Der Kühler des Ryzen 5 5600X im Härtetest: Reicht der Boxed-Kühler wirklich aus?

Der **AMD Ryzen 5 5600X** hat sich seit seiner Einführung als absoluter Bestseller im mittleren Preissegment etabliert. Mit seiner leistungsstarken Zen 3-Architektur, sechs Kernen und zwölf Threads bietet er eine hervorragende Performance für Gaming, Produktivität und alltägliche Aufgaben. Doch eine Frage treibt viele potenzielle Käufer und Bastler um: Reicht der mitgelieferte **Boxed-Kühler**, der **Wraith Stealth**, wirklich aus, um diese potente CPU adäquat zu kühlen, besonders wenn es heiß hergeht? Wir haben den Test gemacht und den Boxed-Kühler im **Härtetest** an seine Grenzen gebracht, um herauszufinden, ob er eine ernsthafte Option ist oder ob ein Upgrade unumgänglich ist.

**Der Ryzen 5 5600X: Ein Kraftpaket seiner Klasse**

Bevor wir uns dem Kühler widmen, werfen wir einen kurzen Blick auf den Star unserer heutigen Show: den **Ryzen 5 5600X**. Dieser Prozessor läuft mit einer Basistaktfrequenz von 3,7 GHz und kann im Boost auf bis zu 4,6 GHz ansteigen. Mit einer Thermal Design Power (TDP) von 65 Watt gehört er zwar nicht zu den hitzköpfigsten CPUs auf dem Markt, doch wie alle modernen Prozessoren kann er unter Last erhebliche Mengen an Wärme erzeugen. Seine Stärke liegt in der Effizienz der **Zen 3-Architektur**, die eine beeindruckende Leistung pro Watt liefert. Für Gamer ist er oft die ideale Wahl, da er in den meisten Titeln hervorragende Frameraten liefert und gleichzeitig genügend Reserven für Streaming oder andere Hintergrundaufgaben bietet. Doch auch in Anwendungen wie Videobearbeitung, Softwareentwicklung oder 3D-Modellierung schlägt er sich wacker. Das Potenzial ist also enorm, aber kann der mitgelieferte Kühler dieses Potenzial ohne Kompromisse entfesseln?

**Der Boxed-Kühler: AMD Wraith Stealth im Detail**

Der **Wraith Stealth** ist der kleinste und einfachste Kühler aus AMDs Wraith-Familie. Er besteht aus einem runden Aluminium-Kühlkörper, der direkt auf der CPU sitzt und von einem mittig platzierten Lüfter belüftet wird. Sein Design ist auf Kostenersparnis und grundlegende Funktionalität ausgelegt. Es gibt keine Heatpipes, keine Kupferbasis und keine aufwendigen Lamellenstrukturen, wie man sie von größeren Aftermarket-Kühlern kennt. Er ist kompakt, passt in nahezu jedes Gehäuse und ist vor allem eines: kostenlos im Lieferumfang des Prozessors enthalten.

Die Philosophie dahinter ist klar: Der **Wraith Stealth** soll sicherstellen, dass der Prozessor innerhalb seiner Spezifikationen betrieben werden kann, ohne thermisches Throttling zu erleiden. Er ist nicht dafür gedacht, Rekorde zu brechen, zu übertakten oder besonders leise zu sein. Er ist die „Notlösung” für Nutzer, die ihren PC sofort in Betrieb nehmen möchten, ohne zusätzlich in eine Kühllösung investieren zu müssen. Aber was bedeutet „innerhalb der Spezifikationen” in der Praxis, und welche Kompromisse muss man dafür eingehen? Das wollen wir im Folgenden klären.

**Die Testumgebung: Realistische Bedingungen schaffen**

Um ein möglichst realistisches Bild zu erhalten, haben wir den **Ryzen 5 5600X** mit seinem **Wraith Stealth** Kühler in einem typischen Mittelklasse-System verbaut.
* **Prozessor:** AMD Ryzen 5 5600X
* **Mainboard:** ASUS ROG Strix B550-F Gaming (Wi-Fi)
* **Arbeitsspeicher:** 16 GB DDR4-3200 CL16
* **Grafikkarte:** NVIDIA GeForce RTX 3070 (um eine realistische Gaming-Last zu erzeugen)
* **Speicher:** 1 TB NVMe SSD
* **Gehäuse:** Ein gängiges Mid-Tower-Gehäuse mit drei Standard-Gehäuselüftern (zwei vorne, einer hinten), um eine durchschnittliche Belüftung zu simulieren. Keine High-End-Airflow-Konfiguration, aber auch kein Hitzestau.
* **Betriebssystem:** Windows 10 Pro (aktuellste Version)

Zur Überwachung der Temperaturen, Taktraten und Lüftergeschwindigkeiten setzten wir auf Tools wie HWiNFO64 und AMD Ryzen Master. Für die Belastungstests kamen verschiedene Szenarien zum Einsatz:

1. **Leerlauf (Idle):** Desktop-Betrieb ohne aktive Anwendungen.
2. **Gaming:** Mehrere Stunden anspruchsvolle Titel wie Cyberpunk 2077, Assassin’s Creed Valhalla und Starfield bei hohen Einstellungen.
3. **Produktivität:** Ein Multicore-Benchmark wie Cinebench R23 über mehrere Durchläufe und eine längere Videorendering-Aufgabe.
4. **Extremer Stresstest:** Prime95 (Small FFTs) und AIDA64 (CPU, FPU, Cache), um die maximale thermische Belastung zu simulieren.

Die Raumtemperatur betrug während der Tests konstante 22°C.

**Der Härtetest: Messwerte unter Last**

Nun zu den spannenden Ergebnissen unseres **Härtetests** mit dem **Wraith Stealth**:

* **Leerlauf (Idle):**
Im Leerlauf präsentierte sich der **Ryzen 5 5600X** mit dem **Wraith Stealth** von seiner besten Seite. Die Temperaturen pendelten sich zwischen 35°C und 45°C ein. Der Lüfter drehte mit sehr niedrigen Umdrehungen und war praktisch unhörbar. Für Office-Arbeiten, Surfen und Medienkonsum ist dieser Kühler hier absolut ausreichend und unauffällig.

* **Gaming:**
Beim Gaming zeigte sich ein deutlich anderes Bild. Unter Last in anspruchsvollen Spielen stiegen die Temperaturen schnell an und bewegten sich typischerweise zwischen 75°C und 85°C. Spitzenwerte von bis zu 88°C waren ebenfalls keine Seltenheit. Der **Wraith Stealth** musste hier deutlich arbeiten: Der Lüfter drehte sich mit hohen Umdrehungszahlen, was zu einem deutlich wahrnehmbaren Rauschen führte. Für geräuschempfindliche Nutzer könnte dies bereits störend sein. Die CPU hielt in den meisten Fällen ihre Boost-Taktraten recht gut, allerdings war eine leichte Drosselung von den absoluten Spitzenwerten auf konstant hohe Werte (z.B. 4,4 GHz statt 4,6 GHz) unter längerer Volllast zu beobachten. Es gab kein massives Throttling, aber der Kühler arbeitete am Limit, um die Temperaturen im Zaum zu halten.

* **Produktivität (Cinebench R23, Videorendering):**
Hier wurde es schon kritischer. Bei einem Multicore-Benchmark wie Cinebench R23 schossen die Temperaturen innerhalb weniger Sekunden in die Höhe. Wir erreichten konstant Werte zwischen 88°C und 93°C. Der Lüfter des **Wraith Stealth** erreichte seine maximalen Drehzahlen und erzeugte einen lauten, hochfrequenten Lärm, der sehr störend war. Während des Videorenderings über einen längeren Zeitraum verhielt es sich ähnlich: Die CPU lief dauerhaft am oberen Temperaturlimit, die Taktraten pendelten sich stabil, aber leicht unter dem maximal möglichen Boost ein, um die Temperatur bei 90-92°C zu halten. Die Leistung war gut, aber die Geräuschkulisse eine Zumutung.

* **Extremer Stresstest (Prime95 Small FFTs):**
Dies ist das Worst-Case-Szenario, das im Alltag kaum erreicht wird, aber die absolute thermische Grenze eines Prozessors aufzeigt. Unter Prime95 Small FFTs erreichte der **Ryzen 5 5600X** mit dem **Wraith Stealth** innerhalb von Sekunden 95°C – seine maximale sichere Betriebstemperatur (TjMax). Ab diesem Punkt setzte massives **Thermal Throttling** ein, um die CPU vor Überhitzung zu schützen. Die Taktraten fielen von den üblichen Boost-Werten auf etwa 3,9 GHz bis 4,0 GHz, um die Temperatur auf 95°C zu halten. Der Lüfter heulte dabei auf einer Lautstärke, die man kaum noch ignorieren konnte. Es zeigte sich deutlich: Für extrem lange und anspruchsvolle Workloads ist der **Wraith Stealth** nicht nur ineffizient, sondern schränkt auch die Leistung des Prozessors signifikant ein.

**Analyse der Ergebnisse: Reicht der Boxed-Kühler wirklich aus?**

Die Frage, ob der **Boxed-Kühler** des **Ryzen 5 5600X** ausreicht, lässt sich nicht pauschal mit Ja oder Nein beantworten. Es ist ein klares „Ja, aber…”.

* **Ja, er reicht aus, um die CPU vor Schäden zu bewahren:**
Der **Wraith Stealth** erfüllt seine grundlegende Aufgabe: Er hält den **Ryzen 5 5600X** auch unter Volllast innerhalb seiner Spezifikationen. Die 95°C, die unter extremer Belastung erreicht werden, sind für Ryzen-CPUs der Zen 3-Generation und höher tatsächlich die „normale” Betriebsgrenze, ab der das System beginnt, die Taktraten anzupassen, um diese Temperatur nicht zu überschreiten. Die CPU nimmt dabei keinen Schaden. Für Gelegenheitsnutzer und preisbewusste Gamer, die keine hohen Ansprüche an die Geräuschkulisse haben und hauptsächlich nicht-dauerhafte Lasten fahren, ist er eine funktionierende Lösung.

* **Aber er kommt mit erheblichen Kompromissen:**
1. **Hohe Temperaturen:** Selbst bei normalen Gaming-Szenarien bewegt sich die CPU am oberen Ende des Temperaturbereichs. Dies ist zwar spezifikationsgerecht, aber viele Nutzer bevorzugen aus Komfortgründen und für die potenzielle (wenn auch oft überbewertete) Langlebigkeit niedrigere Temperaturen.
2. **Extreme Lautstärke:** Dies ist der größte Kritikpunkt. Sobald der **Ryzen 5 5600X** unter Last steht, dreht der Lüfter des **Wraith Stealth** massiv auf. Das resultierende Rauschen ist im besten Fall deutlich hörbar, im schlimmsten Fall extrem störend und kann das gesamte PC-Erlebnis trüben, besonders in einem ruhigen Raum oder während intensiver Gaming-Sessions.
3. **Potenzielles Performance-Throttling:** Unter anhaltender, maximaler Last (z.B. bei längeren Renderings oder extremen Stresstests) kann der Kühler nicht verhindern, dass die CPU ihre maximalen Boost-Taktraten nicht dauerhaft halten kann und leicht drosselt, um die Temperatur von 95°C nicht zu überschreiten. Dies kostet zwar keine massiven Leistungseinbußen, lässt das volle Potenzial der CPU aber ungenutzt.

**Wann ein Upgrade Sinn macht**

Angesichts der Ergebnisse gibt es mehrere Szenarien, in denen ein Upgrade des Kühlers dringend empfohlen wird:

* **Geräuschempfindlichkeit:** Wenn Sie einen leisen PC bevorzugen oder das Geräusch des Lüfters als störend empfinden.
* **Dauerhafte hohe Lasten:** Wenn Sie Ihren PC regelmäßig für anspruchsvolle Aufgaben wie Videobearbeitung, 3D-Rendering, Streaming oder intensive Softwareentwicklung nutzen.
* **Übertaktungswunsch:** Der **Wraith Stealth** bietet keinerlei Spielraum für Übertaktung. Wenn Sie das Letzte aus Ihrem **Ryzen 5 5600X** herausholen möchten, ist ein besserer Kühler Pflicht.
* **Ästhetik:** Für viele PC-Bauer ist auch die Optik entscheidend. Der kleine Aluminiumblock ist nicht gerade ein Hingucker in einem beleuchteten Gehäuse.
* **Niedrigere Temperaturen für die „Seelenruhe”:** Auch wenn 95°C für die CPU unbedenklich sind, fühlen sich viele Nutzer bei Temperaturen von 60-75°C einfach wohler.

**Empfehlungen für alternative Kühllösungen**

Glücklicherweise gibt es eine Fülle von exzellenten und oft erschwinglichen Alternativen, die den **Ryzen 5 5600X** deutlich kühler und leiser halten können:

* **Preis-Leistungs-Sieger (Luftkühler):**
* **Arctic Freezer 34 eSports / eSports DUO:** Hervorragende Kühlleistung für den Preis, sehr leise.
* **be quiet! Pure Rock 2:** Ebenfalls sehr leise und effizient.
* **Thermalright Peerless Assassin 120 SE / Phantom Spirit 120 SE:** Beeindruckende Dual-Tower-Kühler, die oft unter 40 Euro kosten und mit High-End-Modellen mithalten können. Absolute Empfehlung für den Preis.

* **Mittelklasse (Luftkühler):**
* **Noctua NH-U12S Redux / Chromax.Black:** Bekannt für hervorragende Qualität, Leistung und geringe Lautstärke.
* **be quiet! Dark Rock 4:** Leistungsstark und extrem leise, mit einem edlen schwarzen Design.

* **High-End (Luftkühler & AIO-Wasserkühlungen):**
* **Noctua NH-D15 / NH-D15S:** Referenzklasse unter den Luftkühlern, absolut kompromisslose Leistung und Lautstärke.
* **Arctic Liquid Freezer II 240 / 280 / 360:** Eine der besten AIO-Wasserkühlungen auf dem Markt, bietet exzellente Kühlleistung bei geringer Lautstärke. Eine 240mm-Version reicht für den 5600X locker aus.

**Fazit**

Der **AMD Ryzen 5 5600X** ist ein fantastischer Prozessor, der eine überragende Leistung für sein Preissegment bietet. Der mitgelieferte **Wraith Stealth Boxed-Kühler** erfüllt zwar seine Mindestanforderung, die CPU vor thermischen Schäden zu schützen und sie innerhalb ihrer Betriebsgrenzen zu halten. Er ist eine passable Übergangslösung oder für Nutzer mit extrem begrenztem Budget und geringen Ansprüchen an die Geräuschkulisse.

Doch unser **Härtetest** hat gezeigt, dass dieser Kühler erhebliche Kompromisse bei **Temperatur** und vor allem bei der **Lautstärke** erfordert. Für ein wirklich angenehmes und ungestörtes Nutzungserlebnis, insbesondere beim Gaming oder bei produktiven Aufgaben, ist ein **Upgrade auf einen Aftermarket-Kühler** dringend zu empfehlen. Schon für 30 bis 50 Euro bekommt man Luftkühler, die eine dramatisch bessere Kühlleistung bei deutlich geringerer Lautstärke bieten. Wer das volle Potenzial des **Ryzen 5 5600X** ausschöpfen und dabei seine Ohren schonen möchte, sollte die Investition in eine bessere Kühllösung definitiv einplanen.