Stellen Sie sich vor: Sie sind eigentlich zufrieden mit Ihrem Internetvertrag, die monatlichen Kosten sind überschaubar und die Leistung stimmt. Plötzlich klingelt das Telefon, ein freundlicher Mitarbeiter der Telekom am anderen Ende preist Ihnen ein unwiderstehliches Angebot an. Bessere Leistung, vielleicht sogar zum scheinbar gleichen Preis. Sie stimmen zu, denken sich nichts dabei – und dann kommt der Schock: Eine zweite Rechnung flattert ins Haus, ein neuer Vertrag wurde aktiviert, obwohl Ihr alter noch gar nicht ausgelaufen ist. Oder schlimmer noch: Man hat Ihnen etwas angedreht, was Sie gar nicht wollten oder brauchten. Dieses Szenario ist keine Seltenheit und kann Verbraucherinnen und Verbraucher in eine nervenaufreibende Lage versetzen. Sie fragen sich: „Doppelt abkassiert? Was tun, wenn ein Telekom Mitarbeiter mir einen neuen Internetvertrag abgeschlossen hat, obwohl der alte noch lief?” Keine Sorge, Sie sind nicht allein und es gibt klare Schritte, die Sie unternehmen können, um Ihr Recht durchzusetzen.
Dieser Artikel dient als umfassender Leitfaden, um Ihnen in dieser Situation Klarheit zu verschaffen, Ihre Rechte aufzuzeigen und Ihnen konkrete Handlungsempfehlungen zu geben. Wir beleuchten, wie solche Situationen entstehen können, welche juristischen Hebel Sie in der Hand haben und an wen Sie sich wenden können, um diesen unangenehmen Zustand schnellstmöglich zu beenden.
Das Schockmoment: Ein ungewollter Vertrag und die Folgen
Die Verwirrung ist groß: Hat der Mitarbeiter Sie falsch informiert? Gab es ein Missverständnis? Oder wurde hier bewusst getäuscht? Unabhängig von der genauen Ursache führt ein solcher Vorgang oft zu finanziellen Belastungen durch Doppelzahlungen und unnötigen administrativen Aufwand. Die Angst, an zwei Verträge gebunden zu sein, die man nicht braucht, ist verständlich. Oftmals nutzen Mitarbeiter von Telekommunikationsanbietern den Direktkontakt (ob an der Haustür, im Shop oder telefonisch), um Verträge abzuschließen, die für den Kunden nicht optimal oder sogar überflüssig sind. Druck durch Verkaufsziele oder mangelnde Transparenz bei der Beratung können dazu führen, dass Kunden ungewollt in eine solche Situation geraten.
Der Fallstrick: Wie es dazu kommen kann
Es gibt verschiedene Gründe, warum Sie plötzlich mit einem neuen, ungewollten Vertrag dastehen könnten, während der alte noch läuft:
- Fehlende Kommunikation/Mitarbeiter-Provisionen: Manchmal wissen Mitarbeiter nicht genau über die spezifische Vertragssituation des Kunden Bescheid, oder sie agieren unter hohem Verkaufsdruck, um Provisionen zu erhalten. Das kann dazu führen, dass sie „auf Teufel komm raus” verkaufen, auch wenn es für den Kunden nachteilig ist.
- Unklare Kommunikation des Kunden: In seltenen Fällen kann auch ein Missverständnis auf Seiten des Kunden zu einer ungewollten Vertragsänderung führen, obwohl der Mitarbeiter davon ausging, dass eine Zustimmung erfolgte.
- Aggressiver Verkauf und „Haustürgeschäfte”: Insbesondere bei Direktvertrieb (z.B. an der Haustür oder im Einkaufszentrum) kann es zu aggressiven Verkaufstaktiken kommen, bei denen Details verschleiert oder gar falsche Versprechungen gemacht werden, um einen schnellen Abschluss zu erzielen.
- Mangelnde Schulung oder Fehler des Mitarbeiters: Der Mitarbeiter könnte schlichtweg Fehler gemacht oder Sie falsch beraten haben, ohne böse Absicht, aber mit ernsten Konsequenzen für Sie.
- Technisches Versehen: In seltenen Fällen kann auch ein Systemfehler oder ein administratives Versehen seitens der Telekom dazu führen, dass ein neuer Vertrag angelegt wird, wo keiner sein sollte.
Erste Schritte: Ruhe bewahren und Informationen sammeln
Bevor Sie in Panik geraten, ist es entscheidend, einen kühlen Kopf zu bewahren und systematisch vorzugehen. Ihre oberste Priorität ist es nun, so viele Informationen und Beweismittel wie möglich zu sammeln:
- Details des neuen Vertrags prüfen: Wann genau wurde der neue Vertrag abgeschlossen? Welche Leistungen umfasst er? Welche Kosten fallen an? Gibt es eine schriftliche Bestätigung (E-Mail, Brief)?
- Details des alten Vertrags prüfen: Bis wann läuft Ihr alter Vertrag? Welche Kündigungsfristen gibt es?
- Kommunikation dokumentieren: Halten Sie fest, wann und wie der neue Vertrag zustande kam. War es ein Telefonat? Ein Gespräch im Shop oder an der Haustür? Wer war der Ansprechpartner (wenn bekannt)? Notieren Sie sich das Datum, die Uhrzeit und den Inhalt des Gesprächs so detailliert wie möglich.
- Rechnungen überprüfen: Haben Sie bereits Rechnungen für den neuen Vertrag erhalten? Werden beide Verträge parallel abgerechnet?
- Widerrufsfrist im Blick behalten: Viele Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen oder per Fernkommunikation abgeschlossen werden, unterliegen einem 14-tägigen Widerrufsrecht. Prüfen Sie, ob diese Frist noch läuft. Dies ist oft der einfachste Weg aus der Misere.
Deine Rechte als Verbraucher: Das juristische Fundament
Das deutsche Verbraucherrecht schützt Sie in solchen Fällen umfassend. Hier sind die wichtigsten Aspekte:
- Das 14-tägige Widerrufsrecht: Gemäß § 312g Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB haben Sie bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (z.B. an der Haustür, im Internet oder telefonisch) ein 14-tägiges Widerrufsrecht ohne Angabe von Gründen. Die Frist beginnt, sobald Sie alle Vertragsunterlagen und eine korrekte Belehrung über Ihr Widerrufsrecht erhalten haben. Wurden Sie nicht korrekt belehrt, kann sich die Frist auf bis zu 12 Monate und 14 Tage verlängern. Nutzen Sie diese Frist, indem Sie Ihren Widerruf schriftlich (per Einschreiben mit Rückschein oder E-Mail mit Lesebestätigung) an die Telekom senden.
- Fehlerhafte oder fehlende Information: Wenn der Mitarbeiter Ihnen wichtige Informationen vorenthalten oder bewusst falsche Angaben gemacht hat (z.B. dass Ihr alter Vertrag abgelöst wird, obwohl das nicht stimmt), liegt eine Falschberatung vor. Unter Umständen kann der Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten werden (§ 123 BGB). Hierfür müssen Sie nachweisen können, dass die Telekom oder ihr Vertreter Sie vorsätzlich getäuscht hat.
- Vertragsabschluss ohne Zustimmung: Haben Sie dem neuen Vertrag gar nicht zugestimmt, kann dieser überhaupt nicht wirksam zustande gekommen sein. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise ein angebliches „Beratungsgespräch” plötzlich als Vertragsabschluss gewertet wird. Ohne Ihre explizite Willenserklärung ist kein wirksamer Vertrag zustande gekommen.
Direkter Kontakt mit der Telekom: So gehst du vor
Nachdem Sie alle Informationen gesammelt haben, ist der direkte Kontakt mit der Telekom der nächste Schritt. Gehen Sie dabei strategisch vor:
- Anruf beim Kundenservice: Versuchen Sie zunächst, die Situation telefonisch zu klären. Seien Sie bestimmt, aber höflich. Erklären Sie klar und deutlich, dass Sie den neuen Vertrag nicht wünschen und warum (z.B. alter Vertrag läuft noch, keine korrekte Beratung, Widerruf). Notieren Sie sich den Namen des Gesprächspartners, Datum und Uhrzeit des Anrufs sowie das Ergebnis des Gesprächs. Bitten Sie um eine schriftliche Bestätigung der besprochenen Schritte.
- Schriftliche Beschwerde einreichen: Ist eine telefonische Klärung nicht zufriedenstellend oder wünschen Sie eine offizielle Dokumentation, verfassen Sie eine schriftliche Beschwerde. Senden Sie diese per Einschreiben mit Rückschein an die Telekom. Führen Sie alle gesammelten Fakten auf: Vertragsnummern (alt und neu), das Zustandekommen des neuen Vertrags, die Falschberatung oder das Fehlen Ihrer Zustimmung, und Ihre Forderung (z.B. Stornierung des neuen Vertrags, Rückerstattung der Zahlungen). Setzen Sie eine angemessene Frist zur Klärung (z.B. 10-14 Tage).
- Fokus auf das Beschwerdemanagement: Sollte der normale Kundenservice nicht weiterhelfen können, bitten Sie darum, mit dem Beschwerdemanagement oder einer höheren Instanz verbunden zu werden. Diese Abteilungen sind oft besser geschult, um komplexe Fälle zu lösen.
- Bankeinzug stoppen: Wenn Sie sicher sind, dass der neue Vertrag unberechtigt ist und Sie bereits Zahlungen leisten, können Sie den Lastschrifteinzug bei Ihrer Bank widerrufen. Informieren Sie die Telekom aber unbedingt darüber, um Mahnungen zu vermeiden, wenn der Vertrag doch als gültig angesehen wird.
Wenn die Telekom nicht reagiert: Externe Hilfe hinzuziehen
Manchmal bleiben die eigenen Bemühungen fruchtlos, oder die Telekom zeigt sich uneinsichtig. In solchen Fällen ist es ratsam, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen:
- Die Verbraucherzentrale: Die Verbraucherzentralen bieten unabhängige und kompetente Beratung in allen Fragen des Verbraucherrechts. Sie können Ihren Fall prüfen, Ihnen Musterbriefe zur Verfügung stellen und Ihnen bei der Formulierung einer rechtssicheren Beschwerde helfen. Oft können sie auch eine Einschätzung geben, ob sich ein rechtlicher Schritt lohnt.
- Die Bundesnetzagentur (BNetzA): Die Bundesnetzagentur ist die Regulierungsbehörde für Telekommunikation in Deutschland. Sie bietet eine offizielle Schlichtungsstelle für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Telekommunikationsanbietern an. Bevor Sie die Schlichtungsstelle anrufen, müssen Sie versucht haben, das Problem direkt mit der Telekom zu klären und die Telekom muss Ihren Antrag abgelehnt haben oder innerhalb von sechs Wochen nicht geantwortet haben. Der Schlichtungsprozess ist kostenlos und oft sehr effektiv.
- Rechtliche Beratung: Wenn alle Stricke reißen und es um erhebliche Beträge oder Prinzipien geht, kann die Konsultation eines Rechtsanwalts für Verbraucherrecht sinnvoll sein. Ein Anwalt kann Ihren Fall prüfen, die Rechtslage beurteilen und Sie gerichtlich oder außergerichtlich vertreten. Prüfen Sie, ob Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, die die Kosten übernehmen würde.
Schutz vor zukünftigen Fallen: Prävention ist alles
Um in Zukunft nicht wieder in eine solche Situation zu geraten, gibt es einige wichtige Präventionsmaßnahmen:
- Nichts übereilen: Lassen Sie sich niemals unter Druck setzen, einen Vertrag sofort abzuschließen. Nehmen Sie sich Zeit, alle Unterlagen in Ruhe zu prüfen.
- Alles schriftlich bestätigen lassen: Bestehen Sie darauf, dass Ihnen alle Details eines Angebots, insbesondere Zusagen über Kündigungen oder Übernahmen alter Verträge, schriftlich vorab zugesendet werden, bevor Sie zustimmen.
- Gespräche dokumentieren: Machen Sie bei telefonischen Vertragsabschlüssen Notizen zu allen wichtigen Punkten, dem Namen des Mitarbeiters und der Uhrzeit. In Deutschland ist die Aufzeichnung von Telefongesprächen ohne die Zustimmung aller Beteiligten unzulässig, aber detaillierte Notizen sind erlaubt und hilfreich.
- AGB aufmerksam lesen: Auch wenn es mühsam ist, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthalten wichtige Klauseln zu Vertragslaufzeiten, Kündigungsfristen und Leistungsbeschreibungen.
- Seien Sie skeptisch bei „unwiderstehlichen” Angeboten: Wenn ein Angebot zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es das oft auch. Hinterfragen Sie genau, welche Bedingungen daran geknüpft sind.
- Unaufgeforderte Anrufe: Bei unaufgeforderten Anrufen von Telekommunikationsanbietern müssen Sie besonders vorsichtig sein. Es ist Ihr Recht, einfach aufzulegen, wenn Sie kein Interesse haben.
Fazit: Dein Recht durchsetzen und zur Ruhe kommen
Ein ungewollter Vertrag, der von einem Telekom Mitarbeiter abgeschlossen wurde, während Ihr alter noch lief, ist mehr als nur ärgerlich. Es ist ein Verstoß gegen Ihre Verbraucherrechte und kann zu unnötigen finanziellen Belastungen führen. Doch wie dieser Leitfaden gezeigt hat, sind Sie dem Problem nicht hilflos ausgeliefert. Mit der richtigen Strategie, einer sorgfältigen Dokumentation und der Inanspruchnahme externer Hilfen wie der Verbraucherzentrale oder der Bundesnetzagentur können Sie Ihr Recht durchsetzen.
Bleiben Sie hartnäckig, aber sachlich. Sammeln Sie alle Beweise, kommunizieren Sie klar und schriftlich mit der Telekom und scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Letztendlich haben Sie das Recht auf einen fairen und transparenten Vertragsabschluss. Lassen Sie sich nicht entmutigen und kämpfen Sie für Ihr gutes Recht – damit Sie bald wieder ungestört surfen können, ohne doppelt abkassiert zu werden.