In der heutigen digitalen Welt benötigen wir immer mehr Speicherplatz für unsere Fotos, Videos, Dokumente und Medienbibliotheken. Ein dedizierter Server für zu Hause ist dafür die ideale Lösung, aber oft schrecken die Kosten, der Stromverbrauch und der Platzbedarf ab. Hier kommt der **Lenovo M720q Tiny** ins Spiel – ein unscheinbarer, aber erstaunlich leistungsstarker Mini-PC, der sich perfekt als Herzstück eines **Unraid Home Servers** eignet.
Der M720q besticht durch seinen geringen Stromverbrauch, die kompakte Bauform und die Fähigkeit, selbst anspruchsvolle Aufgaben wie Medien-Transkodierung zu bewältigen. Die größte Herausforderung bei der Umwandlung dieses Mini-Giganten in einen vollwertigen NAS oder Mediaserver ist jedoch der begrenzte interne Speicherplatz. Genau hier setzt dieser umfassende Leitfaden an: Wir zeigen Ihnen, wie Sie diese Einschränkung überwinden und dem M720q mit externen Festplatten (HDDs) und Unraid zu ungeahnter Speicherkapazität verhelfen.
### Warum der Lenovo M720q Tiny für Unraid?
Bevor wir ins Detail gehen, lassen Sie uns kurz die Vorteile des **Lenovo M720q** als **Unraid**-Plattform beleuchten:
* **Kompakte Größe:** Er passt problemlos auf jeden Schreibtisch oder in ein Medienregal.
* **Geringer Stromverbrauch:** Im Leerlauf verbraucht der M720q oft unter 10 Watt, was Ihre Stromrechnung schont.
* **Intel Core Prozessoren der 8. Generation:** Diese bieten genügend Leistung für **Unraid**-Funktionen wie Docker-Container (Plex, Nextcloud, Home Assistant), virtuelle Maschinen und schnelle Datenübertragung. Die integrierte Intel Quick Sync Video-Funktion ist zudem ideal für die Medien-Transkodierung mit Plex.
* **PCIe-Erweiterungssteckplatz:** Dies ist der Schlüssel zur Speicherkapazitätserweiterung, auf die wir uns konzentrieren werden.
* **Kosten-Effizienz:** Gebrauchte M720q-Geräte sind oft zu attraktiven Preisen erhältlich.
### Die Herausforderung: Begrenzter interner Speicher
Der **Lenovo M720q** ist in erster Linie für Büroumgebungen konzipiert und bietet intern nur begrenzten Speicherplatz:
1. **Ein M.2-NVMe-Steckplatz:** Ideal für eine schnelle Cache-SSD oder die Installation des **Unraid OS** (obwohl ein USB-Stick für Unraid OS Standard ist).
2. **Ein 2,5-Zoll-SATA-Schacht:** Geeignet für eine einzelne SSD oder HDD. Dies reicht für ein kleines System, aber nicht für ein vollwertiges NAS mit mehreren Terabytes an Daten.
Um die Speicherkapazität für ein **Unraid**-Array signifikant zu erhöhen, müssen wir auf externe Lösungen zurückgreifen.
### Unraid: Das Herzstück Ihres Home Servers
**Unraid** ist ein flexibles Betriebssystem für **Home Server** und NAS-Systeme, das sich durch seine einzigartige Speicherverwaltung auszeichnet:
* **Flexibles Array:** Sie können Festplatten unterschiedlicher Größe kombinieren.
* **Datenredundanz:** Eine oder zwei Parity-Laufwerke schützen Ihre Daten vor Festplattenausfällen.
* **Erweiterbarkeit:** Fügen Sie einfach neue Laufwerke hinzu, wenn Sie mehr Speicherplatz benötigen.
* **Anwendungsfreundlich:** Unterstützung für Docker-Container und virtuelle Maschinen macht es zu einer leistungsstarken Plattform für eine Vielzahl von Diensten.
Um diese Vorteile voll ausschöpfen zu können, benötigen wir eine Möglichkeit, mehr als nur die eine interne 2,5-Zoll-HDD an den M720q anzuschließen.
### Die Lösung: PCIe-Erweiterung und externe JBODs
Der entscheidende Faktor, der den **Lenovo M720q** für dieses Projekt so attraktiv macht, ist sein **PCIe-Steckplatz**. Obwohl er im Mini-PC-Formfaktor nur einen Low-Profile-Slot bietet, ist er leistungsstark genug für unsere Zwecke.
#### Schritt 1: Der PCIe Host Bus Adapter (HBA)
Um mehrere SATA-Festplatten anzuschließen, benötigen wir einen **Host Bus Adapter (HBA)**, der in den PCIe-Steckplatz des M720q eingesetzt wird.
* **Kompatibilität:** Wählen Sie einen Low-Profile-HBA. Der M720q hat einen PCIe x16 (mechanisch), der aber elektrisch oft nur als x4 angebunden ist. Dies ist für HDDs völlig ausreichend, da eine einzelne HDD die Bandbreite von PCIe x1 kaum ausnutzt.
* **Empfohlene Modelle:** Beliebte und bewährte HBAs basieren auf LSI-Chipsätzen. Beispiele sind der LSI 9211-8i oder der Dell H310/H200, die oft gebraucht günstig zu finden sind. Diese Karten verfügen über zwei interne SFF-8087-Anschlüsse, an die jeweils vier SATA-Laufwerke angeschlossen werden können – also insgesamt 8 Laufwerke pro Karte.
* **IT-Modus:** Es ist absolut entscheidend, dass der HBA im sogenannten **”IT-Modus” (Initiator Target Mode)** geflasht ist. Im IT-Modus verhält sich der HBA wie ein reiner Pass-Through-Controller, der die angeschlossenen Laufwerke direkt an das Betriebssystem (in unserem Fall **Unraid**) weiterleitet. Dies ist für **Unraid** unerlässlich, da es direkten Zugriff auf die einzelnen Festplatten benötigt, um sein Array zu verwalten. HBAs im RAID-Modus sind für **Unraid** ungeeignet. Anleitungen zum Flashen in den IT-Modus finden Sie zahlreich online, es ist ein relativ einfacher Vorgang.
* **Kabel:** Sie benötigen SFF-8087 zu SATA-Breakout-Kabel, um die internen Anschlüsse des HBA mit den einzelnen SATA-Festplatten zu verbinden.
#### Schritt 2: Externe Konnektivität – Der Weg nach außen
Der HBA wird intern im M720q installiert, aber unsere HDDs sollen extern liegen. Hierfür gibt es zwei Hauptansätze:
1. **Interne SAS-Ports nach extern führen:** Der eleganteste Weg ist die Verwendung eines HBAs mit internen SFF-8087-Anschlüssen in Verbindung mit einer **Slotblende**, die diese Anschlüsse über externe SFF-8088-Ports nach außen führt. Sie benötigen dann ein SFF-8088 auf SFF-8088 Kabel, um eine externe **JBOD-Einheit (Just a Bunch Of Disks)** anzuschließen.
2. **SFF-8087 zu SFF-8088 Adapterkabel:** Alternativ können Sie einen Adapter verwenden, der aus einem internen SFF-8087-Anschluss einen externen SFF-8088-Anschluss macht. Dies ist oft flexibler, aber achten Sie auf die Qualität der Kabel.
#### Schritt 3: Das externe Gehäuse – Ihre **JBOD-Einheit**
Sobald Sie die externen SAS-Anschlüsse bereitgestellt haben, benötigen Sie ein Gehäuse für Ihre Festplatten. Hier sind die gängigsten Optionen:
* **Dedizierte SAS/SATA JBOD-Gehäuse:** Dies ist die professionellste und oft teuerste Lösung. Diese Gehäuse sind dafür ausgelegt, mehrere HDDs aufzunehmen, bieten oft Hot-Swap-Fähigkeit und verfügen über eine eigene Stromversorgung. Sie werden direkt über SFF-8088 SAS-Kabel mit dem HBA im M720q verbunden.
* **DIY „Drive Box” (Selbstbau-Gehäuse):** Eine kostengünstigere und flexible Lösung ist der Selbstbau einer „Drive Box”.
* **Gehäuse:** Verwenden Sie ein kleines PC-Gehäuse (z.B. ein Mini-ITX-Gehäuse) oder eine spezielle Server-Gehäuse-Lösung mit vielen Festplatteneinschüben.
* **Stromversorgung:** Dies ist der kritischste Punkt. Die externen HDDs benötigen eine zuverlässige Stromquelle.
* **Separate ATX-Netzteile:** Eine gängige Methode ist die Verwendung eines separaten, kleinen ATX-Netzteils, das nur die HDDs versorgt. Sie können es so modifizieren, dass es sich mit dem M720q einschaltet (durch Überbrücken des grünen Kabels oder über ein intelligentes Einschaltmodul).
* **Pico-PSU/DC-DC-Wandler:** Eine elegantere, aber technisch anspruchsvollere Lösung wäre die Verwendung einer Pico-PSU oder eines DC-DC-Wandlers, der von einem externen Notebook-Netzteil gespeist wird. Dies reduziert die Kabelage und den Platzbedarf.
* **Verkabelung:** Im Inneren der Drive Box verbinden Sie die SATA-Festplatten mit SATA-zu-SFF-8087-Breakout-Kabeln, die wiederum zu einem SFF-8088-Anschluss auf einer Slotblende im Gehäuse führen. Von dort geht ein SFF-8088-Kabel zum M720q.
**Wichtiger Hinweis zur Stromversorgung:** Der **Lenovo M720q** wird von einem externen Netzteil mit typischerweise 65W oder 90W versorgt. Dieses Netzteil ist **nicht** dafür ausgelegt, zusätzliche HDDs mit Strom zu versorgen. Jede 3,5-Zoll-Festplatte kann beim Start 15-25 Watt verbrauchen und im Betrieb 5-10 Watt. Eine separate Stromversorgung für die externen Laufwerke ist daher **unerlässlich**.
#### USB-Gehäuse: Eine schlechte Idee für Unraid-Array-Disks
Manche fragen sich vielleicht, warum nicht einfach ein externes USB-Festplattengehäuse verwendet wird. Obwohl USB 3.0/3.1 schnell genug erscheint, ist es für die direkten **Unraid**-Array-Laufwerke **nicht empfehlenswert**.
* **Zuverlässigkeit:** USB-Controller können Flaschenhälse oder Fehlerquellen darstellen, die die Stabilität des Arrays beeinträchtigen.
* **Direct Access:** **Unraid** benötigt direkten, zuverlässigen Zugriff auf die physikalischen Laufwerke. USB-Controller können dies stören oder die Identifikation der Laufwerke erschweren.
* **Leistung:** Obwohl hohe sequentielle Lesegeschwindigkeiten erreicht werden können, ist die Leistung bei zufälligen Zugriffen oder gleichzeitigen Operationen oft schlechter als bei direkten SATA/SAS-Verbindungen.
USB-Gehäuse sind höchstens für Backups oder temporäre Speicherung geeignet, aber nicht für die Kerndaten Ihres **Unraid Home Servers**.
### Konfiguration des Unraid Servers
Sobald die Hardware physisch verbunden ist, können Sie mit der **Unraid**-Konfiguration beginnen:
1. **Unraid OS auf USB-Stick:** Installieren Sie **Unraid** auf einem USB-Stick (mindestens 2 GB, empfohlen 8-16 GB), der dauerhaft im M720q verbleibt.
2. **Erster Start und Web-Interface:** Booten Sie den M720q vom USB-Stick. Greifen Sie über die Netzwerk-IP-Adresse auf das **Unraid**-Web-Interface zu.
3. **Laufwerke erkennen:** **Unraid** sollte alle über den HBA angeschlossenen Festplatten erkennen.
4. **Parity-Laufwerk(e) und Datenlaufwerke zuweisen:** Wählen Sie ein oder zwei Laufwerke als Parity-Laufwerke und die restlichen als Datenlaufwerke für Ihr Array.
5. **Cache-Laufwerk (optional):** Verwenden Sie die interne M.2-NVMe-SSD als schnelles Cache-Laufwerk für bessere Leistung.
6. **Array starten:** Wenn alle Zuweisungen korrekt sind, starten Sie das Array. Der Parity-Sync kann je nach Größe Ihrer Festplatten viele Stunden dauern.
7. **Shares, Docker und VMs:** Nach dem Start können Sie Shares einrichten, Docker-Container installieren (z.B. Plex Media Server, Nextcloud, AdGuard Home) und virtuelle Maschinen betreiben.
### Zusammenfassung und Empfehlungen
Der **Lenovo M720q** in Kombination mit einem **PCIe HBA** und einem externen **JBOD-Gehäuse** bietet eine außergewöhnlich potente, stromsparende und kompakte Lösung für einen **Unraid Home Server**.
**Kurze Checkliste für Ihr Projekt:**
* **Lenovo M720q Tiny** (achten Sie auf den PCIe-Steckplatz, manche Budget-Varianten haben diesen nicht).
* **Low-Profile PCIe HBA** (z.B. LSI 9211-8i oder Dell H310), geflasht in den **IT-Modus**.
* **SFF-8087 auf SFF-8088 Slotblende oder Adapterkabel**.
* **SFF-8088 auf SFF-8088 SAS-Kabel** (für die Verbindung zum externen Gehäuse).
* **Externes Gehäuse für HDDs** (fertiges JBOD oder DIY-Lösung).
* **Separate Stromversorgung für die HDDs**.
* **SATA-Festplatten** Ihrer Wahl.
* Optional: M.2 NVMe SSD als Cache-Laufwerk.
* USB-Stick für **Unraid OS**.
Mit dieser Anleitung können Sie den bescheidenen **Lenovo M720q** in einen mächtigen, erweiterbaren **NAS** und **Home Server** verwandeln, der all Ihren Speicher- und Rechenanforderungen gerecht wird, ohne dabei viel Platz oder Energie zu beanspruchen. Viel Erfolg beim Bau Ihres ultimativen Mini-Servers!