Mehr als nur Streaming: So bekommen Sie Spiele auf Kodi und verwandeln es in eine Retro-Konsole

Kodi ist für viele von uns der unbestrittene König der Media-Center-Software. Es verwaltet Filme, Serien, Musik und Fotos auf elegante und benutzerfreundliche Weise. Doch was, wenn wir Ihnen sagen, dass Kodi noch viel mehr kann als nur Ihre Lieblingsfilme in 4K zu streamen? Stellen Sie sich vor, Sie könnten mit derselben Software, die Ihr Heimkino antreibt, in die goldene Ära des Gamings eintauchen. Ja, Sie haben richtig gehört: Mit ein wenig Know-how lässt sich Kodi in eine vollwertige Retro-Konsole verwandeln, die tausende klassische Spiele von NES bis PlayStation 1 emulieren kann. In diesem umfassenden Guide zeigen wir Ihnen, wie Sie Ihr Kodi-Setup auf die nächste Stufe heben und in ein nostalgisches Gaming-Paradies verwandeln können.

Warum Kodi für Retro-Gaming? Die Vorteile auf einen Blick

Bevor wir uns in die Details stürzen, lassen Sie uns kurz erörtern, warum Kodi eine ausgezeichnete Wahl für Ihre Retro-Gaming-Bedürfnisse ist:

• All-in-one-Lösung: Kodi ermöglicht es Ihnen, Ihr gesamtes Medien- und Gaming-Erlebnis unter einer einzigen, übersichtlichen Oberfläche zu bündeln. Kein Umschalten zwischen verschiedenen Geräten oder Programmen mehr.
• Benutzerfreundlichkeit: Die intuitive Oberfläche von Kodi ist bereits vertraut. Mit den richtigen Add-ons wird das Stöbern in Ihrer Spielesammlung genauso einfach wie das Durchsuchen Ihrer Filmbibliothek.
• Plattformübergreifend: Egal, ob Sie Kodi auf einem Windows-PC, Mac, Linux-System, einem Raspberry Pi, einer Android TV Box oder sogar einem NVIDIA Shield TV nutzen – die grundlegenden Schritte zur Einrichtung von Retro-Gaming sind weitgehend dieselben.
• Kostenlos und Open Source: Kodi selbst ist kostenlos, ebenso wie die meisten der benötigten Add-ons und Emulations-Komponenten. Sie sparen sich teure Konsolen oder dedizierte Retro-Gaming-Hardware.
• Anpassbarkeit: Durch die riesige Auswahl an Add-ons und Skins können Sie Ihr Kodi-Erlebnis genau an Ihre Vorlieben anpassen – sowohl optisch als auch funktional.

Was Sie benötigen: Die Grundausstattung für Ihr Retro-Gaming-Projekt

Um Ihr Kodi-System in eine Gaming-Maschine zu verwandeln, benötigen Sie einige Komponenten. Keine Sorge, die meisten davon sind entweder kostenlos oder leicht erhältlich:

• Kodi-Installation: Eine aktuelle Version von Kodi auf dem Gerät Ihrer Wahl. Je leistungsfähiger Ihr Gerät ist, desto mehr Systeme können Sie emulieren (z.B. PlayStation 1 benötigt mehr Leistung als NES).
• Ausreichend Speicherplatz: ROMs (die Spieldateien) können, besonders für größere Konsolen, viel Speicherplatz beanspruchen. Eine externe Festplatte oder ein großer USB-Stick sind oft empfehlenswert.
• Gamecontroller: Ein oder mehrere Gamecontroller sind unerlässlich. Kodi unterstützt eine Vielzahl von Controllern, von Xbox- und PlayStation-Controllern (via Bluetooth oder USB) bis hin zu generischen USB-Gamepads.
• RetroArch und Libretro Cores: Kodi selbst emuliert keine Spiele. Es nutzt die sogenannte Libretro-API, über die Emulationskerne (Cores) von RetroArch eingebunden werden. RetroArch ist eine vielseitige, plattformübergreifende Schnittstelle für Emulatoren und Spiele-Engines.
• Kodi Game Add-ons: Dies sind spezielle Add-ons, die die Schnittstelle zwischen Kodi und den RetroArch-Cores bilden und das Management Ihrer Spielesammlungen erleichtern. Beispiele sind der Rom Collection Browser (RCB), Advanced Emulator Launcher (AEL) oder der Internet Archive Game Launcher (IAGL).
• ROMs und BIOS-Dateien: Hier kommen die Spiele ins Spiel. ROMs sind digitale Kopien der Spiele, während BIOS-Dateien für einige Konsolen (wie PlayStation, Sega CD) notwendig sind, um die Hardware der Originalkonsole zu emulieren. Beachten Sie, dass das Herunterladen von ROMs und BIOS-Dateien aus dem Internet, für die Sie keine Lizenz besitzen, rechtlich eine Grauzone darstellt. Wir empfehlen Ihnen, nur ROMs von Spielen zu nutzen, die Sie besitzen, oder von Spielen, die als Public Domain freigegeben sind.

Schritt-für-Schritt-Anleitung: Kodi zur Retro-Konsole machen

Schritt 1: Kodi installieren und vorbereiten

Stellen Sie sicher, dass Kodi auf Ihrem Gerät installiert ist und reibungslos läuft. Falls nicht, laden Sie die neueste Version von der offiziellen Kodi-Website (kodi.tv/download) herunter und installieren Sie sie. Navigieren Sie in Kodi zu Einstellungen (Zahnrad-Symbol) > System > Add-ons und aktivieren Sie die Option „Unbekannte Quellen”. Dies ist notwendig, um Add-ons aus dem Kodi-Repository oder von Drittanbietern installieren zu können.

Schritt 2: RetroArch als Backend installieren (indirekt über Libretro Cores)

Wie bereits erwähnt, emuliert Kodi nicht direkt. Stattdessen nutzt es die Libretro-Schnittstelle. Die Emulationskerne (Cores) von RetroArch werden direkt über Kodi’s Add-on-System installiert:

1. Gehen Sie in Kodi zu Einstellungen (Zahnrad-Symbol) > Add-ons > Aus Repository installieren.
2. Wählen Sie Kodi Add-on Repository.
3. Navigieren Sie zu Game Add-ons > Emulators.
4. Hier finden Sie eine lange Liste von Emulatoren (den Libretro Cores). Installieren Sie die Cores für die Konsolen, die Sie emulieren möchten (z.B. Nintendo – NES / Famicom (Nestopia UE), Nintendo – SNES / Super Famicom (Snes9x), Sony – PlayStation (PCSX ReARMed), etc.). Jeder Core ist für eine bestimmte Konsole optimiert.
5. Wiederholen Sie den Vorgang für alle gewünschten Systeme.

Diese Cores werden im Hintergrund von Kodi verwaltet und von den Spiele-Add-ons genutzt.

Schritt 3: Spiele-Add-ons einrichten

Um Ihre Spielesammlung zu verwalten und zu starten, benötigen Sie ein spezielles Add-on. Die gängigsten und leistungsfähigsten sind:

• Rom Collection Browser (RCB): Ein älteres, aber sehr stabiles Add-on, das es Ihnen ermöglicht, Ihre ROMs zu scannen, Metadaten und Cover herunterzuladen und Spiele zu starten.
• Advanced Emulator Launcher (AEL): Eine modernere und oft leistungsfähigere Alternative zu RCB mit ähnlichen Funktionen.
• Internet Archive Game Launcher (IAGL): Ermöglicht es Ihnen, Spiele direkt aus dem Internet Archive zu streamen oder herunterzuladen, was den Bedarf an manuell heruntergeladenen ROMs reduziert.

Wir konzentrieren uns hier auf eine generische Anleitung, die auf AEL oder RCB anwendbar ist:

1. Installation: Gehen Sie zu Einstellungen > Add-ons > Aus Repository installieren > Kodi Add-on Repository > Programm-Add-ons und installieren Sie den Advanced Emulator Launcher oder den Rom Collection Browser.
2. Erste Einrichtung: Nach der Installation starten Sie das Add-on. Es wird Sie durch einen Setup-Assistenten führen.
   • ROM-Verzeichnisse: Geben Sie die Pfade zu Ihren ROM-Ordnern an. Es ist ratsam, für jede Konsole einen separaten Ordner anzulegen (z.B. /Spiele/NES/, /Spiele/SNES/).
   • Emulatoren/Cores zuweisen: Das Add-on versucht oft, automatisch die passenden Libretro Cores zu finden. Überprüfen Sie dies und weisen Sie bei Bedarf manuell den korrekten Core für jede Konsole zu (z.B. SNES-ROMs nutzen den Snes9x-Core).
   • Scraper: Aktivieren Sie Scraper (z.B. TheGamesDB), um Spieldaten, Cover und Fanart automatisch herunterzuladen.
3. Scannen: Nachdem alles konfiguriert ist, lassen Sie das Add-on Ihre ROM-Ordner scannen. Dies kann je nach Größe Ihrer Sammlung eine Weile dauern.

Schritt 4: Gamecontroller einrichten

Ein gut konfigurierter Controller ist der Schlüssel zum Spaß. Kodi hat eine gute Unterstützung für gängige Controller:

1. Verbinden Sie Ihren Controller: Schließen Sie den Controller per USB an oder koppeln Sie ihn via Bluetooth.
2. Kodi Controller-Einrichtung: Gehen Sie in Kodi zu Einstellungen > System > Eingabegeräte. Hier sollte Ihr Controller aufgeführt sein. Wählen Sie „Controller konfigurieren”, um die Tastenbelegung für die Kodi-Oberfläche vorzunehmen.
3. Libretro/RetroArch Controller-Mapping: Dies ist entscheidend für die Spiele selbst. In der Regel erkennt Kodi die Controller-Eingaben und leitet sie korrekt an die Libretro Cores weiter. Sollten Sie Probleme mit der Tastenbelegung in Spielen haben, können Sie während eines laufenden Spiels das RetroArch-Schnellmenü aufrufen (oft mit einer speziellen Tastenkombination wie „Select + Start” auf einem SNES-Layout oder der „Home”-Taste auf Xbox/PlayStation Controllern, die Sie in Kodi zugewiesen haben). Dort können Sie unter Steuerung > Port 1 Steuerung die Tastenbelegung für den jeweiligen Core anpassen. Denken Sie daran, die Änderungen als „Core Remap File” zu speichern, damit sie beim nächsten Start des Spiels geladen werden.

Schritt 5: ROMs und BIOS-Dateien hinzufügen

Ihre ROMs sollten in einer gut organisierten Ordnerstruktur vorliegen, idealerweise nach Konsolennamen geordnet. Legen Sie diese Ordner auf einem leicht zugänglichen Laufwerk ab, das Kodi sehen kann (z.B. eine externe Festplatte, ein Netzlaufwerk oder ein Ordner auf Ihrem Gerät). Stellen Sie sicher, dass das Spiele-Add-on (AEL/RCB) die Pfade zu diesen Ordnern kennt.

BIOS-Dateien: Für bestimmte Systeme wie PlayStation (PS1), Sega CD, Neo Geo oder TurboGrafx-CD sind BIOS-Dateien unerlässlich. Diese Dateien sind proprietär und müssen separat erworben oder aus einer eigenen Konsole extrahiert werden (wiederum: rechtliche Grauzone). Kopieren Sie die benötigten BIOS-Dateien in den system-Ordner Ihrer RetroArch-Installation (der genaue Pfad variiert je nach Betriebssystem, z.B. unter Windows oft C:UsersIhrBenutzernameAppDataRoamingKodiuserdataaddon_datagame.libretro.retroarchsystem oder für Raspberry Pi /storage/emulators/retroarch/system). Achten Sie auf korrekte Dateinamen, da die Cores oft spezifische Namen erwarten (z.B. scph5501.bin für PS1).

Schritt 6: Scannen und Spielen!

Nachdem Sie alles eingerichtet und Ihre ROMs in den richtigen Ordnern platziert haben, starten Sie Ihr Spiele-Add-on (AEL/RCB). Führen Sie einen erneuten Scan durch, damit das Add-on Ihre neuen Spiele erkennt und die Metadaten herunterladen kann. Sobald der Scan abgeschlossen ist, navigieren Sie durch Ihre wunderschön präsentierte Spielesammlung. Wählen Sie ein Spiel aus, drücken Sie „Spielen” und tauchen Sie ein in die nostalgische Welt des Retro-Gaming auf Ihrem Kodi-System!

Optimierung und Problemlösung: Holen Sie das Beste heraus

• Leistung:
  • Raspberry Pi: Bei Systemen wie dem Raspberry Pi kann Übertaktung (Overclocking) die Leistung für anspruchsvollere Emulationen (z.B. N64, PS1) verbessern. Seien Sie hier vorsichtig und informieren Sie sich über die Risiken.
  • Video-Einstellungen: Im RetroArch-Schnellmenü können Sie Video-Renderer, Skalierungsoptionen und Filter anpassen. Manche Einstellungen können die Leistung stark beeinflussen.
  • Passende Cores: Nicht jeder Libretro Core ist gleich leistungsfähig. Wenn ein Spiel auf einem Core schlecht läuft, versuchen Sie einen anderen Core für dasselbe System, sofern verfügbar.
• Grafik-Verbesserungen:
  • Shader: RetroArch bietet eine Vielzahl von Shadern, die das Aussehen alter Spiele verbessern können, indem sie z.B. Scanlines von Röhrenfernsehern simulieren oder die Grafik glätten.
  • Overlays: Sie können auch Bildschirm-Overlays hinzufügen, um das Gefühl einer alten Konsole oder eines Arcade-Cabinets zu vermitteln.
• Speichern und Laden (Save States): Nutzen Sie die Save State-Funktion von RetroArch, um jederzeit im Spiel zu speichern und zu laden, auch wenn das Originalspiel keine Speicherfunktion bot. Diese Option finden Sie im RetroArch-Schnellmenü während des Spiels.
• Probleme mit ROMs/BIOS:
  • Stellen Sie sicher, dass Ihre ROMs und BIOS-Dateien die korrekten, vom Emulator erwarteten Versionen und Dateinamen haben. Eine schnelle Online-Suche nach „RetroArch [Konsolenname] BIOS” kann hier oft helfen.
  • Manche ROMs sind „bad dumps” oder für bestimmte Emulatoren nicht geeignet. Versuchen Sie eine andere Version des ROMs.
• Controller-Lags: Bei Bluetooth-Controllern kann es unter Umständen zu leichten Verzögerungen kommen. Ein kabelgebundener Controller bietet hier oft die beste Latenz.
• Kodi Gaming Manager: Für eine noch tiefere Integration und Verwaltung Ihrer Spiele auf Kodi gibt es auch den „Kodi Gaming Manager”, eine externe Anwendung, die Ihnen hilft, Ihre Spieledatenbank zu verwalten und Emulatoren zu konfigurieren.

Fazit: Mehr als nur ein Mediacenter – Ein nostalgisches Gaming-Paradies

Ihr Kodi-System ist vielseitiger, als Sie vielleicht dachten. Mit ein wenig Aufwand und den richtigen Add-ons verwandeln Sie Ihr Media Center in eine beeindruckende Retro-Konsole, die Sie auf eine Zeitreise in die goldenen Jahre des Gamings mitnimmt. Egal, ob Sie alte Kindheitserinnerungen aufleben lassen, vergessene Klassiker entdecken oder einfach nur eine kompakte All-in-one-Lösung für Ihre Medien und Spiele suchen – Kodi bietet die perfekte Plattform. Das Aufsetzen mag anfangs etwas technisch erscheinen, aber die Belohnung ist ein unschlagbares Gaming-Erlebnis, das sich nahtlos in Ihr bestehendes Heimkino-Setup einfügt. Viel Spaß beim Zocken!