Berufsschule überhaupt erlaubt? Und wenn ja, was musst du beachten, damit dein Nebenjob nicht zum Stolperstein für deine Ausbildung wird? Dieser Artikel beleuchtet alle wichtigen Aspekte, gibt dir rechtliche Einblicke und praktische Tipps, damit du eine fundierte Entscheidung treffen kannst.
Die rechtliche Seite: Was ist erlaubt und was nicht?
Bevor du dich auf die Jobsuche begibst, ist es essenziell, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verstehen. Das deutsche Ausbildungssystem ist darauf ausgelegt, dir eine fundierte berufliche Qualifikation zu ermöglichen. Das hat Vorrang vor jedem Nebenjob.
Die Bedeutung des Ausbildungsvertrags und des Berufsbildungsgesetzes (BBiG)
Dein Ausbildungsvertrag ist das Fundament deiner Ausbildung. Er regelt deine Pflichten und die deines Ausbildungsbetriebs. Gemäß dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) hat die Ausbildung Priorität. Das bedeutet, dass ein Nebenjob die Erreichung deines Ausbildungsziels nicht gefährden darf. Dein Ausbildungsbetrieb hat ein Recht darauf, dass du deine volle Leistung und Konzentration der Ausbildung widmest.
Grundsätzlich ist dir das Ausüben einer Nebentätigkeit nicht generell verboten. Aber Achtung: Du brauchst in den meisten Fällen die Zustimmung des Ausbildungsbetriebs. Viele Ausbildungsverträge enthalten Klauseln, die eine Nebentätigkeit von dieser Zustimmung abhängig machen. Ohne diese Erlaubnis könntest du gegen deinen Vertrag verstoßen, was im schlimmsten Fall eine Abmahnung oder sogar die Kündigung zur Folge haben kann.
Arbeitszeitregelungen: Das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) und das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
Hier wird es komplexer, da verschiedene Gesetze greifen, je nachdem, ob du unter oder über 18 Jahre alt bist:
Für Azubis unter 18 Jahren (Jugendliche): Das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)
Bist du noch minderjährig, gilt für dich das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Dieses Gesetz ist streng und schützt dich vor Überlastung. Die wichtigsten Punkte sind:
- Maximale Arbeitszeit: Die tägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten.
- Berufsschulzeit als Arbeitszeit: Ganz wichtig: Die Zeit, die du in der Berufsschule verbringst, wird auf deine Arbeitszeit angerechnet! Das gilt auch für Pausen. Wenn dein Unterrichtstag in der Berufsschule mehr als fünf Unterrichtsstunden (à 45 Minuten) umfasst, darfst du an diesem Tag nicht mehr im Ausbildungsbetrieb arbeiten. Ein langer Berufsschultag zählt als ganzer Arbeitstag von 8 Stunden.
- Fünf-Tage-Woche: Jugendliche dürfen nur an fünf Tagen pro Woche beschäftigt werden. Wochenend- und Nachtarbeit sind weitestgehend verboten.
- Ruhepausen und Ruhezeiten: Nach spätestens 4,5 Stunden Arbeit muss eine Pause von mindestens 30 Minuten (bei 4,5 bis 6 Stunden Arbeitszeit) oder 60 Minuten (bei mehr als 6 Stunden Arbeitszeit) eingelegt werden. Zwischen zwei Arbeitstagen müssen mindestens 12 Stunden ununterbrochene Freizeit liegen.
Diese strengen Regelungen des JArbSchG machen es für minderjährige Azubis extrem schwierig, legal und ohne Vertragsbruch einen Nebenjob auszuüben, da die wenigen verbleibenden Arbeitsstunden oft nicht mehr ausreichen, um eine Nebentätigkeit auszuüben.
Für Azubis über 18 Jahren (Erwachsene): Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
Bist du volljährig, gilt für dich das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Auch hier gibt es Grenzen, die du unbedingt beachten musst:
- Maximale Arbeitszeit: Die tägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden täglich nicht überschritten werden.
- Wöchentliche Arbeitszeit: Obwohl das Gesetz keine feste Wochenhöchstgrenze nennt, ergibt sich durch die tägliche Höchstgrenze von 10 Stunden an 6 Werktagen eine maximale Arbeitszeit von 60 Stunden pro Woche. Das ist jedoch die absolute Obergrenze und im Durchschnitt weniger.
- Berufsschulzeit: Auch für Volljährige gilt, dass die Berufsschulzeit als Arbeitszeit zählt und entsprechend auf die Gesamtarbeitszeit angerechnet wird. Die Zeit im Ausbildungsbetrieb plus die Zeit in der Berufsschule plus die Zeit im Nebenjob dürfen die gesetzlichen Höchstgrenzen nicht überschreiten.
- Ruhepausen und Ruhezeiten: Nach 6 Stunden Arbeitszeit ist eine Pause von 30 Minuten vorgeschrieben, bei mehr als 9 Stunden Arbeit 45 Minuten. Zwischen zwei Arbeitstagen müssen mindestens 11 Stunden ununterbrochene Ruhezeit liegen.
Im Vergleich zu Minderjährigen haben volljährige Azubis theoretisch mehr Spielraum, einen Nebenjob auszuüben. Jedoch darf die Summe aller Tätigkeiten (Ausbildung, Berufsschule, Nebenjob) die gesetzlichen Höchstgrenzen nicht überschreiten. Die 11 Stunden Ruhezeit zwischen den Jobs ist dabei ein häufiger Knackpunkt.
Praktische Überlegungen: Ist es wirklich machbar?
Selbst wenn die rechtlichen Hürden genommen sind, solltest du dir ehrlich die Frage stellen: Kann ich das alles wirklich unter einen Hut bringen? Die Ausbildung ist anspruchsvoll, die Berufsschule erfordert Konzentration und Lernbereitschaft. Ein Nebenjob kommt noch obendrauf.
Das A und O: Gutes Zeitmanagement
Erfolgreiches Zeitmanagement ist der Schlüssel, um Ausbildung, Berufsschule, Nebenjob und Privatleben zu vereinbaren. Überlege dir:
- Wie viele Stunden verbringst du durchschnittlich im Ausbildungsbetrieb?
- Wie viele Stunden bist du in der Berufsschule?
- Wie viel Zeit brauchst du für Hausaufgaben, Lernphasen und Projektarbeiten?
- Wie viel Zeit bleibt dir realistisch für einen Nebenjob, ohne dich zu überfordern?
Sei ehrlich zu dir selbst. Eine realistische Einschätzung deiner Kapazitäten verhindert, dass du dich übernimmst und deine Leistung in der Ausbildung leidet.
Auswirkungen auf Leistung und Gesundheit
Ein Nebenjob kann eine zusätzliche Belastung darstellen, die sich auf deine schulischen Leistungen und deine Gesundheit auswirken kann. Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und mangelnde Erholung können die Folge sein. Im schlimmsten Fall kann dies zu Stress und Burnout führen.
Dein Ausbildungsbetrieb erwartet von dir, dass du ausgeruht und leistungsfähig zur Arbeit erscheinst. Wenn dein Nebenjob dazu führt, dass du in der Ausbildung oder in der Berufsschule unkonzentriert bist oder deine Noten schlechter werden, könnte das Probleme mit deinem Ausbildungsbetrieb nach sich ziehen.
Die Wahl des richtigen Nebenjobs
Nicht jeder Nebenjob ist für Azubis geeignet. Idealerweise sollte dein Nebenjob:
- Flexibel sein: Schichten oder Arbeitszeiten, die sich gut mit deinem Ausbildungs- und Berufsschulplan vereinbaren lassen.
- Nah gelegen sein: Kurze Wege sparen wertvolle Zeit.
- Nicht zu körperlich anstrengend sein: Besonders wenn dein Ausbildungsberuf bereits körperlich fordernd ist.
- Als Minijob ausgestaltet sein: Für viele Azubis ist ein Minijob (bis 538 Euro monatlich, Stand 2024) die beste Option, da er relativ unkompliziert in Bezug auf Steuern und Sozialabgaben ist.
Finanzielle Aspekte: Was bleibt am Ende übrig?
Der Hauptgrund für einen Nebenjob ist meist die finanzielle Aufbesserung. Aber was bedeutet das genau für dein Portemonnaie und welche Abzüge gibt es?
Steuern und Sozialabgaben
Hier kommt es auf die Art des Nebenjobs an:
- Minijob (bis 538 Euro monatlich): Ein Minijob ist für dich in der Regel sozialversicherungsfrei (ausgenommen ist die geringe Rentenversicherungspflicht, von der du dich befreien lassen kannst). Für dich bedeutet das: Dein Brutto ist weitgehend dein Netto. Der Arbeitgeber zahlt Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie eine Pauschalsteuer.
- Midijob (zwischen 538,01 und 2.000 Euro monatlich): Verdienst du mehr als im Minijob, aber nicht mehr als 2.000 Euro, befindest du dich im sogenannten Übergangsbereich. Hier fallen reduzierte Sozialabgaben an, die mit steigendem Verdienst ansteigen. Dies kann sich auf dein Nettoeinkommen auswirken.
- Regulärer Teilzeitjob: Bei einem Verdienst über 2.000 Euro (oder wenn es dein einziger Job wäre, aber das wäre dann keine Nebentätigkeit) fällst du in die normale Sozialversicherungspflicht mit vollen Abzügen für Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Zusätzlich musst du bedenken, dass ab einem bestimmten jährlichen Einkommen (Grundfreibetrag) auch Steuern und Sozialabgaben fällig werden können. Als Azubi hast du in der Regel einen relativ geringen Verdienst, aber mit einem zusätzlichen Nebenjob könntest du den Grundfreibetrag (Stand 2024: 11.604 Euro) überschreiten. Es lohnt sich immer, eine Steuererklärung abzugeben, da du dann eventuell zu viel gezahlte Lohnsteuer zurückbekommst.
BAföG und Kindergeld
Falls du BAföG beziehen solltest (was bei einer dualen Ausbildung eher selten ist, aber vorkommen kann), beachte die Einkommensgrenzen. Ein Nebenjob könnte dazu führen, dass dein BAföG-Anspruch reduziert oder ganz gestrichen wird. Gleiches gilt für das Kindergeld, hier gibt es jedoch keine Einkommensgrenze mehr für das Kind selbst, solange es sich in Ausbildung befindet.
Vor- und Nachteile eines Nebenjobs in der Ausbildung
Um dir die Entscheidung zu erleichtern, hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Pro- und Kontra-Argumente:
Vorteile:
- Finanzielle Unabhängigkeit: Mehr Geld für Freizeitaktivitäten, Hobbys oder zum Sparen.
- Zusätzliche Berufserfahrung: Du sammelst Erfahrungen in einem weiteren Arbeitsfeld, was deinen Lebenslauf bereichern kann.
- Entwicklung von Soft Skills: Verbesserte Kommunikationsfähigkeiten, Verantwortungsbewusstsein und Zeitmanagement.
- Erweiterung des Netzwerks: Du triffst neue Leute und knüpfst Kontakte.
- Verbesserung des Selbstwertgefühls: Das Gefühl, sein eigenes Geld zu verdienen, stärkt das Selbstbewusstsein.
Nachteile:
- Erhöhte Belastung: Weniger Freizeit, Erholung und Schlaf.
- Risiko für die Ausbildung: Potenzielle Verschlechterung der schulischen und betrieblichen Leistungen.
- Stress und Erschöpfung: Gefahr von Überforderung und im schlimmsten Fall Burnout.
- Konflikte mit dem Ausbildungsbetrieb: Wenn der Nebenjob die Ausbildung negativ beeinflusst oder ohne Zustimmung erfolgt.
- Komplexität bei Steuern und Sozialabgaben: Der administrative Aufwand kann steigen.
- Weniger Zeit für Hobbys und Freunde: Das Sozialleben kann darunter leiden.
Fazit und Empfehlungen: Dein Weg zum klugen Nebenjob
Einen Nebenjob während der Ausbildung zu haben, ist prinzipiell möglich und kann finanzielle Vorteile bringen. Es erfordert jedoch eine äußerst sorgfältige Planung und Abwägung. Hier sind deine wichtigsten Schritte und Überlegungen:
- Priorisiere deine Ausbildung: Deine Ausbildung ist dein Hauptziel. Sie hat absolute Priorität. Jeder Nebenjob darf diese nicht gefährden.
- Sprich mit deinem Ausbildungsbetrieb: Das ist der allererste und wichtigste Schritt. Sei offen und ehrlich. Frage nach der Erlaubnis und besprich die Rahmenbedingungen. Ein offenes Gespräch schafft Vertrauen und vermeidet spätere Probleme.
- Kenne deine Rechte und Pflichten: Informiere dich genau über das JArbSchG oder ArbZG sowie die Regelungen in deinem Ausbildungsvertrag.
- Schätze deine Kapazitäten realistisch ein: Überlege, wie viel Zeit und Energie du wirklich für einen Nebenjob aufbringen kannst, ohne dich zu überfordern oder deine Gesundheit zu riskieren.
- Wähle den richtigen Nebenjob: Achte auf Flexibilität und geringe Belastung. Ein Minijob ist oft die beste Wahl für Azubis.
- Plane deine Zeit akribisch: Erstelle einen Wochenplan, der deine Ausbildung, die Berufsschule, den Nebenjob, Lernzeiten und unbedingt auch genügend Freizeit und Erholung berücksichtigt.
- Behalte die Finanzen im Blick: Informiere dich über die Auswirkungen auf Steuern und Sozialabgaben. Lege dir gegebenenfalls ein Budget an.
- Sei bereit, Anpassungen vorzunehmen: Wenn du merkst, dass es zu viel wird, sei mutig genug, den Nebenjob zu reduzieren oder auch wieder aufzugeben. Deine Gesundheit und deine Ausbildung sind wichtiger als kurzfristige finanzielle Vorteile.
Ein Nebenjob kann eine Bereicherung sein, wenn er gut geplant und mit Bedacht gewählt wird. Er kann dir nicht nur eine zusätzliche Finanzspritze verschaffen, sondern auch wertvolle Erfahrungen vermitteln. Doch achte stets darauf, dass du das Gleichgewicht hältst und deine Ausbildung immer an erster Stelle steht. Dein zukünftiger Erfolg hängt davon ab!