Die Frage, ob der Iran wirklich „kein Internet mehr” hat, ist komplexer als es auf den ersten Blick scheint. Während es stimmt, dass die iranische Regierung in der Vergangenheit und insbesondere während politischer Unruhen das Internet stark eingeschränkt und sogar ganz abgeschaltet hat, ist ein vollständiger, dauerhafter Internetausfall in dem Sinne, dass niemand mehr online gehen kann, unwahrscheinlich. Vielmehr handelt es sich um eine Kombination aus staatlicher Zensur, Drosselung der Bandbreite und gezielten Internetsperren, die das Leben für die Bürger zunehmend erschweren.
Die Realität der Internetzensur im Iran
Der Iran verfügt über eine der restriktivsten Internetzensurrichtlinien der Welt. Die Regierung kontrolliert den Internetverkehr streng und filtert Websites, soziale Medien und andere Online-Inhalte, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit oder die islamischen Werte angesehen werden. Diese Zensur wird durch eine Kombination aus technologischen Mitteln, wie Deep Packet Inspection (DPI), und rechtlichen Rahmenbedingungen durchgesetzt.
Soziale Medien wie Facebook, Twitter und YouTube sind im Iran offiziell gesperrt, obwohl viele Iraner sie über VPNs (Virtual Private Networks) und andere Umgehungstechnologien nutzen. Auch Nachrichtenseiten und Websites kritischer Journalisten und Aktivisten sind häufig blockiert. Die Regierung betreibt zudem eine ausgeklügelte Propagandakampagne, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und alternative Narrative zu verbreiten.
Neben der Zensur greift die iranische Regierung auch zu Internetsperren, insbesondere während Protesten und politischer Unruhen. Diese Sperren können von regionalen Abschaltungen bis hin zu landesweiten Blackouts reichen. Ziel ist es, die Kommunikation zwischen Demonstranten zu unterbinden, die Verbreitung von Informationen zu verhindern und die Organisation von Protesten zu erschweren.
Das Nationale Informationsnetzwerk (SHOMA)
Ein Schlüsselelement der iranischen Internetstrategie ist das Nationale Informationsnetzwerk (SHOMA), auch bekannt als „Halal Internet”. SHOMA ist ein separates, nationales Netzwerk, das von der iranischen Regierung kontrolliert wird. Ziel ist es, eine Alternative zum globalen Internet zu schaffen, die vollständig unter staatlicher Kontrolle steht. Die Regierung argumentiert, SHOMA diene dem Schutz der nationalen Sicherheit und der Förderung iranischer Inhalte.
Kritiker befürchten jedoch, dass SHOMA lediglich ein Instrument zur weiteren Zensur und Kontrolle der Bevölkerung ist. Durch die Förderung der Nutzung von SHOMA versucht die Regierung, die Abhängigkeit vom globalen Internet zu verringern und die Möglichkeiten der Bürger zur Kommunikation mit der Außenwelt einzuschränken. Die Qualität und der Umfang der Inhalte, die über SHOMA verfügbar sind, sind jedoch begrenzt, was viele Iraner weiterhin dazu veranlasst, VPNs zu nutzen, um auf das globale Internet zuzugreifen.
Die Rolle von Starlink im Iran
Inmitten dieser repressiven Internetumgebung hat Starlink, das Satelliteninternetprojekt von SpaceX, eine Rolle in der Diskussion eingenommen. Nach Protesten im Iran im Jahr 2022, die durch den Tod von Mahsa Amini ausgelöst wurden, kündigte Elon Musk an, Starlink-Dienste im Iran zu aktivieren. Die Idee war, den Iranern einen unzensierten Zugang zum Internet zu ermöglichen, um die staatliche Zensur zu umgehen.
Die Umsetzung von Starlink im Iran ist jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Erstens benötigt man eine spezielle Satellitenempfangsanlage, um eine Verbindung zu Starlink herzustellen. Diese Anlagen sind im Iran illegal und der Besitz und die Nutzung können strafrechtlich verfolgt werden. Zweitens ist Starlink im Iran nicht offiziell verfügbar, was bedeutet, dass die Geräte in das Land geschmuggelt werden müssen, was mit Risiken und Kosten verbunden ist. Drittens ist die iranische Regierung bestrebt, die Nutzung von Starlink zu unterbinden. Sie hat bereits Störsender eingesetzt und versucht, die Signale zu blockieren.
Trotz dieser Herausforderungen gibt es Berichte darüber, dass einige Iraner erfolgreich Starlink-Dienste nutzen. Die genaue Anzahl ist jedoch schwer zu schätzen. Starlink könnte potenziell eine wichtige Rolle bei der Umgehung der staatlichen Zensur spielen, insbesondere in abgelegenen Gebieten, in denen die Internetinfrastruktur schlecht ausgebaut ist. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Starlink das Problem der Internetzensur im Iran vollständig lösen kann, da die Regierung weiterhin über Mittel verfügt, um die Nutzung zu erschweren und zu unterbinden.
Auswirkungen auf die iranische Bevölkerung
Die Internetbeschränkungen im Iran haben erhebliche Auswirkungen auf die Bevölkerung. Sie erschweren den Zugang zu Informationen, behindern die freie Meinungsäußerung und schränken die Möglichkeiten für wirtschaftliche Entwicklung und Bildung ein. Viele Iraner sind auf VPNs und andere Umgehungstechnologien angewiesen, um auf das globale Internet zuzugreifen, was jedoch mit zusätzlichen Kosten und Risiken verbunden ist.
Die Internetsperren während der Proteste haben besonders schwerwiegende Folgen. Sie erschweren die Kommunikation zwischen Demonstranten, behindern die Berichterstattung über die Ereignisse und ermöglichen es der Regierung, ihre Version der Ereignisse zu verbreiten. Dies trägt zur Atmosphäre der Angst und Unsicherheit bei und erschwert es den Menschen, sich zu organisieren und ihre Rechte einzufordern.
Trotz der Herausforderungen suchen die Iraner weiterhin nach Wegen, die staatliche Zensur zu umgehen und sich online zu vernetzen. Sie nutzen verschlüsselte Messaging-Apps, teilen Informationen über soziale Medien und unterstützen die Entwicklung neuer Umgehungstechnologien. Der Kampf um die Informationsfreiheit im Iran geht weiter.
Fazit
Die Situation im Iran ist komplex. Von einem vollständigen „Internet-Blackout” im Sinne eines totalen Ausfalls kann man nicht sprechen. Die Realität ist eine Mischung aus Zensur, Drosselung und zeitweiligen Abschaltungen. Starlink bietet zwar eine mögliche Lösung zur Umgehung der staatlichen Zensur, steht aber vor erheblichen Herausforderungen. Letztendlich bleibt die Situation für die iranische Bevölkerung angespannt, da sie weiterhin mit den Auswirkungen der Internetbeschränkungen auf ihr tägliches Leben zu kämpfen hat. Der Kampf um die Informationsfreiheit im Iran wird zweifellos weitergehen.