Jeder kennt es: Man ist in Eile, der Automat spinnt, man hat kein Kleingeld, oder man hat schlicht vergessen, ein Ticket zu kaufen. Doch wenn der Kontrolleur zusteigt und Sie ohne gültigen Fahrschein erwischt, kann aus einem kleinen Versehen schnell ein großes Problem werden. Schwarzfahren ist in Deutschland kein Kavaliersdelikt, sondern eine Handlung mit ernsthaften finanziellen und rechtlichen Konsequenzen. Dieser Artikel beleuchtet umfassend, welche Strafen auf Sie zukommen können – von der ersten Verwarnung bis hin zu dauerhaften Einträgen in Ihrer Akte.
Die erste Begegnung mit dem Kontrolleur: Was passiert wirklich?
Das Szenario ist klassisch: Sie sitzen im Bus, in der Tram oder in der Bahn, vielleicht vertieft in Ihr Smartphone oder Ihre Gedanken, und plötzlich hören Sie die Aufforderung: „Die Fahrscheine, bitte!” Wenn Sie dann keinen gültigen Fahrschein vorweisen können, beginnt die Prozedur. Zunächst wird der Kontrolleur Ihre Personalien aufnehmen wollen. Hier ist es wichtig, kooperativ zu sein und wahrheitsgemäße Angaben zu machen.
Das Erhöhte Beförderungsentgelt (EBE): Die erste finanzielle Konsequenz
Die unmittelbarste Folge des Schwarzfahrens ist die Zahlung eines sogenannten Erhöhten Beförderungsentgelts (EBE). Die Höhe dieses Entgelts ist gesetzlich geregelt und beträgt bundesweit aktuell 60 Euro. Hinzu kommt oft der reguläre Fahrpreis für die zurückgelegte Strecke oder eine pauschale Strecke. Dieses EBE ist keine Strafe im strafrechtlichen Sinne, sondern eine zivilrechtliche Forderung des Verkehrsunternehmens aufgrund eines Verstoßes gegen seine Beförderungsbedingungen, denen Sie mit dem Betreten des Fahrzeugs zugestimmt haben.
Sie erhalten in der Regel eine schriftliche Zahlungsaufforderung oder einen Beleg direkt vom Kontrolleur. Die Zahlung muss dann innerhalb einer bestimmten Frist, meist 14 Tage, erfolgen. Bezahlen Sie innerhalb dieser Frist, ist die Angelegenheit in der Regel für das Verkehrsunternehmen erledigt – zumindest zivilrechtlich.
Was, wenn man kein Geld hat oder den Ausweis vergessen hat?
Viele Schwarzfahrer geraten in Panik, wenn sie ohne gültigen Fahrschein erwischt werden und dann weder Bargeld noch einen Ausweis dabei haben. Wenn Sie das EBE nicht sofort bezahlen können, wird Ihnen eine Zahlungsaufforderung mitgeteilt. Schwieriger wird es, wenn Sie keine Personalien angeben können oder wollen. Der Kontrolleur ist berechtigt, die Polizei hinzuzuziehen, um Ihre Identität festzustellen. Dies kann zu zusätzlichen Verzögerungen und potenziell weiteren Kosten führen, falls beispielsweise eine Polizeistreife ausrücken muss. Beharrliches Verweigern der Auskunft oder das Angeben falscher Personalien kann zudem strafrechtliche Konsequenzen wegen Betruges oder Urkundenfälschung nach sich ziehen.
Wichtig: Wenn Sie vergessen haben, Ihr gültiges Abo-Ticket (z.B. ein Deutschlandticket auf dem Handy) bei sich zu tragen, sollten Sie dies dem Kontrolleur mitteilen. Oftmals kann das EBE dann auf eine Bearbeitungsgebühr von 7 Euro reduziert werden, wenn Sie das gültige Ticket innerhalb einer bestimmten Frist beim Verkehrsunternehmen vorlegen. Diese Kulanzregelung gilt jedoch nur für tatsächlich bestehende und zum Zeitpunkt der Kontrolle gültige Abonnements.
Mehr als nur 60 Euro: Die rechtliche Einordnung von Schwarzfahren
Schwarzfahren ist nicht nur eine zivilrechtliche Angelegenheit, die mit der Zahlung des EBE erledigt ist. Es hat auch eine strafrechtliche Dimension, die viele unterschätzen.
Zivilrecht vs. Strafrecht: Eine wichtige Unterscheidung
Das Erhöhte Beförderungsentgelt ist, wie erwähnt, eine zivilrechtliche Forderung. Es ist der Ersatz für die nicht erbrachte Leistung und die entstandenen Bearbeitungskosten. Parallel dazu kann Schwarzfahren jedoch auch als Straftat gewertet werden.
Strafrechtlich: Der Tatbestand des § 265a StGB (Erschleichen von Leistungen)
Im deutschen Strafgesetzbuch ist Schwarzfahren als „Erschleichen von Leistungen” unter § 265a StGB geregelt. Dieser Paragraph besagt, dass, wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Unternehmens in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird. Der Vorsatz, also die bewusste Absicht, ohne Bezahlung zu fahren, ist hier entscheidend. Einmaliges, versehentliches Fahren ohne Ticket wird selten direkt strafrechtlich verfolgt, es sei denn, Sie haben sich geweigert, Ihre Personalien anzugeben oder falsche Angaben gemacht.
Anders sieht es bei Wiederholungstätern aus. Die Verkehrsbetriebe führen Register über die erfassten Fälle von Schwarzfahren. Wer mehrfach ohne gültigen Fahrschein erwischt wird, wird in der Regel wegen Erschleichen von Leistungen zur Anzeige gebracht. Dann wird aus der zivilrechtlichen Angelegenheit eine strafrechtliche.
Schwarzfahren ist kein Einzelfall: Die Konsequenzen für Wiederholungstäter
Wenn Sie mehrfach innerhalb eines kurzen Zeitraums (oftmals drei oder mehr Fälle innerhalb von sechs Monaten oder einem Jahr) ohne Ticket erwischt werden, oder wenn Sie sich bei der Kontrolle uneinsichtig zeigen oder falsche Angaben machen, reichen die Verkehrsbetriebe eine Strafanzeige gegen Sie ein. Dies führt zu einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft.
Anzeige und Ermittlungsverfahren
Nach einer Strafanzeige werden Sie Post von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erhalten, oft mit einer Vorladung zur Vernehmung oder einem Anhörungsbogen. Hier haben Sie das Recht, einen Anwalt zu konsultieren und die Aussage zu verweigern. Nehmen Sie eine solche Vorladung ernst, denn sie markiert den Übergang vom zivilrechtlichen Konflikt zu einem strafrechtlichen Verfahren.
Geldstrafe: Berechnung und Höhe
Wird das Verfahren nicht eingestellt (z.B. gegen eine Geldbuße), kommt es häufig zu einem Strafbefehl oder einer Gerichtsverhandlung. Im Falle einer Verurteilung droht in erster Linie eine Geldstrafe. Die Höhe der Geldstrafe wird in Tagessätzen berechnet, deren Anzahl sich nach der Schwere der Tat und der Anzahl der Wiederholungen richtet. Die Höhe eines Tagessatzes wiederum orientiert sich an Ihrem Nettoeinkommen. Eine Geldstrafe wegen Schwarzfahrens kann mehrere hundert bis über tausend Euro betragen, je nach Einkommen und Anzahl der Taten.
Gerichtsverhandlung und Vorstrafenregister
Wenn Sie einen Strafbefehl nicht akzeptieren oder die Staatsanwaltschaft eine Verhandlung anordnet, kann es zu einem Gerichtsprozess kommen. Eine Verurteilung wegen Schwarzfahrens kann, je nach Höhe der Tagessätze, einen Eintrag im Bundeszentralregister nach sich ziehen und Sie somit als vorbestraft ausweisen. Zwar gelten Geldstrafen unter 90 Tagessätzen in der Regel nicht als Eintrag im Führungszeugnis (das bei Bewerbungen vorgelegt wird), aber sie sind im Bundeszentralregister vermerkt und können bei zukünftigen Verfahren oder Sicherheitsüberprüfungen relevant werden.
Im schlimmsten Fall: Freiheitsstrafe
Obwohl selten, ist im äußersten Fall sogar eine Freiheitsstrafe möglich. Dies betrifft meist extrem hartnäckige Wiederholungstäter, die bereits mehrfach zu Geldstrafen verurteilt wurden und diese nicht bezahlen. Dann kann eine nicht bezahlte Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt werden. Jeder Tagessatz entspricht dabei einem Tag Haft. Dies ist die absolute Ultima Ratio des Staates, doch sie zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der Schwarzfahren rechtlich behandelt wird.
Der Schatten auf der Kreditwürdigkeit: Schufa und Co.
Neben den unmittelbaren finanziellen und strafrechtlichen Folgen kann Schwarzfahren auch langfristige Auswirkungen auf Ihre finanzielle Reputation haben – insbesondere auf Ihre Schufa-Bewertung.
Wie kommt es zur Schufa-Eintragung?
Wenn Sie das Erhöhte Beförderungsentgelt nicht fristgerecht bezahlen, leiten die Verkehrsbetriebe oft ein Inkassoverfahren ein. Bleiben diese Mahnungen und Forderungen ebenfalls unbeantwortet, kann dies zu einem gerichtlichen Mahnbescheid oder einem Vollstreckungsbescheid führen. Wird eine solche Forderung tituliert und über einen längeren Zeitraum nicht beglichen, kann dies zu einem negativen Eintrag bei Auskunfteien wie der SCHUFA führen. Ein gerichtlicher Mahnbescheid ist ein sicheres Zeichen dafür, dass das Verkehrsunternehmen seine Forderung durchsetzen will.
Folgen eines negativen Schufa-Eintrags
Ein negativer Schufa-Eintrag kann weitreichende Konsequenzen haben und Ihre Kreditwürdigkeit erheblich beeinträchtigen. Dies kann sich in vielen Lebensbereichen bemerkbar machen:
- Wohnungssuche: Viele Vermieter verlangen eine Schufa-Auskunft. Ein negativer Eintrag kann dazu führen, dass Sie keine Wohnung bekommen.
- Kreditaufnahme: Banken verweigern Kredite oder vergeben diese nur zu schlechteren Konditionen.
- Verträge: Der Abschluss von Handyverträgen, Internetanschlüssen oder Ratenzahlungsgeschäften wird erschwert oder unmöglich.
- Arbeitsplatzsuche: In bestimmten Berufsfeldern, insbesondere bei Tätigkeiten mit finanzieller Verantwortung, kann ein negativer Schufa-Eintrag ein Einstellungshindernis sein.
Die Konsequenzen eines Schufa-Eintrags können also weit über das eigentliche Schwarzfahren hinausgehen und Sie jahrelang begleiten. Solche Einträge bleiben in der Regel drei Jahre nach Begleichung der Forderung bestehen.
Sonderfälle und Mythen
Rund um das Thema Schwarzfahren kursieren viele Gerüchte und Annahmen. Hier eine Klarstellung zu einigen Sonderfällen und Mythen:
Schwarzfahren bei Minderjährigen: Eltern haften
Werden Minderjährige ohne Ticket erwischt, haften in der Regel die Eltern oder Erziehungsberechtigten für das Erhöhte Beförderungsentgelt. Auch strafrechtlich kann es Folgen haben: Ab 14 Jahren können Jugendliche nach dem Jugendstrafrecht belangt werden, was von Sozialstunden bis hin zu Arrest reichen kann.
Der „vergessene” Fahrschein: Kulanz vs. Pflicht
Wie bereits erwähnt, gibt es bei Abo-Tickets oft eine Kulanzregelung. Aber wenn Sie kein Abo haben und behaupten, Ihr Ticket nur vergessen zu haben, während Sie tatsächlich keines besaßen, hilft dies in der Regel nicht. Die Beweispflicht liegt bei Ihnen.
Kartenlesegerät defekt?
Manchmal kommt es vor, dass Fahrkartenautomaten oder Entwerter defekt sind. In solchen Fällen sollten Sie unbedingt einen anderen Automaten oder Entwerter nutzen oder den Busfahrer direkt ansprechen, um ein Ticket zu kaufen oder den Defekt zu melden. Wenn Sie dennoch ohne Ticket fahren und erwischt werden, müssen Sie beweisen können, dass der Automat wirklich defekt war und keine andere Möglichkeit bestand, ein Ticket zu erwerben. Zeugen oder Fotos können hier hilfreich sein, sind aber keine Garantie, die Strafe abzuwenden.
„Ich bin doch nur eine Station gefahren!”
Die Länge der gefahrenen Strecke spielt keine Rolle. Sobald Sie das Fahrzeug ohne gültigen Fahrschein betreten, erfüllen Sie den Tatbestand des Fahrens ohne gültiges Ticket. Ob eine Station oder zehn – die Konsequenz ist die gleiche.
Prävention und Ratschläge: Was tun, wenn es passiert ist?
Am besten ist es natürlich, gar nicht erst in die Situation zu kommen. Doch wenn es passiert ist, gibt es einige Verhaltensregeln:
- Ruhe bewahren: Auch wenn es unangenehm ist, bleiben Sie höflich und ruhig. Eine Eskalation der Situation ist niemandem dienlich.
- Kooperieren, aber keine falschen Angaben: Geben Sie Ihre Personalien wahrheitsgemäß an. Das Angeben falscher Daten macht die Sache nur schlimmer und kann zu einer Anzeige wegen Betrugs führen.
- Zahlungsfrist einhalten: Begleichen Sie das Erhöhte Beförderungsentgelt fristgerecht. Damit vermeiden Sie weitere Mahngebühren, Inkassokosten und das Risiko eines negativen Schufa-Eintrags oder einer Strafanzeige.
- Bei Abo-Vergessen: Legen Sie Ihr gültiges Abo-Ticket so schnell wie möglich beim Verkehrsunternehmen vor, um die Reduzierung auf die Bearbeitungsgebühr zu erhalten.
- Rechtsberatung suchen: Wenn Sie wiederholt ohne Ticket erwischt wurden, Ihnen eine Strafanzeige droht oder Sie einen Strafbefehl erhalten haben, sollten Sie umgehend einen Anwalt kontaktieren. Dieser kann Ihre Situation bewerten und Sie bestmöglich beraten.
- Alternative Fahrscheinoptionen nutzen: Um zukünftiges Schwarzfahren zu vermeiden, informieren Sie sich über günstige Ticketoptionen wie Monatskarten, Jahresabos (z.B. das Deutschlandticket), Sozialtickets oder Kurzstreckentarife. Viele Verkehrsbetriebe bieten auch Apps an, über die Tickets bequem und schnell gekauft werden können.
Fazit
Schwarzfahren ist weit mehr als ein kleiner Regelverstoß. Die potentiellen Strafen und Konsequenzen reichen von einem erhöhten Beförderungsentgelt über hohe Geldstrafen bis hin zu einem Eintrag ins Vorstrafenregister und einer Belastung Ihrer Kreditwürdigkeit. Diese Folgen können Ihre finanzielle und persönliche Zukunft erheblich beeinflussen. Um sich diesen Risiken nicht auszusetzen, ist der Kauf eines gültigen Tickets die einzig vernünftige und rechtlich einwandfreie Lösung. Planen Sie Ihre Fahrten sorgfältig und stellen Sie sicher, dass Sie immer einen gültigen Fahrschein bei sich haben, um unerwarteten Ärger und erhebliche Kosten zu vermeiden.