Alarmstufe Rot: Nach dem Grafikkartentausch wird die Karte in Sekunden 90°+ heiß – sofort handeln!

Der Moment, auf den sich jeder Enthusiast freut: Eine brandneue, leistungsstarke Grafikkarte zieht in den PC ein. Die Vorfreude ist riesig, man kann es kaum erwarten, die ersten Spiele in gestochen scharfer Grafik zu erleben oder komplexe Anwendungen zu befeuern. Doch dann der Schock: Nach dem Einbau und dem ersten Start schießt die Temperatur der Grafikkarte innerhalb von Sekunden auf über 90 Grad Celsius – und das, obwohl noch gar keine Last anliegt! Dieser Artikel ist Ihr SOS-Guide für genau diese Horrorsituation. Wir erklären Ihnen, warum das passiert, wie Sie sofort handeln müssen und welche systematischen Schritte Sie unternehmen können, um das Problem zu lösen.

Die Schockdiagnose: 90°C+ in Sekunden – Was bedeutet das?

Eine Grafikkarte, die im Leerlauf oder direkt nach dem Start über 90°C erreicht, ist ein klares Zeichen für ein massives Problem. Normalerweise sollte eine Grafikkarte im Idle-Zustand – also ohne anspruchsvolle Anwendungen oder Spiele – Temperaturen zwischen 30 und 50°C aufweisen. Selbst unter Volllast sind Temperaturen über 85°C bereits kritisch und führen oft zu sogenanntem „Thermal Throttling“, bei dem die Karte ihre Leistung drosselt, um sich selbst zu schützen. Das Überschreiten der 90-Grad-Marke innerhalb kürzester Zeit und ohne erkennbare Last ist jedoch ein absolutes Warnsignal und kann zu dauerhaften Schäden an der Hardware führen.

In diesem Fall ist es höchstwahrscheinlich, dass die Kühlung der Grafikkarte entweder gar nicht funktioniert oder massiv behindert wird. Das kann verschiedene Ursachen haben, von simplen Installationsfehlern bis hin zu einem Hardwaredefekt. Eines ist jedoch klar: Ignorieren Sie dieses Problem auf keinen Fall! Jeder weitere Sekundenbruchteil unter solchen Bedingungen kann Ihre teure neue Grafikkarte unwiederbringlich beschädigen.

Erste Hilfe: Der Not-Aus ist Pflicht!

Bevor Sie überhaupt über weitere Schritte nachdenken, muss das System sofort heruntergefahren werden. Es gibt hier keine Zeit für Tests, keine Zeit für Software-Checks – die primäre Priorität ist der Schutz Ihrer Hardware.

1. PC sofort ausschalten: Halten Sie den Einschaltknopf Ihres PCs gedrückt, bis er sich komplett abschaltet. Alternativ können Sie auch direkt den Netzschalter Ihres Netzteils umlegen oder den Stecker aus der Steckdose ziehen, um eine sofortige Stromunterbrechung zu gewährleisten.
2. Netzstecker ziehen: Entfernen Sie den Netzstecker aus der Steckdose, um sicherzustellen, dass keine Restspannung im System verbleibt.
3. Abkühlen lassen: Lassen Sie den PC mindestens 15-30 Minuten komplett abkühlen, bevor Sie weitere Schritte unternehmen.

Versuchen Sie nicht, den PC erneut zu starten, um „mal eben nachzusehen“. Das Risiko, dass Sie Ihre Karte endgültig grillen, ist viel zu hoch. Jetzt ist eine systematische Fehlersuche gefragt.

Systematisches Troubleshooting: Den Übeltäter finden

Nachdem der erste Schock überwunden ist und der PC sicher ausgeschaltet wurde, geht es ans Eingemachte. Wir werden Schritt für Schritt mögliche Ursachen durchgehen. Bleiben Sie ruhig und arbeiten Sie die Punkte sorgfältig ab.

Schritt 1: Die physische Inspektion – Häufige Fallen

Die häufigsten Ursachen für sofortige Überhitzung nach dem Einbau sind physischer Natur und relativ einfach zu beheben. Hier liegt das größte Potenzial für eine schnelle Lösung.

a) Die Schutzfolie: Der stille Killer

Glauben Sie es oder nicht, dies ist die häufigste Ursache für sofortige Überhitzung bei neuen Grafikkarten. Viele Hersteller schützen die Kontaktflächen des Kühlkörpers mit einer hauchdünnen, transparenten Plastikfolie oder einem Aufkleber, um Kratzer während des Transports zu vermeiden. Diese Folie muss VOR dem Einbau entfernt werden. Wenn sie draufbleibt, kann der Kühlkörper keinen direkten Kontakt zum Grafikchip herstellen, und die Wärmeabfuhr ist praktisch nicht existent.

• Was tun? Bauen Sie die Grafikkarte wieder aus. Untersuchen Sie die Unterseite des Kühlkörpers, der direkt auf dem GPU-Chip aufliegt. Achten Sie auf eine Schutzfolie oder einen Aufkleber. Dieser kann transparent oder mit Hinweisen wie „REMOVE BEFORE USE” versehen sein. Ziehen Sie ihn vorsichtig ab. Prüfen Sie auch, ob die Wärmeleitpads für die Speicherchips oder Spannungswandler richtig positioniert sind und keine Folien mehr tragen.

b) Stromversorgung: Genug Saft und richtig verbunden?

Moderne Grafikkarten benötigen erhebliche Mengen an Strom, der über spezielle PCIe-Stromkabel (6-Pin, 8-Pin oder 12-Pin) direkt vom Netzteil kommt. Eine unzureichende oder fehlerhafte Stromversorgung kann zu instabilem Betrieb, Abstürzen oder im schlimmsten Fall zu Überhitzung führen, wenn Komponenten nicht korrekt arbeiten.

• Was tun?
  • Alle Anschlüsse prüfen: Stellen Sie sicher, dass alle erforderlichen PCIe-Stromkabel von Ihrem Netzteil an die Grafikkarte angeschlossen sind. Manche Karten benötigen zwei 8-Pin-Anschlüsse, andere einen 6-Pin und einen 8-Pin. Lesen Sie im Handbuch Ihrer Grafikkarte nach, wie viele und welche Art von Anschlüssen benötigt werden.
  • Fester Sitz: Prüfen Sie, ob jeder Stecker fest in der Buchse sitzt und komplett eingerastet ist. Wackeln Sie vorsichtig daran, um sicherzustellen, dass keine lockeren Verbindungen bestehen.
  • Kabel vom Netzteil: Verwenden Sie separate PCIe-Kabelstränge, falls Ihr Netzteil mehrere bietet, anstatt einen einzigen Strang mit mehreren Anschlüssen zu überlasten.
  • Netzteilleistung: Ist Ihr Netzteil überhaupt ausreichend dimensioniert für die neue Grafikkarte? Eine Unterdimensionierung kann ebenfalls zu Problemen führen. Überprüfen Sie die Wattangabe Ihres Netzteils und die Empfehlung des Grafikkartenherstellers.

c) Korrekter Sitz im PCIe-Slot

Die Grafikkarte muss vollständig und gerade im PCIe-Slot des Mainboards sitzen. Ein schiefer oder nur teilweise eingerasteter Sitz kann zu Kontaktproblemen und Fehlfunktionen führen.

• Was tun? Nehmen Sie die Grafikkarte vorsichtig aus dem Slot und setzen Sie sie erneut ein. Achten Sie darauf, dass sie mit einem deutlichen „Klick“ einrastet und die Halterung am Slot fest verschlossen ist. Prüfen Sie auch, ob die Verriegelung des Slots selbst intakt ist.

d) Kühlkörper-Montage (Relevanz bei neuer Karte gering, bei gebraucht/Refurbished wichtig)

Wenn es sich um eine brandneue Karte handelt, ist ein Fehler bei der Montage des Kühlkörpers ab Werk unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Bei einer gebrauchten oder selbst umgebauten Karte ist dies ein kritischer Punkt.

• Was tun? Prüfen Sie visuell, ob der Kühlkörper plan auf dem Grafikchip aufliegt und alle Montageschrauben fest angezogen sind. Seien Sie hierbei sehr vorsichtig, da ein zu starkes Anziehen Schäden verursachen kann. Bei gebrauchten Karten könnte auch die Wärmeleitpaste ausgetrocknet oder unzureichend sein. Ein kompletter Wechsel der Wärmeleitpaste wäre hier eine Option, aber das ist ein fortgeschrittener Schritt und sollte nur durchgeführt werden, wenn man sich damit auskennt und bereit ist, die Garantie möglicherweise zu gefährden.

Schritt 2: Software und Treiber – Unsichtbare Probleme

Manchmal können Softwarekonflikte oder veraltete Treiber zu Problemen führen, auch wenn sie seltener für *sofortige* 90°C+ im Leerlauf verantwortlich sind. Dennoch ist dieser Schritt essenziell.

a) Alte Treiberreste entfernen (DDU)

Wenn Sie von einer Grafikkarte eines anderen Herstellers (z.B. von AMD zu NVIDIA oder umgekehrt) gewechselt haben, oder auch nur von einer älteren Generation zur neuen, können alte Treiberreste zu Konflikten führen. Der „Display Driver Uninstaller“ (DDU) ist hier das Werkzeug der Wahl.

• Was tun?
  1. Laden Sie DDU von der offiziellen Quelle (z.B. Guru3D) herunter und entpacken Sie es.
  2. Starten Sie Ihren PC im abgesicherten Modus (Anleitung dazu finden Sie online, meist über die Einstellungen oder durch Drücken einer Taste wie F8/Shift+Neustart).
  3. Führen Sie DDU aus, wählen Sie den Grafikkartentreiber-Hersteller (NVIDIA oder AMD) und wählen Sie „Bereinigen und neu starten”.
  4. Lassen Sie den PC neu starten.

b) Aktuelle Treiber installieren

Ohne die richtigen Treiber läuft die Grafikkarte oft nur im Basismodus, was zwar nicht direkt zu 90°C führt, aber für den Normalbetrieb unerlässlich ist.

• Was tun? Laden Sie nach der DDU-Reinigung die neuesten Grafiktreiber direkt von der offiziellen Webseite des Grafikkartenherstellers (NVIDIA oder AMD) herunter. Installieren Sie diese, am besten im Modus „Neuinstallation“ oder „Saubere Installation“, falls angeboten.

c) BIOS/UEFI-Einstellungen prüfen

Auch wenn unwahrscheinlich, können falsche BIOS/UEFI-Einstellungen Probleme verursachen.

• Was tun? Starten Sie den PC und gehen Sie ins BIOS/UEFI (meist durch Drücken von DEL, F2 oder F10 beim Start).
  • Setzen Sie die Einstellungen auf Standardwerte zurück (Option „Load Default Settings” oder „Optimized Defaults”).
  • Überprüfen Sie, ob der PCIe-Slot, in dem die Grafikkarte steckt, korrekt konfiguriert ist (z.B. auf Auto oder die korrekte Generation, also Gen3 oder Gen4).

Schritt 3: Weitere Diagnoseschritte und Kreuztests

Wenn die bisherigen Schritte keine Besserung gebracht haben, müssen Sie tiefer graben, um den Fehler einzugrenzen.

a) Anderer PCIe-Slot

Es ist möglich, dass der von Ihnen verwendete PCIe-Slot auf Ihrem Mainboard defekt ist.

• Was tun? Falls Ihr Mainboard über einen zweiten, vollwertigen PCIe-x16-Slot verfügt, bauen Sie die Grafikkarte dort ein und testen Sie erneut. (Aber nur, wenn die Schutzfolie entfernt und die Stromversorgung geprüft wurde!)

b) Zweit-PC oder anderes Netzteil

Um festzustellen, ob das Problem an der Grafikkarte selbst oder am restlichen System liegt, kann ein Kreuztest hilfreich sein.

• Was tun?
  • Grafikkarte in anderem PC testen: Wenn Sie Zugang zu einem anderen PC haben, bauen Sie die problematische Grafikkarte dort ein und prüfen Sie die Temperaturen. Wenn sie auch dort überhitzt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Karte selbst defekt ist.
  • Anderes Netzteil testen: Falls Sie ein Ersatznetzteil zur Hand haben, tauschen Sie es aus. Ein defektes Netzteil kann instabile Spannungen liefern, die zu Fehlfunktionen der Grafikkarte führen können.

c) Alte Grafikkarte wieder einbauen

Um sicherzustellen, dass der Rest Ihres Systems einwandfrei funktioniert, können Sie Ihre alte, funktionierende Grafikkarte wieder einbauen.

• Was tun? Wenn mit der alten Karte alles normal läuft, wissen Sie, dass Mainboard, CPU, RAM und die restliche Peripherie in Ordnung sind, und das Problem tatsächlich an der neuen Karte oder deren Zusammenspiel mit dem System liegt.

d) Lüfter-Check der Grafikkarte

Moderne Grafikkartenlüfter drehen sich oft erst ab einer bestimmten Temperaturschwelle (Zero-RPM-Modus). Bei über 90°C sollten sie sich aber definitiv drehen.

• Was tun? Beobachten Sie beim nächsten (kurzen!) Start, ob die Lüfter der Grafikkarte sich überhaupt bewegen. Wenn nicht, ist dies ein starkes Indiz für einen Defekt des Kühlers oder dessen Ansteuerung. Benutzen Sie eine Software wie MSI Afterburner (aber nur sehr kurz, um die Lüfter manuell auf eine höhere Drehzahl zu stellen), um zu sehen, ob sie reagieren.

Wann ist die Grafikkarte defekt? RMA und Gewährleistung

Wenn Sie alle oben genannten Schritte sorgfältig durchgeführt haben und die Grafikkarte immer noch sofort überhitzt, ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass die Karte einen Hardwaredefekt aufweist. In diesem Fall handelt es sich wahrscheinlich um einen sogenannten DOA (Dead On Arrival) oder einen Produktionsfehler.

• Was tun?
  • Dokumentieren Sie alles: Notieren Sie sich die durchgeführten Schritte und die beobachteten Symptome. Machen Sie Fotos oder Videos, die das Problem belegen.
  • Kontaktieren Sie den Händler: Wenden Sie sich umgehend an den Verkäufer oder den Hersteller, um einen Garantieanspruch oder eine Rücksendung (RMA) zu initiieren. Beschreiben Sie das Problem präzise und teilen Sie mit, welche Schritte Sie bereits unternommen haben.
  • Verpackung aufbewahren: Bewahren Sie alle Originalverpackungen und Zubehörteile auf.

Lassen Sie sich nicht entmutigen. Solche Fälle sind ärgerlich, aber die Gewährleistung schützt Sie vor solchen Produktionsfehlern.

Prävention ist alles: Tipps für den nächsten Einbau

Um zukünftige Probleme zu vermeiden und den Grafikkartentausch reibungslos zu gestalten, hier einige bewährte Tipps:

• Handbuch lesen: Werfen Sie immer einen Blick in die Anleitung Ihrer neuen Hardware. Dort finden sich oft wichtige Hinweise zur Installation.
• Ruhe bewahren: Nehmen Sie sich Zeit für den Einbau. Hektik führt oft zu Fehlern.
• Antistatische Vorkehrungen: Berühren Sie vor dem Einbau geerdete Metallteile (z.B. Heizung) oder verwenden Sie ein Antistatikarmband, um Schäden durch elektrostatische Entladung zu vermeiden.
• Sauberkeit: Halten Sie Ihren Arbeitsplatz sauber und gut beleuchtet.
• Kabelmanagement: Achten Sie auf eine ordentliche Verlegung der Kabel, um den Luftstrom im Gehäuse nicht zu behindern. Eine gute Gehäusebelüftung ist entscheidend für die langfristige Stabilität der GPU-Temperaturen.
• Überwachung: Nutzen Sie nach dem erfolgreichen Einbau Software wie HWMonitor, GPU-Z oder MSI Afterburner, um die Temperaturen Ihrer Gaming PC Grafikkarte regelmäßig zu überwachen, besonders unter Last.

Fazit: Bleiben Sie cool und handeln Sie besonnen!

Eine Grafikkarte, die nach dem Einbau sofort auf über 90°C heizt, ist ein ernstes Problem, das sofortiges Handeln erfordert. Der Schlüssel liegt darin, Panik zu vermeiden und stattdessen methodisch vorzugehen. Beginnen Sie immer mit den einfachsten und häufigsten Ursachen wie der vergessenen Schutzfolie oder der korrekten Stromversorgung, bevor Sie sich komplexeren Fehlern zuwenden.

Mit der richtigen Vorgehensweise können Sie das Problem in den meisten Fällen selbst beheben oder zumindest genau eingrenzen, um einen reibungslosen Austausch oder eine Reparatur durch den Händler zu gewährleisten. Viel Erfolg beim Troubleshooting – und möge Ihre neue Grafikkarte bald mit optimalen Temperaturen laufen!