Die Euphorie ist groß, wenn der Bagger endlich vor der Tür steht und die heiß ersehnten Glasfaserkabel verlegt werden. Die Zukunft des Internets, mit blitzschnellen Geschwindigkeiten und stabilen Verbindungen, rückt in greifbare Nähe. Doch dann folgt oft die Ernüchterung: Wenn du bei den gängigen Internetanbietern die Verfügbarkeit an deiner Adresse überprüfst, erscheint immer noch die Meldung: „Kein Glasfaser verfügbar” oder „Nur DSL/Kabel verfügbar”. Du weißt aber genau, dass du einen Glasfaseranschluss bis ins Haus oder sogar bis in die Wohnung hast. Was steckt dahinter? Diese Frustration ist verständlich, aber es gibt meist plausible Gründe für diese Diskrepanz. Lass uns gemeinsam in die Welt des Glasfaser-Ausbaus eintauchen und die möglichen Ursachen beleuchten.
1. Der Ausbau ist noch nicht abgeschlossen oder die Inbetriebnahme steht aus
Der physische Bau eines Glasfasernetzes ist ein komplexer Prozess, der aus mehreren Phasen besteht. Nur weil die Kabel in der Erde liegen und der Anschlusskasten in deinem Keller montiert ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass der Anschluss auch schon „aktiv” ist. Oft wird zwischen der passiven Infrastruktur (Kabel, Leerrohre, Verteilerkästen) und der aktiven Infrastruktur (die Technik, die das Signal sendet und empfängt) unterschieden. Es kann sein, dass:
- Die gesamte Ausbauregion noch nicht fertiggestellt ist und der Netzbetreiber auf die Fertigstellung weiterer Bereiche wartet, um alles auf einmal in Betrieb zu nehmen.
- Die notwendige aktive Technik (OLT – Optical Line Terminal) in den Hauptverteilerzentren noch nicht installiert oder konfiguriert wurde.
- Es noch Genehmigungen oder Abnahmen gibt, die vor der offiziellen Inbetriebnahme erledigt werden müssen.
- Die internen Prozesse zur Freischaltung und Vermarktung noch nicht angelaufen sind.
Was du tun kannst: Erkundige dich direkt beim Bauherren oder dem ausbauenden Netzbetreiber (oft stehen deren Logos auf den Verteilerkästen oder im Bauschild) nach dem voraussichtlichen Termin der kommerziellen Verfügbarkeit. Manchmal gibt es auch spezielle Portale oder Hotlines für den Ausbaustatus.
2. Das Wholesale-Modell ist noch nicht etabliert oder die Kooperationen fehlen
In Deutschland wird der Glasfaserausbau von einer Vielzahl von Unternehmen vorangetrieben: große Telekommunikationskonzerne, regionale Stadtwerke, private Investoren oder auch kleine lokale Initiativen. Nicht jeder, der ein Glasfasernetz baut, möchte auch selbst die Endkundenprodukte (Internettarife) anbieten. Viele Netzbetreiber setzen auf ein Open-Access-Modell. Das bedeutet, sie öffnen ihr Netz für andere Internetanbieter (ISPs), damit diese ihre eigenen Tarife über diese Infrastruktur anbieten können. Dies fördert den Wettbewerb und bietet den Endkunden mehr Auswahl.
Das Problem: Solche Kooperationsverträge (Wholesale-Verträge) zwischen dem Netzbetreiber und den verschiedenen ISPs müssen erst verhandelt, unterzeichnet und technisch umgesetzt werden. Dieser Prozess kann sehr zeitaufwendig sein. Es ist also gut möglich, dass dein Glasfaseranschluss zwar technisch bereit wäre, aber die großen, dir bekannten Anbieter noch keine Vereinbarung mit dem Betreiber deines lokalen Netzes getroffen haben oder die technische Integration noch nicht abgeschlossen ist.
Was du tun kannst: Finde heraus, wer der tatsächliche Netzbetreiber deines Glasfaseranschlusses ist. Frage dann direkt bei diesem Betreiber nach, welche ISPs bereits auf seinem Netz aktiv sind oder wann dies geplant ist. Manchmal bieten kleinere, lokale Anbieter bereits Tarife an, bevor die großen Player nachziehen.
3. Es handelt sich um ein lokales oder geschlossenes Netz (z.B. durch einen Rahmenvertrag)
Gerade in Mehrfamilienhäusern, Neubaugebieten oder von Wohnungsbaugesellschaften beauftragten Projekten kommt es vor, dass ein bestimmter Anbieter exklusiv für eine bestimmte Dauer (oft 10 Jahre oder länger) die Internetversorgung über Glasfaser übernimmt. In diesem Fall kann der Gebäudeeigentümer (z.B. deine Hausverwaltung) einen Rahmenvertrag mit einem Provider abgeschlossen haben, der besagt, dass nur dieser eine Anbieter seine Dienste über die dort verlegte Glasfaserinfrastruktur anbieten darf. Man spricht hier von einer Inhouse-Verkabelung oder einem geschlossenen Netzteil.
Ähnliche Situationen können bei kommunalen Glasfasernetzen auftreten, die primär von den örtlichen Stadtwerken oder einem regionalen Anbieter betrieben werden und die Kooperation mit externen, überregionalen Anbietern nur zögerlich oder gar nicht vorantreiben.
Was du tun kannst: Erkundige dich bei deiner Hausverwaltung, dem Vermieter oder der Eigentümergemeinschaft, ob ein solcher Vertrag oder eine Exklusivvereinbarung für die Internetversorgung besteht. Falls ja, bist du möglicherweise an diesen einen Anbieter gebunden.
4. Deine Adresse ist in den Datenbanken noch nicht korrekt erfasst oder aktualisiert
Die Datenbanken der großen Telekommunikationsanbieter sind riesig und komplex. Obwohl der Glasfaserausbau in Deutschland mit Hochdruck vorangetrieben wird, hinken die Aktualisierungen dieser Datenbanken manchmal hinterher. Es kann folgende Probleme geben:
- Deine genaue Adresse (Hausnummer, Stockwerk, Wohneinheit) ist noch nicht als glasfaserversorgt markiert, obwohl der Anschluss physisch existiert.
- Es gibt eine neue Adresse oder eine Umbenennung, die noch nicht in allen Systemen synchronisiert ist.
- Die Verfügbarkeitsprüfer der Anbieter sind nicht immer 100% genau und arbeiten mit einem gewissen Zeitverzug. Manchmal sind sie auch noch auf die alte Infrastruktur (Kupferkabel) optimiert.
Was du tun kannst: Versuche, die Verfügbarkeit bei verschiedenen Anbietern zu prüfen, und gib dabei auch leicht abweichende Adressdetails ein (z.B. „Straße Hausnummer” statt „Straße Nr. Hausnummer”). Manchmal hilft auch ein direkter Anruf bei der Hotline des Anbieters, da die Mitarbeiter oft auf aktuellere interne Daten zugreifen können als der öffentliche Verfügbarkeitscheck. Halte dabei alle Informationen zum Ausbau (wer hat gebaut, wann wurde der Anschluss gelegt) bereit.
5. Verwechslung zwischen FTTH, FTTB und FTTC – oder fehlende Inhausverkabelung
Der Begriff „Glasfaseranschluss” wird oft pauschal verwendet, doch es gibt feine, aber entscheidende Unterschiede, die für die Verfügbarkeit bei den Anbietern wichtig sind:
- FTTC (Fiber to the Curb): Glasfaser bis zum Verteilerkasten am Straßenrand. Die letzte Meile bis zum Haus erfolgt dann über Kupferkabel. Dies ist technisch gesehen kein reiner Glasfaseranschluss bis ins Haus.
- FTTB (Fiber to the Building): Glasfaser bis ins Gebäude (z.B. in den Keller), aber die Verteilung innerhalb des Gebäudes zu den einzelnen Wohnungen erfolgt oft über vorhandene Kupfer- oder Koaxialkabel. Für einen echten FTTH-Anschluss in der Wohnung müsste auch die Inhouse-Verkabelung mit Glasfaser realisiert werden.
- FTTH (Fiber to the Home): Glasfaser direkt bis in deine Wohnung. Dies ist der „echte” Glasfaseranschluss und die Basis für höchste Geschwindigkeiten.
Wenn du zwar FTTB hast, aber noch keine Inhausverkabelung bis zu deiner Wohnung (oder nur ein einfacher Medienkonverter im Keller steht), könnten die Anbieter, die explizit FTTH-Anschlüsse vermarkten, deine Adresse nicht als verfügbar listen. Auch wenn der Glasfaseranschluss bis ins Haus liegt, muss das Signal auch in deine Wohnung gelangen. Hierfür sind oft zusätzliche Installationsarbeiten und spezielle Endgeräte (ONT – Optical Network Terminal) erforderlich.
Was du tun kannst: Kläre genau, welche Art von Glasfaseranschluss bei dir vorliegt und ob die Inhausverkabelung bis zu deiner Wohnung bereits abgeschlossen ist. Sprich gegebenenfalls mit dem ausbauenden Unternehmen oder deiner Hausverwaltung über die weiteren Schritte zur Realisierung von FTTH.
6. Technische Hürden oder noch nicht abgeschlossene technische Einrichtung
Auch nach der Verlegung und der theoretischen Aktivierung können technische Details die Bereitstellung verzögern:
- Fehlende oder defekte Komponenten: Manchmal sind einzelne Komponenten im Netz oder an deinem Hausanschluss defekt oder fehlen noch.
- Provisionierungsprobleme: Der Anschluss muss im System des Netzbetreibers korrekt provisioniert und für die jeweiligen Dienste freigeschaltet werden. Dies kann manchmal haken.
- Qualitätssicherung: Bevor ein Netz für Endkunden geöffnet wird, werden umfangreiche Tests durchgeführt, um die Stabilität und Leistung zu gewährleisten.
Was du tun kannst: Auch hier ist der direkte Kontakt zum Netzbetreiber die beste Wahl. Er kann den Status deines spezifischen Anschlusses prüfen und feststellen, ob technische Probleme die Freischaltung verzögern.
7. Du überprüfst die Verfügbarkeit beim falschen Anbieter
Dieser Punkt mag banal klingen, wird aber oft übersehen. Nicht jeder Internetanbieter kooperiert mit jedem Glasfaser-Netzbetreiber. Gerade in ländlichen Regionen oder bei kommunalen Ausbauten sind es oft lokale oder kleinere überregionale Anbieter, die zuerst auf dem neuen Netz aufschalten. Die großen Player wie die Telekom, Vodafone oder O2 folgen manchmal erst später – oder gar nicht, wenn keine wirtschaftliche Einigung erzielt wird.
Was du tun kannst: Versuche herauszufinden, *wer* das Glasfasernetz an deiner Adresse gebaut hat. Oft gibt es auf der Website dieses Netzbetreibers eine Liste der kooperierenden Internetanbieter oder einen eigenen Verfügbarkeitscheck, der dir genau anzeigt, welche Tarife du buchen kannst. Dies ist der wichtigste Schritt, um Klarheit zu schaffen.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Frustration, einen Glasfaseranschluss im Haus zu haben, aber keine Angebote zu finden, ist verständlich. Doch wie du siehst, gibt es vielfältige Gründe dafür, die selten auf einen einzelnen Faktor zurückzuführen sind. Der Ausbau und die Kommerzialisierung von Glasfasernetzen sind komplexe Prozesse, die Zeit und Koordination erfordern.
Die wichtigsten Schritte für dich:
- Identifiziere den Netzbetreiber: Finde heraus, welches Unternehmen das Glasfasernetz bei dir gebaut und betreibt. Dies ist der zentrale Ansprechpartner. Logos auf Verteilerkästen, Baustellenschilder oder die Nachfrage bei Nachbarn, Vermieter oder der Gemeinde können helfen.
- Kontaktiere den Netzbetreiber direkt: Frage nach dem aktuellen Status deines Anschlusses, der voraussichtlichen Inbetriebnahme und einer Liste der kooperierenden Internetanbieter.
- Prüfe deine Adressdaten genau: Stelle sicher, dass du beim Verfügbarkeitscheck die exakten Adressdaten eingibst.
- Informiere dich über die Art des Anschlusses: Kläre, ob du wirklich FTTH (bis in die Wohnung) hast oder ob noch interne Verkabelungsarbeiten nötig sind.
- Sei geduldig: Manchmal dauert es einfach noch ein wenig, bis alle technischen und kommerziellen Voraussetzungen geschaffen sind.
Gib nicht auf! Der Glasfaserausbau schreitet stetig voran, und mit den richtigen Informationen und ein wenig Hartnäckigkeit wirst du bald die volle Power deines Glasfaseranschlusses nutzen können.