Tauchst du zum ersten Mal in die aufregende Welt des Gaming-PC-Selbstbaus ein, stehst du vor einer Fülle von Entscheidungen. Die wichtigste und oft verwirrendste Frage am Anfang ist: „Was sollte ich als Erstes kaufen, wenn ich einen Gaming PC zusammenbauen möchte?“ Diese Frage ist kein triviales Detail, sondern der Grundstein deines Projekts. Eine falsche erste Entscheidung kann nicht nur zu Kompatibilitätsproblemen und unnötigen Kosten führen, sondern auch den Spaß am Bauen trüben. Dieser Artikel nimmt dich an die Hand und führt dich durch die Überlegungen, damit dein Start in die Welt der Eigenbau-Gaming-PCs so reibungslos und erfolgreich wie möglich wird.
### Der Traum vom eigenen Gaming-PC: Wo anfangen?
Der Wunsch, einen eigenen Gaming-PC zusammenzubauen, ist oft geprägt von dem Reiz, die Leistung und Ästhetik des Systems selbst zu bestimmen. Man stellt sich die leistungsstarke Grafikkarte vor, die Spiele in atemberaubender Qualität rendert, den schnellen Prozessor, der Multitasking zum Kinderspiel macht, und das leuchtende RGB-Spektakel im Gehäuse. Doch bevor du dich in den Online-Shops verlierst und impulsiv Komponenten in den Warenkorb legst, ist eine strategische Herangehensweise entscheidend.
Viele Neulinge tendieren dazu, mit der Grafikkarte (GPU) zu beginnen – schließlich ist sie das Herzstück eines Gaming-PCs, richtig? Oder vielleicht doch der Prozessor (CPU), das Gehirn des Systems? Die Realität ist komplexer, da alle Komponenten in einem fein abgestimmten Ökosystem zusammenarbeiten müssen. Eine Komponente beeinflusst die Auswahl der anderen, und genau hier liegt die Kunst, den ultimativen Startpunkt zu finden.
### Warum die „einfache” Antwort oft falsch ist
Stellen wir uns vor, du kaufst als Erstes die allerneueste und teuerste Grafikkarte. Das ist zwar aufregend, aber auch riskant. Was, wenn dein später gewählter Prozessor ein sogenanntes „Bottleneck“ (Flaschenhals) verursacht und die Grafikkarte gar nicht ihr volles Potenzial entfalten kann? Oder wenn dein Netzteil nicht genug Saft liefert? Oder schlimmer noch: wenn die Grafikkarte gar nicht in dein gewünschtes Gehäuse passt?
Ähnliches gilt für den Prozessor. Wenn du einen High-End-Prozessor kaufst, der eine bestimmte Art von Mainboard (Motherboard) und RAM erfordert, aber diese später nicht mehr verfügbar oder unerschwinglich sind, steckst du fest. Die Wahrheit ist: Jede Komponente ist wichtig, aber einige sind wichtiger als andere, wenn es darum geht, die Richtung für den gesamten Build vorzugeben.
### Der strategische erste Kauf: Die Plattform – CPU und Mainboard im Duo
Nach langer Überlegung, umfassender Recherche und der Erfahrung unzähliger PC-Bauer lässt sich festhalten: Der beste und strategisch klügste erste Kauf ist nicht eine einzelne Komponente, sondern eine Kombination, die die Plattform deines PCs bildet: das Mainboard und der Prozessor (CPU).
Warum gerade diese beiden?
1. **Kompatibilität ist König:** Das Mainboard (oder auch Motherboard) ist das Nervensystem deines PCs. Es bestimmt, welche Art von Prozessor du verwenden kannst (Stichwort: Sockel wie LGA1700 für Intel oder AM5 für AMD), welche Art und wie viel RAM (Arbeitsspeicher) unterstützt wird (DDR4 oder DDR5), welche Speicherschnittstellen (NVMe M.2, SATA) zur Verfügung stehen und welche Erweiterungsslots (PCIe für Grafikkarten und andere Erweiterungskarten) es bietet. Der Prozessor ist das Gehirn, und seine Wahl ist direkt an den Sockel des Mainboards gebunden. Indem du diese beiden Komponenten zuerst auswählst, legst du die grundlegenden Kompatibilitätsstandards für alle anderen Teile fest.
2. **Budgetgrundlage schaffen:** Die Kosten für CPU und Mainboard machen einen erheblichen Teil deines Gesamtbudgets aus. Wenn du diese zuerst festlegst, hast du eine klare Vorstellung davon, wie viel Geld für die anderen Komponenten (Grafikkarte, RAM, Speicher, Netzteil, Gehäuse) noch übrig ist. Dies hilft dir, realistische Erwartungen zu setzen und unerwartete Ausgaben zu vermeiden.
3. **Leistungszentrale definieren:** Das Duo aus CPU und Mainboard definiert maßgeblich die Kernleistung deines Systems jenseits der Grafikkarte. Ein leistungsstarker Prozessor, gepaart mit einem passenden Mainboard, das schnellen RAM unterstützt, ist entscheidend für die Gesamtperformance, besonders in CPU-intensiven Spielen oder Anwendungen.
4. **Zukunftssicherheit (in Maßen):** Wenn du dich für eine aktuelle Plattform entscheidest (z.B. AM5 von AMD, die voraussichtlich mehrere CPU-Generationen unterstützen wird), schaffst du dir eine gewisse Zukunftssicherheit. Dies bedeutet, dass du in ein paar Jahren vielleicht nur den Prozessor aufrüsten musst, ohne gleich das Mainboard tauschen zu müssen.
### Der detaillierte Plan: So gehst du vor
Bevor du auch nur einen Euro ausgibst, ist eine sorgfältige Planung unerlässlich. Hier ist ein Schritt-für-Schritt-Ansatz, der mit der Auswahl der Plattform beginnt:
**Schritt 1: Dein Budget festlegen**
Definiere, wie viel du insgesamt ausgeben möchtest. Sei realistisch, aber auch flexibel. Ein klares Budget ist der wichtigste Anker für alle nachfolgenden Entscheidungen. Berücksichtige dabei nicht nur die Kernkomponenten, sondern auch Peripheriegeräte wie Monitor, Tastatur und Maus, falls diese ebenfalls neu angeschafft werden müssen.
**Schritt 2: Anwendungszweck und Leistungsziele definieren**
Was möchtest du mit dem PC tun? Ausschließlich neueste AAA-Games in 4K bei hohen FPS spielen? Oder eher E-Sports-Titel in 1080p? Möchtest du streamen, Videos bearbeiten oder einfach nur ein solides Allround-System? Deine Leistungsziele beeinflussen maßgeblich die Wahl von CPU und Grafikkarte und damit auch das Budget.
**Schritt 3: Die Plattform auswählen – CPU und Mainboard (gemeinsam)**
Dies ist der entscheidende Schritt.
* **Prozessor (CPU):** Wähle zwischen Intel und AMD.
* **Intel:** Bietet oft sehr hohe Single-Core-Leistung, was für viele Spiele vorteilhaft ist. Aktuelle Gaming-CPUs verwenden meist den LGA1700-Sockel.
* **AMD:** Hat in den letzten Jahren stark aufgeholt, bietet oft ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis und die AM5-Plattform verspricht eine längere Upgrade-Kompatibilität.
* **Entscheide dich für eine CPU-Leistungsklasse:** Benötigst du einen Einsteiger-Gaming-Prozessor (z.B. Intel i5, AMD Ryzen 5), einen Mittelklasse-Performer (i7, Ryzen 7) oder einen High-End-Boliden (i9, Ryzen 9)?
* **Mainboard (Motherboard):** Sobald die CPU feststeht, wählst du das passende Mainboard. Achte auf:
* **Sockel:** Muss zur CPU passen (z.B. LGA1700 für aktuelle Intel, AM5 für aktuelle AMD).
* **Chipsatz:** Bestimmt die Features (Anzahl der USB-Ports, SATA-Anschlüsse, PCIe-Lanes, Übertaktungsmöglichkeiten). Gängige Gaming-Chipsätze sind z.B. B760/Z790 für Intel und B650/X670 für AMD.
* **RAM-Typ:** Unterstützt es DDR4 oder DDR5? (DDR5 ist aktueller, aber auch teurer und erfordert entsprechende CPUs/Mainboards).
* **Formfaktor:** Passt es in dein gewünschtes Gehäuse? (ATX ist Standard, Micro-ATX oder Mini-ITX sind kleiner).
* **Anschlüsse:** Genug USB-Ports, M.2-Slots für schnelle SSDs, Lüfteranschlüsse etc.
* **Vorsicht beim Kauf:** Kaufe, wenn möglich, CPU und Mainboard zusammen oder zumindest kurz hintereinander, um von aktuellen Deals zu profitieren und eine schnelle Kompatibilitätsprüfung durchzuführen.
**Schritt 4: Die Grafikkarte (GPU)**
Nachdem die Plattform steht, wählst du die Grafikkarte. Sie ist meist die teuerste Komponente und sollte zum Leistungsniveau deines Prozessors passen, um ein Bottleneck zu vermeiden. Dein Budget und deine Leistungsziele (siehe Schritt 2) sind hier entscheidend. NVIDIA (RTX-Serie) und AMD (RX-Serie) sind die Hauptakteure.
**Schritt 5: Arbeitsspeicher (RAM)**
Wähle den RAM, der von deinem Mainboard und deiner CPU unterstützt wird (DDR4 oder DDR5). Für Gaming sind 16 GB DDR4 (3200-3600 MHz) oder 32 GB DDR5 (6000 MHz aufwärts) empfehlenswert. Achte auf die Geschwindigkeit (MHz) und die Latenz (CL-Wert).
**Schritt 6: Speicher (Storage)**
Eine NVMe SSD ist heute ein Muss für das Betriebssystem und Spiele. 1 TB ist eine gute Basis. Für größere Spielesammlungen oder andere Daten kannst du zusätzlich eine SATA SSD oder eine HDD (festplatte) in Betracht ziehen.
**Schritt 7: Netzteil (PSU)**
Berechne den benötigten Wattbedarf deiner Komponenten (besonders CPU und Grafikkarte) mit einem Online-Kalkulator. Wähle ein Netzteil mit etwas Reserve und einer guten Effizienz-Zertifizierung (z.B. 80 Plus Bronze/Gold/Platinum). Ein stabiles und zuverlässiges Netzteil ist entscheidend für die Langlebigkeit deines Systems.
**Schritt 8: Gehäuse (Case)**
Das Gehäuse ist nicht nur Ästhetik, sondern auch Funktionalität. Es muss den Formfaktor deines Mainboards unterstützen (ATX, Micro-ATX, Mini-ITX), genug Platz für deine Grafikkarte und deinen CPU-Kühler bieten und eine gute Belüftung gewährleisten.
**Schritt 9: Kühlung (CPU Cooler)**
Manche CPUs kommen mit einem Boxed-Kühler, der für normale Nutzung ausreicht, aber für Gaming oft zu schwach ist. Investiere in einen guten Luftkühler oder eine All-in-One (AIO) Wasserkühlung, besonders wenn du übertakten möchtest oder eine leistungsstarke CPU gewählt hast.
### Warum dieser Ansatz funktioniert: Phased Buying und Flexibilität
Indem du mit CPU und Mainboard beginnst, schaffst du eine solide Grundlage. Wenn dein Budget es nicht erlaubt, alle Komponenten auf einmal zu kaufen, ermöglicht dieser Ansatz ein „phased buying“. Du kannst diese Kernkomponenten kaufen, und dann Stück für Stück die anderen Teile erwerben, wenn gute Angebote auftauchen, ohne die Gefahr von Inkompatibilität.
**Vorteile des Phased Buying mit Plattform als Startpunkt:**
* **Opportunistische Käufe:** Du kannst auf Sales warten und zum Beispiel die Grafikkarte kaufen, wenn sie im Angebot ist.
* **Bessere Planung:** Da die Hauptkosten für die Plattform feststehen, kannst du dein restliches Budget besser verteilen.
* **Weniger Stress:** Das Gefühl, die wichtigsten Entscheidungen getroffen zu haben, nimmt viel Druck.
### Wichtige Tipps für deinen PC-Bau
* **PCPartPicker und Geizhals:** Nutze Tools wie PCPartPicker.com oder Geizhals.de (für den deutschsprachigen Raum), um deine Komponenten zusammenzustellen. Diese Websites prüfen automatisch die Kompatibilität und helfen dir, die besten Preise zu finden.
* **Videos & Anleitungen:** Schau dir YouTube-Tutorials an. Kanäle wie Linus Tech Tips, Gamers Nexus oder deutsche Kanäle wie HardwareDealz bieten hervorragende Bauanleitungen.
* **Geduld:** Übereile nichts. Lies dir Anleitungen durch, schau dir Videos an und sei vorsichtig beim Zusammenbau. Es ist keine Raketenwissenschaft, aber es erfordert Sorgfalt.
* **Dokumentation:** Bewahre alle Handbücher und Schrauben gut auf.
* **ESD-Schutz:** Vermeide statische Entladung. Erdung ist wichtig, trage am besten ein ESD-Armband oder berühre regelmäßig geerdete Metallflächen.
### Fazit: Dein Start in ein neues Gaming-Erlebnis
Die Frage „Was sollte man als Erstes kaufen?” ist der perfekte Startpunkt für deine Reise in die Welt des PC-Selbstbaus. Indem du mit der strategischen Auswahl von Prozessor und Mainboard beginnst, legst du nicht nur den Grundstein für die Kompatibilität und Leistung deines zukünftigen Gaming-PCs, sondern auch für einen reibungslosen und kontrollierten Bauprozess. Es mag verlockend sein, direkt zur glänzenden Grafikkarte zu greifen, aber die wahre Meisterschaft liegt darin, die Basis richtig zu legen.
Nimm dir Zeit, plane sorgfältig und freue dich auf den Moment, wenn du deinen selbstgebauten Gaming-PC das erste Mal einschaltest. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl der Errungenschaft, das dich mit Stolz erfüllen wird. Viel Erfolg beim Bau deines Traum-Gaming-PCs!