Kennen Sie das Gefühl? Sie haben in leistungsstarke AMD-Hardware investiert, einen High-Refresh-Rate-Monitor angeschlossen und freuen sich auf ein butterweiches Spielerlebnis mit hohen Bildraten. Doch dann die Ernüchterung: Egal, welches Spiel Sie starten, Ihre Frames pro Sekunde (FPS) scheinen bei konstanten 60 zu verharren. Manchmal sogar bei 30. Selbst wenn Ihr System locker 100, 144 oder gar 240 FPS liefern könnte. Diese frustrierende Situation ist als die „60-FPS-Falle“ bekannt und betrifft unzählige AMD-Grafikkarten-Besitzer, oft direkt nach einem AMD Adrenalin Update oder der Installation neuer Spiele. Die gute Nachricht: In den meisten Fällen ist dies kein Hardware-Problem, sondern eine Einstellungssache. Und wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihre maximale Gaming-Leistung wieder entfesseln können.
Die „60-FPS-Falle” erklärt: Wenn Ihre Grafikkarte unter ihren Möglichkeiten bleibt
Die moderne Gaming-Welt strebt nach immer höheren Bildwiederholraten. Monitore mit 144 Hz, 240 Hz und mehr sind keine Seltenheit mehr. Sie ermöglichen ein flüssigeres, reaktionsschnelleres Spielerlebnis, das besonders in kompetitiven Titeln einen echten Vorteil bieten kann. Wenn Ihre leistungsstarke Grafikkarte jedoch nur 60 Bilder pro Sekunde an Ihren hochmodernen Monitor liefert, während sie eigentlich das Doppelte oder Dreifache schaffen könnte, fühlt sich das an, als würde man mit angezogener Handbremse fahren. Die „60-FPS-Falle” manifestiert sich oft als harter Deckel bei genau 60 FPS (oder manchmal 30 FPS), auch wenn die Auslastung Ihrer GPU niedrig ist und die Temperatur im grünen Bereich liegt.
Dieses Phänomen tritt häufig nach einem Grafiktreiber-Update auf, da neue Versionen der AMD Adrenalin Software Standardeinstellungen ändern oder neue Funktionen einführen können, die in bestimmten Konfigurationen ungewollte Nebeneffekte haben. Aber auch die Installation neuer Spiele oder Änderungen an den Systemeinstellungen können dazu führen, dass sich eine versteckte Begrenzung einschleicht.
Der Hauptverdächtige: Die AMD Adrenalin Software und ihre Features
Die AMD Adrenalin Software ist ein mächtiges Tool. Sie bietet nicht nur die notwendigen Grafiktreiber, sondern auch eine Fülle von Optimierungs- und Überwachungsfunktionen. Von der Übertaktung bis zur Stream-Aufnahme – Adrenalin kann vieles. Doch genau diese Funktionsvielfalt birgt auch das Potenzial für ungewollte Begrenzungen Ihrer max. FPS. Mehrere Einstellungen können hier der Übeltäter sein:
1. Radeon Chill: Der heimliche FPS-Begrenzer
Radeon Chill ist eine Funktion, die eigentlich dazu gedacht ist, Energie zu sparen und die Temperatur Ihrer AMD Grafikkarte zu senken, indem sie die FPS dynamisch an Ihre Spielaktivität anpasst. Wenn Sie sich beispielsweise in einem ruhigen Bereich eines Spiels befinden oder sich nicht bewegen, reduziert Chill die Bildrate. Sobald Sie wieder aktiv werden, erhöht es die FPS sofort wieder. Der Haken: Es gibt eine maximale FPS-Einstellung innerhalb von Radeon Chill, die oft standardmäßig auf 60 oder eine ähnliche, konservative Zahl eingestellt ist. Wenn diese Funktion global oder für ein spezifisches Spiel aktiviert ist, wird sie Ihre Bildwiederholfrequenz gnadenlos deckeln.
2. Frame Rate Target Control (FRTC): Der direkte FPS-Deckel
Die Frame Rate Target Control (FRTC) ist eine weitere direkte Methode, die max. FPS zu begrenzen. Diese Funktion erlaubt es Ihnen, eine spezifische Ziel-FPS für Spiele festzulegen. Das ist nützlich, um die GPU-Auslastung und damit den Stromverbrauch zu reduzieren, wenn Ihr System deutlich mehr FPS produziert, als Ihr Monitor darstellen kann oder Sie aus anderen Gründen eine niedrigere, aber konstante Bildrate bevorzugen. Wenn FRTC jedoch unbemerkt auf 60 FPS oder weniger eingestellt ist, wird es Ihre Leistung ebenfalls künstlich beschneiden.
3. Vertikale Synchronisation (VSync / Wait for Vertical Refresh): Die klassische Begrenzung
VSync, oder in den AMD-Einstellungen oft als „Warten auf vertikale Aktualisierung” bezeichnet, synchronisiert die FPS Ihrer Grafikkarte mit der Bildwiederholfrequenz Ihres Monitors. Das Ziel ist es, Tearing (Bildrisse) zu eliminieren. Wenn Ihr Monitor eine Bildwiederholfrequenz von 60 Hz hat und VSync aktiviert ist, werden Ihre FPS automatisch auf 60 begrenzt. Wenn Sie einen Monitor mit 144 Hz haben und VSync aktiviert ist, werden Ihre FPS auf 144 begrenzt. Das Problem entsteht, wenn VSync global aktiviert ist und Ihr Monitor beispielsweise nur auf 60 Hz eingestellt ist (oder das System dies irrtümlich annimmt), obwohl er mehr könnte.
4. Radeon Enhanced Sync und Anti-Lag: Weniger wahrscheinlich, aber möglich
Während Radeon Enhanced Sync und Radeon Anti-Lag in der Regel keine direkten FPS-Begrenzungen verursachen, können sie in bestimmten Konstellationen oder bei Konflikten mit anderen Einstellungen zu instabilem Verhalten oder unerwarteten Leistungseinbrüchen führen. Enhanced Sync versucht Tearing zu reduzieren ohne die Eingabeverzögerung von VSync, aber bei sehr niedrigen FPS kann es manchmal zu Stottern kommen. Anti-Lag reduziert die Eingabeverzögerung, beeinflusst aber die reine FPS-Anzahl nicht direkt.
5. Globale vs. spielspezifische Einstellungen: Ein häufiger Stolperstein
Ein entscheidender Punkt ist der Unterschied zwischen globalen Einstellungen (die für alle Spiele gelten) und spielspezifischen Profilen. Oftmals wird eine Einstellung global deaktiviert, aber für ein einzelnes Spiel unabsichtlich im spielspezifischen Profil aktiviert, oder umgekehrt. Dies kann zu Verwirrung führen und das Problem schwerer aufzuspüren machen.
Jenseits von Adrenalin: Weitere potenzielle Übeltäter
Nicht immer ist die Adrenalin Software allein schuld. Auch andere Faktoren können zu einer FPS-Limitierung führen:
- Monitor-Einstellungen in Windows: Überprüfen Sie, ob Ihr Monitor in den Windows-Anzeigeeinstellungen tatsächlich mit seiner vollen Bildwiederholfrequenz (z.B. 144 Hz) betrieben wird. Manchmal setzt Windows dies fälschlicherweise auf 60 Hz zurück.
- In-Game-Einstellungen: Viele Spiele haben ihre eigenen VSync-Optionen oder integrierte FPS-Limiter. Stellen Sie sicher, dass diese deaktiviert oder auf eine hohe Zahl eingestellt sind.
- Windows Game Bar / Spielemodus: In seltenen Fällen können Funktionen wie die Xbox Game Bar oder der Windows Spielemodus Konflikte verursachen. Versuchen Sie, diese testweise zu deaktivieren.
- Energieeinstellungen: Ein auf „Energiesparmodus” eingestellter Windows-Energieplan oder spezielle Energieoptionen in den AMD-Treibern können die Leistung Ihrer AMD Grafikkarte drosseln.
- Kabelverbindung: Stellen Sie sicher, dass Sie das richtige Kabel (z.B. DisplayPort 1.2+ oder HDMI 2.0+ für hohe Bildwiederholfrequenzen) verwenden und es korrekt angeschlossen ist. Ein älteres HDMI-Kabel könnte z.B. 144 Hz bei höheren Auflösungen nicht unterstützen.
- Treiberkorruption: Selten, aber möglich ist eine beschädigte Treiberinstallation. Eine saubere Neuinstallation der Grafiktreiber kann Wunder wirken.
Die Lösung: Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Behebung des Problems
Lassen Sie uns nun die Maßnahmen ergreifen, um Ihre AMD Grafikkarte aus der 60-FPS-Falle zu befreien und die volle Gaming Performance wiederherzustellen.
Vorbereitung:
Bevor Sie beginnen, ist es ratsam, Ihre aktuellen AMD Adrenalin-Einstellungen zu notieren oder Screenshots zu erstellen, falls Sie etwas zurücksetzen müssen. Stellen Sie außerdem sicher, dass Ihre Grafiktreiber auf dem neuesten Stand sind.
Schritt 1: Überprüfung der globalen Radeon Adrenalin-Einstellungen
- Öffnen Sie die AMD Adrenalin Software. Sie finden sie normalerweise über das System-Tray-Icon oder indem Sie mit der rechten Maustaste auf den Desktop klicken und „AMD Radeon Software” auswählen.
- Navigieren Sie zum Reiter „Gaming” und dann zu „Grafik”. Dies sind die globalen Grafikeinstellungen.
- Radeon Chill: Suchen Sie die Option „Radeon Chill„. Stellen Sie sicher, dass diese Option deaktiviert ist. Wenn Sie sie nutzen möchten, stellen Sie die maximale FPS deutlich über die Bildwiederholfrequenz Ihres Monitors ein (z.B. 200 FPS).
- Frame Rate Target Control (FRTC): Suchen Sie nach „Frame Rate Target Control„. Diese sollte ebenfalls deaktiviert sein. Wenn Sie sie aktiviert lassen möchten, stellen Sie den Regler auf den höchsten Wert (z.B. 300 FPS).
- Vertikale Aktualisierung abwarten (VSync): Suchen Sie nach „Warten auf vertikale Aktualisierung” oder „VSync„. Stellen Sie diese Option auf „Aus, sofern nicht von der Anwendung angegeben” oder einfach „Aus”. Wenn Sie Tearing bemerken und VSync nutzen möchten, stellen Sie sicher, dass Ihr Monitor in Windows auf seine höchste Bildwiederholfrequenz eingestellt ist (siehe Schritt 3), und wählen Sie hier „Immer Ein” oder „Erweitert AMD Optimized”.
- Radeon Enhanced Sync: Diese Option ist in der Regel unbedenklich, aber falls Sie weiterhin Probleme haben, versuchen Sie auch diese zu deaktivieren.
- Radeon Anti-Lag: Diese Option sollte die FPS nicht begrenzen, kann aber bei Problemen testweise deaktiviert werden.
Schritt 2: Überprüfung der spielspezifischen Profile
Manchmal überschreiben spielspezifische Einstellungen die globalen. Dies ist eine häufige Quelle der Verwirrung.
- Gehen Sie im Reiter „Gaming” der AMD Adrenalin Software auf „Spiele”.
- Wählen Sie ein Spiel aus, bei dem Sie die FPS-Limitierung feststellen.
- Überprüfen Sie für dieses spezifische Spiel alle oben genannten Einstellungen (Radeon Chill, FRTC, VSync). Stellen Sie sicher, dass sie wie gewünscht konfiguriert sind. Wenn Sie globale Einstellungen nutzen möchten, stellen Sie sicher, dass die Option „Profil über globale Einstellungen außer Kraft setzen” für die betreffenden Funktionen deaktiviert ist.
- Wiederholen Sie dies für alle betroffenen Spiele.
Schritt 3: Überprüfung der Windows-Anzeigeeinstellungen
Stellen Sie sicher, dass Windows Ihre volle Bildwiederholfrequenz erkennt und nutzt.
- Klicken Sie mit der rechten Maustaste auf den Desktop und wählen Sie „Anzeigeeinstellungen”.
- Scrollen Sie nach unten und klicken Sie auf „Erweiterte Anzeigeeinstellungen”.
- Wählen Sie Ihren Gaming-Monitor aus (falls Sie mehrere haben).
- Suchen Sie unter „Bildwiederholfrequenz (Hz)” die höchste verfügbare Option (z.B. 144 Hz, 240 Hz). Wählen Sie diese aus.
- Bestätigen Sie die Änderungen.
Schritt 4: Überprüfung der spielinternen Einstellungen
Vergessen Sie nicht die Einstellungen direkt im Spiel.
- Starten Sie das betroffene Spiel.
- Navigieren Sie zu den Grafik- oder Video-Einstellungen des Spiels.
- Suchen und deaktivieren Sie jegliche Art von VSync oder FPS-Limiter, die das Spiel anbietet (oft als „Vertikale Synchronisation”, „FPS-Begrenzung”, „Max Frame Rate” bezeichnet). Setzen Sie diese Optionen auf „Aus” oder „Unbegrenzt”.
- Speichern Sie die Änderungen und starten Sie das Spiel bei Bedarf neu.
Schritt 5: Überprüfung weiterer potenzieller Übeltäter
- Windows-Energieplan: Gehen Sie in die Systemsteuerung -> „Hardware und Sound” -> „Energieoptionen”. Stellen Sie sicher, dass „Höchstleistung” oder „Ausbalanciert” ausgewählt ist. Vermeiden Sie den Energiesparmodus beim Spielen.
- AMD Tuning-Einstellungen: In der Adrenalin Software unter „Leistung” -> „Tuning” können Sie Profile für Ihre GPU anpassen. Stellen Sie hier sicher, dass keine ungewollten Stromspar- oder Leistungsbegrenzungen aktiv sind. Standardeinstellungen sind hier meist am besten, es sei denn, Sie haben bewusst Anpassungen vorgenommen.
- Kabelverbindung: Überprüfen Sie, ob Ihr DisplayPort- oder HDMI-Kabel die erforderliche Bandbreite für Ihre Auflösung und Bildwiederholfrequenz bietet. Bei Problemen mit hohen Bildraten kann ein Austausch des Kabels sinnvoll sein.
- Saubere Treiberinstallation: Sollten alle anderen Schritte nicht helfen, ziehen Sie eine saubere Neuinstallation Ihrer AMD Grafiktreiber in Betracht. Nutzen Sie dafür ein Tool wie den Display Driver Uninstaller (DDU) im abgesicherten Modus, um alle alten Treiberreste zu entfernen, bevor Sie die neueste Adrenalin Software von der AMD-Website installieren.
Prävention und bewährte Verfahren
Um zukünftig nicht erneut in die 60-FPS-Falle zu tappen, beachten Sie folgende Tipps:
- Einstellungen verstehen: Nehmen Sie sich die Zeit, die Funktionen der AMD Adrenalin Software kennenzulernen, insbesondere Radeon Chill, FRTC und VSync.
- Nach Updates prüfen: Überprüfen Sie Ihre globalen und spielspezifischen Grafikeinstellungen in Adrenalin nach jedem größeren Grafiktreiber-Update, da Standardeinstellungen zurückgesetzt oder neue Funktionen aktiviert werden können.
- Standardwerte nutzen: Wenn Sie sich unsicher sind, beginnen Sie mit den Standardeinstellungen in Adrenalin und aktivieren oder deaktivieren Sie Funktionen selektiv, während Sie die Auswirkungen überwachen.
- Priorität setzen: Stellen Sie sicher, dass Ihre Monitor-Einstellungen in Windows korrekt sind, bevor Sie sich um Adrenalin oder In-Game-Einstellungen kümmern.
Fazit
Die 60-FPS-Falle kann frustrierend sein, aber in den meisten Fällen ist sie eine Folge fehlkonfigurierter Software-Einstellungen und lässt sich relativ einfach beheben. Mit dieser detaillierten Schritt-für-Schritt-Anleitung sollten Sie in der Lage sein, die versteckten FPS-Limits in Ihrer AMD Adrenalin Software und anderen Systemkomponenten zu identifizieren und zu korrigieren. Befreien Sie Ihre AMD Grafikkarte aus der Fessel und genießen Sie endlich die volle Gaming Performance und die flüssigen Bildraten, für die Sie bezahlt haben. Viel Erfolg beim Zocken!