Nach nur einem Monat arbeiten kündigen: Lohnt sich ein Arbeitszeugnis überhaupt?

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen neuen Job angefangen. Voller Vorfreude, neuer Herausforderungen und der Hoffnung auf eine lange, erfolgreiche Zeit. Doch dann, nach nur wenigen Wochen, der Schock: Es passt einfach nicht. Die Unternehmenskultur ist anders als erwartet, die Aufgaben sind nicht das, was Sie sich vorgestellt haben, oder Sie erhalten ein besseres Angebot, das Sie unmöglich ausschlagen können. Sie fassen einen schwerwiegenden Entschluss: Sie kündigen – nach nur einem einzigen Monat.

Was nun? Neben der emotionalen Belastung und der Organisation des nächsten Schritts stellt sich unweigerlich eine praktische Frage: Was ist mit dem Arbeitszeugnis? Lohnt es sich überhaupt, ein Zeugnis für eine so kurze Anstellung anzufordern? Oder wirft es im Lebenslauf mehr Fragen auf, als es Antworten liefert? Diese Situation ist weitaus häufiger, als man denkt, und sie erfordert eine genaue Abwägung.

Die Realität kurzer Anstellungsverhältnisse: Kein Einzelfall

Es mag sich wie ein Scheitern anfühlen, doch eine kurze Anstellung ist keine Seltenheit. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht immer beim Arbeitnehmer zu suchen:

• Fehlende Passung: Manchmal stimmt die Chemie einfach nicht. Die Unternehmenskultur weicht stark von den eigenen Werten ab, oder die Erwartungen an die Rolle wurden beiderseits missverstanden.
• Besseres Angebot: Manchmal ergibt sich unerwartet eine Traumchance, die man nicht ausschlagen kann – sei es eine Position mit mehr Verantwortung, besseren Konditionen oder bei einem Wunscharbeitgeber.
• Unerwartete Umstände: Persönliche Gründe, familiäre Veränderungen oder gesundheitliche Aspekte können eine Rolle spielen.
• Unzureichende Einarbeitung/Unterstützung: Manche Unternehmen sind nicht in der Lage, neue Mitarbeiter adäquat zu integrieren und zu unterstützen, was schnell zu Frustration führt.

Es ist wichtig zu verstehen, dass eine kurze Anstellung nicht automatisch ein rotes Licht für zukünftige Arbeitgeber sein muss, sofern man sie professionell und überzeugend erklären kann. Doch die Frage nach dem Zeugnis bleibt.

Das Arbeitszeugnis: Eine rechtliche und praktische Betrachtung

Zunächst die gute Nachricht: Sie haben einen rechtlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, selbst wenn Sie nur einen Tag in einem Unternehmen beschäftigt waren. Dieser Anspruch ist im § 630 BGB geregelt.

Einfaches Arbeitszeugnis vs. Qualifiziertes Arbeitszeugnis

Hier liegt der Knackpunkt:

1. Das einfache Arbeitszeugnis: Dieses Zeugnis beschreibt lediglich Art und Dauer der Beschäftigung. Es enthält keine Bewertung Ihrer Leistung oder Ihres Verhaltens. Sie haben immer Anspruch auf ein solches Zeugnis. Bei einer Anstellungsdauer von nur einem Monat ist dies die gängigste und oft einzig sinnvolle Form. Es bestätigt lediglich, dass Sie dort beschäftigt waren.
2. Das qualifizierte Arbeitszeugnis: Dieses Zeugnis geht weit über die reinen Fakten hinaus. Es bewertet Ihre Leistung, Ihre Arbeitsweise, Ihre Erfolge und Ihr Sozialverhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden. Es ist umfassend und detailliert.

Nach nur einem Monat ist es für einen Arbeitgeber extrem schwierig, ein aussagekräftiges, qualifiziertes Zeugnis zu erstellen. Es gab kaum Zeit, Ihre Fähigkeiten und Ihr Verhalten umfassend zu beurteilen. Ein qualifiziertes Zeugnis, das nach so kurzer Zeit ausgestellt wird, ist daher oft entweder:

• Sehr neutral und allgemein gehalten: Es wiederholt im Grunde nur die Stellenbeschreibung und erwähnt möglicherweise allgemeine Soft Skills, ohne diese mit konkreten Beispielen zu untermauern. Solche Zeugnisse können bei Personalern den Eindruck erwecken, dass keine positive Bewertung möglich war.
• Potenziell negativ: Wenn die Trennung im Unfrieden erfolgte oder der Arbeitgeber genervt ist, könnte er ein Zeugnis formulieren, das zwar juristisch korrekt ist, aber durch fehlende positive Formulierungen oder indirekte Hinweise (die sogenannte Zeugnissprache) Negatives transportiert.

Der Wert eines Zeugnisses nach nur einem Monat: Pro und Contra

Die Entscheidung, ein Zeugnis anzufordern, sollte gut überlegt sein. Es gibt Argumente dafür und dagegen.

Pro: Warum ein Zeugnis sinnvoll sein könnte

• Nachweis der Beschäftigung: Ein einfaches Arbeitszeugnis schließt die Lücke in Ihrem Lebenslauf und bestätigt, dass Sie in dieser Zeit tatsächlich beschäftigt waren. Das ist wichtig, um den Eindruck von Passivität oder unerklärlichen Lücken zu vermeiden.
• Formale Korrektheit: Es zeigt, dass Sie sich um die formalen Aspekte Ihrer beruflichen Laufbahn kümmern.
• Keine unnötigen Fragen: Wenn Sie das Zeugnis vorlegen können (auch wenn es nur ein einfaches ist), nehmen Sie zukünftigen Arbeitgebern die Möglichkeit, zu spekulieren, warum Sie kein Zeugnis haben.
• Möglichkeit der positiven Hervorhebung (selten): In Ausnahmefällen, wenn Sie in diesem Monat wirklich herausragende Arbeit geleistet haben oder die Trennung im gegenseitigen Einvernehmen und mit großem Verständnis erfolgte, könnte ein kurzes, aber wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis ausgestellt werden. Dies ist jedoch die Ausnahme.

Contra: Warum ein Zeugnis problematisch sein könnte

• Inhaltliche Leere: Ein qualifiziertes Zeugnis nach einem Monat ist inhaltlich oft so dünn, dass es kaum aussagekräftig ist. Es kann sogar Fragen aufwerfen, warum trotz des kurzen Zeitraums ein „umfassendes” Zeugnis angefordert wurde.
• Potenzieller „Red Flag”: Personaler könnten skeptisch werden, wenn sie ein qualifiziertes Zeugnis mit nur einem Monat Beschäftigungsdauer sehen. Es signalisiert, dass etwas nicht gepasst hat, und die bloße Existenz eines solchen Zeugnisses könnte den Eindruck erwecken, dass Sie in der Bewerbung etwas verbergen.
• Fragen im Vorstellungsgespräch: Die kurze Dauer der Anstellung wird zwangsläufig thematisiert werden. Ein Zeugnis dazu kann die Diskussion weiter anheizen, wenn es nicht optimal formuliert ist.
• Mögliche negative Aspekte: Auch ein scheinbar neutral formuliertes qualifiziertes Zeugnis kann durch das Weglassen positiver Formulierungen oder Standardfloskeln negative Botschaften senden. Für einen Laien ist Zeugnissprache schwer zu entschlüsseln.

Alternativen und Strategien für Ihren Lebenslauf und das Vorstellungsgespräch

Die Entscheidung, ob Sie ein Arbeitszeugnis für eine so kurze Dauer anfordern, hängt stark von Ihrer individuellen Situation und der Art der Kündigung ab. Es gibt jedoch auch andere Wege, mit einer kurzen Anstellung umzugehen:

1. Die bewusste Entscheidung, das Zeugnis wegzulassen

Wenn die Anstellung wirklich nur wenige Wochen dauerte und es sich um einen einmaligen Ausrutscher handelt, kann es strategisch klüger sein, diese Station im Lebenslauf gar nicht erst zu erwähnen, wenn sie unter vier Wochen liegt und keine signifikante Lücke entsteht. Oder, wenn sie erwähnt wird, kein Zeugnis dafür anzufordern. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Trennung im Unfrieden geschah und Sie befürchten, dass das Zeugnis negativ ausfallen könnte.

2. Das einfache Zeugnis anfordern

Dies ist oft der beste Kompromiss. Es bestätigt die Anstellung ohne bewertenden Inhalt und liefert eine formale Bestätigung, die Lücken schließt.

3. Eine „Bestätigung der Beschäftigung” anfordern

Dies ist eine noch unverbindlichere Form, die lediglich bestätigt, dass Sie von Datum X bis Datum Y im Unternehmen beschäftigt waren. Manche Arbeitgeber sind eher bereit, eine solche Bestätigung auszustellen, als ein formales Zeugnis.

4. Referenzen

Wenn Sie trotz der kurzen Zeit einen guten Draht zu einem Vorgesetzten oder Kollegen aufbauen konnten, könnten Sie diese Person fragen, ob sie bereit wäre, eine mündliche Referenz zu geben. Dies ist jedoch eher selten bei nur einem Monat der Fall.

5. Die Erklärung im Vorstellungsgespräch

Dies ist der absolut wichtigste Punkt. Sie müssen sich darauf vorbereiten, die kurze Anstellung im Vorstellungsgespräch professionell, ehrlich und souverän zu erklären. Hier sind einige Tipps:

• Ehrlichkeit währt am längsten: Versuchen Sie nicht, die kurze Anstellung zu verharmlosen oder zu verschleiern.
• Fokus auf Learnings: Erklären Sie, was Sie aus dieser Erfahrung gelernt haben. Vielleicht haben Sie erkannt, welche Art von Unternehmenskultur oder Aufgabenfeld wirklich zu Ihnen passt.
• Blick nach vorne: Betonen Sie, warum die neue Stelle (auf die Sie sich gerade bewerben) besser zu Ihnen passt und welche positiven Gründe Sie dazu bewogen haben, sich so schnell neu zu orientieren.
• Niemals negativ über den Ex-Arbeitgeber sprechen: Bleiben Sie professionell. Schlechte Erfahrungen können formuliert werden, ohne in Schimpftiraden zu verfallen. Beispiel: „Die Unternehmenskultur entsprach leider nicht meinen Erwartungen, ich suche ein Umfeld, in dem [spezifische Werte] stärker gelebt werden.”
• Kurz und prägnant: Verlieren Sie sich nicht in Details. Eine kurze, plausible Erklärung ist am wirkungsvollsten.

Wann lohnt sich ein qualifiziertes Zeugnis (trotz kurzer Dauer)?

In sehr seltenen Fällen kann ein qualifiziertes Zeugnis von Wert sein, selbst nach kurzer Zeit:

• Wenn die Trennung von beiden Seiten als absolut positive Erfahrung wahrgenommen wurde: Dies ist extrem selten und bedarf eines außergewöhnlich professionellen und verständnisvollen Arbeitgebers.
• Wenn Sie in diesem Monat etwas Außergewöhnliches geleistet haben: Ein Projekt abgeschlossen, einen Deal an Land gezogen, der für die kurze Zeit bemerkenswert war. Dies muss dann explizit im Zeugnis erwähnt werden.
• Wenn es sich um eine hochspezialisierte Tätigkeit handelt: Und der Arbeitgeber bestätigen kann, dass Sie die nötigen Grundkenntnisse dafür mitbrachten, auch wenn keine umfassende Bewertung möglich war.

Realistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit für ein wirklich aussagekräftiges und positiv bewertendes qualifiziertes Zeugnis nach nur einem Monat sehr gering. Wenn Sie unsicher sind, ist ein einfaches Zeugnis die sicherere Wahl.

Fazit: Individuell abwägen und strategisch handeln

Nach nur einem Monat zu kündigen, ist keine Idealsituation, aber auch kein Karriere-Killer. Die Frage nach dem Arbeitszeugnis in diesem Kontext erfordert eine nuancierte Betrachtung. Ein einfaches Arbeitszeugnis, das lediglich die Dauer der Beschäftigung bestätigt, ist fast immer empfehlenswert, um Lücken im Lebenslauf zu schließen und formale Korrektheit zu zeigen. Es ist ein „Beweisstück”, das Sie dort waren.

Ein qualifiziertes Zeugnis hingegen ist nach so kurzer Zeit selten sinnvoll. Es kann inhaltlich leer, ungenau oder sogar unbeabsichtigt negativ sein und dadurch bei zukünftigen Bewerbungen mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.

Der Schlüssel liegt in der strategischen Kommunikation: Seien Sie ehrlich, aber professionell. Erklären Sie die kurze Anstellung im Vorstellungsgespräch souverän und konzentrieren Sie sich auf das Gelernte und Ihre zukünftigen Ziele. Betrachten Sie die Situation als eine Lernerfahrung, die Sie reifer gemacht hat, und nutzen Sie sie, um zu zeigen, dass Sie wissen, was Sie wollen und was nicht.

Ihre Karriere wird nicht an einer kurzen Anstellung scheitern. Es ist, wie Sie damit umgehen, was zählt. Und manchmal ist weniger tatsächlich mehr, auch beim Arbeitszeugnis.