Die Welt der Gaming-Grafikkarten ist hart umkämpft, und jede neue Generation bringt eine Flut von Hype, Erwartungen und letztlich auch kontroversen Diskussionen mit sich. Als AMD im Dezember 2022 die Radeon RX 7900 XTX und RX 7900 XT auf den Markt brachte, waren die Erwartungen immens. Nach dem beeindruckenden Sprung, den die RX 6000er-Serie vollzog, hofften viele auf einen echten „Nvidia-Killer”, der die Vorherrschaft der grünen Konkurrenz brechen könnte. Doch die anfängliche Begeisterung wich schnell einer eher verhaltenen Stimmung, und bald machten Gerüchte die Runde: Ist die Performance der Radeon RX 7900 Serie wirklich so schlecht, wie manche behaupten?
In diesem umfassenden Artikel nehmen wir die Radeon RX 7900 XTX und RX 7900 XT unter die Lupe. Wir analysieren ihre Stärken und Schwächen, vergleichen sie mit der Konkurrenz und beleuchten, welche Faktoren zu der oft negativen Wahrnehmung beigetragen haben. Ziel ist eine ehrliche und ausgewogene Einschätzung, die potenziellen Käufern eine fundierte Entscheidungsgrundlage bietet.
Der anfängliche Hype und die Realität: Was ist schiefgelaufen?
Die Präsentation der RDNA 3-Architektur und die Versprechungen von AMD klangen vielversprechend: eine enorme Steigerung der Leistung pro Watt, ein innovatives Chiplet-Design und ein Preis, der deutlich unter dem der direkten Nvidia-Konkurrenz (RTX 4080) liegen sollte. Doch schon kurz nach dem Launch zeigten erste unabhängige Tests, dass die Performance in manchen Bereichen – insbesondere beim Ray Tracing – nicht ganz mit den höchsten Erwartungen mithalten konnte. Hinzu kamen anfängliche Treiberprobleme und in einigen Fällen auch physische Hardware-Mängel (wie das Hitzeproblem bei manchen Referenzkarten der XTX), die das Gesamtbild trübten. Diese frühen negativen Schlagzeilen prägten die öffentliche Meinung stark und führten zu der weit verbreiteten Annahme, die RX 7900 Serie sei eine Enttäuschung.
Rohe Rasterisierungsleistung: Hier glänzt AMD
Lassen Sie uns mit der größten Stärke der Radeon RX 7900 Grafikkarten beginnen: der reinen Rasterisierungsleistung. In klassischen Games ohne oder mit wenig Ray Tracing, insbesondere bei hohen Auflösungen wie 1440p und 4K, spielen die RX 7900 XTX und XT ihre Muskeln aus. Die 7900 XTX liegt hier oft auf dem Niveau einer Nvidia GeForce RTX 4080 Super oder sogar leicht darüber und bietet eine beeindruckende Anzahl von Frames pro Sekunde für ein flüssiges Spielerlebnis. Die RX 7900 XT wiederum positioniert sich meist zwischen einer RTX 4070 Ti Super und einer RTX 4080 Super, je nach Titel.
Für Gamer, die primär auf maximale FPS in herkömmlichen Titeln setzen und denen Ray Tracing nicht die höchste Priorität hat, sind die RX 7900 Modelle eine ausgezeichnete Wahl. Titel wie Cyberpunk 2077, God of War, Horizon Zero Dawn oder Call of Duty laufen auf diesen Karten butterweich und mit atemberaubender Grafikqualität, selbst bei höchsten Einstellungen.
Ray Tracing: Die Achillesferse?
Wo die Radeon RX 7900 Serie Schwächen zeigt, ist unbestreitbar im Bereich des Ray Tracing. Obwohl AMD mit RDNA 3 deutliche Verbesserungen gegenüber der vorherigen Generation erzielt hat, liegt man hier immer noch hinter der Konkurrenz von Nvidia. Spiele, die stark auf Ray Tracing setzen, wie etwa Cyberpunk 2077 mit vollem Path Tracing oder Alan Wake 2, können die RX 7900 XTX stark fordern und zu einem spürbaren Performance-Einbruch führen, der oft nur durch den Einsatz von Upscaling-Technologien kompensiert werden kann.
Dies liegt an einer Kombination aus Hardware-Architektur und Software-Optimierung. Nvidias RT Cores sind seit mehreren Generationen auf Ray Tracing spezialisiert und haben einen Vorsprung in der Effizienz. Für Enthusiasten, die jedes noch so kleine Detail von realistischer Beleuchtung und Reflexionen genießen möchten, ist die RX 7900 Serie daher möglicherweise nicht die erste Wahl. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Ray Tracing in vielen Spielen noch immer optional ist oder nur in geringem Maße implementiert wird. Die meisten Gamer spielen immer noch ohne oder mit moderaten Ray Tracing-Einstellungen.
Upscaling-Technologien: FSR vs. DLSS
Moderne Grafikkarten kommen ohne Upscaling-Technologien kaum noch aus, um hohe Frameraten bei maximaler Auflösung und Detailgrad zu erreichen. AMD bietet hier FidelityFX Super Resolution (FSR), während Nvidia auf DLSS (Deep Learning Super Sampling) setzt.
* **AMD FSR:** Der große Vorteil von FSR ist seine Offenheit. Es ist nicht an bestimmte Hardware gebunden und funktioniert auf einer Vielzahl von AMD-, Nvidia- und sogar Intel-Grafikkarten. FSR 2 und FSR 3 bieten inzwischen eine gute Bildqualität und sind in vielen Spielen implementiert. Besonders FSR 3 mit Frame Generation kann die FPS drastisch erhöhen, ähnlich wie Nvidias DLSS 3. Die Bildqualität von FSR ist gut, erreicht aber in manchen Szenarien noch nicht ganz das Niveau von DLSS, insbesondere bei der Stabilität feiner Details und der Vermeidung von Ghosting-Artefakten. Dennoch ist FSR ein mächtiges Werkzeug, um die Performance der RX 7900 Karten weiter zu steigern.
* **Nvidia DLSS:** DLSS nutzt spezielle Tensor Cores und KI-Algorithmen, um die Bildqualität bei gleichzeitig hoher Performance zu gewährleisten. Es gilt oft als der Goldstandard in Bezug auf Bildqualität und Artefaktunterdrückung. DLSS 3 mit Frame Generation bietet ebenfalls massive FPS-Steigerungen. Der Nachteil: Es ist exklusiv für Nvidia RTX-Karten.
Für RX 7900 Besitzer ist FSR die einzige Option, wenn sie Upscaling nutzen wollen. Die fortlaufende Entwicklung und breite Unterstützung von FSR machen es zu einem wertvollen Feature, auch wenn es in puncto Feinheiten oft knapp hinter DLSS liegt.
VRAM: Ein entscheidender Vorteil für die Zukunft
Ein Bereich, in dem die Radeon RX 7900 XTX und RX 7900 XT der direkten Konkurrenz von Nvidia oft überlegen sind, ist der verbauter Videospeicher (VRAM). Die RX 7900 XTX kommt mit satten 24 GB GDDR6 VRAM, während die RX 7900 XT immer noch beeindruckende 20 GB bietet. Zum Vergleich: Die Nvidia RTX 4080 Super bietet „nur” 16 GB, die RTX 4070 Ti Super ebenfalls 16 GB.
Warum ist VRAM wichtig? Moderne Spiele, insbesondere bei hohen Auflösungen, maximalen Texturdetails und mit Ray Tracing, können sehr speicherhungrig sein. Mehr VRAM bedeutet, dass die Grafikkarte mehr Texturen, Geometriedaten und andere Ressourcen direkt im schnellen Speicher vorhalten kann, anstatt sie aus dem langsameren Systemspeicher nachladen zu müssen. Dies führt zu flüssigerem Gameplay, weniger Rucklern und ist ein starkes Argument für die Zukunftssicherheit der AMD-Karten. Wer also langfristig planen und auch in den kommenden Jahren bei maximalen Einstellungen spielen möchte, findet in den RX 7900 Karten einen klaren Vorteil.
Preis-Leistungs-Verhältnis: Hier punktet AMD am meisten
Nach den anfänglichen Preisfindungsproblemen hat sich das Preis-Leistungs-Verhältnis der Radeon RX 7900 Serie deutlich verbessert. Insbesondere die RX 7900 XTX ist oft deutlich günstiger zu haben als eine Nvidia RTX 4080 Super, während sie in der reinen Rasterisierungsleistung gleichauf oder sogar leicht überlegen ist. Ähnlich verhält es sich mit der RX 7900 XT, die ein sehr gutes Gesamtpaket für Gamer bietet, die eine starke Performance im Bereich 1440p und 4K suchen, ohne dabei das Budget einer RTX 4080 Super oder einer RTX 4070 Ti Super zu sprengen.
Für preissensible Käufer, die die bestmögliche Performance pro Euro in Rasterisierungs-Workloads suchen, sind die RX 7900 XTX und RX 7900 XT unschlagbar. Sie bieten High-End-Gaming-Erlebnisse zu einem faireren Preis als die direkte Konkurrenz.
Das AMD-Ökosystem und weitere Features
Abseits der reinen Performance bietet AMD mit seiner Adrenalin Software eine umfassende Suite an Tools und Features. Dazu gehören Funktionen wie Radeon Anti-Lag, Radeon Boost, Radeon Chill und vor allem HYPR-RX, das mit einem Klick mehrere Optimierungen (Anti-Lag, Radeon Boost, FSR) aktiviert, um die Performance in unterstützten Spielen zu maximieren. Die Treibersoftware ist in den letzten Jahren deutlich stabiler und benutzerfreundlicher geworden.
Ein weiterer technischer Vorteil der RX 7900 Serie ist die Unterstützung von DisplayPort 2.1. Dies mag für viele noch Zukunftsmusik sein, da entsprechende Monitore rar sind, aber es bietet eine immense Bandbreite, die für extrem hohe Auflösungen und Bildwiederholraten (z.B. 4K bei 240 Hz oder 8K bei 120 Hz) gerüstet ist. Nvidia setzt hier noch auf DisplayPort 1.4a. Auch die integrierten AV1-Encoding- und Decoding-Fähigkeiten sind für Content Creator und Streamer ein willkommener Bonus.
In Sachen Energieeffizienz liegt AMDs RDNA 3-Architektur zwar hinter Nvidias Ada Lovelace, ist aber keineswegs „schlecht”. Der Stromverbrauch ist moderat und bleibt im Rahmen dessen, was man von einer High-End-Grafikkarte erwarten würde.
Für wen ist die Radeon RX 7900 Serie gedacht?
Die Radeon RX 7900 XTX und RX 7900 XT sind eine ausgezeichnete Wahl für:
* **Gamer, die primär auf rohe Rasterisierungsleistung und hohe FPS setzen:** Besonders in 1440p und 4K liefern sie Top-Werte.
* **Preisbewusste Enthusiasten:** Die Karten bieten eine High-End-Erfahrung zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis als viele Nvidia-Alternativen.
* **Zukunftsorientierte Käufer:** Der hohe VRAM ist ein starkes Argument für die Langlebigkeit der Karten.
* **Nutzer, die ein offenes Ökosystem schätzen:** FSR ist plattformunabhängig und die Adrenalin Software bietet viele Anpassungsmöglichkeiten.
Weniger geeignet sind sie für:
* **Absolute Ray Tracing-Puristen:** Wer die bestmögliche Ray Tracing-Performance bei jeder Einstellung sucht, ist bei Nvidia weiterhin besser aufgehoben.
* **Professionelle Anwender, die stark auf CUDA angewiesen sind:** Für spezielle Workloads in Anwendungen wie 3D-Rendering oder AI/ML bleibt Nvidia oft die erste Wahl.
Fazit: Ist die Performance der Radeon RX 7900 wirklich so schlecht?
Die Antwort ist ein klares: **Nein, absolut nicht!** Die pauschale Aussage, die Radeon RX 7900 Serie sei „schlecht”, ist eine Vereinfachung, die der Realität nicht gerecht wird.
Die Radeon RX 7900 XTX und RX 7900 XT sind leistungsstarke High-End-Grafikkarten, die in den meisten Gaming-Szenarien eine herausragende Performance liefern. Ihre Stärken liegen in der exzellenten Rasterisierungsleistung, dem großzügigen VRAM und einem aggressiven Preis-Leistungs-Verhältnis. Ja, sie haben eine Schwäche im Ray Tracing und FSR erreicht nicht immer ganz das Niveau von DLSS, aber diese Punkte müssen im Kontext der gesamten Gaming-Erfahrung und des Preises betrachtet werden.
Die negative Wahrnehmung wurde maßgeblich durch anfängliche Schwierigkeiten, hohe Erwartungen und den direkten Vergleich mit Nvidias Stärken in einem spezifischen Bereich geformt. Wer jedoch eine Karte sucht, die in den meisten aktuellen und zukünftigen Spielen bei hohen Einstellungen und Auflösungen glänzt, dabei nicht das Budget sprengt und mit viel VRAM aufwartet, findet in der Radeon RX 7900 Serie eine hervorragende und oft unterschätzte Wahl. Sie ist keineswegs schlecht, sondern eine starke und konkurrenzfähige Option im oberen Leistungssegment.