Anleitung für Fortgeschrittene: Proxmox als Basis für einen Windows Server 2022 Nested-Hyper-V-Host

Die Welt der Virtualisierung ist ständig in Bewegung, und für IT-Profis, Entwickler und anspruchsvolle Homelab-Enthusiasten bieten sich immer wieder neue Möglichkeiten, komplexe Umgebungen abzubilden. Eine dieser fortgeschrittenen Techniken ist die sogenannte Nested-Virtualisierung – das Betreiben eines Hypervisors (wie Hyper-V) innerhalb einer bereits virtualisierten Maschine. Dieser Artikel führt Sie detailliert durch den Prozess, wie Sie auf einem Proxmox VE-System einen virtuellen Windows Server 2022 einrichten, der wiederum selbst als Hyper-V-Host agiert. Tauchen wir ein in die Tiefen der verschachtelten Virtualisierung!

Einleitung: Warum Nested-Virtualisierung mit Proxmox und Hyper-V?

Stellen Sie sich vor, Sie möchten eine Testumgebung für Windows Server-Technologien aufsetzen, die Hyper-V-Rollen erfordern, aber Sie haben nur einen einzigen physischen Server, auf dem bereits Proxmox VE läuft. Oder Sie sind ein Entwickler, der neue Hyper-V-Funktionen testen muss, ohne dedizierte Hardware bereitzustellen. Hier kommt die Nested-Virtualisierung ins Spiel. Sie ermöglicht es Ihnen, einen Hypervisor (in unserem Fall Windows Server 2022 mit der Hyper-V-Rolle) als Gastsystem auf einem anderen Hypervisor (Proxmox VE, der KVM nutzt) auszuführen.

Die Vorteile dieser Konfiguration sind vielfältig:

• Ressourceneffizienz: Sie nutzen vorhandene Hardware optimal aus.
• Flexibilität: Schnell neue Test- oder Entwicklungsumgebungen bereitstellen und bei Bedarf wieder entfernen.
• Schulung und Demos: Ideal zum Erlernen und Vorführen von Hyper-V-Technologien, ohne einen physischen Hyper-V-Server zu benötigen.
• Konsolidierung: Integration verschiedener Virtualisierungstechnologien auf einer einzigen Plattform.

Doch Achtung: Nested-Virtualisierung bringt auch einen gewissen Overhead mit sich. Es ist in der Regel nicht für produktive Umgebungen gedacht, die höchste Leistung erfordern. Für die oben genannten Anwendungsfälle ist es jedoch eine hervorragende Lösung.

Grundlagen und Voraussetzungen

Bevor wir beginnen, stellen Sie sicher, dass Sie die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

1. Physische Hardware: Ihr physischer Server, auf dem Proxmox VE installiert ist, muss über eine CPU verfügen, die Virtualisierungsfunktionen wie Intel VT-x oder AMD-V unterstützt. Diese Funktionen müssen im BIOS/UEFI Ihres Servers aktiviert sein. Ohne sie ist Nested-Virtualisierung nicht möglich. Stellen Sie zudem sicher, dass ausreichend RAM (mindestens 16 GB, besser 32 GB oder mehr) und schneller Speicher (SSD empfohlen) vorhanden sind.
2. Proxmox VE: Eine aktuelle und stabil laufende Installation von Proxmox VE (Version 7.x oder 8.x wird dringend empfohlen). Stellen Sie sicher, dass Ihr Proxmox-System auf dem neuesten Stand ist (`apt update && apt dist-upgrade`).
3. Windows Server 2022 ISO: Die Installationsdatei (ISO) für Windows Server 2022. Idealerweise die Version mit „Desktop Experience”, da diese eine grafische Oberfläche bietet, die für die Erstkonfiguration einfacher ist.
4. Netzwerkkonfiguration: Ein grundlegendes Verständnis der Netzwerkkonfiguration in Proxmox (Bridge-Netzwerke, z.B. vmbr0).
5. Kenntnisse: Grundlegende Erfahrung mit Proxmox VE und Windows Server sind von Vorteil, da dies eine Anleitung für Fortgeschrittene ist.

Vorbereitung in Proxmox: Die Virtuelle Maschine erstellen

Der erste Schritt ist das Erstellen der virtuellen Maschine, die später unseren Windows Server 2022 Nested-Hyper-V-Host beherbergen wird. Melden Sie sich in der Proxmox VE Weboberfläche an.

1. VM erstellen: Klicken Sie oben rechts auf „VM erstellen”.
2. Allgemein:
   • Node: Wählen Sie den Proxmox-Node aus, auf dem die VM laufen soll.
   • VM ID: Eine eindeutige ID (wird automatisch vergeben).
   • Name: Geben Sie einen aussagekräftigen Namen ein, z.B. „WinSrv2022-Nested-HyperV”.
3. OS:
   • ISO-Image: Wählen Sie Ihr hochgeladenes Windows Server 2022 ISO aus.
   • Gast-OS-Typ: Wählen Sie „Microsoft Windows” und als Version „11/2022”.
4. System:
   • Grafikkarte: Standard (VMWare compatible) ist meist ausreichend.
   • SCSI-Controller: Wählen Sie „VirtIO SCSI”. Dies bietet die beste Performance und ist für Windows Gastsysteme die bevorzugte Wahl.
   • BIOS: UEFI (OVMF) ist die moderne Wahl. Deaktivieren Sie „Pre-Enroll keys” oder lassen Sie „Secure Boot” deaktiviert, um Kompatibilitätsprobleme zu vermeiden.
   • Qemu Agent: Aktivieren Sie die Checkbox „Qemu Agent”. Dies ermöglicht eine bessere Integration und Kommunikation zwischen Proxmox und der VM.
5. Festplatte:
   • Bus/Gerät: VirtIO Block (standardmäßig korrekt, wenn VirtIO SCSI gewählt).
   • Speicher: Wählen Sie einen schnellen Speicher (z.B. lokalen ZFS-Pool auf SSDs oder LVM-Thin).
   • Festplattengröße: Geben Sie mindestens 80-100 GB an, da Windows Server 2022 mit Hyper-V einige Ressourcen benötigt und Sie später noch VMs darin erstellen möchten.
   • Cache: Wählen Sie „Write back” für die beste Leistung, aber beachten Sie, dass dies bei einem Stromausfall zu Datenverlust führen kann (USV-Absicherung empfohlen).
   • Discard: Aktivieren Sie „Discard” (TRIM), wenn Sie eine SSD als Speicher verwenden, um die Leistung und Lebensdauer der SSD zu optimieren.
   • SSD-Emulation: Kann aktiviert werden, ist aber für die Funktion nicht zwingend notwendig.
6. CPU: Dies ist der entscheidende Schritt für Nested-Virtualisierung!
   • Sockets: 1
   • Kerne: Zuweisen Sie mindestens 4-8 Kerne, um eine gute Performance für den Hyper-V-Host und seine zukünftigen Gast-VMs zu gewährleisten.
   • Typ: Wählen Sie hier host. Dies sorgt dafür, dass die CPU-Features des physischen Hosts direkt an die virtuelle Maschine weitergegeben werden, was für Nested-Virtualisierung unerlässlich ist.
   • Nachdem die VM erstellt wurde, müssen Sie manuell eine zusätzliche CPU-Flag hinzufügen, die die Nested-Virtualisierung aktiviert. Navigieren Sie zu den Optionen der VM, klicken Sie auf „CPU” und fügen Sie im Feld „Flags” den Eintrag +nested hinzu. Alternativ können Sie dies per SSH auf dem Proxmox-Host mit dem Befehl erledigen: qm set <VMID> -cpu host,flags=+nested (Ersetzen Sie <VMID> durch die tatsächliche ID Ihrer VM).
7. Memory:
   • Weisen Sie mindestens 8 GB RAM zu (8192 MB). Für Testumgebungen mit mehreren Gast-VMs innerhalb des Hyper-V-Hosts sind 16 GB oder mehr empfehlenswert.
8. Netzwerk:
   • Modell: Wählen Sie „VirtIO (paravirtualisiert)” für die beste Netzwerkleistung.
   • Bridge: Wählen Sie Ihre konfigurierte Netzwerk-Bridge (z.B. vmbr0).
9. Bestätigen: Überprüfen Sie alle Einstellungen und klicken Sie auf „Fertigstellen”. Lassen Sie die Option „Nach Erstellung starten” deaktiviert, da wir noch die CPU-Flag hinzufügen müssen.

Nachdem Sie die VM erstellt haben, gehen Sie zu den „Hardware”-Einstellungen der VM, wählen Sie die CPU und fügen Sie unter „Flags” das Attribut nested hinzu, falls Sie dies nicht bereits über die Kommandozeile getan haben. Speichern Sie die Änderungen.

Windows Server 2022 Installation und Erstkonfiguration

Jetzt ist es an der Zeit, Windows Server 2022 in der neu erstellten VM zu installieren.

1. VM starten: Wählen Sie die VM in der Proxmox-Oberfläche aus und klicken Sie auf „Starten”. Öffnen Sie dann die Konsole.
2. Windows-Installation: Folgen Sie dem normalen Installationsprozess für Windows Server 2022. Wählen Sie die „Desktop Experience” Version für eine einfachere Handhabung.
3. VirtIO-Treiber installieren: Nach erfolgreicher Installation und dem ersten Login ist es entscheidend, die VirtIO-Treiber zu installieren. Diese werden benötigt, damit das Betriebssystem die VirtIO-Geräte (Netzwerkkarte, SCSI-Controller) optimal nutzen kann.
• Laden Sie die neueste Version der virtio-win ISO herunter.
• Laden Sie diese ISO über das Proxmox Webinterface in Ihren ISO-Speicher hoch.
• Wählen Sie in den Hardware-Einstellungen Ihrer Windows-VM das CD/DVD-Laufwerk aus und hängen Sie das virtio-win.iso an.
• Starten Sie die VM neu und öffnen Sie im Windows Server den Explorer. Navigieren Sie zum virtuellen CD-Laufwerk und führen Sie die Installation der VirtIO-Treiber (meist virtio-win-gt-x64.exe oder das entsprechende Installationsprogramm im Ordner für Ihr Betriebssystem) durch. Nach der Installation der Treiber ist ein Neustart erforderlich.
4. QEMU Guest Agent: Der Qemu Guest Agent wird ebenfalls im VirtIO-ISO mitgeliefert. Installieren Sie ihn, um eine bessere Steuerung der VM (z.B. korrektes Herunterfahren, Anzeige der IP-Adresse in Proxmox) zu ermöglichen.
5. Netzwerkkonfiguration: Konfigurieren Sie die Netzwerkeinstellungen Ihres Windows Servers. Eine statische IP-Adresse ist für Serverumgebungen immer empfehlenswert.
6. Windows Updates: Führen Sie alle ausstehenden Windows Updates durch, um Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten.
7. Remote Desktop aktivieren: Aktivieren Sie Remote Desktop (RDP), um später bequemer auf den Server zugreifen zu können, ohne die Proxmox-Konsole nutzen zu müssen.

Hyper-V Rolle in Windows Server 2022 aktivieren

Nachdem Windows Server 2022 stabil läuft und die Treiber installiert sind, können wir die Hyper-V-Rolle aktivieren.

1. Server-Manager öffnen: Melden Sie sich am Windows Server 2022 an und öffnen Sie den Server-Manager.
2. Rollen und Features hinzufügen: Klicken Sie auf „Rollen und Features hinzufügen”.
3. Installationstyp: Wählen Sie „Rollenbasierte oder featurebasierte Installation”.
4. Serverauswahl: Wählen Sie Ihren aktuellen Server aus.
5. Serverrollen: Aktivieren Sie die Checkbox für „Hyper-V”. Bestätigen Sie die Installation der zusätzlichen erforderlichen Tools und Features, die automatisch vorgeschlagen werden.
6. Features: Sie müssen hier keine weiteren Features auswählen, es sei denn, Sie haben spezifische Anforderungen.
7. Virtuelle Switches: Während der Hyper-V-Installation werden Sie aufgefordert, einen oder mehrere virtuelle Switches zu konfigurieren. Dies ist entscheidend, damit die Gast-VMs, die Sie in Hyper-V erstellen, Netzwerkzugriff erhalten. Wählen Sie Ihre VirtIO-Netzwerkkarte des Windows Servers aus und erstellen Sie einen externen virtuellen Switch.
8. Migrationsstandards und Standardspeicherorte: Konfigurieren Sie diese nach Ihren Wünschen.
9. Bestätigen: Bestätigen Sie die Installation und klicken Sie auf „Installieren”.
10. Neustart: Nach Abschluss der Installation ist ein Neustart des Windows Servers erforderlich.

Verifizierung der Nested-Virtualisierung

Nach dem Neustart Ihres Windows Server 2022 ist es Zeit zu überprüfen, ob die Nested-Virtualisierung erfolgreich aktiviert wurde und Hyper-V korrekt funktioniert.

1. Hyper-V-Manager öffnen: Öffnen Sie den Hyper-V-Manager auf Ihrem Windows Server 2022.
2. Neue Virtuelle Maschine erstellen: Versuchen Sie, eine neue virtuelle Maschine innerhalb des Hyper-V-Managers zu erstellen. Wenn der Assistent normal startet und Sie die Optionen für virtuelle Prozessoren sehen, ist das ein gutes Zeichen.
3. CPU-Features überprüfen (PowerShell): Um die Unterstützung der Virtualisierungsmodi explizit zu prüfen, öffnen Sie PowerShell als Administrator und geben Sie folgenden Befehl ein:

   Get-VMHostSupportedVirtualizationModes

   Die Ausgabe sollte unter SupportedVirtualizationModes den Eintrag HyperV enthalten. Wenn dies der Fall ist, ist die Nested-Virtualisierung auf Ihrer Windows Server 2022 VM erfolgreich aktiviert.

4. Test-VM erstellen: Erstellen Sie eine kleine Test-VM (z.B. mit einem Linux Tiny Core ISO) innerhalb des Hyper-V-Managers und starten Sie diese. Wenn die VM bootet und funktioniert, haben Sie erfolgreich einen Windows Server 2022 Nested-Hyper-V-Host auf Proxmox VE eingerichtet!

Leistungsoptimierung und Best Practices

Auch wenn Nested-Virtualisierung nicht für produktive Umgebungen mit höchsten Leistungsanforderungen gedacht ist, können Sie dennoch einige Optimierungen vornehmen, um die bestmögliche Performance für Ihre Test- und Entwicklungsumgebung zu erzielen:

• CPU-Typ „host”: Wie bereits erwähnt, ist die Einstellung des CPU-Typs auf host in Proxmox entscheidend. Dies stellt sicher, dass alle CPU-Features des physischen Prozessors an die VM weitergegeben werden, was für die Leistung von Nested-Hyper-V unerlässlich ist.
• VirtIO-Treiber aktuell halten: Stellen Sie sicher, dass alle VirtIO-Treiber (für Netzwerk, Festplatte, etc.) in Ihrem Windows Server 2022 stets aktuell sind. Veraltete Treiber können zu erheblichen Leistungseinbußen führen.
• Genügend Ressourcen: Weisen Sie dem Windows Server 2022 ausreichend RAM und CPU-Kerne zu. Denken Sie daran, dass dieser Server selbst VMs hosten wird, die ebenfalls Ressourcen benötigen. Eine Überprovisionierung der virtuellen Kerne auf dem Proxmox-Host sollte vermieden werden, da dies zu einer Leistungsminderung führen kann.
• Schneller Speicher: Verwenden Sie SSDs oder NVMe-Speicher auf Ihrem Proxmox-Host. Die I/O-Leistung ist ein kritischer Faktor, der sich bei Nested-Virtualisierung noch stärker bemerkbar macht.
• QEMU Guest Agent: Der Qemu Guest Agent verbessert nicht nur die Überwachung, sondern kann auch zu einem reibungsloseren Betrieb beitragen.
• Hyper-V-Optimierungen: Innerhalb des Windows Server 2022 Hyper-V-Hosts können Sie die üblichen Optimierungen für Hyper-V-Hosts anwenden, z.B. die Deaktivierung unnötiger Dienste oder die Verwendung von dynamischem Arbeitsspeicher, wenn die Guest-VMs dies unterstützen.
• Troubleshooting-Tipps:
  • Wenn Hyper-V nicht installiert werden kann und Fehlermeldungen bezüglich fehlender Virtualisierungsfunktionen angezeigt werden, überprüfen Sie die CPU-Einstellungen der Proxmox-VM (cpu: host,flags=+nested).
  • Stellen Sie sicher, dass die Virtualisierungsfunktionen in Ihrem physischen Host-BIOS/UEFI aktiviert sind. Sie können dies auf dem Proxmox-Host mit cat /proc/cpuinfo | grep vmx (Intel) oder cat /proc/cpuinfo | grep svm (AMD) überprüfen. Es sollten Ausgaben erfolgen.
  • Überprüfen Sie, ob das KVM-Modul im Proxmox-Kernel geladen ist (lsmod | grep kvm).

Fazit und Ausblick

Sie haben es geschafft! Mit dieser detaillierten Anleitung konnten Sie erfolgreich einen Windows Server 2022 Nested-Hyper-V-Host auf einem Proxmox VE-System einrichten. Diese Konfiguration eröffnet Ihnen eine Welt voller Möglichkeiten für Tests, Entwicklung und Schulungen, ohne dass Sie zusätzliche physische Hardware benötigen.

Die Nested-Virtualisierung ist ein mächtiges Werkzeug, das Ihnen hilft, komplexe IT-Infrastrukturen in einer flexiblen und kostengünstigen Weise abzubilden. Experimentieren Sie mit verschiedenen Konfigurationen, erstellen Sie virtuelle Netzwerke innerhalb Ihres Nested-Hyper-V-Hosts und tauchen Sie tiefer in die Welt der Server-Virtualisierung ein. Ob es darum geht, Windows Failover-Clustering innerhalb der verschachtelten Umgebung zu testen oder die neuesten Container-Technologien zu evaluieren – Ihre Proxmox-Basis ist nun bereit für fortgeschrittene Szenarien mit Hyper-V.