Sicher packen: Sind mitgeführte Getränke im aufgegebenen Koffer während des Fluges gefährlich?

Die Urlaubsvorfreude ist groß, der Koffer gepackt – aber halt! Eine Frage beschäftigt viele Reisende immer wieder: Darf ich mein Lieblingsgetränk, den besonderen Wein aus dem Urlaub oder das selbstgemachte Sirup sicher im aufgegebenen Koffer mit auf die Flugreise nehmen? Und noch wichtiger: Ist das überhaupt gefährlich? Während die Regelungen für Flüssigkeiten im Handgepäck den meisten vertraut sind (Stichwort 100ml-Regel), herrscht bei Flüssigkeiten im aufgegebenen Gepäck oft Unsicherheit. Die kurze Antwort lautet: Aus reiner Sicherheitsperspektive sind die meisten Getränke im aufgegebenen Koffer kein Problem. Die wahre Gefahr lauert woanders – nämlich in den physikalischen Gegebenheiten eines Fluges und dem potenziellen Chaos, das ein ausgelaufenes Getränk verursachen kann.

Grundlagen: Gepäckbestimmungen und Sicherheit

Zunächst einmal zur Beruhigung: Im Gegensatz zum Handgepäck gibt es für Flüssigkeiten im aufgegebenen Koffer keine Mengenbegrenzung im Hinblick auf die Behältergröße. Sie können theoretisch eine volle Flasche Wasser, Wein oder Saft einpacken. Die einzigen Ausnahmen sind entzündliche Flüssigkeiten, Gefahrstoffe oder extrem hochprozentiger Alkohol (in der Regel über 70 Volumenprozent, der oft ganz verboten ist, selbst im Frachtraum). Spirituosen zwischen 24 % und 70 % Volumenprozent sind oft mengenmäßig begrenzt (z.B. max. 5 Liter pro Person). Für die meisten gängigen Getränke – ob Wasser, Saft, Limonade oder Wein – gibt es jedoch keine sicherheitstechnischen Einwände seitens der Luftfahrtbehörden, solange sie legal transportiert werden dürfen. Die eigentliche Herausforderung und das „Gefahrenpotenzial” liegt in der Kombination aus Druckveränderungen, rauer Behandlung und der Beschaffenheit der Behälter.

Der Übeltäter: Druckveränderungen in der Flughöhe

Das Herzstück des Problems sind die Druckverhältnisse an Bord eines Flugzeugs. Während der Reise in großer Höhe, oft um die 10.000 Meter (ca. 33.000 Fuß), ist der atmosphärische Druck außerhalb des Flugzeugs erheblich geringer als am Boden. Auch wenn der Frachtraum eines Flugzeugs – ähnlich wie die Passagierkabine – druckreguliert ist, wird er nicht auf Bodenniveau gehalten. Typischerweise wird der Druck im Frachtraum auf eine Höhe von etwa 2.400 Metern (8.000 Fuß) über dem Meeresspiegel simuliert. Das bedeutet, der Druck im Koffer ist immer noch deutlich niedriger als beim Packen am Boden.

Was passiert nun mit Ihren sorgfältig verpackten Getränken? Laut dem Gesetz von Boyle gilt: Nimmt der äußere Druck ab, versucht das Gasvolumen in einem geschlossenen Behälter sich auszudehnen. Bei Flüssigkeiten bedeutet dies, dass sich der geringe Luftraum über der Flüssigkeit in einer Flasche ausdehnt. Bei kohlensäurehaltigen Getränken tritt dies noch verstärkter auf, da das gelöste Kohlendioxid bei geringerem Druck aus der Flüssigkeit entweicht und sich als Gasvolumen zusätzlich ausdehnt. Dieser innere Überdruck kann dazu führen, dass Flaschen undicht werden, Deckel aufspringen oder in extremen Fällen sogar Bersten.

Was kann passieren? Von kleinen Missgeschicken bis zu großen Schäden

Die Auswirkungen eines ausgelaufenen Getränks können von geringfügiger Belästigung bis hin zu erheblichen Schäden reichen:

• Klebriges Desaster: Im besten Fall ist nur die Flasche selbst betroffen. Im schlimmsten Fall ist der gesamte Inhalt Ihres Koffers – Kleidung, Souvenirs, Schuhe – mit dem ausgelaufenen Getränk getränkt. Stellen Sie sich vor, Ihr frisch gewaschenes Hemd ist mit Rotwein oder Limonade getränkt.
• Schäden an Elektronik und Dokumenten: Viele Reisende packen Laptops, Tablets, Kameras oder wichtige Papiere in ihr aufgegebenes Gepäck. Kommt Flüssigkeit damit in Kontakt, drohen irreparable Schäden an elektronischen Geräten und die Zerstörung von wichtigen Dokumenten wie Reisepässen oder Tickets.
• Geruchsbildung: Selbst wenn der Schaden begrenzt bleibt, kann ein ausgelaufenes Getränk einen hartnäckigen Geruch im Koffer hinterlassen, der nur schwer zu entfernen ist.
• Schaden am Koffer selbst: Saure Getränke oder Alkohol können unter Umständen auch das Material des Koffers angreifen, insbesondere bei längerer Einwirkung.
• Ärger bei der Ankunft: Nichts ist ärgerlicher, als nach einem langen Flug einen nassen, klebrigen Koffer öffnen zu müssen und festzustellen, dass man auf dem restlichen Urlaub Kleidung waschen oder gar ersetzen muss.

Nicht nur Druck: Weitere Risikofaktoren

Neben dem Druckabfall gibt es weitere Faktoren, die das Risiko eines Auslaufens erhöhen:

• Raues Gepäckhandling: Koffer werden im Flugbetrieb oft geworfen, gestapelt und hin- und hergeschoben. Eine Flasche, die vielleicht an sich den Druckunterschied aushalten würde, könnte bei einem Stoß oder Fall Risse bekommen oder der Verschluss sich lösen.
• Temperaturschwankungen: Im Frachtraum kann es je nach Flugzeugtyp und Außentemperatur auch kälter werden als im Passagierbereich. Kälte kann die Materialien mancher Flaschen spröde machen und somit anfälliger für Beschädigungen. Auch die Volumenausdehnung bei Temperaturanstieg kann eine Rolle spielen.
• Material und Verschluss der Flasche: Eine dünnwandige Plastikflasche oder ein Behälter mit einem Schraubverschluss, der nicht perfekt sitzt, ist anfälliger als eine robuste Glasflasche mit einem festen Korken oder einem Bügelverschluss – wobei Glas wiederum ein eigenes Risiko birgt (siehe nächster Punkt).

Welche Getränke sind besonders riskant?

Nicht alle Getränke sind gleichermaßen anfällig für die genannten Probleme. Eine Risikoeinschätzung:

• Kohlensäurehaltige Getränke (Sprudelwasser, Limonaden, Bier, Sekt): Diese sind die Spitzenreiter in puncto Auslaufgefahr. Der bereits gelöste Kohlenstoffdioxid-Gehalt erhöht den Innendruck bei sinkendem Außendruck zusätzlich enorm. Ein kleines Schütteln reicht oft schon aus, um den Druck zu potenzieren.
• Glasflaschen (Wein, Spirituosen, Säfte in Glasflaschen): Obwohl Glas stabiler als dünnes Plastik erscheinen mag, ist es spröde und kann bei Stößen oder Schlägen leichter zerspringen. Ein zerbrochener Glasbehälter führt nicht nur zu einem ausgelaufenen Getränk, sondern auch zu scharfen Splittern im Gepäck und potenziellen Schnittverletzungen beim Auspacken.
• Unzureichend verpackte Tetra Paks oder Dosen: Auch diese können unter Druck und durch raue Behandlung undicht werden oder platzen.
• Überfüllte Behälter: Flaschen, die bis zum Rand gefüllt sind, lassen kaum Raum für die Ausdehnung von Luft oder Gas, was den Druck zusätzlich erhöht.

Stille Getränke in stabilen Plastikflaschen (z.B. Wasser, Fruchtsäfte ohne Kohlensäure) sind tendenziell sicherer, aber auch hier ist Vorsicht geboten.

Sicher packen: Praktische Tipps und Tricks

Wenn Sie unbedingt Getränke im aufgegebenen Gepäck mitnehmen möchten, sollten Sie diese Maßnahmen ergreifen, um das Risiko zu minimieren:

1. Auswahl der Behälter: Bevorzugen Sie stabile Plastikflaschen mit fest verschließbaren Schraubverschlüssen. Verzichten Sie möglichst auf Glasflaschen oder Dosen, es sei denn, Sie haben spezielle Schutzmaßnahmen.
2. Nicht randvoll füllen: Lassen Sie immer etwas Luft in der Flasche (mindestens 1-2 cm), damit die sich ausdehnende Luft Platz hat und der Innendruck nicht zu extrem wird.
3. Doppelte Sicherung des Verschlusses:
   • Wickeln Sie den Schraubverschluss fest mit Frischhaltefolie ein und sichern Sie diese zusätzlich mit Klebeband (breites Paketband oder stabiles Isolierband).
   • Noch besser: Legen Sie ein Stück Frischhaltefolie unter den Schraubverschluss, bevor Sie ihn zudrehen, um eine zusätzliche Dichtung zu schaffen.
4. Beutel in Beutel: Verpacken Sie jede einzelne Flasche in mindestens zwei robuste, wiederverschließbare Gefrierbeutel (Zipperbeutel). Drücken Sie dabei so viel Luft wie möglich aus dem Beutel, bevor Sie ihn verschließen. Bei Glasflaschen können Sie zusätzlich einen stabilen Stoffbeutel oder eine Socke als erste Schicht verwenden, um Splitter bei einem Bruch aufzufangen.
5. Polsterung ist das A und O: Umwickeln Sie die eingetüteten Flaschen großzügig mit weicher Kleidung (T-Shirts, Pullover, Handtücher). Dies dient nicht nur als Stoßschutz, sondern absorbiert im Falle eines Lecks auch Flüssigkeit.
6. Positionierung im Koffer: Platzieren Sie die gepolsterten Flaschen mittig im Koffer, umgeben von weiterer Kleidung. Vermeiden Sie es, sie direkt an den Kofferwänden oder neben empfindlichen Gegenständen wie Elektronik oder wichtigen Dokumenten zu platzieren.
7. Spezielle Schutzhüllen: Für Weinflaschen oder Spirituosen gibt es im Handel spezielle, aufblasbare oder gepolsterte Flaschenschutzbeutel (z.B. „Wine Skin”). Diese sind zwar eine Investition, aber sie sind oft die sicherste Option für wertvolle oder empfindliche Flaschen.
8. Menge und Gewicht beachten: Übertreiben Sie es nicht mit der Anzahl der Flaschen. Mehr Flaschen bedeuten mehr Risiko und erhöhen das Gewicht Ihres Koffers, was zu zusätzlichen Gebühren führen kann.

Was ist mit alkoholischen Getränken?

Für alkoholische Getränke gelten oft zusätzliche Regeln, die nicht direkt mit der Auslaufgefahr, sondern mit Zoll- und Sicherheitsbestimmungen zusammenhängen:

• Volumenprozent: Alkohol mit mehr als 70 % Volumenprozent (z.B. einige Absinthe oder hochprozentige Rum-Sorten) ist in der Regel im Flugzeug, sowohl im Handgepäck als auch im aufgegebenen Gepäck, verboten. Alkohol zwischen 24 % und 70 % Volumenprozent ist in begrenzten Mengen (meist bis zu 5 Liter pro Person) erlaubt. Alkohol unter 24 % Volumenprozent (die meisten Weine, Biere) ist ohne spezielle Begrenzung erlaubt.
• Zollfreimengen: Achten Sie auf die Zollfreimengen des Ziellandes. Überschreiten Sie diese, müssen Sie den Alkohol deklarieren und Einfuhrzölle zahlen. Informieren Sie sich vorab über die Bestimmungen.

Fazit: Sicher packen ist entscheidend

Sind mitgeführte Getränke im aufgegebenen Koffer während des Fluges gefährlich? Direkt gefährlich für das Flugzeug oder die Sicherheit des Fluges sind sie in den meisten Fällen nicht, solange es sich nicht um verbotene Substanzen handelt. Die echte „Gefahr” liegt im potenziellen Schaden für Ihr eigenes Gepäck und das Ihrer Mitreisenden (im Falle eines extremen Auslaufens, das den Koffer durchweicht und andere Koffer im Frachtraum in Mitleidenschaft zieht, auch wenn dies selten vorkommt).

Mit der richtigen Vorbereitung und sorgfältigen Verpackung lassen sich die Risiken jedoch erheblich minimieren. Planen Sie ausreichend Zeit für das Verpacken ein, verwenden Sie hochwertige Materialien und seien Sie lieber übervorsichtig als nachlässig. So können Sie Ihr Lieblingsgetränk sicher an Ihr Ziel bringen und ein klebriges, ärgerliches Desaster vermeiden. Im Zweifelsfall oder bei besonders wertvollen Inhalten sollten Sie jedoch in Erwägung ziehen, die Getränke lieber am Zielort zu kaufen oder auf den Transport zu verzichten.