Die Idee, sich mit einem oder sogar zwei Minijobs etwas dazuzuverdienen, klingt verlockend. Flexibilität, keine lästigen Abzüge und einfach mehr Geld im Portemonnaie – das ist die Traumvorstellung vieler. Doch während der erste Minijob tatsächlich viele Vorteile bietet, kann ein zweiter Minijob schnell zu einer unerwarteten Kostenfalle werden. Was genau droht an Abzügen, wenn Sie sich für zwei Minijobs gleichzeitig entscheiden, und wie können Sie diese Mehrkosten geschickt umgehen? Dieser Artikel beleuchtet die Fallstricke und gibt Ihnen wertvolle Tipps an die Hand.
Was genau ist ein Minijob? (Kurz und knapp erklärt)
Ein Minijob, auch geringfügige Beschäftigung genannt, ist in Deutschland eine Beschäftigung, bei der das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Im Jahr 2024 liegt diese Grenze bei 538 Euro pro Monat. Das Besondere daran: Der Arbeitnehmer ist in der Regel von den Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung befreit. Lediglich zur Rentenversicherung müssen Beiträge geleistet werden, von denen man sich auf Antrag jedoch befreien lassen kann.
Für den Arbeitgeber fallen hingegen Pauschalbeiträge zur Sozialversicherung (Kranken- und Rentenversicherung), Umlagen und eine geringe Pauschalsteuer an. Für den Arbeitnehmer ist das Einkommen aus dem Minijob in der Regel steuerfrei.
Die goldene Regel: Ein Minijob ist sozialversicherungsfrei (fast)
Die Attraktivität des Minijobs liegt genau in dieser Befreiung von den Sozialversicherungsbeiträgen. Verdienen Sie bis zu 538 Euro im Monat, zahlen Sie als Arbeitnehmer normalerweise keine Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Zur Rentenversicherung zahlen Sie einen geringen Eigenanteil (3,6 % bei 538 Euro sind das 19,37 Euro monatlich), können sich aber auf Antrag von dieser Pflicht befreien lassen. Tun Sie dies, haben Sie keinerlei Abzüge von Ihrem Bruttoeinkommen – ein echter Vorteil!
Diese Regel gilt jedoch nur für den ersten Minijob. Die Probleme beginnen, sobald eine zweite geringfügige Beschäftigung hinzukommt.
Die Krux mit dem zweiten Minijob: Wenn aus Minijob „Midi” wird
Das deutsche Sozialversicherungsrecht ist hier eindeutig: Wenn Sie mehr als eine geringfügige Beschäftigung ausüben, werden die Einkommen aus diesen Minijobs zusammengerechnet. Übersteigt die Summe der Einkommen aus *allen* Minijobs die Grenze von 538 Euro pro Monat, ist nur noch der erste Minijob (den Sie als solchen bei der Minijob-Zentrale anmelden) privilegiert. Alle weiteren Minijobs werden dann sozialversicherungspflichtig und in der Regel auch steuerpflichtig.
Das bedeutet, der zweite und jeder weitere Minijob wird nicht mehr als „Minijob” im eigentlichen Sinne behandelt, sondern wie eine reguläre Beschäftigung. Das kann erhebliche Abzüge zur Folge haben, die viele nicht auf dem Schirm haben.
Sozialversicherungspflicht: Was fällt an?
Für den zweiten (und jeden weiteren) Minijob, dessen Einkommen die 538-Euro-Grenze in Summe aller geringfügigen Beschäftigungen übersteigt, fallen folgende Beiträge an:
- Krankenversicherung: Etwa 7,3 % des Bruttogehalts plus Zusatzbeitrag der Krankenkasse (variiert, durchschnittlich ca. 1,7 %). Insgesamt also um die 8,5 % des Bruttogehalts.
- Pflegeversicherung: 1,7 % des Bruttogehalts (für Kinderlose 2,3 %).
- Arbeitslosenversicherung: 1,3 % des Bruttogehalts.
- Rentenversicherung: 9,3 % des Bruttogehalts. Beachten Sie: Für den zweiten Minijob besteht keine Möglichkeit der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht.
Zusätzlich zu diesen Arbeitnehmeranteilen führt Ihr Arbeitgeber die Arbeitgeberanteile ab. Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet es jedoch, dass von Ihrem Bruttoverdienst plötzlich ein erheblicher Anteil an Sozialversicherungsbeiträgen abgezogen wird.
Lohnsteuer: Ein Thema für sich (und Steuerklasse 6!)
Neben den Sozialversicherungsbeiträgen kommt bei einem zweiten Minijob oft auch die Lohnsteuer ins Spiel. Während der erste Minijob (sowie ein Minijob neben einer Hauptbeschäftigung) pauschal mit 2 % versteuert werden kann (oder bei Wahl der Steuerklasse 1 bis 5 steuerfrei ist), wird der zweite Minijob in der Regel in der Steuerklasse 6 abgerechnet.
Die Steuerklasse 6 ist die ungünstigste Steuerklasse überhaupt. Sie ist für den zweiten oder weiteren Arbeitslohn vorgesehen und hat keine Freibeträge oder Pauschalen. Das bedeutet, dass bereits ab dem ersten Euro ein hoher Prozentsatz an Lohnsteuer abgezogen wird. Je nach Höhe des Einkommens können dies schnell 20 %, 30 % oder sogar mehr sein. Dieser hohe Steuerabzug kann dazu führen, dass vom zweiten Minijob nur noch ein Bruchteil des Bruttoeinkommens übrig bleibt.
Rechenbeispiel: Was bleibt unterm Strich?
Nehmen wir an, Sie haben keinen Hauptjob und üben zwei Minijobs aus:
- Minijob 1: 538 Euro Bruttoeinkommen (Sie haben sich von der Rentenversicherung befreien lassen).
- Minijob 2: 300 Euro Bruttoeinkommen.
Da die Summe Ihrer Minijobs (538 € + 300 € = 838 €) die 538-Euro-Grenze übersteigt, wird der zweite Minijob mit 300 Euro voll sozialversicherungs- und steuerpflichtig.
Berechnung für Minijob 2 (300 Euro Brutto):
- Sozialversicherungsbeiträge (geschätzt):
- Krankenversicherung (ca. 8,5 %): 25,50 Euro
- Pflegeversicherung (ca. 1,7 %): 5,10 Euro
- Arbeitslosenversicherung (ca. 1,3 %): 3,90 Euro
- Rentenversicherung (9,3 %): 27,90 Euro
- Summe Sozialversicherung: ca. 62,40 Euro
- Lohnsteuer (Steuerklasse 6, Beispiel): Bei 300 Euro brutto könnten je nach individuellen Faktoren (z.B. Kirchensteuerpflicht) ca. 20-30 Euro Lohnsteuer anfallen, oder sogar mehr. Nehmen wir pessimistisch 25 Euro an.
- Gesamtabzüge (geschätzt): 62,40 Euro (SV) + 25,00 Euro (LSt) = ca. 87,40 Euro
- Netto vom zweiten Minijob: 300 Euro – 87,40 Euro = 212,60 Euro
Vom zweiten Minijob in Höhe von 300 Euro bleiben Ihnen somit netto nur noch etwa 212,60 Euro übrig. Das ist deutlich weniger als erwartet und relativiert den anfänglichen Verdienst erheblich. Ihr Gesamtnetto aus beiden Minijobs wäre dann 538 Euro (aus M-Job 1) + 212,60 Euro (aus M-Job 2) = 750,60 Euro.
Die Kostenfalle umgehen: Strategien und Tipps
Es gibt verschiedene Wege, um die Abzüge bei mehreren Beschäftigungen zu minimieren oder die Kostenfalle eines problematischen zweiten Minijobs zu umgehen:
1. Ein Minijob neben einem Hauptjob: Die ideale Kombination
Wenn Sie bereits eine sozialversicherungspflichtige Hauptbeschäftigung haben, ist die Sache einfacher: Ein einziger Minijob neben Ihrem Hauptjob bleibt in der Regel vollständig sozialversicherungsfrei und muss nicht versteuert werden, da der Arbeitgeber die Pauschalsteuer von 2 % übernimmt. Hier zählt die 538-Euro-Grenze für diesen *einen* Minijob. Weitere Minijobs neben Hauptjob und dem ersten Minijob wären dann allerdings wieder sozialversicherungs- und steuerpflichtig.
2. Alle Minijobs beim gleichen Arbeitgeber?
Haben Sie zwei geringfügige Tätigkeiten beim selben Arbeitgeber, werden diese grundsätzlich als *ein* einziges Arbeitsverhältnis betrachtet. Das bedeutet, das Gesamtgehalt aus beiden Tätigkeiten darf die 538-Euro-Grenze nicht überschreiten, damit es sich um einen Minijob handelt. Wenn Sie also bei einem Arbeitgeber in Job A 300 Euro und in Job B 300 Euro verdienen (insgesamt 600 Euro), ist das gesamte Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungspflichtig und nicht mehr als Minijob zu qualifizieren.
Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht darum geht, wie viele Verträge Sie haben, sondern um die *Gesamtsumme* aller geringfügigen Beschäftigungen. Solange die Summe aller Einkommen aus Minijobs die 538-Euro-Grenze nicht übersteigt, sind alle Minijobs zusammen als ein Minijob zu betrachten und damit begünstigt.
Wichtige Klarstellung: Der kritische Punkt entsteht erst, wenn die *Summe* Ihrer Minijobs die 538 Euro überschreitet und Sie *keine* versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung haben. In diesem Fall wird einer der Minijobs als „Haupt-Minijob” behandelt (bis 538 Euro), während der zweite (oder weitere) Minijob voll sozialversicherungspflichtig und mit Steuerklasse 6 abgerechnet wird.
3. Prüfen Sie die Einkommensgrenze genau und planen Sie vorausschauend
Bevor Sie einen zweiten Minijob annehmen, prüfen Sie genau, wie hoch Ihr Gesamteinkommen aus beiden Jobs sein wird. Überlegen Sie, ob es sich wirklich lohnt, wenn Sie die hohen Abzüge durch Sozialversicherung und Steuerklasse 6 berücksichtigen. Manchmal ist es finanziell sinnvoller, nur einen Minijob zu haben und diesen voll auszuschöpfen, oder eine andere Beschäftigungsform in Betracht zu ziehen.
4. Alternative: Der Midijob
Wenn Ihr Gesamteinkommen aus zwei oder mehr Beschäftigungen regelmäßig über 538 Euro, aber unter 2000 Euro liegt (Stand 2024), könnte ein Midijob eine attraktive Alternative sein. Ein Midijob ist eine Beschäftigung in der sogenannten Übergangszone. Hier fallen Sozialversicherungsbeiträge an, diese sind aber im Vergleich zu einer Vollzeitbeschäftigung reduziert. Das bedeutet, der Arbeitnehmeranteil steigt mit zunehmendem Verdienst langsamer an als bei einer regulären Beschäftigung und erreicht erst am oberen Ende der Midijob-Grenze den vollen Beitragssatz. Dies kann unter dem Strich vorteilhafter sein als ein regulär versteuerter und voll sozialversicherungspflichtiger zweiter Minijob mit Steuerklasse 6.
5. Steuerliche Absetzbarkeit nutzen
Auch wenn Ihr zweiter Minijob in Steuerklasse 6 abgerechnet wird, können Sie im Rahmen Ihrer jährlichen Einkommensteuererklärung Ausgaben, die mit Ihrer Arbeit in Verbindung stehen (z.B. Fahrtkosten, Arbeitsmittel, Fortbildungskosten), als Werbungskosten geltend machen. Dies kann dazu führen, dass Sie zu viel gezahlte Lohnsteuer vom Finanzamt zurückbekommen.
6. Sprechen Sie mit Ihren Arbeitgebern
Seien Sie transparent gegenüber Ihren Arbeitgebern. Sie sind verpflichtet, ihnen mitzuteilen, wenn Sie weitere Beschäftigungen aufnehmen. Dies ist wichtig, damit die Arbeitgeber korrekte Meldungen an die Minijob-Zentrale und die Sozialversicherungen machen können. Falsche Angaben können zu Nachzahlungen führen.
7. Lohnsteuerhilfe oder Steuerberater konsultieren
Die Materie kann komplex sein. Wenn Sie unsicher sind, wie sich zwei Minijobs auf Ihre Abzüge auswirken, oder wenn Sie bereits hohe Abzüge haben, ist es ratsam, sich professionelle Hilfe zu suchen. Eine Lohnsteuerhilfe oder ein Steuerberater kann Ihre individuelle Situation prüfen, Ihnen die genauen Abzüge berechnen und Optimierungsmöglichkeiten aufzeigen, die Sie vielleicht nicht bedacht haben.
Wichtige Meldepflichten
Vergessen Sie nicht Ihre Meldepflichten:
- Informationspflicht gegenüber Arbeitgebern: Sie müssen Ihren Arbeitgebern mitteilen, wenn Sie weitere Beschäftigungen aufnehmen. Der Arbeitgeber des „Haupt-Minijobs” muss dies der Minijob-Zentrale melden. Der Arbeitgeber des „zweiten Minijobs” muss diesen dann als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anmelden.
- Steuererklärung: Wenn Sie einen zweiten Minijob in Steuerklasse 6 haben, sind Sie in der Regel zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet. Das bietet aber auch die Chance, zu viel gezahlte Steuern zurückzuholen.
Fazit
Die Vorstellung von zwei Minijobs gleichzeitig klingt auf den ersten Blick nach einer einfachen Möglichkeit, das Einkommen aufzubessern. Doch die Realität der deutschen Sozialversicherungs- und Steuergesetze kann hier schnell zu einer ernüchternden Kostenfalle führen. Während der erste Minijob viele Vorteile bietet, wird der zweite Minijob, wenn die Gesamtsumme die 538-Euro-Grenze überschreitet und kein Hauptjob besteht, voll sozialversicherungs- und steuerpflichtig – oft mit hohen Abzügen in Steuerklasse 6.
Informieren Sie sich daher umfassend, bevor Sie einen zweiten Minijob annehmen. Wägen Sie die Nettoeinnahmen sorgfältig ab und prüfen Sie, ob Alternativen wie ein Midijob unter dem Strich nicht die bessere Wahl für Sie wären. Mit Wissen und vorausschauender Planung können Sie die finanziellen Fallstricke vermeiden und Ihre Nebeneinkünfte optimal gestalten.