USB-Stick Leistungstest: Wieviel Abweichung von der angegebenen Geschwindigkeit ist noch normal?

Kennen Sie das Gefühl? Sie kaufen einen neuen USB-Stick, beworben mit beeindruckenden Geschwindigkeitsangaben wie „bis zu 300 MB/s”, nur um dann festzustellen, dass beim Kopieren Ihrer Daten kaum mehr als 30 MB/s erreicht werden. Frustrierend, nicht wahr? Dieses Phänomen ist leider weit verbreitet und führt oft zu Verwirrung und Enttäuschung. Doch wie viel Abweichung von den Herstellerangaben ist eigentlich noch „normal”, und wann sollte man misstrauisch werden? Dieser Artikel taucht tief in die Welt der USB-Stick-Performance ein, beleuchtet die Ursachen für diese Diskrepanzen und zeigt Ihnen, wie Sie die tatsächliche Leistung Ihres Sticks verstehen und testen können.

Die Realität der Herstellerangaben: Marketing vs. Messwerte

Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass die von Herstellern beworbenen Geschwindigkeiten oft unter optimalen Bedingungen ermittelt werden. Diese „bis zu”-Werte repräsentieren in der Regel die theoretisch maximale sequenzielle Lesegeschwindigkeit, die unter idealisierten Laborbedingungen mit speziellen Testdateien (oft sehr großen Dateien) erzielt wurde. Sequenziell bedeutet, dass die Daten fortlaufend gelesen oder geschrieben werden – ein Szenario, das in der Praxis nicht immer gegeben ist.

Was oft verschwiegen oder nur im Kleingedruckten erwähnt wird, sind die deutlich niedrigeren Schreibgeschwindigkeiten und die Performance bei zufälligen Zugriffen (Random Read/Write). Letztere sind besonders relevant, wenn Sie viele kleine Dateien kopieren, wie beispielsweise eine Sammlung von Fotos oder ein Software-Installationspaket. Hier kann die Leistung drastisch einbrechen, da der Controller des Sticks ständig neue Adressen anspringen muss, statt einfach linear zu arbeiten.

Warum die Leistung schwankt: Eine Vielzahl von Einflussfaktoren

Die tatsächliche Leistung eines USB-Sticks hängt von einer komplexen Mischung aus Hard- und Softwarefaktoren ab. Es ist nicht nur der Stick selbst, der entscheidet, wie schnell Ihre Daten übertragen werden. Hier sind die wichtigsten Stellschrauben:

1. Der USB-Standard: Der Flaschenhals des Anschlusses

Einer der grundlegendsten Faktoren ist der verwendete USB-Standard. Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen:

• USB 2.0: Theoretisch bis zu 480 MBit/s (ca. 60 MB/s). In der Praxis selten mehr als 20-30 MB/s. Völlig unzureichend für moderne Sticks, aber noch oft an älteren PCs oder bestimmten Ports zu finden.
• USB 3.0 (auch als USB 3.1 Gen 1 oder USB 3.2 Gen 1 bezeichnet): Theoretisch bis zu 5 GBit/s (ca. 625 MB/s). Realistische Geschwindigkeiten liegen oft zwischen 80 MB/s und 200 MB/s für gute Sticks.
• USB 3.1 Gen 2 (auch als USB 3.2 Gen 2 bezeichnet): Theoretisch bis zu 10 GBit/s (ca. 1.250 MB/s). Hochleistungssticks können hier 400 MB/s bis 800 MB/s erreichen.
• USB 3.2 Gen 2×2: Theoretisch bis zu 20 GBit/s (ca. 2.500 MB/s). Aktuell noch selten, aber für extrem schnelle Sticks relevant.

Wichtig: Sowohl der Stick als auch der USB-Port an Ihrem Computer müssen denselben oder einen kompatiblen, schnellen Standard unterstützen. Ein USB 3.0-Stick an einem USB 2.0-Port wird immer nur USB 2.0-Geschwindigkeit erreichen.

2. Der Controller des USB-Sticks: Das Gehirn des Speichers

Der Controller ist der Chip, der die Kommunikation zwischen dem USB-Anschluss und dem NAND-Flash-Speicher regelt. Ein hochwertiger Controller mit ausgeklügelter Firmware kann die Leistung erheblich steigern, indem er Daten effizienter verwaltet, Fehler korrigiert und Wear-Leveling (gleichmäßige Abnutzung der Speicherzellen) betreibt. Günstige Sticks verwenden oft einfachere Controller, die weniger leistungsfähig sind.

3. Der NAND-Flash-Speicher: Das Herzstück der Leistung

Die Art des verbauten NAND-Flash-Speichers ist der wohl entscheidendste Faktor für die Schreibgeschwindigkeit und die Lebensdauer eines Sticks:

• SLC (Single-Level Cell): Speichert 1 Bit pro Zelle. Extrem schnell, sehr langlebig, aber teuer und wenig Kapazität. Wird fast nur in industriellen Anwendungen oder High-End-SSDs verwendet.
• MLC (Multi-Level Cell): Speichert 2 Bit pro Zelle. Schneller als TLC, gute Haltbarkeit, mittlerer Preis. Kommt in guten bis sehr guten Consumer-Sticks zum Einsatz.
• TLC (Triple-Level Cell): Speichert 3 Bit pro Zelle. Günstiger und ermöglicht höhere Kapazitäten, ist aber langsamer (besonders beim Schreiben) und weniger langlebig als MLC. Viele Mainstream-Sticks nutzen TLC. Um die Leistung zu verbessern, verwenden TLC-Sticks oft einen kleinen Teil des Speichers im SLC-Modus als Cache (Pseudo-SLC oder pSLC-Cache). Solange dieser Cache nicht voll ist, ist der Stick schnell. Ist er voll, bricht die Geschwindigkeit massiv ein, da die Daten direkt in die langsameren TLC-Zellen geschrieben werden müssen.
• QLC (Quad-Level Cell): Speichert 4 Bit pro Zelle. Am günstigsten, höchste Kapazität, aber am langsamsten und am wenigsten langlebig. Wird primär in sehr großen, preisgünstigen SSDs oder Kapazitäts-optimierten USB-Sticks verwendet. Die Leistungseinbrüche nach Füllung des Caches sind hier am deutlichsten spürbar.

Die meisten günstigen Consumer-Sticks verwenden heute TLC oder sogar QLC-NAND. Das erklärt, warum die beworbenen Spitzenwerte oft nur für kurze Zeit gehalten werden können.

4. Das Dateisystem: Die Organisation zählt

Auch das Dateisystem, mit dem der Stick formatiert ist, beeinflusst die Performance:

• FAT32: Alt, weitgehend kompatibel, aber nicht für Dateien über 4 GB geeignet und ineffizient bei der Verwaltung. Langsamer als modernere Systeme.
• exFAT: Besser für große Dateien, plattformübergreifend kompatibel (Windows, macOS). Eine gute Wahl für die meisten USB-Sticks.
• NTFS: Standard unter Windows, robust und leistungsfähig, aber kann auf macOS ohne zusätzliche Software Probleme bereiten. Manchmal etwas langsamer auf Flash-Speichern als exFAT, aber in der Regel schneller als FAT32.

5. Die Art und Größe der Dateien: Ein entscheidender Faktor

Das Kopieren einer großen Videodatei (z.B. 10 GB) ist in der Regel wesentlich schneller als das Kopieren von 10.000 kleinen Fotos (z.B. jeweils 1 MB). Warum? Bei vielen kleinen Dateien muss der Controller des Sticks ständig neue Lese-/Schreibbefehle verarbeiten und die Daten auf verschiedene, oft nicht zusammenhängende Speicherzellen verteilen. Dies erzeugt viel „Overhead” und senkt die effektive Geschwindigkeit dramatisch. Bei großen, sequenziellen Dateien kann der Stick seine volle Leistung entfalten.

6. Ihr Computer und seine USB-Implementierung

Nicht nur der Stick, auch Ihr PC spielt eine Rolle. Der USB-Controller auf dem Mainboard, dessen Treiber, die CPU-Auslastung und sogar andere gleichzeitig angeschlossene USB-Geräte können die Übertragungsgeschwindigkeit beeinflussen. Stellen Sie sicher, dass Sie die neuesten USB-Treiber installiert haben und Ihr PC während des Tests nicht stark ausgelastet ist.

Wie man die tatsächliche Leistung testet

Um die wirkliche USB-Stick Leistung zu ermitteln, benötigen Sie die richtigen Werkzeuge und eine konsistente Methodik:

1. Benchmark-Tools: Programme wie CrystalDiskMark oder AS SSD Benchmark (obwohl mehr für SSDs gedacht, liefert es auch für USB-Sticks gute Anhaltspunkte) sind hervorragend geeignet. Sie messen sequentielle Lese- und Schreibgeschwindigkeiten sowie die Leistung bei zufälligen Zugriffen mit verschiedenen Dateigrößen.
2. Test-Vorbereitung:
   • Schließen Sie den USB-Stick direkt an einen freien USB-Port Ihres Computers an, idealerweise an einen auf der Rückseite des Gehäuses (bei Desktops), da diese oft direkt mit dem Mainboard verbunden sind und weniger Störfaktoren aufweisen. Vermeiden Sie USB-Hubs oder Verlängerungskabel.
   • Stellen Sie sicher, dass der Stick leer oder frisch formatiert ist (exFAT wird oft empfohlen).
   • Schließen Sie alle unnötigen Programme im Hintergrund, um Systemressourcen freizugeben.
3. Praktischer Test: Kopieren Sie eine große Datei (z.B. eine ISO-Datei mit 5-10 GB) und beobachten Sie die angezeigte Übertragungsgeschwindigkeit. Wiederholen Sie den Test mehrmals und berechnen Sie den Durchschnitt. Kopieren Sie danach einen Ordner mit vielen kleinen Dateien und vergleichen Sie die Ergebnisse – hier werden Sie den größten Unterschied bemerken.

Wieviel Abweichung ist „normal”? Die goldene Regel

Jetzt zur Kernfrage: Wie viel Abweichung von der angegebenen Geschwindigkeit ist noch akzeptabel? Es gibt keine einzige magische Zahl, da es stark vom Stick-Typ und den Testbedingungen abhängt. Aber hier sind einige Faustregeln und Erwartungen:

1. Sequenzielle Lesegeschwindigkeit: Diese ist oft am stabilsten und kommt den Herstellerangaben am nächsten. Eine Abweichung von 10-30% nach unten ist typisch und meistens noch im „normalen” Bereich. Das bedeutet, ein Stick, der mit „bis zu 300 MB/s Lesen” beworben wird, könnte im realen Test 210-270 MB/s erreichen, was noch gut wäre. Werte unter 70% der Angabe könnten auf Probleme hindeuten, je nach Preissegment.
2. Sequenzielle Schreibgeschwindigkeit: Hier sind die größten Diskrepanzen zu erwarten. Eine Abweichung von 30-70% nach unten ist absolut keine Seltenheit, insbesondere bei günstigen Sticks mit TLC/QLC-NAND und kleinerem pSLC-Cache. Ein Stick, der mit „bis zu 100 MB/s Schreiben” wirbt, aber in der Praxis 30-70 MB/s erreicht, ist oft noch im normalen Rahmen für seinen Preisbereich. Wenn die Geschwindigkeit nach dem Füllen des pSLC-Caches (also nach dem Schreiben einiger GB) auf unter 10-20 MB/s fällt, ist dies für preisgünstige Sticks mitunter „normal”, aber frustrierend. Sticks im oberen Preissegment sollten hier deutlich besser abschneiden.
3. Zufällige Lese-/Schreibgeschwindigkeiten (Random Read/Write): Diese Werte werden selten beworben und sind fast immer drastisch niedriger als die sequenziellen Geschwindigkeiten – oft nur wenige MB/s oder sogar Kilobyte/s. Dies ist der Grund, warum das Kopieren vieler kleiner Dateien so lange dauert. Eine hohe Random-Performance ist eher bei teuren SSDs als bei USB-Sticks zu erwarten. Hier sind die Abweichungen von nicht angegebenen Werten immens, aber eben auch „normal” für die Technologie.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Erwarten Sie bei der Lesegeschwindigkeit eine Performance, die relativ nah (ca. 70-90%) an der beworbenen liegt. Bei der Schreibgeschwindigkeit müssen Sie deutlich realistischer sein; hier sind 30-70% der Angabe oder sogar noch weniger für günstige Sticks kein Grund zur Panik, solange der Preis stimmt. Extrem niedrige oder inkonsistente Werte könnten jedoch ein Warnsignal sein.

Wann sollte man misstrauisch werden?

Es gibt jedoch Situationen, in denen die Performance-Abweichung über das „normale” Maß hinausgeht:

• USB 3.0/3.1-Stick mit USB 2.0-Geschwindigkeit: Wenn Ihr moderner USB 3.x-Stick dauerhaft nur 20-30 MB/s beim Schreiben und 30-40 MB/s beim Lesen erreicht, obwohl er an einem USB 3.x-Port angeschlossen ist, stimmt etwas nicht. Überprüfen Sie den Port, die Treiber und im Zweifel den Stick.
• Extreme Einbrüche bei der Lesegeschwindigkeit: Während bei der Schreibgeschwindigkeit starke Schwankungen normal sein können, sollte die Lesegeschwindigkeit relativ stabil und hoch bleiben. Ein USB 3.0-Stick, der nur mit 50 MB/s liest, obwohl 150 MB/s beworben werden, ist verdächtig.
• Fälschungen: Vorsicht bei extrem günstigen Angeboten von „No-Name”-Herstellern auf Online-Marktplätzen. Hier werden oft billige, kleine Speichermodule verwendet und die Kapazität per Software hochskaliert. Solche Sticks sind oft extrem langsam und verlieren schnell Daten.
• Inkonsistente Testergebnisse: Wenn die Leistung bei wiederholten Tests extrem schwankt oder der Stick unzuverlässig wird, könnte ein Defekt vorliegen.

Fazit: Erwartungsmanagement und informierte Kaufentscheidung

Die Welt der USB-Stick Leistungstests ist komplex, aber mit dem richtigen Wissen können Sie fundierte Entscheidungen treffen. Die beworbenen „bis zu”-Werte sind Momentaufnahmen unter Idealbedingungen. Ein gewisses Maß an Abweichung ist also absolut normal und technisch bedingt.

Der Schlüssel liegt im Erwartungsmanagement. Wenn Sie einen schnellen Stick für große Datenmengen suchen, achten Sie nicht nur auf die Lesegeschwindigkeit, sondern vor allem auf die (sequenzielle) Schreibgeschwindigkeit und versuchen Sie, Modelle mit MLC-NAND oder zumindest gut implementiertem TLC mit großem pSLC-Cache zu finden. Lesen Sie unabhängige Tests und Nutzerbewertungen, die reale Performance-Tests durchgeführt haben.

Ein USB-Stick ist ein Kompromiss aus Preis, Kapazität und Geschwindigkeit. Verstehen Sie die Faktoren, die seine Leistung beeinflussen, und Sie werden nicht nur weniger Frustration erleben, sondern auch den perfekten Stick für Ihre Bedürfnisse finden, selbst wenn er nicht immer die absolute Spitze der Herstellerangaben erreicht.